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Nr. 03-04
Notausgabe
5. März 2004

9. Jahrgang online

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Wegen Heesters
Unversöhnliche Holländer gegen gerührte Deutsche.

Von Max Brym 

Er ging nicht ins Maxim, dennoch wurde es am Montag den 9. Februar bei Beckmann sehr intim. Johannes Heesters vergoß Tränen als ihn Reinhold Beckmann in seiner Sendung fragte: „Wie Holland auf seinen hundertsten Geburtstag vor einiger Zeit reagierte“. Zuerst antwortete Hessters noch kurz, er „habe nicht eine Karte, nicht ein Wort erhalten auch vom Konsulat nichts“. Als Beckmann in der TV Talkshow nachhakte, brach Heesters in Tränen aus und konnte nicht weiter sprechen. Seine Ehefrau griff ein und erklärte: „Ich hoffe, dass es doch noch zu einer Versöhnung kommt, es ist sein größter Wunsch“. TV Profi Reinhold Beckmann zeigte sich nach der Sendung betroffen und die deutschen Feuilletons regierten erzürnt über die hartherzigen Holländer. Die Münchner AZ schrieb am 10 Februar: „Königin verzeiht Heesters nicht“ und „Die Tränen rühren Deutschland, lassen aber die Niederlande kalt“.

Woher rührt die Härte der Niederländer?

Johannes Heesters war einer der erklärten Lieblingsschauspieler Hitlers. Der Holländer Heesters machte im nazistischen Deutschland schnell Karriere. Oft besuchte Hitler die Auftritte von Heesters in München am Gärtnerplatztheater. Herr Heesters begab sich oftmals in die Führerloge um mit den braunen Banditen zu schwadronieren. Heesters turnte durch diverse Unterhaltungsfilme des Propagandaministeriums und gab den Liebhaber und Herzensbrecher. Vor einigen Jahren tauchte ein Bild auf, das Heesters im Mai 1941 mit dem Lagerkommandanten von Dachau bei einem Rundgang durch das KZ zeigt. Heesters bemerkte dazu in seinen Memoiren: „Wir bekamen ein normales Häftlingslager gezeigt oder was man sich darunter vorstellte“. Das ist eine reine Schutzbehauptung, denn wer im Mai 1941 Seite an Seite mit einem KZ- Kommandanten das Konzentrationslager Dachau besuchte, muss unglaublich naiv sein, muss nichts sehen und erkennen wollen. Herr Heesters ist nicht verblödet, im Gegenteil er machte seinen Song „Ich werde hundert Jahre alt, darauf könnt ihr bauen“ in ziemlicher geistiger Frische wahr. Das biblische Alter sei ihm gegönnt, aber auch die konsequente Haltung des holländischen Staates. Normalerweise ist es in vielen deutsche Feuilletons und sonstigen Blättchen, üblich rührende Geschichten über Königinnen zu erzählen. Bezüglich der Königin Beatrix von Holland ist das momentan nicht gegeben. Sie wird als hartherzig dargestellt, weil für sie eine Versöhnung mit der nazistischen Barbarei und ihren Clowns nicht in Frage kommt. In Wahrheit ist das holländische Königshaus nicht antifaschistisch, aber in der Frage Heesters hat das Haus die Haltung der niederländischen Öffentlichkeit eingenommen. Der Pressesprecher der niederländischen Botschaft Jan Boeles sagte nach dem Gastspiel von Heesters bei Beckmann: „Herr Heesters ist vor Hitlers Machtergreifung nach Deutschland gezogen. Die meisten Holländer kennen ihn gar nicht, sehen ihn als Deutschen. Und die, die ihn noch kennen, haben ihm seinen Auftritt im KZ- Dachau nicht verziehen.“ Zum runden Geburtstag von Heesters titelte die Zeitung „De Volksgrand“: „Heesters ist 100- Keine Blumen“. In der Tat, in Holland kann es sich keine Person des öffentlichen Lebens leisten, mit Herrn Heesters in Verbindung gebracht zu werden. Thom  Meens, Ombudsmann bei „De Volksgrand“ erläuterte der AZ:“ Hätte ein ranghoher Niederländer Herrn Heesters gratuliert, hätte dies bei uns einen Sturm der Entrüstung ausgelöst“. Vor einiger Zeit engagierte sich ein bekannter Filmhistoriker für Jopie Heesters – wie ihn das deutsche Feuilleton liebevoll nennt, bei Königin Beatrix. Erst Wochen später erhielt der Herr eine kühle Antwort durch Staatssekretär Medy van Berlaan. Die „holländische Hartherzigkeit“ gegenüber einem Profiteur des Nazi  Regimes, kann der deutsche Pressemarkt nicht nachvollziehen. Umschwärmten doch führende Gestalten aus Politik und Kultur Herrn Heesters anläßlich seines hundertsten Geburtstages.

„Ehefrau verteidigt Jopie“ 

Unter diesem Titel setzte die AZ die tränenreiche Heesters Geschichte am Donnerstag den 12 Februar fort. Mit sichtlichem Genuß wird Simone Rethel (Ehefrau von Heesters) zitiert, die „von vielen freundlichen Briefen aus Holland“ zu berichten wußte. Trotzdem wird beleidigt vermerkt, „dass Heesters auch weiterhin Persona non grata in Holland bleibt“. Heesters Biograf Dr. Jürgen Trimborn („Der Herr im Frack“) erregt sich sichtlich über die uneinsichtigen Holländer und meint, „auch unter ihnen hätte es Kollaborateure und Mitglieder der Waffen SS gegeben“. Der Fakt ist richtig, die Schlußfolgerung von Herrn Trimborn jedoch skandalös. Objektiv setzt er Nazideutschland mit dem damals von Nazideutschland besetzten Holland gleich und fordert vom niederländischen Staat einen saloppen Umgang mit Nazikollaborateuren. In Deutschland muß die holländische Haltung zu Heesters blankes Entsetzen hervorrufen. Kamen doch die meisten Träger des Naziregimes nach 1945 mit einer geringfügigen kostenpflichtigen Verwarnung davon, um anschließend das Grundgerüst bundesdeutscher Staatlichkeit und Ökonomie abzugeben. Opportunistischen Bänkelsängern und Schauspielern gelang nach 1945 ohne kostenpflichtige  Verwarnung der nahtlose Übergang in das deutsche Unterhaltungsprogramm.

 


Editorische Anmerkungen
Max Brym schickte uns seinen Artikel mit der Bitte um Veröffentlichung Ende Februar 2004.

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