Liebe Freunde,
das Thema der diesjährigen Rosa-Luxemburg-Konferenz "Das
geht anders" bedeutet - so verstehe ich es - vor allem die
Würdigung der Inspiration, die seit einiger Zeit von
verschiedenen Ländern Lateinamerikas ausgeht. Dort wird nach
zwei Jahrzehnten sozial vernichtender Rezepte der
internationalen Besitzerklasse endlich den Rechten der Massen
wieder Geltung gegeben und darüber hinaus an einer Perspektive
gearbeitet.
Aber wie sieht das in Europa aus? Von hier aus rollt weiter
dieses imperiale Bündnis, das sich ermächtigt, jedes Land der
Erde, das sich seiner Zurichtung für die aktuelle
Neuverteilung der Profite widersetzt, aus dem Himmel herab zu
züchtigen und seine ganze gesellschaftliche Daseinsform in
einen Trümmerhaufen zu verwandeln. Die propagandistische
Vorarbeit leisten dabei Regierungen und große professionelle
PR-Agenturen, die Ideologien verbreiten, mit denen alles
verherrlicht wird, was den Menschen darauf reduziert, benutzt
zu werden.
Trotzdem gilt hier ebenso: "Das geht anders". Wo sollte sonst
die Kraft zu kämpfen herkommen? Die spezielle Sache dürfte
sein, dass die in Europa ökonomisch gerade abstürzenden großen
Gesellschaftsbereiche den chauvinistischen "Rettern" entrissen
werden. Sonst wird es nicht möglich sein, die Niederlage der
Pläne des Kapitals zu vollenden und die Tür für eine andere
Zukunft aufzumachen.
Es muss immer wieder betont werden: Schließlich ist die Welt
geschichtlich reif dafür, dass die zukünftigen Neugeborenen in
ein Leben treten können, das die volle Förderung aller ihrer
menschlichen Potentiale bereithalten kann und die Gespenster
der Entfremdung von des Menschen gesellschaftlicher Bestimmung
vertrieben sind.
Quelle: "Junge Welt" vom 15. Januar 2007
Drei exemplarische
Reaktionen
Wolfgang Kraushaar
laut Tagesspiegel vom 26.2.07
Der um eine Begnadigung beim Bundespräsidenten
bittende ehemalige RAF-Terrorist Christian Klar hat mit einem
Grußwort für die Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin Zweifel
geweckt,
ob er sich tatsächlich von den Zielen der ehemaligen
Terrorgruppe
entfernt hat. Der RAF-Experte Wolfgang Kraushaar vom Hamburger
Institut für Sozialforschung verglich den Text in einem
Gespräch mit
dem Tagesspiegel mit jenen früheren Kommandoerklärungen, die
die RAF
nach Attentaten veröffentlicht hatte. Kraushaar sagte, das
sei "der
Sound, der in den 80er Jahren nach den Mordanschlägen auf
Beckurts,
von Braunmühl und Herrhausen zu hören war".
Der zu fünfmal lebenslang verurteilte Klar hatte sich erstmals
seit
mehr als fünf Jahren wieder öffentlich zu Wort gemeldet. In
einem auf
der Rosa-Luxemburg- Konferenz Mitte Januar vom ehemaligen
PDS-Bundestagsabgeordneten Heinrich Fink verlesenen Text
kritisierte
Klar die aktuellen Zustände in Europa in äußerst scharfem,
unversöhnlichem Ton. Er äußerte dabei die Hoffnung, dass die
Zeit
jetzt gekommen sei, "die Niederlage der Pläne des Kapitals zu
vollenden und die Tür für eine andere Zukunft aufzumachen".
Klars Anwalt Heinz-Jürgen Schneider spielte die Brisanz des
Textes
herunter. Für das laufende Verfahren, bei dem der Ex-Terrorist
hofft,
noch in diesem Jahr auf dem Gnadenweg freizukommen, spiele das
Grußwort keine Rolle. Schneider sagte dem Tagesspiegel, so wie
Klar
das formuliere "würde jeder Attac-Aktivist auch sprechen".
Der RAF-Experte Kraushaar mutmaßt dagegen, dass Klar
"vielleicht
seine letzte Chance auf Begnadigung durch den
Bundespräsidenten
verspielt haben könnte". Klars "Botschaft" stelle nichts
anders dar,
"als ein Bekenntnis zum antiimperialistischen Kampf".
Kraushaar
erinnerte daran, dass es in den 80er Jahren ein "überaus
praktisches
Bündnis zwischen Linksterrorismus und SED" gegeben habe, "die
sogenannte RAF-Stasi-Connection". Insofern komme "ein
Schulterschluss
zwischen einem RAF-Hardliner wie Klar und Betonköpfen der PDS
vielleicht gar nicht so überraschend.
Stefan
Wirner 28.2.2007
in der Jungle World vom 28.2.2007
Über einen Monat alt ist eine Grußbotschaft des ehemaligen
RAF-Mitglieds Christian Klar an die alljährlich stattfindende
so genannte Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin. Aber erst
jetzt macht das Traktat Furore und schafft es sogar bis in die
Tagesschau.
Klar würdigte in seinem Schreiben die »Inspiration, die seit
einiger Zeit von verschiedenen Ländern Lateinamerikas
ausgeht«, und kritisierte das »imperiale Bündnis« in Europa,
»das sich ermächtigt, jedes Land der Erde, das sich seiner
Zurichtung für die aktuelle Neuverteilung der Profite
widersetzt, aus dem Himmel herab zu züchtigen«. Die Aufgabe
bestehe darin, die »abstürzenden großen Gesellschaftsbereiche
den chauvinistischen ›Rettern‹« zu entreißen, um »die
Niederlage der Pläne des Kapitals zu vollenden«. Der
übliche Antiimp-Quatsch also, vorgetragen in einem Stilmix aus
Botho Strauß und Robert Kurz.
Für die Experten des Rechtsstaats allerdings eine wunderbare
Vorlage. Der Großdenker Wolfgang Kraushaar analysierte: »Es
ist im Grunde genommen so etwas wie eine Reformulierung eines
politischen Überbaus für das, was die RAF ausgemacht hat.«
Zwar sei vom bewaffneten Kampf keine Rede, »aber es ist die
Rede davon, dass das Koordinatensystem, in dem dieser
bewaffnete Kampf angesiedelt gewesen ist, nach wie vor richtig
sei«. Mal sehen, wie Klars Brief im »Koordinatensystem« von
Horst Köhler ankommt. Denn bei ihm liegt derzeit Klars
Gnadengesuch.
Elmar Altvater
von Attac Deutschland am 1.3.
2007
Das globalisierungskritische Netzwerk Attac weist die Versuche
zurück, in der Diskussion um eine Begnadigung von RAF-Mitglied
Christian Klar Kritik am Kapitalismus grundsätzlich unter
Gewaltverdacht zu stellen. 'Attac hat mit den Praktiken der
RAF nichts zu tun, aber selbstverständlich ist es legitim,
ja sogar notwendig, den Kapitalismus zu
kritisieren' sagte Professor Elmar Altvater,
Mitglied des Wissenschaftlichen Beirates von Attac und Autor
des Buches 'Das Ende des Kapitalismus, wie wir ihn kennen.
Eine radikale Kapitalismuskritik'.
Attac ist in den vergangenen Tagen wiederholt mit dem Grußwort
von Christian Klar auf der Rosa-Luxemburg Konferenz im Januar
dieses Jahres in Verbindung gebracht worden.
'Nur wer sich in der besten aller möglichen Welten wähnt, wird
eine kritische Auseinandersetzung mit dem Kapitalismus für
veraltet und überflüssig halten', sagte der
Politikwissenschaftler zu der Debatte.
Selbst Vizekanzler Franz Müntefering kritisiere die so
genannten Heuschrecken und deren zerstörerische Praktiken. Und
es sei auch kein Hindernis für die kürzliche Verleihung der
Ehrendoktorwürde der Universität Marburg an den früheren
Bundeskanzler Helmut Schmidt gewesen, dass dieser wiederholt
den Raubtierkapitalismus in der Wochenzeitung 'Die Zeit'
gegeißelt hat. Nicht nur in den Entwicklungsländern lasse sich
beobachten, wie die Orientierung am Maximalprofit Armut und
soziale Spaltung produziere, wie die Privatisierung
öffentlicher Güter, etwa in der Versorgung mit Trinkwasser,
Millionen von Menschen in Not bringt. Elmar Altvater:
'Die weltweite Durchsetzung des neoliberalen Leitbildes hat
unsere Welt kälter gemacht. Es stößt inzwischen auf breiten
Widerstand, auch von Regierungen, zum Beispiel in
Lateinamerika'.
Altvater bezeichnete die Entscheidung des
baden-württembergischen Justizministers Ulrich Goll (FDP),
Christian Klar wegen seiner kapitalismuskritischen Äußerungen
keine Haftlockerungen zu gewähren, als vordemokratisch und mit
einem liberalen Verständnis von Politik nicht vereinbar. Die
Forderung zahlreicher Politiker, Christian Klar müsse auf
Grund seiner Gesinnung lebenslang hinter Gittern bleiben, sei
mit dem Menschenrecht auf freie Meinungsäußerung nicht
vereinbar.
'Ob ein Mensch aus der Haft entlassen wird oder nicht, darf in
einem Rechtsstaat nicht von seiner politischen Überzeugung
abhängig gemacht werden', sagte Elmar Altvater. Entscheidend
müsse allein sein, ob von dem Inhaftierten weiterhin eine
Gefahr für andere Menschen ausgehe.
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