PRESSEMITTEILUNG vom Berlin, den 26.02.07

Die FAU Berlin protestiert gegen die Vertreibung von 17 Menschen aus ihren Wohnungen in Levallois-Perret, der französischen Partnerstadt Berlin-Schönebergs

03/07

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Durch die französische Gewerkschaft CNT-AIT wurde die FAU Berlin auf die unhaltbaren Vorgänge in Levallois-Peret aufmerksam gemacht. In der französischen Kleinstadt, mit der Berlin-Schöneberg seit mehr als 20 Jahren eine Städtepartnerschaft unterhält, wurden mit einer fadenscheinigen Begründung 17 Menschen, darunter Kinder und Jugendliche, auf die Straße gesetzt. Dagegen hat sich bereits seit Monaten eine breite Protestbewegung der Betroffenen und ihrer Unterstützer formiert.

Die FAU Berlin erklärt sich solidarisch mit dieser Bewegung und sieht den Bezirk Tempelhof-Schöneberg in einer besonderen Verantwortung, sich zu den Vorkommnissen in seiner Partnerstadt zu positionieren.

Hintergrundinformation

Grassierende Wohnungsnot, Obdachlosigkeit und die Vernichtung von preiswertem Wohnraum sind in Frankreich nicht erst Thema, seit Obdachlose und UnterstützerInnen medienwirksam Zelte an den Ufern der Seine aufgebaut haben. Mehr als 2 Millionen Wohnungen stehen derzeit in Frankreich leer, während gleichzeitig die Mieten in immer astronomischere Höhen steigen und 3 Millionen Menschen einen würdigen Wohnraum suchen. So auch in Levallois-Perret, vor den Toren von Paris, wo eine Stadtverwaltung unter
der Fuchtel eines streng rechten Bürgermeisters Wohnungslose drangsaliert. Levallois-Perret ist ein Ort von rund 60.000 Einwohnern im Department Hauts-de-Seine. Bekannt ist die Stadt, in der einst die Anarchistin Louise Michel lebte, im Wesentlichen dafür, dass sich dort der Hauptsitz des ALSTOM-Konzerns befindet und für seinen Bürgermeister Patrick Balkany.

Letzterer ist ein strenger Rechter, der in Levallois als erster französischer Stadt eine öffentliche Video-Überwachung installieren ließ. Mit dem Gesetz nimmt er es selbst nicht so genau. Dafür, dass er drei kommunale Angestellte jahrelang ausschließlich für seine privaten
Immobilien arbeiten ließ, wurde er zu 15 Monaten Haft auf Bewährung und zur Rückzahlung von mehreren hunderttausend Euro verurteilt. Gleichzeitig wurde ihm für zwei Jahre das passive Wahlrecht entzogen.

Wenn es nicht gerade um die Rechtsverstöße des eigenen Bürgermeisters geht, versteht die Verwaltung in Levallois allerdings sehr viel weniger Spass. So ließ sie beispielsweise am 15. November 2006 siebzehn Menschen, darunter Kinder und Jugendliche aus ihren Wohnungen, die sich im Besitz der Stadt befinden, vertreiben. Als Grund wurde der schlechte bauliche
Zustand der Wohnungen angegeben. Für einen angemessenen Ersatzwohnraum sorgte die Stadt nicht. Ein Teil der Leute jetzt auf der Strasse, in Pensionen oder in unzumutbaren Bruchbuden. Und das, obwohl es in Levallois viele leerstehende brauchbare Wohnungen gibt.

Als Antwort auf die Vertreibungen organisierten sich Jugendliche aus Levallois im «Mouvement Solidaire pour le Logement» (Solidarische Bewegung für Wohnraum). Etliche Demonstrationen wurden organisiert, an denen sich u.a. auch das Syndicat Interco Paris-Nord der CNT-AIT beteiligte. Andere Leute, die das Wohnungsproblem kennen, schlossen sich der Bewegung die ganze Zeit lang an. Doch die Stadt stellte sich taub.

Schlimmer, sie bediente sich der Zensur und Bedrohung, um die Sache zu ersticken: Weblogs, die über den Kampf berichteten, wurden unterdrückt. Die Stadt forderte die vertriebenen Familien auf, nicht mehr zu den Demonstrationen zu kommen. Und schließlich steht einer der Jugendlichen des Kollektivs permanent unter der Beobachtung der Polizei, wird ständig von einem Polizisten verfolgt, der schon am Ausgang des Hauses wartet, wenn er es verlässt!

Bislang ist er der Stadtverwaltung allerdings damit nicht gelungen, die Entmieteten und ihre UnterstützerInnen zu entmutigen. Diese haben u.a. für den 10. März zu einer weiteren Kundgebung vor dem Rathaus von Levallois aufgerufen. Sie werden dort neben einem Ende der Zwangsräumungen und einem würdigen Wohnraum für alle BesetzerInnen, Obdachlosen und MieterInnen von Bruchbuden auch fordern, dass die Stadt endlich die gesetzlich vorgeschriebenen 20 Prozent Sozialwohnungsbau realisiert. Mit Leerstand und Wohnungsbesetzungen sollte man sich übrigens auch in der Partnerstadt von Levallois-Perret auskennen: Schließlich war der Berliner Bezirk Schöneberg Anfang der 80er Jahre ein Besetzer-Hochburg.

Die FAU Berlin ist gerne Bereit, Kontakt zum «Mouvement Solidaire pour le Logement» (Solidarische Bewegung für Wohnraum) herzustellen.

Aktuelle Informationen der Bewegung auf französisch sind auf ihrem Weblog zu finden:
http://solidaires.blogspot.com/

Kontakt zur Stadt Levallois-Peret:
http://www.ville-levallois.fr

 

Editorische Anmerkung

Die PM erhielten wir von der FAU-Mailingliste.