Der EU-Vertrag - Was steckt dahinter und was ist unsere Alternative?
Die Interessen der herrschenden Klasse und unsere Antwort Klassenkampf dem EU-Reformvertrag!

von Michael Pröbsting

03/08

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Der EU-Reformvertrag ist ein Anschlag auf die Interessen der breiten Bevölkerungsmehrheit Europas - der Lohnabhängigen, der Jugendlichen und der MigrantInnen. Er dient ausschließlich den Interessen der Konzerne und Machteliten in Europa und in Österreich. Deswegen müssen wir den EU-Reformvertrag verhindern. Und dazu brauchen wir eine klare Analyse über die Ziele und Hintergründe des EU-Reformvertrages sowie eine klare Strategie für den Abwehrkampf. Im Folgenden legen wir die Ansichten und Vorschläge der Liga der Sozialistische Revolution (LSR) dar.

Worum geht es bei dem EU-Reformvertrag in den groben Zügen? Es geht um die Stärkung und Vorantreibung der Europäischen Union als eine gemeinsame wirtschaftliche, politische und militärische Organisation der imperialistischen herrschenden Klassen Europas, d.h. des europäischen Monopolkapitals.

Der EU-Reformvertrag bedeutet die Vorantreibung des Turbo-Kapitalismus. „Offene Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb“ wird als Grundpfeiler der EU-Verfassung festgeschrieben und die Privatisierung von staatlichem Eigentum sowie der Abbau sozialer Errungenschaften für die KapitalistInnen erleichtert.

Der EU-Reformvertrag bedeutet permanente Aufrüstung und Krieg. Im Wettstreit mit den USA um weltweite Einflußsphären greift die EU zum Mittel der „Amerikanisierung“: EU-Battlegroups sollen – unter dem heuchlerischen Vorwand von Demokratie und Menschenrechte – Kriege für die Sicherung von Rohstoffquellen und geostrategischen Interessen führen.

Zu diesem Zweck wird über den Staatsapparaten der einzelnen kapitalistischen Nationalstaaten ein EU-Staatsapparat ausgebaut, der nicht einmal die minimalen bürgerlich-demokratischen Standards des Parlamentarismus auf einzelstaatlicher Ebene kennt. Der EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso selbst gibt den Charakter der Europäischen Union unumwunden zu: „Manchmal vergleiche ich die EU gerne mit einem Gebilde zur Organisation eines Imperiums. Wir haben die Ausmaße eines Imperiums“ (1)

Die Frage des EU-Reformvertrages ist also objektiv von großer Bedeutung für den Klassenkampf in Europa und in Österreich, da der Vertrag eine Konsolidierung und Stärkung des EU-Imperialismus und seines Krieges gegen die Arbeiterklasse im Inneren und gegen die unterdrückten Völker nach Außen bedeutet.

Neuauflage der EU-Verfassung

Deswegen wollen die Herrschenden diesen Vertrag um jeden Preis durchboxen, deswegen wollen sie verhindern, daß es zu Volksabstimmungen mit drohenden Niederlagen wie in Frankreich und den Niederlanden im Frühjahr 2005 kommt. Um dies gegenüber der Bevölkerung zu tarnen, haben sie den Reformvertrag-Text noch unverständlicher als den Verfassungsentwurf formuliert. Der belgische Außenminister Karel de Gucht gesteht dies offen ein: „Das Ziel des Verfassungsvertrages war, besser lesbar zu sein; das Ziel dieses Vertrages ist, unlesbar zu sein… Die Verfassung zielte darauf ab, klar zu sein, während dieser Vertrag unklar sein mußte. Das ist ein Erfolg.“ (2)

Tatsächlich ist der EU-Reformvertrag weitestgehend eine bloße Neuauflage der gescheiterten EU-Verfassung. So unterscheidet sich der Reformvertrag vom Verfassungsentwurf nur in 10 von 250 Vorschlägen, mit anderen Worten 96% des Textes des gescheiterten Verfassungsvertrags wurden übernommen. (3) Dies stellen führende Vertreter des europäischen Monopolkapitals auch mit Genugtuung fest. EU-Parlamentspräsident Hans-Gert Pöttering meinte, „die Substanz des Verfassungsvertrages sei mit Erfolg verteidigt worden“ (4) Auch Giscard d`Estaing, der frühere Präsident Frankreichs und als EU-Konventspräsident Architekt der EU-Verfassung, vergleicht den EU-Reformvertrag mit dem gescheiterten Verfassungsentwurf offen im Ton eines arroganten Imperial-Herrschers: „In Bezug auf den Inhalt ist der Vorschlag weitgehend unverändert, er wird einfach nur auf andere Weise präsentiert. (…) Der Grund ist, daß der neue Text nicht mehr allzu ähnlich aussehen konnte wie der Verfassungsvertrag“ Die EU-Regierungen einigten sich daher auf „kosmetischen Änderungen, damit die Verfassung leichter geschluckt werden kann“ um so neuerliche riskante Volksabstimmungen vermeiden zu können. (5)

Der EU-Reformvertrag im Detail

Der „Veränderungsvertrag“ ändert die beiden existierenden Verträge, den „Vertrag über die Europäische Union“ (im folgendem abgekürzt mit VEU) und den Vertrag, der die Europäische Gemeinschaft gründet, der nun den Namen „Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union“ (VAEU) annimmt. (6)

Freie Marktwirtschaft

Eine wichtige Funktion des Reformvertrages ist das Rechtfertigen des Abbaus von ArbeiterInnenrechten und sozialen Errungenschaften und der Privatisierung des staatlichen Eigentums. Deswegen zieht sich die Betonung der kapitalistischen Ordnung wie ein roter Faden durch den Vertrag. So z.B. verpflichtet sich die EU in Artikel 119 zum „Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb.“

Ebenso soll der freie Handel – also jener Handel, der die stärksten Unternehmen, die Konzerne, begünstigt – gefördert werden (VEU Artikel 21e). Weiters wird die neoliberale Lissabonner Strategie festgeschrieben und eine Haushaltspolitik deklariert, die nicht nur ein Nulldefizit anstrebt, sondern sogar „… in Zeiten günstiger Konjunktur schrittweise einen Haushaltsüberschuss erreichen (will) ...“ (7)

Privatisierung der öffentlichen Dienstleistungen

Im gleichen Geiste werden mit dem EU-Reformvertrag die öffentlichen Dienstleistungen den Regeln des Wettbewerbs unterworfen. Es ist die EU-Kommission, welche alleine darüber entscheidet. (Artikel 86) Damit besteht nun die Gefahr, daß viele Dienstleistungsbereiche, die bislang von den „Segnungen der freien Marktwirtschaft“ verschont blieben, privatisiert werden: angefangen von Wasser, Strom, der Müllabfuhr bis hin zum öffentlichen Transport. Ähnliche Maßnahmen der Liberalisierung sind für den Energiesektor vorgesehen.

Aufrüstung und Kriegseinsätze

Der Reformvertrag befestigt und beschleunigt die militaristischen Aufrüstungs- und Expansionspläne der EU. Die ‚Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik‘ wird zum integralen Bestandteil der Union. Die EU-Rüstungsagentur wird vertraglich verankert. Ebenso werden die Mitgliedsstaaten verpflichtet, ihre „Verteidigungsfähigkeiten durch Ausbau seiner nationalen Beiträge und gegebenenfalls durch Beteiligung an multinationalen Streitkräften, (…) intensiver zu entwickeln…“ (8)

Aufrüstung und Bildung multinationaler Truppeneinheiten sind natürlich kein Selbstzweck, sondern dienen den militärischen Interessen des EU-Imperialismus. Mit einsatzfähigen Kriegstruppen will die EU Militäroperationen im Ausland durchführen. Der Tschad, an dem sich ja auch österreichische Truppen beteiligen, ist nur ein erster Vorgeschmack auf zukünftige Kolonialabenteuer des europäischen Imperialismus.

Die Rechtfertigungen, solche Kriege zu führen, sind bewußt breit und offen gehalten. So kann ein Kriegsfall bereits dann eintreten, wenn auch nur ein einziger EU-Staat „angegriffen“ wird: „Im Falle eines bewaffneten Angriffs auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats schulden die anderen Mitgliedstaaten ihm alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung“ (9) Aber es bedarf nicht einmal eines Angriffs – es reicht schon, wenn die „Werte der Union“ in Gefahr sind. (10)

Aber der herrschenden Klasse geht es natürlich nicht nur um das Krieg führen im Ausland, sondern die Truppen können – geht es nach dem Reformvertrag – auch innerhalb der EU eingesetzt werden. (11)

Schließlich legt der EU-Reformvertrag einerseits eine enge Zusammenarbeit mit der NATO fest, andererseits jedoch haben sich die Kräfte um den deutsch-französischen Block eine Möglichkeit für einen eigenständigen militärischen Weg eröffnet, nämlich der Schaffung eines eigenen Verbandes – der sogenannten Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit. (12)

Who is the Boss?


Der EU-Reformvertrag sieht – wie schon zuvor die Verfassung – vor, daß die EU mit einer juristischen Persönlichkeit versehen wird. Die EU bzw. ihre Vertreter können damit Verträge abschließen, die bindend sind für ihre Mitglieder. (13)

Darüberhinaus sieht der EU-Reformvertrag den Ausbau zentralstaatlicher Machtstrukturen bzw. –befugnisse vor. Darin sieht die herrschende Klasse die einzige Möglichkeit, um einen schlagfähigen zentralen Staatsapparat aufbauen zu können, der die widerstreitenden Interessen zwischen den Mitgliedsstaaten überwindet und gegen die ArbeiterInnenklasse durchpeitschen kann. Daher wuchs die Zahl der Politikfelder, die mit qualifizierter Mehrheit beschlossen werden können, von 137 auf 181. (14) Ebenso wurde eine Änderung des Stimmengewichts zugunsten der großen Länder durchgesetzt, sodaß nach einer Übergangsfrist eine qualifizierte Mehrheit aus der Hälfte der Mitgliedsstaaten und 55% der Bevölkerung besteht.

Noch wichtiger jedoch ist, daß neben dem EU-Rat – also der gemeinsamen Vertretung der Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten – die EU-Kommission die zentrale Rolle spielt. So besagt der neue Artikel 9d:

„Die Kommission fördert die allgemeinen Interessen der Union und ergreift geeignete Initiativen zu diesem Zweck. Sie sorgt für die Anwendung der Verträge (…) Sie überwacht die Anwendung des Unionsrechts (…) Sie führt den Haushaltsplan aus (…) Sie übt nach Maßgabe der Verträge Koordinierungs-, Exekutiv- und Verwaltungsfunktionen aus. Außer in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und den übrigen in den Verträgen vorgesehenen Fällen nimmt sie die Vertretung der Union nach außen wahr. (…) Soweit in den Verträgen nichts anderes festgelegt ist, darf ein Gesetzgebungsakt der Union nur auf Vorschlag der Kommission erlassen werden.“

Die Rechte des EU-Parlaments hingegen sind minimal und Bürgerinitiativen haben gerade mal das Recht, sich an die Kommission mit einer unverbindlichen Petition zu wenden! (15)

Reaktionäre Ideologie in der Verfassung festgeschrieben

Neben dem Prinzip der freien Marktwirtschaft schreibt die Verfassung noch weitere wichtige ideologische Grundpfeiler der bürgerlichen Ordnung fest. So ist die Präambel des „Vertrag über die Europäische Union“ durch die Hinzufügung folgenden Absatzes geändert worden:

"SCHÖPFEND aus dem kulturellen, religiösen und humanistischen Erbe Europas, aus dem sich die unverletzlichen und unveräußerlichen Rechte des Menschen sowie Freiheit, Demokratie, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit als universelle Werte entwickelt haben,…" (16)

Die Berufung auf das „religiöse Erbe Europas“ – also das Christentum, jene Religion, in deren Namen in der Geschichte unzählige Kriege und Massenmorde verübt wurden – bedeutet nichts anderes als die Hebung des Christentums in den Verfassungsrang, was die Trennung von Staat und Kirche untergräbt.

Zweitens kennen wir die Erklärung der „unverletzlichen und unveräußerlichen Rechte des Menschen sowie Freiheit, Demokratie, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit als universelle Werte“ aus dem Munde von George Bush und seinen neokonservativen Kriegstreibern. Universelle Werte haben per Definition weltweite Gültigkeit und können somit als Rechtfertigung für die Einmischung und militärische Intervention der Europäischen Union rund um den Globus verwendet werden.

Was steckt dahinter?

Es liegt auf der Hand, daß alle fortschrittlichen Organisationen und AktivistInnen den EU-Reformvertrag ablehnen. Aber die Frage, worüber leider bei Vielen Unklarheit herrscht, ist die der Ursachen des EU-Reformvertrages, welche Alternativen es dazu gibt und mit welcher Strategie wir dagegen kämpfen können.


Der EU-Reformvertrag ist kein Resultat eines Anfalls von Machtgeilheit seitens der Bourgeoisie, wie es diverse links-reformistische Strömungen glauben. Noch weniger handelt es sich um eine Verschwörung irgendwelcher Bürokraten in Brüssel, wie es die Einfaltspinsel in den Redaktionstuben der Kronen Zeitung oder in der FPÖ daher phantasieren.

Tatsächlich ist die neoliberale, militaristische Offensive der herrschenden Klasse das notwendige Resultat des Niedergangs des Kapitalismus und vor diesem Hintergrund einer verschärften Konkurrenz zwischen den Monopolen und den Großmächten. Die Weltwirtschaft zeichnet sich insgesamt seit den 1970er Jahren durch eine Tendenz zur Stagnation aus. (siehe Tabelle 1) Diese Entwicklung hält auch in der Periode der Globalisierung an, auch wenn hier eine uneinheitliche Entwicklung zu beobachten ist, wo die Stagnationstendenz in den imperialistischen Metropolen und in weiten Teilen der sogenannten III. Welt vorherrschen, während es andererseits auch wichtige Ausnahmen wie China oder Indien gibt.

Tabelle 1:
Wachstumsraten des Welt-Brutto-Inlandsproduktes (in % pro Jahr) (17)

1971-1980 +3.8%

1981-1990 +3.2%

1991-2000 +2.6%

2000-2005 +2.7%

Kann die EU reformiert werden?


Ein Gutteil der Linken hängt der reformistischen Politik an, die die EU verändern und eine „soziale, friedliche, demokratische EU“ schaffen möchte. Wir führen hier nur ein paar Beispiele an. ATTAC z. B. fordert die Wahl zu einer Verfassungsgebenden Versammlung in der EU, aus der dann eine reformierte EU hervorgehen könnte. (siehe: „Attacs 10 Prinzipien für einen demokratischen EU-Vertrag“, http://www.attac.at). Der Attac-Gründer in Österreich, Christian Felber, erhofft sich durch solche demokratischen und sozialen Reformen die Schaffung einer schlagkräftigeren EU: „Die Handlungsfähigkeit der EU wird durch die neuen Strukturen gegenüber dem Ist-Zustand verbessert“. (Mein europäischer Traum; in: DER STANDARD, 5.12.2007) Ähnlich illusionäre Hoffnungen hegt die Europäische Linkspartei – deren österreichischer Ableger die KPÖ ist.

Es ist bezeichnend. daß sich die SPÖ-Jugendorganisation – die Sozialistische Jugend – sich nicht einmal zu einer klaren Ablehnung des EU-Reformvertrages durchringen kann. In ihrer einzigen Stellungnahme fordert sie gerade mal eine Volksabstimmung, bezieht jedoch keine Position. (18) Gleichzeitig öffnet sie die Spalten ihrer Zeitung für die SP-Parteipropagandisten des EU-Reformvertrages und verzichtet dabei auf jegliche Kritik. (19) Einmal mehr zeigt sich, daß die SJ entgegen ihrer Selbstdarstellung weder eigenständig noch marxistisch ist, sondern die linksreformistischen Werbetrommler des SPÖ-Apparates in den Reihen der Jugend.

Trotz unterschiedlicher Nuancen haben diese Positionen eine zutiefst reformistische, kleinbürgerliche Logik gemeinsam. Nämlich daß es möglich sei, eine „demokratische, sozial gerechte und friedliche EU“ zu schaffen ohne die Eigentums- und Machtfrage in Europa zu stellen. Wie soll denn ein sozial gerechtes Europa möglich sein, solange die kapitalistischen Eigentumsverhältnisse unangetastet bleiben, solange also die kleine Minderheit der Unternehmer die wirtschaftlichen Produktionsmittel in ihren Händen hat?! Wie soll denn ein „friedliches Europa“ möglich sein, solange Konzerne und Generäle existieren, die ihre Interessen weltweit mit militärischen Mitteln durchzusetzen trachten?! Wie soll denn eine wirkliche Demokratie möglich sein, solange die herrschende Klasse an der Macht ist, die Tag für Tag den Polizeistaat ausbaut?!

Natürlich ist dieses Unverständnis kein Zufall, sondern hat eine materielle Basis. Hinter der reformistischen Sichtweise, daß der Neoliberalismus bloß eine „falsche Politik“ sei, die durch eine „andere Politik“ mit einer „anderen Regierung“ abgelöst werden kann, steckt eine politische Perspektive. Nämlich die Hoffnung von Kräften wie der Europäischen Linkspartei, Teil einer Regierungskoalition in den kapitalistischen EU-Mitgliedsstaaten zu werden und so am Futtertrog der Macht mit den damit verbundenen Privilegien mitnaschen zu können. In Italien ist ihnen das bereits gelungen und dort spielt die Rifundazione Communista (PRC) eine tragende Rolle in der neoliberalen und militaristischen Regierung Prodi (die so mit Hilfe der PRC u.a. das Pensionseintrittsalter anhob, die Besatzungstruppen in Afghanistan beläßt, die NATO-Militärbasis in Vincenza ausbaut usw.).

Die Liga der Sozialistischen Revolution dagegen will die EU nicht reformieren, sondern zerschlagen. Zerschlagen aber nicht, um sie durch einen Rückschritt zum Nationalstaat – jener gesellschaftlichen Organisationsform, die dem Entwicklungsstand der Produktivkräfte des 19. Jahrhunderts entsprach – zu ersetzen. Sondern wir schreiten vorwärts: auf dem Wege der europäischen Revolution über die Leiche der EU hin zu den Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa!

Austritt aus der EU als Alternative?

Eine scheinbare Alternative dazu ist die Strategie diverser linker Organisationen wie der KPÖ Steiermark, der Kommunistischen Initiative oder der AIK, die einen Austritt Österreichs aus der EU propagieren. Doch die Forderung nach einem Zurück zum alten Nationalstaat ist zutiefst illusionär und gefährlich. Es ist ein Irrglaube, daß Österreich, wenn es sich nur von der EU befreien könnte, ein weniger reaktionärer, weniger arbeiterInnenfeindlicher Staat wäre. Österreich ist ein imperialistischer Staat, der keineswegs von der „bösen EU“ verführt wird, sondern in der das heimische Kapital seine Interessen momentan am besten aufgehoben sieht. Das Kapital greift die ArbeiterInnenklasse nicht wegen dem „Diktat aus Brüssel“ an, sondern aus seinen ureigensten Profitinteressen. Es würde diese Angriffe auch genauso dann durchführen, wenn Österreich nicht in der EU wäre - höchstens wäre die Rechtfertigung eine andere.

Das österreichische Kapital beutet nicht nur die ArbeiterInnenklasse hierzulande aus, sondern bezieht durch seine massiven Auslandsinvestitionen in zahlreichen Halbkolonien – v.a. in Osteuropa – große Extraprofite. Nicht umsonst hat sich die herrschende Klasse Österreichs für den EU-Beitritt der osteuropäischen Länder stark gemacht. (20)

In der kapitalistischen Welt existieren die einzelnen kapitalistischen Länder nicht unabhängig voneinander und können dies auch gar nicht. Vielmehr sehen wir stetig zunehmende Verflechtungen der einzelnen Länder mit der Weltwirtschaft. Österreich ist Teil der Weltwirtschaft und kann dies nicht durch einen Austritt aus der EU „abschaffen“. All diese Verflechtungen würden genauso existieren, wenn Österreich aus der EU austreten würde.

Unsere Strategie

Wir stehen heute vor einer umfassenden Offensive der herrschenden Klassen Europas. Sie wollen um jeden Preis die sozialen und demokratischen Errungenschaften der ArbeiterInnenklasse zertrümmern und die EU als zweite militärische Supermacht neben den USA etablieren. Sie müssen dies erreichen, sonst gehen sie im gnadenlosen weltweiten Konkurrenzkampf der imperialistischen Großmächte unter. Deswegen müssen wir uns eine umfassende Strategie des Klassenkampfes zur Verteidigung unserer Interessen zu Eigen machen.

Unser Widerstand kann nur dann Erfolg haben, wenn wir uns nicht auf Appelle und Petitionen an die Herrschenden oder die Eroberung von Regierungsposten orientieren, sondern auf die europaweite Organisierung und den Kampf der ArbeiterInnenklasse und Jugend. Deswegen treten wir von der LSR gemeinsam mit unseren internationalen GenossInnen der Liga für die 5. Internationale (LFI) für Massendemonstrationen und Streiks bis hin zu Generalstreiks gegen den EU-Reformvertrag und andere Angriffe ein. Dies ist sowohl in jedem einzelnen Land notwendig,wie auch europaweit.


Wir brauchen eine Organisierung des Abwehrkampfes von unten auf allen Ebenen. Deswegen treten wir für den Aufbau von Aktionskomitees, Sozialforen und Bündnissen auf allen Ebenen – lokal, regional, landesweit – ein. Und wir brauchen eine europaweite Koordinierung dieser Kämpfe. Diese Forderung richtet sich an alle Organisationen der Arbeiterbewegung, Parteien, die gegen Krieg und Neo-Liberalismus zu kämpfen vorgeben usw., alle Gruppierungen der Anti-Globalisierungsbewegung, die Anti-Kriegsbewegung, ImmigrantInnenorganisationen, Jugendorganisationen, SchülerInnen- und StudentInnenvertretungen.

Die Liga der Sozialistischen Revolution unterstützt die Forderung nach einer Volksabstimmung über den EU-Reformvertrag als ein – wenn auch begrenztes – Widerstandsmittel. Wir arbeiten daher in der Plattform Volxabstimmung über den EU-Reformvertrag mit. Unserer Meinung nach muß das Schwergewicht des Widerstandes auf einer proletarischen, klassenkämpferischen Perspektive liegen, um eine Volksabstimmung zu erzwingen. Die ganze Kampagne kann nur dann Erfolg haben, wenn sie sich auf die Organisierung von breiten Massenaktionen, von Agitationsveranstaltungen, die sich an die Massen richten, sowie in den Massen verankerte Basiskomitees konzentriert. Im konkreten treten wir ein für:

* Die Gewerkschaften sowie die SchülerInnen- und StudentInnenvertretungen sollen für eine Ablehnung des Reformvertrages und eine Perspektive des Klassenkampfes dagegen (Streiks, Demonstrationen etc.) gewonnen werden.

* Wir schlagen koordinierte Agitationsinterventionen der an der Plattform beteiligten Organisationen bei den geplanten sogenannten „Informationsveranstaltungen“ der Regierung über den EU-Reformvertrag vor.

* Wir treten für die Organisierung von lokalen Aktionskomitees in Betrieben, Schulen, Universitäten und Stadtteilen ein – im Sinne der 900 lokalen Komitees für ein NEIN gegen die EU-Verfassung in Frankreich im Jahr 2005.

* Wir schlagen die Organisierung zumindest einer Großdemonstrationen sowie weiterer direkter Aktionen im Frühjahr vor.

Die Alternative der Liga der Sozialistischen Revolution und der LFI zum EU-Reformvertrag eines imperialistischen Europas ist der Kampf für eine europaweite, sozialistische Revolution der ArbeiterInnenklasse, der Jugend und der MigrantInnen und für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa. Eine solche Revolution passiert nicht von selbst. Dafür bedarf es einer Partei – einer Organisation, in der die bewußtesten Teile der ArbeiterInnenklasse und der Jugend unter dem Banner der Revolution organisiert sind. Die Schaffung einer solchen Partei der sozialistischen Revolution in Österreich und weltweit – der 5. Internationale – ist daher die vordringlichste Aufgabe Aller, die mit uns für eine sozialistische Zukunft kämpfen wollen.


(Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel ist die stark gekürzte Fassung einer Broschüre der LSR zum gleichen Thema, die in Kürze auch auf unserer Homepage veröffentlicht wird.)

Anmerkungen:

(1) (EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso, Telegraph, 18.07.2007) http://www.telegraph.co.uk/news/main.jhtml?xml=/news/2007/07/11/weu111.xml

(2) http://www.free-europe.org/blog/?itemid=383

(3) http://www.openeurope.org.uk/media-centre/pressrelease.aspx?pressreleaseid=51

(4) http://www.merkur-online.de/politik/art8808,869823

(5) Reform treaty: cosmetic changes to avoid referendums, says Giscard d’Estaing, 17.7.2007, http://www.europarl.europa.eu/

(6) Die im Dezember 2007 unterzeichneten Verträge werden im folgendem nach der Version im „Amtsblatt der Europäischen Union, 17.12.2007“ zitiert (veröffentlicht auf der Homepage http://eur-lex.europa.eu/de/treaties/index.htm ).

(7) Schlußakte Erklärung Nr. 30. Erklärung zu Artikel 104 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

(8) Protokoll über die ständige Strukturierte Zusammenarbeit nach Artikel 28a des Vertrags über die Europäische Union, Artikel 1

(9) Vertrag von Lissabon…. Artikel 28a

(10) Vertrag von Lissabon…. Artikel 28a

(11) Vertrag von Lissabon…. Solidaritätsklausel Artikel 188r

(12) Vertrag von Lissabon…. Artikel 28a

(13) Schlußakte, Erklärung Nr. 17. Erklärung zum Vorrang

(14) Siehe Centrum für Europäische Politik: Nizza – Verfassung – Reformvertrag, www.cep.eu/442.html

(15) Vertrag von Lissabon…. Artikel 8 B

(16) Vertrag von Lissabon… . Präambel

(17) „Sozialistische Jugend fordert europaweite Volksabstimmung zu EU-Reformvertrag“ (13.12.2007); http://www.sjoe.at/content/oest/presse/pas/article/3641.html

(18) Interview mit Karin Scheele (Leiterin der SPÖ-Delegation im Europäischen Parlament): „Die europäische Integration braucht ein fundamentales Vertragswerk…“ in: Sozialistische Jugend: TROTZDEM, Dezember 2007, S. 8

(19) Siehe World Bank: Global Economic Prospect 2002, S. 234; United Nations: World Economic Situation and Prospects 2007, S. 2.

(20) Siehe dazu auch Roman Birke: Welches Europa? Europa zwischen sozialer Rhetorik und imperialistischer Praxis; in: ArbeiterInnenstandpunkt Nr. 141, Jänner 2006

Editorische Anmerkungen
Wir
erhielten den Text am 11.3.2008 vom Autor zu Veröffentlichung. Zuvor erschien er in: BEFREIUNG Nr. 156, Zeitung der Liga der Sozialistischen Revolution - und deren Website: http://www.sozialistische-revolution.org/