Hartz IV- ist offener Strafvollzug!

von
ft

03/07

trend
onlinezeitung

Behördenschikane und Bespitzelung, Entwürdigung, seelischer Terror und Einschüchterung beherrschen vielfach die Praxis der Jobcenter, der Agentur für Arbeit und der Arbeitsgemeinschaften gegenüber erwerbslosen Menschen im ALG II Bezug.

Die Bundesergierung prahlte im Jahr 2006 auf ihrer Homepage, die Anfang 2005 eingeführten Arbeitsmarktreformen (Hartz-Gesetze) hätten sich bewährt und zeigten angeblich erste Erfolge. Grund genug für die schwarz-rote Regierung zu weiteren Verschlechterungen und Verschärfungen überzugehen, die sich über einen Zeitraum von August 2006 bis Anfang 2007 hinzogen:

Durch dieses „Optimierungsgesetz“ bei Hartz IV wurden in Wirklichkeit einfach die Lebensführung und die Lebensbedingungen der betroffenen Erwerbslosen weiter verschärft.

Die gesetzlichen Regelungen um die so genannten Bedarfsgemeinschaften herum wurden weiter verschärft. Die Jobcenter vermuten nun einfach das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft, und der Erwerbslose hat nun ohne Wenn und Aber die Beweislast, dass keine Bedarfsgemeinschaft besteht. Außerdem sollen gleichgeschlechtliche Partnerschaften eheähnlichen Gemeinschaften gleichgestellt werden. Sie werden künftig als Bedarfsgemeinschaft gewertet, auch wenn es sich nicht um eine eingetragene Lebenspartnerschaft handelt.

Für erwerbslose Jugendliche unter 25 Jahren wird es weiter erschwert, eine eigene Wohnung bzw. einen eigenen Haushalt zu gründen. Sie bleiben an ihre Eltern gekettet.

Mit Hilfe automatisierter Datenabgleiche und Datenabfragen wird jetzt ermittelt, ob Personen zu Unrecht Arbeitslosengeld II beziehen. Kraftfahrzeughalterdaten werden beim Kraftfahrt-Bundesamt geprüft. Datenabgleich bei Banken auch im EU-Ausland, ob dort Zinserträge erwirtschaftet werden. Zur Kontrolle der Erwerbslosen, zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten werden Außendienste eingeführt. Die Sanktionierung insbesondere wiederholter Pflichtverletzungen wird vereinfacht.

Alle, die ALG II beantragen, können jetzt in ein Sofortangebot vermittelt werden. So werden Erwerbslose immer häufiger in die so genannten Arbeitsgelegenheiten, im gängigen Jargon “1-Euro-Jobs”, gezwungen. Wer innerhalb eines Jahres 2 x eine solche Stelle ablehnt, bekommt beim ersten Mal eine Kürzung von 30 % und beim zweiten Mal von 60 % der gesamten Zahlung. Diese Kürzung umfasst deshalb auch Miete und Heizung für jeweils drei Monate. Folge: Zwangsarmut mit der Gefahr des völligen Absturzes in die Obdachlosigkeit für viele Betroffene Beim dritten Mal erfolgt die vollständige Streichung der Leistung. Das ist Zwangsarbeit!

Die allgemeinen Vermögensfreibeträge werden auf 150 Euro pro Lebensjahr gekürzt. Für die Rente erhöhen sich die Freibeträge allerdings entsprechend.

Durch die genannten Zwangsmaßnahmen will die Bundesregierung Einsparungen für Bund und Gemeinden in Höhe von rund 1,5 Milliarden Euro jährlich erzielen.

1,5 Milliarden Euro werden bei den Ärmsten gesucht oder herausgepresst, so stellte bereits im letzten Jahr ein Flugblatt des Arbeitskreises erwerbsloser Metaller/innen Bremen-Nord fest.

Und die Kolleg/innen stellten dem gegenüber fest:

“30 % statt 39 % Steuern für die Konzerne in dieser Republik. Die Senkung würde für die ersten 2 Jahre 5 bis 10 Milliarden weniger Steuern in die Kasse der Finanzämter spülen. Dieser Vorschlag kommt von dem SPD-Minister Steinbrück. Die SPD als eine Partei der Konzerne und Reichen dieser Republik?” 

Chaotische Rechtslage öffnet Willkür Tür und Tor! 

Es ist für Nichtbetroffene kaum noch zu überblicken, welche Gesetze, Verordnungen oder Durchführungshinweise gelten. Speziell die Durchführungshinweise der Agentur für Arbeit, mit denen die Tätigkeit der Jobcenter und Arbeitsgemeinschaften reguliert werden sollen, sind ein völlig undurchschaubares Gestrüpp einander teilweise widersprechender Bestimmungen.

Der Wuppertaler Erwerbslosenverein Tacheles e.V. hat gerichtlich erstritten, dass diese Anweisungen von der Agentur für Arbeit per Internet der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden müssen. Näheres ist auf der Homepage dieses Vereins zu sehen: www.tacheles-sozialhilfe.de, eine äußerst informative Quelle, auf der der ganze Wahnsinn um ALG II und Hartz IV etc. dokumentiert ist.

Aber das hat scheinbar Methode. Wo niemand mehr duchblickt, wird der Willkür Tür und Tor geöffnet. Die “Kunden” der Jobcenter stehen einem völlig überlasteten Personal gegenüber, das vielfach nicht das ABC geordneter Verwaltungsprozesse beherrscht, die Unzahl von Vorschriften nicht blickt und willkürlich entscheidet, oft unbeabsichtigt, nicht selten aber auch bewusst.

Das Sozialgericht Berlin prangert dies in einem Beschluss an. In vielen Jobcentern würden haltlose, nicht begründete oder nicht ausreichend begründete Bescheide an die Antragsteller herausgegeben. Aus einem Schreiben der Berliner Justizverwaltung an die zuständigen Berliner Senatsverwaltungen, das diesen Sozialgerichtsbeschluss weiterleitet, geht hervor, dass die „außergewöhnliche und dramatisch angestiegene Belastungssituation am Sozialgericht Berlin“ auf „organisatorische Defizite und Vollzugsprobleme bei den Job-Centern” zurückzuführen ist. Als Gründe benennen die Richter die schlechte Personalausstattung der ALG II-Behörden, Überlastung des Personals sowie mangelnde Kenntnisse im Sozial- und Verfahrensrecht.

Das Sozialgericht Berlin rügt, dass es vielfach keine geordnete Aktenführung gibt, dass bei so genannten Bedarfsgemeinschaften Bescheide und Schreiben nicht an die Antragsteller, sondern an beliebige Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft geleitet werden, dass durch diese Praktiken gerichtliche Verfahren in einem Umfang provoziert werden, dass das LSG völlig überlastet ist. Aber es kommt noch toller:

Berliner Richter berichten, dass überlastete Jobcenter-Bedienstete mittlerweile selbst empfehlen, „bei Gericht einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zu stellen, weil nur so eine beschleunigte Sachbearbeitung in der Behörde erreicht werden könne. Die Sachbearbeitung beginne dann praktisch vor Gericht.”

Unzureichende Rechtskenntnisse führten häufig zu Nachfragen der Mitarbeiter selbst bei den Richtern, „die ihre klar gefassten Beschlüsse im Nachhinein noch erläutern müssten, sowie zu immer weiteren Anträgen der Hilfesuchenden bei Gericht, in denen bemängelt wird, dass das JobCenter die gerichtliche Entscheidung ignoriere.”

Aber diese Rügen setzen immerhin voraus, dass viele Betroffenen ihre Rechte zumindest teilweise kennen, was zweifellos auch auf die organisierte Beratung durch zahlreiche Initiativen, gerade auch in Berlin, zurückgeht.

Aber viele Betroffene in ländlichen und kleinstädtischen Gebieten, wo keine Erwerbsloseninitiativen tätig sind, kennen ihre Rechte oft nicht, werden auch nicht von den Ämtern darüber aufgeklärt und sind den Schikanen wehrlos ausgeliefert.

Ganz frisches Beispiel Coburg, von Tacheles e.V. erst am 21. Februar 2007 dokumentiert:

Das Jobcenter Coburg Land verlangt von ALG-II-Antragstellern ohne jede Rechtsgrundlage Einverständniserklärungen zu Hauskontrollen, zu Kontenüberprüfungen und macht davon die Antragsbearbeitung abhängig. Nackte Willkür!

„Ich wurde heute darauf hingewiesen, dass ich verpflichtet bin, jede Änderung in den Verhältnissen von mir und allen in meinem Haushalt lebenden Personen unverzüglich dem Jobcenter Coburg Land mitzuteilen”, heißt es in dem mit „ERKLÄRUNG” überschriebenen Papier. Auch an anderer Stelle werden Mitwirkungspflichten und Ermittlungsauflagen bis zur Einschränkung verfassungsrechtlich geschützter Bereiche leichtfertig dem allumfassenden Überwachungsbedürfnis der Behörde preisgegeben:

„Mir ist bekannt und ich bin damit einverstanden, dass meine Verhältnisse durch unangemeldete Hausbesuche des Ermittlungsbeamten des Jobcenters überprüft werden.”

Im Gesetz sind solche Hausbesuche überhaupt nicht vorgesehen. Das ist dem Coburger Jobcenter offensichtlich bewusst, weil im Text verlangt wird, dass Betroffene sich (gezwungener maßen) „freiwillig” damit einverstanden erklären.

Die schwache Position der Antragsteller manifestiert sich in Aussagen wie dieser: „Ich ermächtige das Jobcenter Coburg Land, alle Auskünfte über mich bei anderen Behörden oder Personen einzufordern und Akten/ Unterlagen anzufordern, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben nach dem SGB II erforderlich ist.”

Es handelt sich hier zum einen um eine unzulässige Ausweitung behördlicher Ermittlungsrechte auf die Einholung von Auskünften bei Dritten.

Und es handelt es sich hier um ein krasses Beispiel von Behördenwillkür und Rechtslosstellung von Langzeitarbeitslosen durch eine Arbeitslosengeld II-Behörde.

Diese Praxis sei repräsentativ für eine neue Qualität des Umgangs mit Alg II-Bezieher/-innen und die Ausbreitung „rechtsarmer” Räume in den Sozialbehörden, so Tacheles e.V..

(Zur genaueren rechtlichen Bewertung verweisen wir aber, aufgrund der komplexen und unübersichtlichen Rechtslage, auf die sehr informative Stellungnahme von Gregor Kochhan und Harald Thomé bei Tacheles e.V.: http://www.tacheles-sozialhilfe.de/aktuelles/2007/coburger_erklaerung_stellungnahme.aspx  ).

Schlachtfeld Wohnung und Unterkunft! 

Gerade erst wurde die Öffentlichkeit durch Meldungen aufgeschreckt, dass immer häufiger Teile von zu großen Wohnungen bei ALG-II-Empfängern verschlossen würden. In der Folge würde die Miete gesenkt, so dass die ALGII-Behörde die Kosten dieser geminderten Unterkunft auch weiter trage. Dahinter verbirgt sich die alle Betroffenen zutiefst entwürdigende Auseinandersetzung um “angemessenen Wohnraum”. Zahllose ALG-II-Empfänger wurden bereits von “ihrer” ALG-II-Behörde zu Wohnungswechseln gezwungen, weil die bewohnte Unterkunft unangemessen groß sei. Dabei muss klar sein: Diese menschenverachtenden Praktiken und speziell die Zwangsumzüge müssen beendet werden!

Aber welch ein Feld für Sozialterror eröffnet sich hier den ALG-II-Behörden!

Beispiel: Bereits im Jahr 2006 wurden über 900 Bedarfsgemeinschaften (!) in Düsseldorf aufgefordert, ihre „unangemessenen Unterkunftskosten“ zu senken. Angemessen seien je nach Größe der Bedarfsgemeinschaft 45 bis 105 qm Wohnraum bei maximal 6,40 Euro Quadratmetermiete. Zusätzlich wurden zahlreichen ALG II-Bezieher/innen die Kosten der Unterkunft (KDU) trotz ärztlicher Atteste und trotz des Nachweises von Wohnungsbemühungen gekürzt oder Kürzungen wurden angedroht. Menschen in Notsituationen und Gewaltopfern wurde die Mietübernahme selbst bei als notwendig anerkannten Wohnungswechseln verweigert.

Ein Gutachten für das Sozialgericht Düsseldorf sollte klären, ob in Düsseldorf genügend Wohnraum für mehrere tausend Arbeitslosengeld II-Empfänger/innen zum Quadratmeterpreis von 6,40 Euro inkl. Betriebskosten zur Verfügung steht. In dem vom Sachverständigen Ludwig Horn gefertigten Gutachten wird die Realität auf dem Düsseldorfer Wohnungsmarkt eindrucksvoll bestätigt. Es macht damit auch die ganze Willkür deutlich, die im Vorgehen der Düsseldorfer ARGE, der dortigen ALG-II-Behörde, zum Ausdruck kommt.

Zentraler Satz des Gutachtens:

„Das Wohnungsamt der Stadt Düsseldorf hat festgestellt, dass insgesamt 5.300 Haushalte in Düsseldorf als Wohnungssuchend gemeldet sind. Bei insgesamt 65 als frei gemeldeten Wohnungen zwischen 45 und 105 qm bis zu einem Mietpreis von 6,40  ist das Missverhältnis eindeutig.“

Von den 65 Wohnungen, die Horn zum von der ARGE verlangten Preis fand, würden zudem nur rund 10-20% überhaupt an Arbeitslosengeldbezieher oder Sozialhilfeempfänger vermietet.

Wohlwollend geschätzt standen also gerade mal 13 Wohnungen für die 900 von der ARGE angeschriebenen Bedarfsgemeinschaften zur Verfügung (wenn man unberücksichtigt lässt, dass ja mindestens weitere 4.500 Personen beim Amt wohnungssuchend gemeldet sind und viele tausend weitere Menschen preiswerten Wohnraum suchen, ohne sich wohnungssuchend gemeldet zu haben).

Faktisch dürfte das Verhältnis noch schlechter aussehen, weil der Gutachter die angebotenen Wohnungen mit rund 200 Briefen, 50 Telefonaten sowie einer umfangreichen Internetrecherche ermittelt hat. Die dazu notwendigen finanziellen Mittel stehen ALG-II-Empfängern gar nicht zur Verfügung. Selbst wer von der ALG-II-Behörde zum Umzug aufgefordert wird, erhält nur in den seltensten Fällen eine Kostenerstattung für Ausgaben zwecks Wohnungssuche.

Zudem muss berücksichtigt werden, dass insbesondere Ein-Personen-Haushalte von den Umzugsaufforderungen der ARGE betroffen sind und gerade im Bereich der 45-qm-Wohnungen so gut wie gar kein Wohnraum zum Preis von 6,40 Euro zur Verfügung steht.

Die Betroffenen sollten bei allen Leistungsträgern Gutachten wie in Düsseldorf fordern und, so schwer es auch fällt, konsequent alle Rechtsmittel gegen Umzugs- und Unterkunftskostensenkungsforderungen einlegen.

Gutachten wie das Düsseldorfer müssen endlich dazu führen, dass die ALG-II-Behörden ihre Umzugsaufforderungen und Mietkürzungen unverzüglich zurücknehmen!

Und auch hier wieder: Der Willkür werden Tür und Tor geöffnet! Beispiele:

ALG-II-Empfänger/innen werden, beispielsweise bei der Abgabe eines Folgeantrages, aufgefordert, eine „Niederschrift“ über „unangemessen hohe“ Unterkunftskosten zu unterschreiben. Bei Weigerung wird der Folgeantrag nicht angenommen. Kein Antrag- kein Geld! In einem Fall lässt die ARGE einen Hilfeempfänger eine um mehrere Monate zurückdatierte „Niederschrift“ unterschreiben und beginnt entsprechend schneller mit dem Kürzen.

Die jeweiligen Mitarbeiter/innen der ARGE stehen bei derartigen Vorgehensweisen im dringenden Verdacht, sich des Straftatbestandes der Nötigung schuldig zu machen. Die Niederschriften werden als Grundlage der folgenden Mietkürzungen bis heute verwendet, obwohl der Leiter der ARGE die Formulare und den Zwang, sie zu unterschreiben, angeblich bereits im März 2005 zurückgenommenen hat, nachdem ein unabhängiger Sozialberater gegen ihn Strafanzeige angedroht hatte. Ein solch erpresserisches Verfahren wird selbst gegen schwer erkrankte Betroffene angewandt.

Weiteres Beispiel: Einem ALG-II-Empfänger wird seine ca. 360 Euro kostende Wohnung wegen Eigenbedarfs gekündigt. Eine Klage dagegen verliert er, die Wohnung ist innerhalb von drei Monaten zu räumen. Der Betroffene erhält durch eine Wohnungsgenossenschaft, der er angehört, eine Wohnung, die ca. 20 Euro preiswerter als seine Bestandswohnung ist, also 340 Euro kosten soll. Die ARGE verweigert die Kostenübernahme, weil die Miete über dem Satz für Neuanmietungen von 288 Euro liegt. Der Verweis, dass die Wohnung preiswerter sei als die bisherige, lässt sie nicht gelten. Auch, dass weder Genossenschaftsanteile noch Kaution fällig werden, hilft nicht. Nach einem nervenzehrenden zweimonatigen (!!) Hin und Her sagt die ARGE doch noch die Übernahme der Mietkosten zu, verweigert aber die Übernahme von Umzugskosten. Auch dies gelingt erst im Widerspruchverfahren. Insgesamt war der Betroffene nicht nur zwei Monate  mit dieser Angelegenheit befasst, sondern in größter Sorge vor eintretender Obdachlosigkeit.

Hartz IV ist offener Strafvollzug, sagt sogar der Chef der Drogeriekette DM, Goetz Werner, im Stern Nr. 17 / 2006 

Arbeitsagentur selbst erstellt vernichtende Analyse zu 1 Eurojobs  

Laut Statistik der Agentur für Arbeit ergibt sich für den Zeitraum Januar 2005 bis September 2006 eine Anzahl von insgesamt 1.132.400 1-Euro-Jobbern, davon rund 509.400 im Osten und 623.000 im Westen.

In einem empirischen Forschungsbericht untersucht das wissenschaftliche Institut der Arbeitsagentur die bisher erzielten Ergebnisse.

Auf die konkrete Lage der 1 Eurojobber geht der Forschungsbericht mit keinem Wort ein, sondern betrachtet alles aus der Perspektive der kapitalistischen Gesamtwirtschaft. Er weist nicht darauf hin, dass diese Art der Beschäftigung eine Form der Zwangsarbeit ist: 1- Eurojobbern stehen keinerlei Rechte eines normalen Arbeiters zu, kein Streikrecht, keine freie Wahl des Arbeitsplatzes etc.

Zynisch stellen die Autor/innen fest, dass der einzige „Erfolg“ dieser Maßnahmen sei, die Arbeitenden wieder an den Drill der kapitalistischen Ausbeutung zu gewöhnen. Als pädagogisches Ziel wird benannt, sie sollten bereit sein, jede Art Arbeit zu egal welcher Bezahlung voll engagiert und widerspruchslos auszuführen. Also: Zwangsarbeit mit dem Ziel der Brechung jedes Widerstandswillens! (Quellen:

http://www.iab.de/asp/internet/dbdokShowOhne.asp?pkyDoku=k070126a04  und Peter Weinfurt: Hartz IV: Arbeitsagentur erstellt vernichtende Analyse zu 1 Eurojobs. Link zum Originalartikel: http://www.linkezeitung.de/cms/content/view/2060/32/ )

Der genannte Bericht kommt zu einem vernichtenden Urteil:

Nur 2 % aller 1 Eurojobber werden in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung übernommen

Die befragten Betriebe erklärten zu mehr als zwei Drittel offen, dass sie die Jobber als Umsonst-Arbeitskräfte einsetzen um Kosten zu sparen. So vermeiden sie Neueinstellungen und können bisher Beschäftigte entlassen. Auf diese Weise wird nicht die Arbeitslosigkeit, sondern werden allein die Löhne gesenkt.

1 Eurojobs sind weder „zusätzlich“ noch gemeinnützig, sondern vernichten reguläre Arbeitsplätze! 

Laut Gesetz müssen 1 Eurojobs „zusätzlich“ sein und im öffentlichen Interesse liegen. So soll angeblich Wettbewerbsneutralität sichergestellt und eine Verdrängung regulärer sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung vermieden werden.

Minutiös weist der Bericht nach, dass in den allermeisten Fällen die Beschäftigung von 1 Eurojobbern keineswegs „zusätzlich“ erfolgt und auch nicht „gemeinnützig“

Die Träger, also die Firmen, Betriebe oder Organisationen, die 1-Euro-Jobber ausnutzen, erhalten für Zusatzjobber sogar eine Pauschale von bis zu 450 Euro, mit der die angeblich entstehenden Ausgaben für die Qualifizierung ihrer Zwangsbeschäftigten sowie weitere Kosten abgegolten werden sollen. Aber die Betriebe kassieren die für Ausbildung und die Einrichtung zusätzlicher Arbeitsplätze gedachten Prämien ohne jede Gegenleistung und setzen die für sie praktisch kostenlosen Arbeitskräfte einfach so ein.

Dazu passt, dass nach Recherchen unserer Zeitung viele 1-Euro-Jobber niemals erfahren, dass ihnen Qualifizierungsleistungen zustehen: Weder von ihren „Arbeitgebern“, noch von den ALG-II-Behörden, noch von allen möglichen Vermittlern, die sich mittlerweile auf diesem Felde tummeln.

Der Forschungsbericht fasst kapitalistisch nüchtern zusammen, dass drei Viertel der Betriebe durch die Zusatzjobber so eine schöne Kostenentlastung erfahren:

„Die Zusatzjobber arbeiten ohne zusätzliche Lohnkosten, die entstehenden Qualifizierungs- und Sachkosten sollen durch die Maßnahmepauschale abgedeckt sein. Da sich die Mehrzahl der Betriebe auch nicht durch Organisations- oder Betreuungsaufwand belastet sieht, erfolgt die Leistungsausweitung bzw. -verbesserung zu geringen oder ganz ohne Kosten. Wenn die Betriebe, in denen dies zutrifft, in Konkurrenz zu anderen Betrieben stehen, in denen keine Zusatzjobber arbeiten, resultieren daraus Einflüsse auf die bestehende Wettbewerbssituation: ein Teil aller Betriebe kann ohne Kostenerhöhung seine Leistung ausweiten, ein anderer Teil dagegen nicht.“

Und er zeigt die im Kapitalismus logische Folge: dass im Zuge der Beschäftigung von Zusatzjobbern reguläre Beschäftigung in erheblichem Umfang verdrängt und der bestehende Wettbewerb beeinflusst wird. Immer weniger Aufträge aus öffentlichen bzw. öffentlich bezuschussten Einrichtungen z. B. für handwerkliche und Reparatur-Arbeiten, Grünanlagenpflege, Hausmeisterdienste werden an private Anbieter vergeben, weil diese Arbeiten verstärkt von Zusatzjobbern ausgeführt werden. Die Nachfrage bei den privaten Anbietern sinkt messbar, und hier fallen dann Arbeitsplätze weg. Fälle sind in zahlreichen Städten nachgewiesen. Beispielsweise werden in Stuttgart bereits pädagogische Fachkräfte in Schulen als 1-Euro-Jobber beschäftigt. Ganztagsschul-Pläne werden hier bereits auf die Ausbeutung solcher Kräfte gegründet!

Laut Erhebung konnte jeder zweite befragte Betrieb durch 1 Eurojobber sein Leistungsangebot ausweiten bzw. qualitativ verbessern. Es konnten Neueinstellungen vermieden, - frei werdende Stellen mussten nicht neu besetzt, teurere sozialversicherungspflichtige Beschäftige konnten entlassen werden und man konnte praktisch kostenlos an Vertretungskräfte für den Urlaubs-, Mutterschutz oder Krankheitsfall kommen.

Nackte Lohnkostensenkung und Erschleichung von Vorteilen im Konkurrenzkampf mit anderen Betrieben! Was der Bericht feststellt, entspricht exakt der Kritik, die von Anfang an gegen die 1-Eurojobs vorgetragen wurde.

Auch der Bundesrechnungshof bestätigt bereits im Jahr 2006: Bei fast einem Viertel der geprüften Maßnahmen mit Arbeitsgelegenheiten lagen die gesetzlichen Förderungsvoraussetzungen gar nicht vor, weil die zu erledigenden Tätigkeiten nicht im öffentlichen Interesse, nicht zusätzlich oder nicht wettbewerbsneutral waren. Der Bundesrechnungshof stieß beispielsweise auf Maßnahmen, die notwendige Arbeiten im Pflege- und Reinigungsbereich, termingebundene Bauhilfsarbeiten, Service- und Ausschankaktivitäten im gastronomischen Bereich oder den Einsatz in einem über Arbeitsgelegenheiten finanzierten Orchester umfassten. Bei weiteren knapp 50% der geprüften Fälle hatten die ALG-II-Behörden keine verlässlichen Kenntnisse über die Maßnahmeinhalte, so dass auch hier Zweifel an der Förderungsfähigkeit bestanden.

Das alles zeigt: Die so genannten Hartz-Gesetze sind eine brutale Falle für die Betroffenen. Sie schaffen keinen einzigen neuen Arbeitsplatz, sondern stoßen die im Kapitalismus gesetzmäßig anfallenden Arbeitslosen in Zwangsarmut und Zwangsarbeit.

Sie sollen zu jeder Art Arbeit gefügig gemacht werden.

Aber diese Gesetze leisten mehr: Sie vernichten reguläre Arbeitsplätze und überführen noch relativ gut bezahlte Arbeiten in den Zwangsarbeits- und Niedriglohnsektor. Sie sind damit nicht nur ein Teil des Sozialkahlschlags, sondern auch ein Mittel, das gesamte Lohnniveau in der Gesellschaft herabzudrücken. Das zeigen die Beispiele des Einsatzes von Fachkräften als 1-Euro-Jobber mehr als deutlich. Und es steht zu befürchten, dass weiter Ausweitungen dieser Beschäftigung ins Haus stehen, wenn wir, wenn die Betroffenen und von Arbeitslosigkeit Bedrohten sich nicht wehren. Und welche Lohnabhängigen sind vor Arbeitslosigkeit sicher?!

Jede Art von Widerstand und Organisation gegen diese manchmal schon archaisch anmutende Praxis von Staat und Kapital ist berechtigt und zu unterstützen!

Unterstützt die Montagsdemo-Bewegung ebenso wie die ämter-unabhängige Sozialberatung! Öffentliche Aktionen und Demonstrationen sind notwendig. Aber es fehlt die entscheidende Kraft, das kompromisslose Engagement der Gewerkschaften. Das gilt sowohl für die Basis, besonders aber für die Führungen. Die Basis erschöpft sich im Kräfte zehrenden Abwehrkampf in Betrieben und Dienststellen, die Gewerkschaftsführungen interessieren sich offensichtlich nicht, obwohl die gezeigten Beispiele und der zitierte Forschungsbericht der Agentur für Arbeit beweisen: Hier werden auch die Grundlagen des gewerkschaftlichen Kampfes zerfressen und zerstört! Und das ist die reine Absicht der bundesdeutschen „Arbeitsmarktpolitik“ von Merkel bis Müntefering, von Hartz über Schröder und Clement bis zu Steinbrück und so weiter!

Diese Politik wir abgesichert bis hin zur EU, wo das Lissabon-Projekt das „vereinte Europa“ zum profitabelsten Wirtschaftraum der Welt machen will. Dafür braucht man den „deregulierten“, den zerstörten Arbeitsmarkt, die Beseitigung möglichst aller tariflichen Standards. Und das scheint weder Herrn Sommer vom DGB, noch die Peters, Huber  und Bsirske besonders zu interessieren. Im Gegenteil. Sie hatten sogar Vertreter in die Hartz - Kommission geschickt.

Der Hass, den diese Politik bei den lohnabhängigen und erwerbslosen Menschen auslöst und auslösen wird, müssen wir verwandeln in Energie: In den Gewerkschaften und außerhalb!

Fordern und fördern wir die gewerkschaftliche Organisation der Arbeitslosen und Zwangsarbeiter, Fordern und fördern wir, dass der Widerstand dagegen auch die Kolleginnen in den Betrieben erfasst, ehe dort die ersten „Arbeitsgelegenheiten“ angeboten werden.

Aber bündeln wir auch die Energien, um dieses kapitalistische System zu stürzen, das gesetzmäßig die Arbeitslosigkeit erzeugt, das Menschen gnadenlos aussortiert und in Elend und Armut stürzt.  

Abschaffung der Hartz-Gesetze!

Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Lohn- und Personalausgleich!

Schluss mit dem „Sozialterror“ gegen verarmte und erwerbslose Menschen!

 

Editorische Anmerkung

Der Artikel erschien bei Arbeit Zukunft am 9.3.07. Wir spiegelten von dort.