Historisches Material zum Thema "Schülerknast"

Grafik für Mitmenschen

Fürsorgeerziehung

von Carl Meffert

03/09

trend
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Neuköllns Schulstadtrat Wolfgang Schimmang (SPD) im Februar 2009 in der BZ zur Unterbringung von Schülern in einem Heim, das von EJF Lazarus in Neukölln im April 2009 eröffnet werden soll: "Problem-Schüler, die jegliches Interesse an Schule und Unterricht verloren haben, sollen wieder sozial stabil gemacht werden. Die Schüler können sich freiwillig anmelden oder auf gerichtliche Anordnung hin in die Einrichtung eingewiesen werden."

Die nachfolgenden Grafiken sind dem Ausstellungskatalog "Clément Moreau / Carl Meffert - Grafik für Mitmenschen" entnommen. Die Ausstellung wurde 1978 vom Kunstamt Kreuzberg in Zusammenarbeit mit der NGBK organisiert. Allein hierin zeigt sich bereits der Paradigmenwechsel in Fragen von Kunst, Erziehung und Kultur zu heute. Eine staatlich organisierte Ausstellung, die Heimerziehung und allmächtige staatliche Fürsorge angreift wäre heute schlechterdings undenkbar. Zum andern vermitteln Mefferts grafische Anklagen auch, in welche Tradition realhistorisch wie ideologisch sich heute Sozialdemokraten stellen, denen nicht anderes mehr einfällt, als die Ausgrenzung und Besonderung von Jugendlichen, die ihrerseits subjektiv mit den gesellschaftlichen Verhältnissen nicht mehr klarkommen, in die sie hinein geboren wurden. Verhältnisse, aus denen sie von jenen ausgeschlossen werden, die für diese Verhältnisse verantwortlich sind. (-bert)

Weitere editorische Anmerkungen

Carl Josef Meffert wird am 26. März 1903 als ältestes Kind bei Koblenz am Rhein mit dem Makel der Unehelichkeit in ein katholisches, kaisertreues Milieu hinein geboren. Seine Mutter, Gertrude Schmidt, hatte drei Kinder vom wilhelminischen Postbeamten Joseph Meffert. Die beiden haben nie geheiratet. Nach Carl und Lore kommt 1919 ein drittes Kind zur Welt; dabei sterben Mutter und Kind.

Mit 11 Jahren, kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges, kommt Carl in die Fürsorge. Die Erziehung zu einem kaisertreuen Untertanen übernehmen nun die «Ehrwürdigen Brüder der christlichen Liebe», zuerst in der Anstalt «Warburg» und danach längere Zeit in «Burgsteinfurth» in Westhalen. Die Zöglinge erhalten ein Minimum an Schulbildung. Anfänglich sind es drei Stunden Unterricht täglich, später weniger. Die restliche Zeit wird auf dem Feld gearbeitet oder die Zöglinge werden an umliegende Rüstungsfabriken ausgemietet.

Noch etwas lernt C.M. in der Fürsorge: ausreissen, abhauen, flüchten. Wenn die Situation für ihn ausweglos erscheint, läuft er davon. Nach seinen Angaben nahm er öfters das Risiko auf sich, wieder eingefangen zu werden. Meistens läuft er zur Mutter – die Bestrafungen danach bleiben nicht aus.

Der zwanzigteilige Linolschnittzyklus, den C.M. in Sils Maria beginnt und 1929 in Berlin beendet, zeigt seine Erlebnisse in der Fürsorge. Als Betrachter ist man erschüttert, was Kinder auszuhalten haben.

Nach der Fürsorge beginnt er, während der Revolutionsjahre, als 16-jähriger eine Lehre als Maler und bricht diese nach sechs Monaten ab. Von da an treibt er sich herum, ist nirgends zu Hause. Er findet Anschluss bei den Spartakisten, obwohl er keine Ahnung hat, wer Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht sind.

Über zwei Jahre kann er sich den Ordnungskräften entziehen. Dann erwischt ihn sein Vater und lässt ihn im eigenen Haus verhaften. Der erst 17-jährige wird mit Hilfe des Vaters zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt. In einem Alter, in dem ein junger Mensch seiner selbst noch unsicher ist, in dem er beginnt, sich als Persönlichkeit zurechtzufinden, verbringt C.M. 3 Jahre und 4 Monate in Einzelhaft im Zuchthaus Wehrl.

Nach diesen verlorenen Jahren folgt die Zeit der Ausbildung, zuerst in Köln, dann in Berlin. Käthe Kollwitz, Emil Orlik, Heinrich Vogeler, Johny Heartfield und andere sind wesentlich an seiner künstlerischen und weltanschaulichen Formung beteiligt. In Berlin entstehen die grossen autobiografischen Zyklen, die bis heute ihre Gültigkeit bewahrt haben.

Die Biografie zu ende lesen auf der Seite der Stiftung Clément Moreau