TREND SPEZIAL
Texte zum internationalen FrauenMädchenLesben Kampftag

Macht mit beim Frauenblock
auf der Freiheit für Andrea Demo am 8. März 2008 in Berlin!

03/08

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onlinezeitung

Der 8. März wird seit 1910 als Frauentag mit internationalem Charakter gefeiert. Dieser Tag wurde und wird als Kampftag für die Interessen der Frauen, gegen Unterdrückung und Krieg, für das Frauenwahlrecht, für Gleichberechtigung und gegen Kapitalismus und Rassismus verstanden. Indem wir einen Frauenblock organisieren, wollen wir die Wichtigkeit und Stärke der Organisierung von Frauen vorantreiben und damit deutlich machen, dass die Verhältnisse noch lange nicht so sind, wie sie sein sollten, weder in der radikalen Linken, noch in der deutschen Gesellschaft, noch weltweit.

Wir gehen für die Freiheit für die Antifaschistin Andrea und gegen den Knast auf die Straße und um gegen die uns konkret umgebenen sexistischen Strukturen aufzubegehren. Mit den weltweit stattfindenden Kämpfen von Frauen gegen jeweils spezifische Formen von Ausbeutung und Unterdrückung erklären wir uns solidarisch.

Gesellschaftliche Veränderungen z. B. in der BRD haben zu formellen Gleichbehandlungen z.B. bei Zugangsmöglichkeiten zu Bildung, Beruf und Politik geführt, durch das Wahlrecht haben Frauen die Möglichkeit, in der Sphäre der gesellschaftlichen Öffentlichkeit zu wirken, einzelne Forderungen der diversen Frauenbewegungskämpfe wurden erfüllt, all dies konnte aber bisher wunderbar in das kapitalistische, patriarchale System integriert werden. Die patriarchale Gesellschaft existiert aufgrund von Macht- und Hierarchiestrukturen, die mit kapitalistischen Wirtschafts- und Lebensformen verflochten sind, funktioniert an manchen Stellen heute etwas subtiler als noch vor 30 Jahren. Der Kapitalismus nutzt die Geschlechtertrennung, insbesondere zeigt sich das immer noch bei der Trennung von Produktions- (Lohnarbeit) und Reproduktionssphäre (Haushalt, Familie) und das nicht nur im gesellschaftlichen Kontext, sondern leider auch in der sich sogenannten emanzipatorischen Linken.
Die Situation für Frauen in Bezug auf die Geschlechtertrennung ist weltweit sehr verschieden. In Regionen, die immer noch von den Auswirkungen jahrhundert langer kolonialistischer Herrschaft betroffen sind, unterscheidet sie sich von der in Metropolstaaten, wie Deutschland oder Frankreich.

Ja, es gab in den letzten Jahrzehnten immer wieder Verschiebungen innerhalb der traditionellen Geschlechterrollen, dennoch verändert sich nichts an den gesellschaftlichen Strukturen. Emanzipation wird damit so verstanden, das Frauen der männlichen Norm angeglichen werden, dabei geht es um keine Abschaffung allgemeiner Herrschaftsstrukturen, kein Hinterfragen und schon gar nicht der Aufhebung von Geschlechterrollen. Vermeintlich progressive Ansätze werden und wurden in das flexible System mit eingebunden und von konservativen Gegen- bzw. Backlash-Bewegungen begleitet.

Einen oder zwei Blicke auf die Linke

Klar ist, dass die sogenannte Szene nicht außerhalb der Gesellschaft steht. Nur aufgrund ihrer emanzipatorischen Ansprüche werden Linke nicht zu besseren Menschen. In einem linken Umfeld, zum Beispiel innerhalb einer (sub-)kulturellen Szene, deren Leute als weitestgehend politisiert bezeichnet werden, fehlt oftmals das Bewusstsein für antipatriarchale Themen. Ein antisexistisches Selbstverständnis gehört zwar in linken Projekten inzwischen beinahe zum Standard, wird jedoch kaum mit Inhalten gefüllt.
Kein Thema sorgt in der Szene für so viel Unmut und Unbehagen wie das Thema Sexismus und Patriarchat. Gerade, wenn es um Themen wie sexuelle Übergriffe, Vergewaltigungsvorwürfe, Grenzüberschreitungen, Mackerverhalten bei Plena etc. geht, scheiden sich spätestens an der Stelle immer noch die Geister. Und dabei müssen Frauen immer noch um jeden Quadratmillimeter Raum kämpfen, müssen begründen, diskutieren, argumentieren, sich verteidigen.
Geschlechtsspezifische Machtverhältnisse werden aber in der Linken wahlweise als Nebenwiderspruch (Wir haben jetzt aber echt wichtigeres zu tun) abgetan, empört verleugnet (Wir sind doch keine Sexisten!) oder (auch ich fördere eine Frau) paternalistisch zugedeckt. Diesen Umgangsweisen gemein ist, das sie eine kugelsichere Distanz zu diesem Thema aufzeigen. Denn viele Männer leben mit der Gewissheit eben ein Guter - und damit kein Gesprächsthema zu sein. Dabei tragen sie die Grundnorm der hegemonialen Männlichkeit, die zugleich ihre eigene verinnerlichte und gelebte ist, unfähig sie als solche zu be- und schon gar nicht anzugreifen. Auch in unseren Zusammenhängen ist die gesellschaftlich-tradierte Norm der Männlichkeit unangefochten akzeptiert und wird – meist sogar zufrieden und durchaus stolz – von den Männern der Szene praktiziert. Gestützt vom platten Spruch „Wir sind die Guten“, der in Worte fasst, was die meisten tatsächlich für sich in Anspruch nehmen, ist zwar nett, suggeriert aber damit im Machtverhältnis auf der guten Seite zu stehen, zumindest nicht Profiteur, Täter, Herrscher zu sein. Jedes Hinterfragen ist somit nicht notwendig. Dabei werden durch alltägliche Handlungen, Gesten, Äußerungen die gesellschaftlichen Geschlechterverhältnisse aufs Neue reproduziert, und der eigene aktive Anteil daran wird einfach schlichtweg naiv verkannt. An dieser Stelle soll noch mal an ein oft formuliertes Ziel in der Linken erinnert werden, es lautet: Für eine herrschaftsfreie Gesellschaft! Wenn patriarchale Strukturen nicht angegriffen werden, wird auch diese Forderung Utopie bleiben.

Ein paar Sachen über Frauen und Knast

Frauen kommen nicht nur viel seltener in den Knast als Männer, sie begehen auch andere Straftaten: die meisten sind wegen Eigentumsdelikten wie Diebstahl oder Betrug verurteilt worden, sehr viele auch wegen Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz, verhältnismäßig wenige aufgrund von Gewaltdelikten. Frauenkriminalität ist unbedeutend, Strafvollzug ist Männersache. Darunter leiden müssen die rund 3000 Frauen, die in Deutschland inhaftiert sind. Die geringe Zahl spezieller Frauengefängnisse hat zur Folge, dass Frauen häufiger als Männer heimatfern eingesperrt werden und damit u.U. seltener Besuch von Angehörigen und Freund_Innen bekommen. Während bei deutschen Frauen angeblich versucht wird sie zu resozialisieren, also für diese Gesellschaft tauglich zu machen, geht es bei Migrant_Innen um etwas anderes. Sie sollen (mit allen Mitteln) bestraft werden (alleine schon für ihren Aufenthalt in Deutschland) und ihnen soll deutlich gemacht werden, dass sie in der Hierarchie ganz unten stehen (dass sie hier ein Niemand sind). Meistens werden sie nach Ende der Haftstrafe abgeschoben. Genauso hoffnungslos ist die Situation für Frauen, die einen Teil der Haftstrafe in deutschen Knästen absitzen, abgeschoben werden und in ihren Herkunftsländern gleich wieder in den Knast müssen, was oftmals den Tod für sie bedeutet.

Mit der Situation der Frauen nach außen zu gehen, die Öffentlichkeit zu sensibilisieren und Auseinandersetzungen über das Thema Knast anzuregen ist von daher notwendig. In der Linken wird es zunehmend schwieriger über Knast und Repression zu diskutieren. Die Gefangenen werden häufig vergessen. Wenn dann doch mal an den einen oder anderen Gefangenen gedacht wird, geht es vorzugsweise um politische Gefangene. Alles schön und gut, aber wenn dabei die sozialen Gefangenen ignoriert werden und eine allgemeine Auseinandersetzung mit dem Knastsystem nicht mehr statt findet, läuft eindeutig etwas falsch.
Knast ist die Spitze des gesellschaftlichen Ausschlussmechanismus. Unter dem Motto der Resozialisierung sollen die Gefangenen gezwungen werden, sich in die ihnen zugedachten gesellschaftlichen Rollen zu fügen. So z.B. Frau, Mann, Migrant_In, Arbeitskraft usw. Um staatlich gesetzte Normen aufrecht zu erhalten, ist ein umfassendes System von sozialer und staatlicher Kontrolle und Bestrafung notwendig. Am Ende der Bestrafungshierarchie in diesem Staat steht Knast.
Knast ist eine mögliche Form von Bestrafung, hat darüber hinaus aber noch die wesentlichere Funktion der Bestätigung noch in der Norm Lebender durch Abgrenzung von anderen. Kriminalisierung und Knast haben also eine wesentliche Bedeutung für draußen, sie dienen zur Stabilisierung der sozialen Kontrolle.
Überall auf der Welt sind Frauen aktiv in Kämpfen um Befreiung, überall sind Frauen im Knast. Dabei unterliegen sie im Gefängnis oder bei Festnahmen besonders entwürdigender geschlechtsspezifischer Repression und Folter. Sie zielen darauf, Frauen zu demütigen, ihnen die politische Identität abzusprechen und sie auf Objekte von Männern zu reduzieren.
Widerstand von Frauen außerhalb und innerhalb des Knastes ist immer auch ein Kampf um Würde, Selbstbestimmung, gegen patriarchale Gewaltverhältnisse. Um zu einer libertären Gesellschaft zu gelangen, ist es nur konsequent, das Ausschlusssystem Knast abzuschaffen.

8. März, Frauenblock!

Wir wollen mit dem Frauenblock Kritik an bestehenden Verhältnisse (Kapitalismus, Rassismus...) und Unterdrückungsformen (sei es aufgrund von Hautfarbe, Herkunft, Aussehen, Alter...) üben und darauf hinweisen, dass das Patriarchat eine der ältesten Unterdrückungsformen ist. Genau deshalb ist der 8. März nach wie vor ein wichtiger Tag an der Frauen/Lesben weltweit auf die Straße gehen und gegen jegliche Art der Unterdrückung kämpfen. Es gibt immer noch viel zu tun!
Wir halten die vereinzelte Abschaffung eines Unterdrückungsverhältnisses innerhalb des bestehenden Ganzen weder für möglich noch für sinnvoll. Es gibt x verschiedene Richtungen von Feminismus. Was allen verschiedenen Ansätzen gemein ist, ist das Bestreben, Unterdrückungsverhältnisse zwischen den Geschlechtern aufzuheben. Jedoch sollte es nicht dabei stehen bleiben, denn die Aufhebung dieses einen Unterdrückungsverhältnisses ändert noch lange nicht die gesellschaftlichen Verhältnisse, in denen wir leben müssen.
Nach unserem Verständnis sind die Geschlechterkategorien konstruiert und gehören aufgehoben. Jeden Tag werden von Menschen, die uns als Frauen identifizieren zu können glauben, Grenzen gesetzt. Solange das so ist, müssen wir uns gemeinsam als Frauen organisieren, um die bestehenden patriarchischen Strukturen aufdecken und angreifen zu können. Wir sehen vorläufig die punktuelle Bezugnahme auf Geschlechtsidentitäten in entsprechenden Kontexten als wichtig an, um die bestehenden sexistischen Strukturen fassen, aufdecken & angreifen zu können. Wir finden es erstmal ganz positiv, wenn sich Männer mit Frauenkämpfen und feministische Forderungen oder eben mit einer Demo für Andrea solidarisch erklären. Aber: Obwohl das männliche Geschlecht ebenfalls konstruiert ist und Männer unter Druck stehen, die ihnen zugewiesene Rolle zu erfüllen, bringt diese konstruierte Zugehörigkeit, diese Rolle für Männer, einen erheblichen Machtgewinn mit sich – Die Männer stehen also somit erstmal auf der Seite der Unterdrücker, ob sie es wollen oder nicht. Um dieses Verhältnis nicht zu verschleiern finden wir einen starken Frauenblock absolut wichtig und „bedürfen wir nicht so sehr der männlichen Genossen, die sich für ihre [der Frauen] Freunde halten, als der männlichen Genossen, die bereit sind, zum Feind des Mannes zu werden.“ (Zitat Ingrid Strobl: Die Angst vor den Frösten der Freiheit)

Wir wollen einen Frauenblock zum Frauenknast Pankow organisieren, um unsere Solidarität mit den inhaftierten Frauen zu zeigen. Dort wollen wir aber nicht nur den Gefangenen Grüsse übermitteln, sondern auch Knastindustrie, Privatisierung, sowie die überall zunehmende Repression zum Thema machen.

Lasst euch nicht auf die staatliche Logik ein, dass es Menschen gibt die in den Knast gehören. Seid solidarisch, unterstützt die Leute im Knast!
Für eine Gesellschaft ohne Knäste! Lasst uns gemeinsam gegen Ausbeutung und Unterdrückung und gegen Knast kämpfen. Für das Leben. Für die Menschlichkeit. Für die Würde. Für Gerechtigkeit. Und für die Freiheit. Freiheit für Andrea, Freiheit für alle politischen und sozialen Gefangenen!!

Wir wünschen uns einen lauten, bunten und vielfältigen Frauen/Lesben Block am Anfang der Demo und ein solidarisches Miteinander, das uns ermöglicht, unser „NEIN zu Patriarchat!“ kraftvoll auszudrücken.

KAMPF DEM PATRIARCHAT!
KAMPF DEM STAAT UND DER REPRESSION!
BILDET BANDEN! BILDET BLÖCKE! BILDET REIHEN!
WIDERSTÄNDIG UND LEBENDIG GEGEN SEXISMUS, KAPITALISMUS, RASSISMUS

Demonstration: „Freiheit für Andrea!“
8. März - 14 Uhr - U-Bhf. Eberswalderstr.

Infos zur Demo gibt es auf: www.freeandrea.de.vu

Für Rückmeldungen jeder Art schreibt bitte mit Betreff „Frauenblock“ an:
freiheitfuerandrea@riseup.net

Und falls ihr euch beteiligen wollt, kommt zum Vorbereitungstreffen im Bethanien am Montag, den 03.03.2008 um 19 Uhr.
Anschließend: Soli-DruzBar für Andrea mit Vokü und Cocktails.

Spendenkonto: Rote Hilfe e.V. * KTN: 7189590600 * BLZ: 100 200 00 * Berliner Bank * Verwendungszweck: Soli Andrea
Briefe: Andrea Neff * Bnr: 746/07/2 * Justizvollzugsanstalt für Frauen in Berlin * Arkonastraße 56 * 13189 Berlin

 

Editorische Anmerkungen

Den Artikel spiegelten wir von
http://nea.antifa.de/andrea/aufruf_frauenblock.html