Bernard Schmid berichtet aus Frankreich
Werbeverbot im öffentlich-rechtlichen Fernsehen: OK.
Aber wofür? Oder: Wie Nicolass Sarkozy mal wieder eine ehemals „linke“ Idee klaute und umdrehte

03/08

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 „Die Linke hat davon geträumt, die Rechte hat es gemacht“: Dieser Spruch, der im Französischen einem feststehenden Ausdruck - mit beliebig austauschbaren handelnden Akteuren - entspricht, passt beinahe perfekt auf das jüngste Vorhaben des Präsidenten Nicolas Sarkozy.

Das konservative Staatsoberhaupt ist immer wieder für Überraschungen gut. Am Dienstag vergangener Woche (19. Februar) hat der übereifrige Präsident eine „Kommission für das neue Fernsehen“, unter dem Vorsitz des Abgeordneten seiner Regierungspartei UMP Jean-François Copé, eingesetzt. Bis Ende Mai dieses Jahres sollen die Abgeordneten, Filmemacher und Philosophen nun Zeit haben, um über ein schönes neues Fernsehen zu beraten - ganz ohne Werbung. So jedenfalls lautet der Plan für die öffentlich-rechtlichen Sender. Die Begleiterscheinung wäre freilich, dass der „Kuchen“ der Werbeeinnahmen für die privaten Fernsehsender noch wachsen würde. Was auch durch die Überlegung der Befürworter dieses Plans, zukünftig dann eine Abgabe auf die Mehreinnahmen an Werbemitteln bei den Privatsendern zu erheben, deutlich unterstrichen wird.

Die politische Linke hat tatsächlich lange Zeit mit dem wachsenden Gewicht der Werbung im Fernsehen und in anderen Medien gehadert. So schlug der damalige sozialdemokratische Premierminister Michel Rocard 1989 ihr Verbot auf den öffentlich-rechtlichen Kanälen vor, musste jedoch unter dem Druck der Wirtschaft und der „Realisten“ im eigenen Lager zurückweichen. 1999 wiederum schlugen um die einhundert Intellektuelle, der prominenteste unter ihnen war der kritische Soziologe Pierre Bourdieu, dasselbe vor. Auch ihr Ansinnen blieb ergebnislos: „Unrealistisch“, „wirtschaftsfeindlich“, „der Moderne gegenüber nicht aufgeschlossen“ lauteten die wichtigsten Einwände.

Und dann das: Nicolas Sarkozy, der ansonsten nicht eben mit dem Neoliberalismus auf Kriegsfuß steht, hat sich das Vorhaben zu Anfang dieses Jahres plötzlich zu eigen gemacht. Der Anlass war eigentlich beinahe einem Zufall geschuldet: Am 8. Januar weihte der französische Präsident ein neues Stilmittel ein. Statt der drögen alljährlichen Neujahrswünsche an die Nation, die seine Amtsvorgänger in regelmäßiger Wiederkehr im Fernsehen verlesen hatte, sollte es eine ausführliche Pressekonferenz geben. Bei ihr sollten die Journalisten den Staatschef ausquetschen können - auch wenn dieser die Übung geschickt nutzte, um einmal mehr viel und lange zu reden. Im Vorfeld kamen dann aber in seinem Beraterkreis Bedenken auf: Was sollte Sarkozy an Neuem, Kreativem, die Zuschauer und -hörer Beeindruckendem verkünden? Es fehlte einfach an einer zündenden Idee. Da verbreitete der Regierungsberater - und kürzlich zurückgetretene Vorständler des Presseunternehmens ‚Le Monde’ - Alain Minc, der in der neunziger Jahren zeitweise als Verkörperung der ‚Pensée unique’, des bürgerlich-neoliberalen „Einheitsdenkens“ galt, seinen Einfall. „Der Sozialist François Mitterrand hat das Fernsehen privatisiert“, sagte Minc zu Präsident Sarkozy, unter Anspielung auf die Veräußerung des ersten Fernsehkanals TF1 im Jahr 1987 an den Betonkonzern Bouygues, dessen Chef - Firmenerbe Martin Bouygues - übrigens ein enger Duzfreund Sarkozys ist. „Und Du wirst derjenige sein, der es nationalisiert!“ Der Ausdruck war freilich nicht ganz exakt, da Minc nicht die Verstaatlichung der Sender im Blick hatte, sondern nur an einen Rückzug der privaten Werbewirtschaft dachte.

Seitdem hat die Idee sich einen Weg durch die politische Landschaft gebahnt. Vor allem die bürgerliche Rechte ist über die Neuerung begeistert, die Linke eher misstrauisch und gespalten. Freilich dürften die Befürworter einen mächtigen Hintergedanken hegen: letztendlich die private Medienwirtschaft zu begünstigen, indem finanzielle Mittel zu ihren Gunsten - und zu Lasten der öffentlich-rechtlichen Sender - umgeschichtet werden. Theoretisch soll es nicht darum gehen, sondern „jeder wegfallende Euro (aus Werbeeinnahmen) wird durch neue Einnahmen ausgeglichen werden“, wie Sarkozy versichert. So ist daran gedacht, neue Abgaben auf die erwartete zusätzliche Werbung bei den Privaten sowie auf Internet-Provider und die prosperierenden privaten Telekommunikations-Anbieter zu erheben. Schnell dürfte sich allerdings erweisen, dass es sich bei dem vorgeblichen Ersatz einer Einnahmequelle durch eine andere um eine Milchmädchenrechnung handelt. Denn bisher ist die Rede davon, dass 800 Millionen Euro Werbeeinnahmen für die öffentlich-rechtlichen Sender in Zukunft zu ersetzen seien. In einem Memorandum der privaten Medienwirtschaft wurden diese bereits auf 500 Millionen herunter gerechnet. Allerdings ist dabei noch gar nicht berücksichtigt, dass beim Wegfall der Werbung künftig auch drei Stunden zusätzlichen Programms täglich angeboten werden müssten - die Rechnung für die öffentlich-rechtlichen Sender läge damit bereits bei 1,2 Milliarden.

Die Medienschaffenden hegen jedenfalls riesige Befürchtungen. Zumal die Botschaft Sarkozys zur Werbung verkoppelt ist mit der indirekten, aber deutlich hörbaren Botschaft, dass - mit France3 - in naher Zukunft ein weiterer Fernsehsender an die Privatwirtschaft verscherbelt werden könnte. Am Mittwoch vorletzter Woche (13. Februar) streikten deshalb die Journalisten und Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Fernsehens in Frankreich, zum ersten Mal seit 1974. Der Ausstand fiel massiv aus und führte zu zahlreichen Programmausfällen, auch wenn die Abendnachrichten auf allen Kanälen gesichert werden konnten. Letztere waren auf mehreren Sendern freilich vorwiegend dem Arbeitskampf gewidmet.

Für Nicolas Sarkozy bleibt unterdessen nur noch eine Frage übrig: Soll der Entzug der Werbung für das öffentlich-rechtliche Fernsehen abrupt, zum 1. Januar kommenden Jahres, erfolgen? Oder doch lieber schrittweise? Diese offene Frage soll die Kommission nun lösen.

Editorische Anmerkungen

Wir erhielten den Text am 28.2.08 vom Autor zur Veröffentlichung.