Betrieb & Gewerkschaft
Tarifrunde Metall

von D. Berger

03/07

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Seit Jahren hatten wir in der Metall- und Elektroindustrie keine so gute objektive Ausgangslage für eine Tarifrunde. Die Auftragsbücher sind „proppevoll” (89 % Kapazitätsauslastung gegenüber im Schnitt 82 %). Die Gewinne sind in den letzten Jahren stark gestiegen und lassen sich schlecht verheimlichen.

Schon im Herbst war die Entwicklung so krass geworden, dass sogar die bürgerliche Politik von der Notwendigkeit „angemessener“ Lohnsteigerungen sprach (selbstredend wurde dabei der Schwerpunkt auf Einmalzahlungen gelegt). Von 2000 bis 2005 stiegen in der Gesamtwirtschaft die Bruttogewinne der Kapitalgesellschaften um mehr als 30 % (von 304,7 auf 419,96 Mrd. €). Löhne und Gehälter sind nominal nur wenig gestiegen, real sind sie gesunken. Auch die Zahlen, die der IGM-Vorstand den Tarifkommissionen zur Verfügung stellt, sprechen eine eindeutige Sprache: Die Aussichten für 2007 sind rosig: Für die Gesamtwirtschaft wird ein Produktivitätsfortschritt von mindestens 1,8% erwartet, für die Metallindustrie 4,5 %.

Vor allem die real steigenden Arbeitszeiten (u. a. die Zunahme von Überstunden) hat in den letzten Monaten nicht nur die Erwartungshaltung sondern auch die Zuversicht unter den KollegInnen steigen lassen, dass dieses Mal mehr rauszuholen ist als im letzten Jahr. Die Diskussionen in den Betrieben – allerdings wurde nicht überall darüber diskutiert – gingen deswegen von 6 % bis deutlich über 10 %. Einige Vertrauenskörper oder Betriebsratsgremien sprachen sich für Festgeldforderungen aus.
All das war aber überhaupt nicht im Sinne des Vorstandes. Vor allem wollte er keine konkreten Zahlen hören, die ihm den Spielraum bei der Festlegung der Forderung einengen könnten. Denn: Schon zur Jahreswende hatte er sich auf die Linie von 6 bis 6,5 % verständigt und seinen Beauftragten in den Bezirken und Verwaltungsstellen als Linie vorgegeben. Wo es nur ging wurden Abstimmungen vermieden, so dass die für den 6. Februar angesetzte öffentliche Verkündung der Vorstandslinie (6,5 %) nicht zu sehr durch andere Eindrücke belastet würde. Vor allem sollten breite, sich gegenseitig anregende Diskussionen vermieden werden.
Vorstandskonzept
Die Vorstandslinie (alles dranzusetzen, damit kein Kampf erforderlich ist und man sich schon nach den Warnstreiks einig wird) setzt auf folgende Punkte:

  1. Eine reine Lohnforderung, damit Gegenforderungen (etwa nach Verlängerung der Arbeitszeit) vermieden werden (sollen); an sich ist die Kündigung des entsprechenden Abschnitts im MTV durch die IGM längst überfällig.
  2. Keine Festgeldforderung, weil dies die gerade erst mit ERA neu vereinbarten Tabellen „schon wieder durcheinander brächte“.
  3. Bei der Begründung der Forderung wird nur mit der Produktivitätsentwicklung der Gesamtwirtschaft argumentiert, obwohl die in der Metall- und Elektro-Industrie deutlich höher ist.
  4. Nur so kann der Vorstand in die 6,5 % eine Umverteilungskomponente reininterpretieren. Offiziell ist dieser Forderungsbestandteil schließlich nie beerdigt worden.
  5. Keine Verknüpfung mit ERA, obwohl gerade in Baden-Württemberg die IGM mit der „Mogelpackung“ von Südwestmetall zu kämpfen hat (laut Unterlagen der Großen Tarifkommission im Bezirk Stuttgart verlören demnach die KollegInnen in 5 Jahren 4900 €).
  6. Keine Verknüpfung mit dem Kampf gegen die Reformen.

Höhere Forderungen werden durchweg damit abgewehrt, dass sie „nicht zu vermitteln“ seien, die Bevölkerung sähe das nicht ein, am wenigsten die Erwerbslosen. Diejenigen, die so reden (so manche Delegierte und Funktionäre sowie viele Hauptamtlichen), übernehmen unversehens die dümmsten Argumente der Gegenseite.

Für uns am wichtigsten: Erst wenn die KollegInnen den Eindruck haben, „dass es wirklich um was geht“, wenn sich also der Kampf zu lohnen verspricht, können größere Belegschaftsteile und vor allem Belegschaften aus den bisher nicht beteiligten Betrieben motiviert und mitgerissen werden.

Die Forderung von 8 % fand in vielen Vertrauenskörpern und Betriebsräten große Zustimmung und hätte das Signal für einen Aufbruch werden können. Aber die wenig demokratischen Diskussionen auf den Delegiertenversammlungen (schließlich hatten Vorstand und Bezirksleiter mit ihren Verlautbarungen schon Fakten geschaffen) machen es schwer, die objektiv günstige Ausgangslage für eine Veränderung der Kräfteverhältnisse zu nutzen. Dies wird nur durch eine politisierende Einwirkung von unten noch möglich sein. Vor allem muss die Verbindung zur ERA-Problematik und zur Reformpolitik hergestellt werden. Angesichts der allgemeinen Verhältnisse und der schlechteren objektiven und subjektiven Voraussetzungen in den anderen Branchen kommt den KollegInnen in der Metallbranche eine besondere Verantwortung zu. Viel zu tun also gerade für die Gewerkschaftslinke.

Statistiken Metallbranche
Vergleich Baden-Württemberg (Jan-Nov 2005 / Jan-Nov 2006)

Produktionsindex: + 8,6 %
Produktivität: + 8 %
Arbeitszeit je Person: + 0,9 %
Beschäftigte: – 0,4 %
Produktivität bundesweit:
2004: + 4,5 %
2005 + 5,4 %
2006: + 7,1 % (hochgerechnet)

Lohnstückkosten:
2004: – 4,2 %
2005: – 3,8 %
2006: – 4,2 %
 

Gewinne und Einkommen

„Die Reallöhne sanken 2006 um rund zwei Prozent, während die Unternehmergewinne kräftig anzogen. Brutto legten die Einkommen der Arbeitnehmer um 0,7 % zu. Nach Abzug der Steuern und Sozialbeiträge blieb netto ein Minus von 0,3 % auf den Lohnzetteln. Dem steht eine Teuerungsrate von 1,7 % gegenüber. Die Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen kletterten um 6,9 %.“ (Frankfurter Rundschau, 12.1.07) Und: Die Metallbranche erwartet für dieses Jahr beim Umsatz „ein mindestens fünfprozentiges Wachstum“ (Der Spiegel, 8.1.07).

Editorische Anmerkung

Der Artikel erschien auf der Website des Revolutionär Sozialistischen Bundes / Vierte Internationale am 1.3.07. Wir spiegelten von dort.