l.
Der bürgerliche Rechtsstaat nimmt für sich
in Anspruch, die Auseinandersetzung mit seinen politischen
Gegnern in einer durch Gesetze bestimmten Form zu führen. Die
politischen Kräfte, die die demokratische Republik tragen,
also das hier mehr oder dort weniger liberale Bürgertum, haben
ihre politische Lage von Anfang an als die Position einer
Zwischenlage angesehen: Nach der einen Seite, nach rechts hin,
führte man den Kampf gegen die Kräfte der Konterrevolution,
die darauf zielten, die politische Herrschaft des Bürgertums
durch die demokratische Republik rückgängig zu machen, oder
danach trachteten, die politischen Freiheitsrechte, die
demokratischen Teilhaberechte und die Geltung von
Rechtssätzen, die jedermann betreffen (also auch die
Arbeiterschaft), wieder anzutasten. Nach der anderen Seite,
nach links hin, hat sich das Bürgertum von Anfang an gegen das
Proletariat und all diejenigen zur Wehr gesetzt, die sich
nicht damit begnügen wollten, bei einer bloß politischen
Emanzipation stehen zu bleiben.
Zur Bekämpfung der Gegner der bürgerlichen
Republik wurde eine Vielzahl von Methoden entwickelt:
Suspendierung von Grundrechten und Gesetzen durch
Generalklauseln für die Polizei, Sonderbefugnisse für das
Militär im Belagerungszustand und Ausnahmebefugnisse für den
Inhaber der Staatsgewalt im Notstand.
Der politische Gegner erfuhr im Strafgesetz
eine Sonderbehandlung: die Festungshaft. Diese Festungshaft
war, wie schon der Name sagt, eine Art Ehrenhaft. Es gab sie
jedoch letztlich nur für den Gegner von rechts. Der historisch
gravierendste Fall ist wohl die Festungshaft Hitlers nach dem
Putschversuch von 1923. Die Haft gab Hitler nicht nur die
Gelegenheit, das Elaborat Mein Kampf zu verfassen, sondern
gestattete ihm sogar, mit seinen politischen Freunden
politisch zu diskutieren. Die politischen Gegner von links
dagegen wurden anders behandelt. Der linke Gegner mußte in
bestimmten Situationen sogar gewärtigen, außerhalb der
staatlichen Rechtspflege im Standgerichtsverfahren durch
Militärinstanzen abgeurteilt zu werden. Sein Verhalten wurde
von Anfang an als Verstoß gegen Gesetze kriminalisiert. In
bestimmten Phasen der Auseinandersetzung wurden die Opponenten
von links durch das Militär sogar einfach niedergemacht: Man
denke an das Niedermetzeln der Kommunarden
1871 und der Exponenten der bayrischen Räterepublik. Für die
bürgerliche Republik stand in solchen Situationen der
wirkliche Feind links. Der wirkliche Feind war dann
derjenige, der die Herrschaft der Bourgeoisie bedrohte und die
kapitalistische Produktionsweise in Frage stellte. Der
politische Gegner von rechts war demgegenüber ein völlig
anderer Gegner. Er bekämpfte zwar den politischen
Herrschaftsanspruch des Bürgertums, gegenüber dem Gegner von
links stand er jedoch - selbst für Brüning - als
Bündnispartner bereit. Der politische Gegner von rechts wurde
letztlich nicht als wirkliche Bedrohung angesehen, weil er das
Eigentum an Produktionsmitteln nicht in Frage stellte. In dem
Maße, in dem sich das Bürgertum von links her bedroht sah, als
mit der russischen Revolution zum ersten Mal die Möglichkeit
einer Überwindung der kapitalistischen Produktionsweise
konkrete Gestalt annahm, wurde die Abgrenzung gegenüber dem
politischen Gegner von links allgemein zu der Grenzlinie, an
der alles gemessen wurde. Der Gegner von links war nun nicht
mehr nur irgendein Feind, sondern der Feind schlechthin.
Diese Feindschaft führte dazu, daß der politische Gegner
zusehends weniger als Gegner betrachtet wurde, sondern mehr und
mehr als der auch individuell zu vernichtende totale Feind.
Nicht nur vom Nationalsozialismus, sondern schon in der Weimarer
Republik wurde der politische Gegner von links moralisch in
Frage gestellt, kriminalisiert und für unmenschlich erklärt. Der
Faschismus hat diese absolute Feindschaft auf die Spitze
getrieben: der politische Gegner wurde nicht mehr bestimmt als
Gegenposition, sondern als der Unmensch, der ausgemerzt und
vernichtet werden darf.(1)
Art. 1 des GG zeigt, daß man bei der
Schaffung des GG meinte, einem solchen politischen Denken und
Verhalten entgegentreten zu müssen. Die Würde des Menschen
sollte durch keine absolute Feindschaft angetastet werden
können. Das heißt mit anderen Worten: das GG soll auch
demjenigen Schutz bieten, der seine Regeln nicht anerkennt.
II.
Als im Herbst 1970 eine politische Gruppe, die sich »Rote
Armee Fraktion« nennt, daran ging, »Illegalität als
Offensiv-Position für revolutionäre Intervention« zu
organisieren und eine Stadt-Guerilla mit dem Ziel des
bewaffneten Kampfes aufzubauen, wurde das im GG für
unveränderbar erklärte Prinzip der Würde des Menschen, das den
Rahmen setzen sollte für die Behandlung des politischen Gegners,
von zwei Seiten in Frage gestellt.
Die »Rote Armee Fraktion« hat - offenbar bedingt durch die
schwache Position aller Linken in der BRD - die Inhaber der
Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel und die Inhaber der
Staatsgewalt nicht mehr nur als »Charaktermasken« eines Systems,
sondern jeweils als den auch individuellen Gegner behandelt, dem
gegenüber Gewalt angebracht ist und den es zu treffen oder
einzuschüchtern gelte. Prinzipiell ging es dieser Gruppe zwar um
die Änderung politisch-gesellschaftlicher Verhältnisse. Im
Einzelfall traten jedoch Individuen, und zwar zum speziellen
Feind erklärte Individuen, in den Vordergrund: die »Pigs«, ein
Bundesrichter oder das Hochhaus eines Axel Springer.
Den Mitgliedern der »Roten Armee Fraktion« wurde von den
Organen der Strafverfolgung und von einem großen Teil der
Massenmedien die Qualität abgesprochen, politischer Gegner zu
sein. Die Gruppe wurde kriminalisiert. Horst Mahler hielt es für
richtig, diese Qualifizierung anzuerkennen, offenbar in der
Hoffnung, den Vorwurf zu einem Ehrentitel machen zu können. Er
sagte: »Revolutionäre Politik ist notwendig kriminell.« Und er
fügte hinzu, in bezug auf die Methoden der Stadtguerilla: »Das
ist kriminell, weil es gegen die Gesetze der Herrschenden
verstößt. Das ist revolutionär, weil diese Seite des Kampfes
eine notwendige Bedingung der Revolution ist. Während jedoch die
übliche Kriminalität unmittelbar das Interesse privater
Bereicherung bzw. Befriedigung verfolgt, hat die Kriminalität
der Revolutionäre die Verwirklichung gesellschaftlicher
Bedürfnisse zum Inhalt.«
Nachdem die »Rote Armee Fraktion« die Konfrontation auf die
individuelle Ebene getragen hatte und als kriminell
stigmatisiert worden war, war es nur noch ein Schritt, aus
diesem politischen Gegner einen »Staatsfeind Nr. i« zu machen.
Für die Mitglieder der »Roten Armee Fraktion« bedeutete die
Aberkennung der Eigenschaft, politische Gegner zu sein, daß sie
moralisch in Frage gestellt und für verbrecherisch und
unmenschlich erklärt wurden. Das geschah zunächst deshalb, um
jeden Dritten einzuschüchtern, der in die Lage kommen konnte, in
dieser oder jener Weise die zum Feind schlechthin erklärte
Gruppe zu unterstützen. Diese ursprüngliche Funktion war bald
nicht mehr ausschlaggebend. Die Existenz der Gruppe selbst wurde
zu einem solchen Störfaktor, daß es den Verfolgungsorganen vor
allem darauf ankam, den schon geächteten und verdammten Störer
zu beseitigen.
Die »Rote Armee Fraktion« ihrerseits hat durch ihre Aktionen
wiederum alles getan, die Auseinandersetzung zu verschärfen. Sie
hat - solange das den Mitgliedern der Gruppe überhaupt nur
möglich war — immer wieder dazu aufgerufen, bewaffnet das
»System« und seine politischen Funktionsträger zu bekämpfen.
In dem Maße, in dem sich die Auseinandersetzung zuspitzte,
entstand für beide Seiten eine Konfrontation mit einem
Intensitätsgrad und einer Absolutheit, die es in der BRD bisher
nicht gegeben hatte. Diese besondere Form der Konfrontation, ihr
Intensitätsgrad, ihre Absolutheit, hat sich nicht dadurch
verändert, daß der »harte Kern« der Gruppe verhaftet worden ist.
Die Konfrontation wurde dadurch noch verschärft, daß die
Instanzen der Strafverfolgung angesichts des absoluten
Schweigens der inhaftierten Gruppenmitglieder immer mehr in
Beweisschwierigkeiten gerieten. Ins Gewicht fiel auch die
Tatsache, daß die »Rote Armee Fraktion« gemeint hatte, es käme
darauf an, sozusagen bis zum letzten Kopf durchzuhalten, und
daher nicht in der Lage war, ihr Scheitern zuzugeben oder -
wenigstens - den Versuch eines »bewaffneten Kampfes« für beendet
zu erklären.
III.
Das Fortbestehen dieser absoluten Konfrontation, mit anderen
Worten: das Vorhandensein einer Feindschaft, in der jede Seite
für die andere zu einem Feind schlechthin und damit Unwert wird,
stellt ein Gemeinwesen, das sich als demokratischer Rechtsstaat
bestimmt und das die Würde des Menschen zur unveränderbaren
Schranke für alle Maßnahmen der Staatsgewalt erklärt hat, vor
ein bisher nicht gelöstes Problem. Solange die Todesstrafe nicht
abgeschafft war, hat auch die bürgerliche Republik politische
Gegner, die dieses Regime mit Mitteln der Gewalt in Frage
stellten, hingerichtet. In einem Staatswesen, in dem es aus
gutem Grund die Todesstrafe nicht mehr geben soll, ist das
anders. Hier gelten einerseits die für alle Strafgefangenen
aufgestellten Rechtsvorschriften. Hier ist das aus der
Unantastbarkeit der Würde des Menschen abgeleitete Gebot der
Humanität des Strafvollzugs zu beachten. Dennoch leiten die
Organe der Gefängnisverwaltung — und das
Bundesverfassungsgericht hat diese Auffassung im Grundsätzlichen
anerkannt - aus der Tatsache, daß die »Rote Armee Fraktion« sich
nicht zuletzt aufgrund einer Gefangenenbefreiung konstituierte,
und aus der angeblichen Gefahr neuer Gefangenenbefreiungen das
Recht ab, für diese Gefangenen besondere Sicherheitsvorkehrungen
zu treffen. Inhaftiert sind die Mitglieder dieser Gruppe somit
nicht mehr für das, was man ihnen zuvor vorgeworfen hatte:
gewöhnliche Kriminalität. Sie werden vielmehr in einer Weise
behandelt, die es bisher nur für den als totalen Feind
betrachteten Politischen Gefangenen gab: von anderen Gefangenen
völlig abgesondert und von der Umwelt nahezu vollständig
abgeschlossen. Diese Absonderung stellt nicht nur das in Frage,
was in den vergangenen Jahren gerade im
liberalen Rechtsstaat über die Notwendigkeit einer Humanisierung
des Strafvollzugs gesagt und geschrieben wurde; sie stellt
diesen Strafvollzug selbst in Frage. Gerade derjenige, der den
Instanzen des Strafvollzugs nicht unterstellen will, daß durch
die völlige Isolierung und das Fehlen jeden menschlichen
Kontaktes die Psyche der Inhaftierten gebrochen werden soll (um
auf diese Weise den anders nicht zum Einlenken zu bewegenden
Feind zu treffen oder um endlich zu den erwünschten Aussagen zu
kommen, die es möglich machen, Prozesse nach dem üblichen Muster
durchzuführen), darf nicht ablassen, darauf hinzuweisen, daß
diese Sonderbehandlung politischer Häftlinge mit der Würde des
Menschen unvereinbar ist und das Gebot der Gleichbehandlung
verletzt.
Diether Posser, SPD-Justizminister in Nordrhein-Westfalen,
hat in seiner Antwort an Heinrich Böll darauf hingewiesen, daß
er dafür sorgen würde, daß auch die Mitglieder dieser Gruppe
»einen nüchternen, entschiedenen, die Menschenwürde auch des
Verbrechers achtenden Strafvollzug« erhalten würden. Die
teilweise nun schon jahrelang durchgeführte Isolierung und
Sonderbehandlung dieser Untersuchungshäftlinge stellt dieses
Versprechen in Frage.
Es ist bezeichnend, daß zu dem Vorwurf, diese
Sonderbehandlung würde zu einer Persönlichkeitsveränderung der
Inhaftierten führen und könnte in Extremfällen sogar eine
psychische Vernichtung der Betroffenen zur Folge haben, von
offizieller Seite bisher geschwiegen wurde. Wenn in der Presse
darauf hingewiesen wurde, daß beispielsweise Baader (allerdings
erst nach der Entscheidung des BVerfG) über die
Gefängnisverwaltung Bücher bestellen könne, so ist das für den
Betroffenen möglicherweise eine gewichtige Verbesserung. Die
grundsätzliche Frage wird dadurch jedoch nicht berührt: In
welcher Weise verhält sich ein Staatswesen, das die Todesstrafe
abgeschafft hat, das die Würde des Menschen und das Gebot der
Gleichbehandlung auch für den Strafvollzug postuliert, zu
Politischen Gefangenen, von denen nicht zu erwarten ist, daß sie
abschwören, daß sie ihre absolute Gegnerschaft gegenüber dem
politisch-gesellschaftlichen System der Bundesrepublik aufgeben
oder daß sie durch einen Strafvollzug »gebessert« oder
»resozialisiert« werden?
Das über die Behandlung der inhaftierten Mitglieder der
»Roten Armee Fraktion« bisher zusammengetragene Material zeigt,
daß das Ausweichen vor dieser Frage letztlich nur von denjenigen
ausgenutzt wird, die das Gebot eines humanen, die Würde des
Inhaftierten achtenden Strafvollzuges sowieso für eine nach 1945
eingeführte »Humanitätsduselei« halten, mit der endlich Schluß
gemacht werden sollte.
Wer das nicht will — und in der Bundesrepublik kann man heute
unterstellen, daß das nicht wenige sind — muß sich Gedanken
darüber machen, ob
ein
demokratisches Staatswesen nicht auch die Würde dessen zu achten
hat, der diesen Staat und seine gesellschaftliche Ordnung
militant bekämpft, und zwar selbst dann, wenn Gegner von links
gegen Strafbestimmungen verstoßen, die gemeinhin zur üblichen
Kriminalität gerechnet werden. Dieser Gegner muß wieder als
politischer Gegner anerkannt werden. Das würde bedeuten, daß man
auch dem politischen Gegner von links so etwas wie eine moderne
Form der Festungshaft zubilligen müßte.
IV.
Die besondere Situation der inhaftierten Mitglieder der
»Roten Armee Fraktion« hat erneut die Frage aufgeworfen:
inwieweit und in welchem Umfang müssen sich linke Organisationen
oder müssen sich Einzelne, die sich als Linke verstehen, mit den
Inhaftierten solidarisieren? Selbstverständlich ist die
Solidarität, die sich aus sozialer Sensibilität (als
Hilfe für Genossen) ergibt, das Eintreten für die Opfer eines
politischen Kampfes, das geboten ist, auch wenn man sich nicht
mit der (selbst abgelehnten) politischen Praxis identifizieren
kann.
Darüberhinaus ist eine Solidarität in der Sache im
Falle der Inhaftierten insoweit geboten, als durch die
Behandlung der Inhaftierten die Position aller Linken betroffen
ist; konkret heißt das: insoweit durch die Maßnahmen gegen die
inhaftierten Mitglieder der »Roten Armee Fraktion« die
Behandlung linker Politischer Gefangener generell verändert
wird. Solidarität in der Sache heißt hier: Kampf um eine
politische oder juristische Position, die für alle Fraktionen
der politischen Linken von Bedeutung ist. Wer selbst nicht
getroffen, aber doch mitbetroffen ist, muß der Sache wegen
Beistand leisten. Solches solidarisches Verhalten beruht in der
Regel gerade nicht auf einer politischen Identifizierung mit der
politischen Position des Betroffenen. Nicht zuletzt deshalb kann
solche Solidarisierung zu einem überhaupt wirkungsvollen Faktor
werden. Das Fehlen dieser Form der Solidarität dagegen
demoralisiert: das Schweigen derjenigen, die im Augenblick nicht
durch den Radikalenerlaß betroffen sind; das Schweigen zu einem
Einreiseverbot, das nicht für den Vertreter der eigenen
politischen Organisation gilt, das aber einen Präzedenzfall
schafft; das Schweigen dazu, daß eine vielleicht für die eigene
Position unbequeme namensgleiche Konkurrenzorganisation verboten
wird oder verboten werden soll; das Schweigen zu einem Beschluß,
durch den unbequeme Opponenten aus der eigenen Organisation
ausgeschlossen werden. Wer in solchen Fällen meint, sich
davonschleichen oder durch Taktieren
einen Angriff auf sich abwenden zu können, fällt in der Regel
morgen selbst in die Grube, der er auszuweichen sucht. Denn für
das herrschende System ist der jeweilige Gegner austauschbar.
»Jedes politische Regime hat seine Feinde oder produziert sie
zur gegebenen Zeit.«(2)
Die Bekundung von politischer Solidarität mit den
Inhaftierten oder mit der Position der »Roten Armee Fraktion«
dagegen ist in jedem Fall eine fragwürdige Sache. Für politische
Organisationen und für den einzelnen, sofern er sich politisch
verhält, kann es politische Solidarität mit denjenigen nicht
geben, die von einer Analyse ausgehen, die man als falsch
erkannt hat, oder die eine Praxis treiben, die man für
verhängnisvoll hält.(3)
Derjenige aber, der diese Einwände nicht hat, muß sich im Fall
der »Roten Armee Fraktion« fragen, ob das bloße Bekunden
politischer Solidarität der Sache nach überhaupt geeignet ist,
Beistand zu leisten. In den vergangenen Jahren sind diese
Unterschiede zwischen politischer Solidarität, Solidarität in
der Sache und Solidarität der sozialen Sensibilität verwischt
oder nicht beachtet worden. Diese Unklarheit hat dazu geführt,
daß mancher sich mit einer Politik identifizierte, mit der er
sich letztlich nicht identifizieren wollte (und allein aufgrund
dieser Bekundung verfolgt wurde), oder dazu beigetragen, daß
viele - wegen ihrer politischen Kritik an der »Roten Armee
Fraktion« — ihre soziale Sensiblität mit den Inhaftierten
verdrängten und nicht mehr bereit waren, sich in der
Sachposition, der veränderten Behandlung Politischer Gefangener,
solidarisch zu verhalten.
Anmerkungen
1) Carl Schmitt (Theorie des Partisan, Berlin
1963, S. 94) macht Lenin dafür verantwortlich, durch einen
»gedanklichen Kunstgriff« die »Veränderung des Feindbegriffes«
bewirkt zu haben; s. dazu auch Carl Schmitt, Der Begriff des
Politischen (zuerst 1932), Berlin 1963.
2) Otto Kirchheimer, Politische Justiz,
Neuwied/Berlin 1965,S.21.
3) Auf diese Unterscheidung habe ich in
meiner Rede »Solidarität mit Peter Brückner am 25. 1. 1972
hingewiesen. Die »Rote Armee Fraktion« ist dieser
Differenzierung ' entgegengetreten (Dem Volke Dienen.
Stadtguerilla und Klassenkampf, 1972,8. 58 f.): »Solidarität ist
politisch, nicht erst als Solidarität mit Politischen, sondern
als Weigerung, nur unter dem Büttel des Wertgesetzes, nur unter
dem Aspekt von Tauschwert zu handeln.«
Editorische Anmerkungen
Der Text erschien im August 1973 im
Kursbuch 32, hrg. v. H. M. Enzensberger und K. M. Michel,
Westberlin, S. 129ff
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