Betrieb & Gewerkschaft
ver.di im Schwitzkasten der öffentlichen Arbeitgeber
Der Tarifabschluss im öffentlichen Dienst - eine erste Bilanz

von
Wilhelm Koppelmann
03/05

trend
onlinezeitung

Heftige Diskussionen gab es während der Tarifverhandlung im öffentlichen Dienst am 8. und 9. Februar 2005 mit dem Bund und der Vereinigung kommunaler Arbeitgeber (VkA) in der ver.di-Bundestarifkommission (BTK). Vor allem das Thema Verlängerung der Arbeitszeit führte schließlich dazu, dass mit 32 Gegenstimmen und fünf Enthaltungen erstaunlich viele der 115 stimmberechtigten Mitglieder der BTK gegen den, nun gültigen, Tarifabschluss stimmten.

Kritiker, die bereits vor Jahren, als das 100-Punkte-Papier zur Modernisierung des "Tarifrechts öffentlicher Dienst" aus der BTK in die Organisation gelangte, meinten, dass man in Zeiten, in denen die Gewerkschaften mit dem Rücken zur Wand stehen, nicht eine so weitgehende Tarifrechtsreform durchsetzen kann, ohne von vorneherein auf der Verliererseite zu stehen, werden wohl recht behalten.

Sicherlich gibt es einige positive Punkte in der Einigung. Dazu zählen z. B. eine bessere Transparenz der Entgelttabellen, eine höhere Vergütung für Berufsanfänger und die Beseitigung der Trennung in Arbeiter und Angestellten.

Dagegen stehen aber Punkte (siehe UZ vom 4. 2. 2005) wie u. a.:

  • die Flexibilisierung der Arbeitszeit,

  • Einführung von leistungsabhängigen Entgeltbestandteilen, bezahlt aus Abstrichen bei Urlaubs- und Weihnachtsgeld

  • Einführung einer zusätzlichen Niedriglohngruppe, die um 300 Euro unter der bisherigen niedrigsten Lohngruppe festgelegt ist,

  • eine so genannte "Privatisierungsschutzregelung", die dazu führen kann, dass die Entgeltgruppen 2-4 ebenfalls in die Niedrigentgeltgruppe 1 - sprich 1 286 Euro - abgesenkt werden können (in meinen Augen die verheerendste tarifpolitische Entscheidung, da damit eher Druck, als Schutz auf gewerbliche Bereiche des öffentlichen Dienstes entstehen wird),

  • eine Laufzeit bis Ende 2007,

  • keine prozentualen, tabellenwirksamen Lohnerhöhungen, sondern drei Einmalzahlungen in Höhe von jeweils 300 Euro, damit weit hinter einem Inflationsausgleich.

Doch am heftigsten umstritten war die Arbeitszeit. Hier hatten sowohl Kommunen wie auch der Bund, vehement gefordert, den Schritt der Länder nachzuvollziehen und die Arbeitszeit ohne Lohnausgleich zu verlängern. Ohne eine Aussage zur Arbeitszeit, so ihre Drohung, würde es keinen Tarifabschluss geben.

Klar ist, dass der Beschluss der BTK vom 27. Januar, die dieses kategorisch abgelehnt hatte und sich damit gegen Frank Bsirske gestellt hatte, gekippt wurde. Dennoch meinten Mitglieder der BTK zu erkennen, dass das Glas durchaus als halbvoll anzusehen sei. Und in der Tat, ist der Abschluss in diesem Bereich differenziert zu betrachten. Für den Bund wurde eine Festlegung der wöchentlichen Arbeitszeit auf jetzt 39 Stunden vereinbart. Dieses bedeutet im Westen eine halbe Stunde mehr pro Woche - ohne Lohnaugleich - für den Osten allerdings 1 Stunde weniger pro Woche und das bei vollem Lohnausgleich.

Im kommunalen Bereich wurde die jetzige Arbeitszeit von 38,5 Stunden für den Westen festgeschrieben, allerdings mit einer Öffnungsklausel! Unter bestimmten Voraussetzungen kann auf landesbezirklicher Ebene die Wochenarbeitszeit auf bis zu 40 Stunden verlängert werden. Inwieweit ver.di diesem Ansinnen der kommunalen Arbeitgeber dann widerstehen wird, wird sich zeigen. Im Osten bleibt es bei 40 Stunden pro Woche!

Auf die Füße könnte ver.di allerdings ein anderer Punkt fallen:

Man verständigte sich auf eine Meistbegünstigungsklausel! Das bedeutet, wenn ver.di mit der Tarifgemeinschaft der Länder einen für die Arbeitgeber günstigeren Tarifabschluss tätigt - was durchaus im Bereich des Möglichen liegt - dann sind die günstigeren Punkte gleichzeitig ein unwiderrufliches Angebot an Bund und Kommunen, diese auch für ihre entsprechenden Bereiche zu übernehmen.

ver.di befindet sich also weiter im tarifpolitischen Schwitzkasten der öffentlichen Arbeitgeber.

Editorische Anmerkungen

Der Artikel erschien in:  unsere zeit - Zeitung der DKP vom 18. Februar 2005 und ist eine Spiegelung von http://www.dkp-online.de/uz/3707/s0402.htm