Freidenker kritisieren "Zentralrat der Ex-Muslime"
Eine Stellungnahme von Klaus Hartmann

03/07

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Das Grundrecht auf negative Religionsfreiheit, also an nichts und niemand glauben zu müssen, ist ein Menschenrecht, das für alle Menschen gleichermaßen gilt - unabhängig ihrer Herkunft oder auch ihrer bisherigen religiösen Überzeugung.

Die Anerkennung dieses Grundrechts fällt Vertretern aller Religionsgemeinschaften nachweislich schwer. Mit der Gründung eines „Zentralrats der Ex-Muslime“ weisen die Initiatoren einerseits auf dieses Problem hin, andererseits wird der Eindruck erweckt, es handle sich um ein spezielles Problem des Islam. Fehlen uns jetzt noch das Zentralkomitee der Ex-Christen und der Zentralvorstand der Ex-Juden?

Wie weit es tragen mag, seine Selbstdefinition negativ auf seinen nicht mehr akuten Glauben zu beziehen, müssen die „Ex-Muslime“ selbst einschätzen. Die Gründung dieses Zentralrats z.B. in Saudi-Arabien wäre in jedem Falle sinnhaft und Zeugnis größter Zivilcourage gewesen. Wenn in Deutschland hingegen durchweg „integrierte“ vormalige Muslime einen solchen Spezialverein gründen, könnte schnell aus dem Blick geraten, welche Probleme andere „Abtrünnige“ mit ihren jeweiligen Ex-Religionen bekommen können.

Das angeführte Problem, auch als „Ex“ weiterhin als „muslimische Intellektuelle“ angesprochen zu werden, kennen andere Atheisten zur Genüge, die wegen ihrer jüdischen Mutter unverdrossen als „jüdische Intellektuelle“ ausgegeben werden. Gegen diese Ignoranz, die religionsübergreifend wirksam ist, wird man sich gemeinsam mit anderen Betroffenen wehren müssen. Durch die Gründung von Spezialvereinen, die sich auf die ethnische oder religiöse Herkunft beziehen, wird eher die Ghetto-Situation befestigt, der man doch gerade zu entrinnen trachtet.

Von der Bundesregierung fordert der „Zentralrats der Ex-Muslime“, „sich auf internationaler Ebene für die Einführung und Einhaltung der Menschenrechte in den Ländern des islamischen Herrschaftsraumes einzusetzen“.

Wie geeignet ausgerechnet die deutsche Bundesregierung ist, sich für die Geltung der Menschenrechte zu verwenden, soll hier nicht kommentiert werden.

Menschenrechtsorganisationen kritisieren jedenfalls seit langem, dass alle Bundesregierungen das Thema „Menschenrechte“ immer im Außenministerium angesiedelt haben, was erstens signalisiert, dass dies kein innenpolitisches Thema ist, da „bei uns“ mit den Menschenrechten alles bestens sei. Und zweitens bewirkt diese Praxis, die Menschenrechte als Waffe in den Beziehungen zu anderen Ländern zu instrumentalisieren – bis hin zum Kriegsvorwand.

Auch wenn in Deutschland laut Grundgesetz Kirche und Staat getrennt sind - die Praxis sieht vielfach anders aus. Über ein Bevölkerungsdrittel, das keiner Religionsgemeinschaft angehört, wird praktisch ignoriert – von den Rundfunkräten bis zum Ethikrat. Mit 1,2 Millionen Beschäftigten ist die Kirche der größte nichtstaatliche Arbeitgeber in Deutschland. Sie verweigert den Beschäftigten nicht nur die Mitbestimmung, wer nicht Mitglied ist, kriegt von vornherein keinen Job, und wer aus der Kirche austritt, verliert den Arbeitsplatz. Da könnte sich die Bundesregierung mal um Menschenrechte kümmern, zumal fast 90% der kirchlichen Apparate aus allgemeinen Steuergeldern finanziert werden. Die Ex-Muslime fordern, Religion müsse Privatsache sein – in Deutschland sammelt der Staat die Mitgliedsbeiträge der christlichen Kirchen als „Kirchensteuer“ ein. Doch das ist noch nicht alles: Für ein verbilligtes Kantinenessen oder für Arbeitslosenunterstützung muss der „geldwerte Vorteil“ versteuert werden, zwecks „Vereinfachung“ geschieht das pauschal, also christliche „Kirchensteuer“ all inclusive. So müssen auch Atheisten, Muslime und Ex-Muslime „dran glauben“.

Das meint der Zentralrat der Ex-Muslime allerdings nicht, wenn er „mit großer Sorge betrachtet, dass die deutsche Justiz und Politik in zunehmenden Fällen den Schutz der Grundrechte in sein Gegenteil verkehren.“ Er meint: „Da der Islam in seiner konsequenten Form mit diversen Artikeln des Grundgesetzes kollidiert, kann er nicht den vollen Schutz des Grundgesetzes für sich in Anspruch nehmen!“ Zu diesem unfassbaren Plädoyer des Ausschlusses vom Schutz des Grundgesetzes bemerkte die Islambeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion Dr. Lale Akgün treffend: „Es stimmt einfach nicht, dass der Islam nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Das ist eine unzulässige Verallgemeinerung, mit der nur die Islamophobie angeheizt wird. Fundamentalistisch-religiösen Auswüchsen, ob von christlicher, jüdischer oder muslimischer Seite, müssen wir entschieden entgegentreten. Aber eine Ungleichbehandlung der Religionen darf es nicht geben - alle Religionen genießen den gleichen Schutz“.
    
Einige werfen angesichts der Gründung dieses „Zentralrats der Ex-Muslime“ die Frage auf, ob damit nicht der anschwellenden antimuslimischen Stimmungsmache im Land zusätzliche Munition geliefert wird, verbunden mit der Frage, ob Religionskritik überhaupt noch „erlaubt“ ist, wenn daraus Rassisten oder Kriegsbefürworter Honig saugen können. Die notwenige Kritik an Machtmissbrauch und Menschenrechtsverletzungen durch religiöse Institutionen erfordert die glasklare Abgrenzung von jenen, die Religionskritik nur als Vorwand benutzen, um Antiislamismus als Hassideologie verbreiten.

Daran muss sich auch die neue Gruppe messen lassen. Ein Blick auf die Internet-Seite http://www.ex-muslime.de/  stimmt skeptisch. Zwar ist niemand für den Inhalt verlinkter Seiten verantwortlich, aber für die Auswahl. Über den Link zur islamophoben Leitseite http://jihadwatch.org/  kommt man direkt zum Islamhasser Daniel Pipes, Chefeinpeitscher der Neocons, Propagandist der US-Kriege und des Zionismus. Weitere „lohnende Ziele“ sind die Seiten von MEMRI (Medien-Untersuchung im Mittleren Osten) des israelischen Geheimdienstes Mossad, des „US-Komitee für einen freien Libanon“ sowie jene zur Vorbereitung des nächsten Krieges: „Regime change Iran“.

Doch auch die präsentierten „weiterführenden Texte“ des Zentralrats selbst sind bemerkenswert. Die stammen hauptsächlich aus dem Islamismus-Sonderheft der Zeitschrift „Aufklärung und Kritik“, herausgegeben von einer „Gesellschaft für kritische Philosophie“ unter Leitung von Gerhard Batz, der auch der „Thomas-Dehler-Stiftung“ der FDP vorsteht, und sich ansonsten meist der Propagierung des australischen Euthanasiebefürworters Peter Singer widmet. Zum „Islamismus“ versammelte er jedenfalls eine bunte Autorenschar, die vom Schirmherrn des Zentralrats der Ex-Muslime Michael Schmidt-Salomon, Sprecher der Giordano-Bruno-Stiftung, bis zu Günther Beckstein, Menschenrechtler – nein pardon, Staatsminister reicht. Eingestimmt wird man durch zwei Artikel eines Offiziellen Staatschutz-Mitarbeiters, der den Islamismus als extremistisches Denken und totalitäre Ideologie entlarvt. Der Autor Kahl vom „Humanistischen Verband“ bricht die Lanze für den „Kampf der Kulturen“, wenn er meint: „Dass einige Zeitgenossen die Diagnose ‚Kampf’ lieber vermeiden und ausschließlich von ‚Dialog’ der Kulturen sprechen wollen, zeugt bereits von einer geschwächten Kampfmoral“; wobei Humanist Kahl weiß: „zivile Lösungen sind freilich nicht immer und überall möglich“.

Schließlich gehören noch zwei bekennende Islamhasser zu Autorenkreis: Matthias Küntzel schreibt über „islamischen Antisemitismus“ und hält angesichts der Fernsehbilder von getöteten Zivilisten im Libanon und verblutenden Kindern in Gaza den Trost bereit: “Wenn Israels Armee sich wehren muss, ist das Resultat für keine Seite schön.“ Und der Spiegel-Mitarbeiter Henryk M. Broder krönt seinen Aufruf „Wider die Appeasementpolitik!“ mit der, von einer dänischen Website übernommenen „satirischen“ Entschuldigung gegenüber den Muslimen, u.a.: „… Wir bedauern, dass wir Euch nie zur Arbeit gezwungen haben, während wir alle Eure Rechnungen bezahlt haben. Wir bedauern, dass wir Euch meist freie Miete, Telefon, Internet, Auto gaben, und freien Schulbesuch für Eure 10 Kinder. Wir bedauern, Euch niemals gezwungen zu haben, unsere Sprache zu lernen, nach 30 Jahren Aufenthalt. Und deshalb – von allen Dänen zur gesamten muslimischen Welt, wollen wir Euch sagen: FUCK YOU!!“

Diese Zeilen, die des Autoren Broders Meinung offenbar so gut zum Ausdruck bringen, dass er auf ein eigenes Schlusswort verzichten kann, machen bei manchen scheinbar Lust auf ‚mehr’, weshalb Broder den Link gleich mitserviert zur „Offiziellen Unterstützungsseite der dänischen Mohamed-Karikaturen“. Wer noch nicht genug hat, bekommt dort als Zugabe aus der Hand der Freiheitsstatue:

„An die Muslime:
Wenn Ihr so weiter macht, und Eure undankbaren, ignoranten, intoleranten, gewalttätigen, hasserfüllten, gehirngewaschenen, ungebildeten, fanatischen und fundamentalistischen Leute zu uns schickt, dann werden wir Euch mal zeigen, was ein RICHTIGER HEILIGER KRIEG ist!
Von der FREIEN Welt“

Ob das als Anreiz gedacht ist, schleunigst ein Ex-Muslim zu werden? Oder haben die Zentralrats-Protagonisten diese Unappetitlichkeiten nicht gelesen? Jedenfalls ist der Eindruck schwer von der Hand zu weisen, dass mit dem PR-Rummel um den Zentralrat letztlich doch nur Zuträgerarbeit für die laufende antiislamische Kampagne geleistet wird.
 

Editorische Anmerkung

Der Text ist eine Spiegelung von http://www.redglobe.de

Klaus Hartmann ist  Bundesvorsitzender des Deutschen Freidenker Verbandes