Am Freitag, 4. März fiel die Entscheidung:
Der Disziplinarausschuss der
Universität Lyon III hat beschlossen, den rechtsextremen Hochschullehrer
Bruno Gollnisch (gleichzeitig "Nummer Zwei" in der Parteihierarchie des
Front National) für 5 Jahre vom Dienst zu suspendieren. Das ist die Sanktion
für die faktische Auschwitzleugnung in Gestalt der Äußerungen Gollnischs auf
einer Pressekonferenz, die er am 11. Oktober 2004 am örtlichen Parteisitz
des Front National in Lyon abhielt. Damals hatte Gollnisch u.a. erklärt,
über die Frage der Existenz von Gaskammern in den NS-Konzentrationslagern
sowie die Zahl der tatsächlich in den KZs zu Tode Gekommenen müsste
"Historiker" nunmehr endlich "frei debattieren" können.
Bruno Gollnisch unterrichtete bisher
japanisches und internationales Recht
an der Universität Lyon III. Der ausgebildete Jurist hat einen Teil seines
Studiums über in Japan verbracht und ist mit einer Japanerin verheiratet.
Lange Jahre war er Dekan an der japanalogischen Fakultät der Hochschule.
Der Disziplinarausschuss trat am 1. März
zusammen und tagte neun Stunden
lang hinter verschlossenen Türen. Dabei wurde der rechtsextreme Professor
Bruno Gollnisch, der sich von einem Anwalt begleiten ließ, durch sechs
seiner Hochschulkollegen angehört. Bei seiner Ankunft hielt Gollnisch einen
(pseudo-)triumphalen Einzug vor 400 Anhängern, die eigens aus diesem Anlass
zusammengetrommelt worden waren. Anhänger der rechtsextremen Partei waren
eigens aus Strasbourg angereist; die Tageszeitung "Libération" berichtet
dazu: "(Sie) haben den Nachtzug genommen, um 'ihren' Europaparlamentarier zu
verteidigen. 'Als wir die Nachricht aus Saint-Cloud (in diesem Pariser
Vorort liegt der Parteisitz) erhielten, haben wir gar nicht erst
diskutiert', erzählt einer von ihnen. Er weiß nicht genau, warum Gollnisch
vor den Ausschuss vorgeladen ist." (Ausgabe vom 2. März)
Die Parteianhänger skandierten nach
verschiedenen Berichten etwa: "Lasst
Gollnisch frei" und "Rührt meinen Prof nicht an!" Der Großteil unter ihnen
dürften allerdings keineswegs Studenten gewesen sein, was schon vom Alter
her ausgeschlossen schien. Unter den Versammelten befanden sich auch - in
ihre Professorenrobe geworfen - Jean Haudry und Pierre Vial. Haudry hatte
dereinst das "Institut für indoeuropäische Studien" IEIE an der Hochschule
Lyon III gegründet, das 1998 unter massivem Druck geschlossen wurde und wo
davor wissenschaftlich verbrämte "Rassenkunde" - es handelte sich faktisch
um "Arier-Studien" - betrieben wurde. Der Historiker Pierre Vial
unterrichtete seinerseits jahrelang am IEIE; er war früher auch beim Front
National aktiv, hatte diese allerdings mit der Abspaltung unter Bruno Mégret
1999 verlassen.
Gollnisch hatte ebenfalls seine professorale
Robe übergeworfen und
präsentierte sich selbst als "Akademiker, dessen Robe ohne Flecken ist". De
facto führte er sich allerdings bei seinem Auftritt vor dem
Universitätsgebäude weitaus eher als Partei-, ja Bandenführer denn als
Wissenschaftler auf. "Ich werde meinen Kollegen erhobenen Hauptes und mit
sauberen Händen entgegen gehen", rief Gollnisch aus und griff damit eine
alte populistische Parole des FN aus den 90er Jahren auf ("Tête haute et
mains propres") auf, mit dem die Partei sich damals als angebliche einzige,
nicht-korrupte politische Kraft aufzuspielen suchte. Gollnisch wetterte
gegen "jene, die die Erinnerung instrumentalisieren, um daraus politischen
und finanziellen Profit zu ziehen, um den Franzosen Schuldgefühle zu geben
und ihre Gegner zu unterdrücken". Ferner leistete er sich eine Abweichung
vom Hauptthema der Rede, um gegen das im Dezember 04 verabschiedete Gesetz
zur Strafverschärfung für Straftaten mit homophobem (Hass-)Hintergrund zu
trompeten und dagegen "die natürliche Familie" hochzuhalten. - Vor dem
Ausschuss scheinen ihm seine Sprüche freilich nicht viel geholfen zu haben.
Im Hintergrund: Innerparteilicher Wettstreit
um Hardliner-Profil
Als Hintergrund der doch ziemlich
ungeschminkten und weit gehenden
Auslassungen des FN-Politikers, für die er jetzt sanktioniert wurde, wird
der Wunsch Gollnischs vermutet, durch "Härtebeweis" im derzeitigen
innerparteilichen Machtkampf zu bestehen und die gegen Parteichef Jean-Marie
Le Pen aufgebrachten Altkader und Hardliner auf seine Seite zu ziehen. Diese
werfen dem FN-Gründer und seit über 32 Jahre amtierenden Parteichef vor,
statt einer politisch-ideologisch determinierten eine vorwiegend familiär
ausgerichtete Nachfolge anzustreben. Das bedeutet, dass ihm vorgeworfen
wird, seine jüngste Tochter Marine Le Pen zu seiner Nachfolgerin aufzubauen
- die durch die Hardliner und Altfunktionäre der Partei verdächtigt wird, zu
"modernistische" und kompromisslerische Positionen zu vertreten und zu sehr
auf die bürgerliche Medienöffentlichkeit zu schielen. Infolge der jüngsten
Skandale, die durch die Äußerungen Gollnischs vom Oktober 04, aber auch
ihres eigenen Vaters im Januar 05 (Jean-Marie Le Pen hatte die nazideutsche
Besatzungsära in Frankreich als "nicht besonders inhuman" qualifiziert)
ausgelöst wurden, ist Marine Le Pen aber von all ihren Parteiämtern
zurückgetreten. Sie zog sich auch vorläufig aus der aktiven Politik zurück
und will erst im September wieder an die Öffentlichkeit auftreten, wann sie
voraussichtlich ein Buch zur Zukunft und zur Strategie der "nationalen
Rechten" veröffentlichen wird.
Mutmaßlicher Nachfolger Le Pens an der Spitze
Für Bruno Gollnisch scheint momentan der Weg
für die Nachfolge des
langjährigen Vorsitzenden Jean-Marie Le Pen an der Parteispitze so gut wie
frei zu sein. Das bestätiigte im Ünrigen auch Le Pen (der Vater) selbst
anlässlich der Sitzung des Bureau politique, des zweithöchsten
Führungsgremiumsder Partei, am 28. Februar. An jenem Montag erklärte er,
falls er morgen unfähig würde, sein Amt weiterhin auszuüben, dann werde er
Bruno Gollnisch "zu
meinem Nachfolger empfehlen". Ähnlich hatte Le Pen sich zwar verbal auch in
der Vergangenheit (2003) geäußert. Doch damals hatte er zugleich - parallel
dazu - Fakten zugunsten seiner Tochter als Nachfolgerin an der Parteispitze
geschaffen, beispielsweise ein (bisher nicht bestehendes)
Vizepräsidenten-Amt extra für sie eingeführt und mit Marine Le Pen besetzt.
Dieses Mal legt Le Pen senior sich aber allem Anschein nach wirklich fest.
Am 28. Februar erklärte er ferner auch: "Es war nie die Rede davon, dass
meine Tochter mir nachfolgen sollte!" (In Wirklichkeit hatte er selbst diese
Hypothese vor zwei bis drei Jahren in Zeitungsinterviews explizit
entwickelt.) Von Journalisten darauf angesprochen, dass Marine Le Pen nicht
zur Parteisitzung erschienen war und auch andere Parteisitzungen schwänzte,
und danach befragt, ob er sie nicht mehr sehe, ließ Le Pen den Kommentar ab:
"Das ist nicht schlimm, ich sehe (auch) viele andere Leute nicht mehr."
Damit scheint der innerparteiliche Machtkampf
weitgehend entschieden zu
sein, zugunsten des ebenso hardlinerhaft profilierten wie - von seiner
persönlichen Aura her - langweilig-technokratisch wirkenden Bruno Gollnisch.
Ob dies das letzte Wort der Geschichte ist, und ob dies den Rechtsextremen
irgendeinen Nutzen bringen wird, bleibt abzuwarten.
Editorische Anmerkungen
Der Autor stellte uns seinen Text
am 05.03. 2005 zur Veröffentlichung zur Verfügung.
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