Zwangsräumungen lassen Zorn wieder wachsen
Von Hartz-Gesetzen Betroffene planen neue Aktionen

von Peter Nowak
03/06

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In der letzten Zeit war es um die Anti-Hartz-Proteste trotz vieler unermüdlicher Protestierer still geworden. Das dürfte sich bald ändern. In den nächsten Wochen wollen sich die Anti-Hartz-Aktivisten wieder verstärkt in der Öffentlichkeit bemerkbar machen.

Demnächst soll ein bundesweites Aktionsbündnis gegen Zwangsräumungen die Arbeit aufnehmen. Es geht um Hartz IV-Empfänger, die von den Arbeitsagenturen zum Umzug in billigere oder kleinere Wohnungen aufgefordert werden. Noch ist nicht klar, wie viele Menschen von Zwangsumzügen betroffen sind. Peter Grottian vom bundesweiten Aktionsbündnis Sozialproteste, das federführend an der Kampagne beteiligt ist, hält 300 000 bis 500 000 bundesweit für realistisch.

Wie unsicher die Zahlenbasis ist, zeigt sich jetzt in Berlin. Während das TOPOS-Institut für Stadtplanung und Stadtforschung davon ausgeht, das in Berlin 35 000 bis 45 000 Haushalte in das Überprüfungsverfahren einbezogen werden, kamen kürzlich Arbeitsagenturen bei Stichproben zu einem wesentlich niedrigen Ergebnis.

Doch bei allem Streit um die Zahlen ist den Aktivisten klar, dass es Zwangsumzüge geben wird. Hier setzt die Kampagne an. An ihr beteiligen sich Anti-Hartz-Initiativen, gewerkschaftliche Gruppen und Mieterverbände.

In Berlin sind die Vorbereitungen schon weit fortgeschritten. Ein Beratungsbüro soll aufgebaut und ein kostenloses Infotelefon eingerichtet werden. Aktivisten machen sich in Seminaren sachkundig. Man will erreichen, dass sich die Betroffenen frühzeitig beraten lassen, um die Umzüge zu stoppen. Doch auch wenn der Umzugswagen vor der Tür steht, wollen die Aktivisten Widerstand leisten.

Dabei können sie an alte Tradition anknüpfen. In der Endphase der Weimarer Republik gab es in den Arbeitervierteln eine breite Bewegung gegen Zwangsräumungen. Damals waren davon vor allem Arbeitslose betroffen, die die Miete nicht mehr zahlen konnten und auf die Straße gesetzt werden sollten. Mittlerweile beginnt sich die Kampagne gegen Zwangsumzüge bundesweit zu vernetzen. Initiativen haben sich auch in Hamburg, Duisburg, Oberhausen, und Leipzig gegründet. Am 20. März wollen sie in Berlin gemeinsam mit einem
Aktionsplan an die Öffentlichkeit treten.

Aber nicht nur gegen Zwangsräumungen regt sich Widerstand. In verschiedenen Städten haben sich Menschen zusammengefunden, die gegen die Ausforschung von Hartz IV-Empfängern mobil machen. Es geht um telefonische Befragungen als auch um Hausbesuche, bei denen Angaben der Hartz IV-Empfänger überprüft werden sollen. Die Betroffenen wehren sich dagegen, von vornherein und grundsätzlich als Verdächtigte eingestuft zu werden. Per E-Mail (vorsichtschnueffler@yahoo.de) können Kontrollen sowie behördliche Reaktionen auf Verweigerungen von Hausbesuchen gemeldet werden. Auch Erfolgsmeldungen sind dort willkommen.

So hat kürzlich eine arbeitslose Buchhändlerin aus Wiesbaden vom hessischen Landessozialgericht Recht bekommen. Die zuständige Arbeitsagentur hatte ihr die Leistungen verweigert, weil sie es mit dem Verweis auf die Unverletzlichkeit der Wohnung abgelehnt hatte, einem Hausbesuch zuzustimmen. Das Landessozialgericht gab ihr Recht. Bezieher von Arbeitslosengeld II müssen Hausbesuche nur gestatten, wenn die kommunale Arbeitsvermittlung berechtigte Zweifel an den Angaben der Betroffenen geltend machen kann. Ein vager Verdacht reiche dafür nicht aus.

Editorische Anmerkungen

Der Artikel wurde uns vom Autor am 1.3.2006 zur Verfügung gestellt.