Mit Nazigeldern gegen die radikale Linke

Von
Peter Nowak
03/05

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In Berlin sorgt die Friedrich-Flick-Stiftung seit Monaten für Aufregung und Proteste. Friedrich Christian Flick, der Sohn und Erbe des Konzern-Herren und Naziprofiteurs Friedrich Flick hat eine Sammlung von Werken moderner Kunst gesammelt und im Hamburger Bahnhof ausgestellt. Das Geld gehört eigentlich den ZwangsarbeiterInnen, lautet die berechtigte Kritik. Doch Friedrich Flick ist kein Einzelfall. Da es viele Naziprofiteure unter den deutschen Konzernherrn gab, und sie zumindest wenn sie im Westteil Deutschlands lebten, ihr Vermögen noch mehren konnten, hatten sie auch viel zu vererben. Einer der Naziprofiteure war der Hamburger Reemtsma-Konzern.  Erbe wurde sein Sohn Jan Philipp Reemtsma. Der legte das Geld nicht in Bildern an sondern förderte auf andere Weise Kunst und in seinen jüngeren Jahren auch manche soziale Bewegung. Sogar die Hamburger Hafenstraße wollte er Ende der 80er Jahre am Höhepunkt des Konflikts mit dem Senats kaufen. Vielleicht rührt aus diesen Tagen sein Ruf, ein besonders liberaler gar  progressiver Millionenerbe zu sein, der mit seiner Förderung die besten Konsequenzen gezogen haben soll.

Vielleicht liegt die Scheu Reemtsma genauso wie Flick zu kritisieren, auch an seiner federführenden Rolle bei der Ausstellung über die Verbrechen der deutschen Wehrmacht. Nun wird hier immer übersehen, dass Reemtsma erklärter Anhänger eines deutschen Krieges gegen die Republik Jugoslawien ist. Die Ausstellung hatte hier auch die Funktion, längst bekannte Tatsachen über die Verbrechen der Wehrmacht endlich offiziell zuzugeben, um wieder ungestört zu neuen imperialistischen Eroberungen zu streiten. Spätestens mit der Entlassung von Hannes Heer und der Neukonzeption der Ausstellung, die von Reemtsma initiiert wurde, war die Wehrmachtsausstellung endgültig ein herrschaftskonformes Instrument für neue Kriege geworden. Das war ganz im Sinne von Reemtsma.

Der hat in den letzten Jahren sein Millionenerbe nicht nur genutzt, um sich Macht und Einfluss zu verschaffen. Es ging ihn auch um gesellschaftspolitische Weichenstellungen. Dafür nutzte er seine Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur. Die erwarb die Rechte für den jüdischen Philosophen Theodor W. Adorno. Die Folge, wer Adorno-Texte verbreitet muss an die Stiftung und damit an Reemtsma zahlen.

Was passieren kann, wenn man das vergisst, bekam der Künstler Sebastian Lütgert zu spüren. Er machte zwei wichtige Adorno-Texte öffentlich im Internet zugänglich und bekam sofort vom Hause Reemtsma und seinen Rechtsanwälten eine Abmahnung, die mit einer saftigen Rechnung verbunden war. Weil Lütgert verreist war und daher bestimmte Fristen nicht einhalten konnte, drohte ihm sogar Gefängnis. Einen persönlichen Brief an Reemtsma ließ dieser unbeantwortet. Er bevorzugte es, über seine Anwältin mit dem Künstler zu kommunizieren. Das heißt, dass jeder Brief kostenpflichtig war. Als ein kritischer Artikel dazu in der Tageszeitung erschienen war, verlangte eine Reemtsma ein Interview, in der er seine Sicht der Angelegenheit ebenfalls auf einer Zeitungsseite darlegen konnte. Solch eine Chuzpe müsste ein Flick-Erbe erst einmal haben. Niemand fragte einmal nach, ob es nicht genauso anrüchig ist, wenn Reemtsma mit genau den Vermögen, dass seine Vorfahren in der Nazizeit kräftig mehren konnten, das  Urheberrecht an den vor den Nazis emigrierten jüdischen Philosophen kaufen und damit praktisch mit entscheiden zu können, wo und wann er veröffentlicht wird. Bei jeden anderen hätte auch die Tageszeitung kritisch nachgefragt, doch bei Reemtsma macht man Ausnahmen.

Die RAF noch mal erledigen

Der hat mittlerweile ein neues Ziel entdeckt. Es gelte den bewaffneten Kampf in Westdeutschland der 80er Jahre im Allgemeinen und der Rote Armee Fraktion im Besonderen zu entlarven und auf ihren verbrecherischen Kern zu reduzieren. Im September sorgte er auf einer Tagung der Evangelischen Akademie im hessischen Arnoldhain noch für Aufsehen selbst in der linksliberalen Presse. Da wären erstmals Töne zu hören, die man dort bisher von Rechtskonservativen gehört hat, schreibt die linksliberale Wochenzeitung Freitag bewundernd. Die auf der Tagung anwesenden ehemaligen RAF-Gefangenen waren das Ziel von Reemtsmas Attacken. Der Grund für Reemtsmas Attacke liegt nicht zuletzt darin, dass mittlerweile mehrere langjährige RAF-AktivistInnen das Gefängnis verlassen haben und sich auch selber in Interviews und Büchern zu Wort gemeldet haben. Bisher hat der Staat weitgehend die Geschichte des bewaffneten Kampfes geschrieben. Reemtsma will verhindern, dass die andere Sichtweise derer, die sich am linken Aufbruch beteiligt hatten, hörbar wird. Darauf zieht seine Delegitimationsversuche.  Betroffen sind auch alle, die sich nicht zu selbsternannten RAF-Jägern machen.

So wirft Reemtsma Menschen aus pazifistischen Kreisen wie Horst-Eberhardt Richter mangelnde Distanz zur RAF vor, weil der mit der RAF-Gefangenen Birgit Hogefeld sogar eine gemeinsame Sprache gefunden hat. Kritik an der staatlichen Politik in den 60er und 70er Jahren will Reemtsma nicht mehr zulassen. So erklärte er auf die Frage, ob der Staat überreagiert hat: „Jemanden wie Siegfried Buback zu erschießen, jemanden wie Hanns Martin Schleyer zu entführen, das waren keine beliebigen Verbrechen. Das waren tatsächlich Angriffe auf den Staat, die er ernst nehmen musste"....

So wird der staatlichen Repressionspolitik gegen jegliche Oppositionellen  noch nachträglich das Gütesiegel verliehen. Wo der Staat angegriffen, muss er zurück schlagen, notfalls am Rande der Legalität.

Nun ist genau diese Sichtweise die herrschende Meinung seit mehr als 30 Jahren. Jede differenziere Sicht, die zumindest politische Motive beim bewaffneten Kampf anerkennen will, selbst wenn man die Mittel nicht billigt, verfielen dem SympathistantInnenverdikt. Das konnte in den 70er und 80er Jahren auch politische Verfolgung, Verfahren sogar Haftstrafen bedeuten. Spätestens mit der Auflösung der RAF gab man sich toleranter. Es war auch nicht mehr nötig eine Linke zu disziplinieren, die wie selbstverständlich von Terroristen zu schreiben und sprechen bekann. Also die genau jene Sichtweise auf die RAF und den bewaffneten Kampf ganz freiwillig übernahm, der in den 70er und 80er Jahren noch von oben durchgesetzt werden musste. Damals gehörte es zum guten Brauch linker ja selbst liberaler JournalistInnen, sich die stattlich verordneten Sprachregelegungen nicht zu eigen zu machen. Doch wer in den letzten Wochen die linke Wochenzeitung Jungle World durchblätterte, konnte ganz selbstverständlich in einigen Artikeln vom „RAF-Terrorismus" lesen .Zuvor hatte schon ein Jungle World-Mitarbeiter kommentiert, dass die RAF-Veteranen, die heute vom Selbstmord reden, immer noch einige Erklärungen schuldig sind". Wen meint der Kommentator damit? Etwa die ehemalige RAF-Gefangene Irmgard Möller,  die in jener Nacht zum 18.Oktober schwer verletzt wurde. Sie hat mehrfach eindeutig erklärt, dass sie sich die schweren Stichverletzungen nicht selbst zugefügt hat. Warum ist ihre Erklärung auf einmal unglaubwürdiger als beispielsweise die Erklärung des Staates, der schon von einem Selbstmord der RAF-Gefangenen gesprochen hatte, als überhaupt noch keine Untersuchungen der Todesumstände erfolgt waren. Warum verlangt der Jungle World-Kommentator nicht nach Erklärungen des Staates. Der grünen MdB Christian Ströbele erklärte mehrmals dass die staatlichen Behörden einfach die Video- und Tonbandaufnahmen aus dem totalüberwachten Stammheimer Trakt öffentlich machen sollte. Warum wird eine solche liberale Forderung nicht einmal von einer linken Zeitung mehr gestellt? Dabei gibt die Jungle World immerhin als eine der wenigen linken Zeitungen noch Positionen Raum, die die RAF politisch erklären und nicht gleich denunzieren. Gerade in einem solchen Umfeld sollte man eben bestimmte Sprachregelungen nicht erwarten..

Über Reemtsma und Co hingegen braucht man sich nicht weiter zu wundern, höchstens über die Sprachlosigkeit der Linken.

Die RAF wie viele andere linken Gruppen sind auch einmal angetreten, die Nazikontinuität zu durchbrechen, die längst nicht nur in den Eliten in den 60er Jahren noch virulent war. Da ist es doch eigentlich nur konsequent, wenn jetzt ein Nazierbe diese Gruppe noch einmal theoretisch erledigen will.

Editorische Anmerkungen

Der Autor stellte uns seinen Beitrag am 9.3. 2005 zur Verfügung