Die einzige Palästinenserin in der Knesset
Arabische Parteien sehen sich mit dem feindseligsten israelischen Parlament aller Zeiten konfrontiert

von Jonathan Cook

03/09

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Nazareth. Heute nahm das 18. Israelische Parlament seine Arbeit auf. In der neuen Knesset wird nur eine einzige arabische Frau vertreten sein.

Haneen Zoubi hat Geschichte geschrieben. Zwar ist sie nicht die einzige Araberin, die je in der Knesset saß, aber die erste, die als Mitglied einer arabischen Partei in die Knesset gewählt wurde.

In ihrem Heim in Nazareth (im Grunde ist Nazareth die Hauptstadt jener 1,2 Millionen Palästinenser mit israelischem Pass) äußert sich Zoubi abfällig über ihre beiden Vorgängerinnen. Diese hatten sich von Zionistischen Parteien als Kandidatinnen aufstellen lassen. "Sie waren noch mieser als Dekoration", sagt sie. "Dekoration richtet keinerlei Schaden an, aber diese Frauen schädigten unsere Gesellschaft. Sie waren keineswegs Vorbilder".

Frau Zoubi, 39, geht für die Tajamu-Partei in die Knesset. Diese Partei ist bekannt für ihr palästinensisch-nationales Programm. Frau Zoubi hat schon gezeigt, dass sie nicht in die Fußstapfen ihrer Vorgängerinnen treten wird. Als vor kurzem der Einführungstag für die (neuen) Knesset-Mitglieder stattfand, sorgte Zoubi für Schlagzeilen, weil sie einen Offiziellen, der wiederholt von "den Gebieten" gesprochen hatte, darauf hinwies, dass er wohl "die besetzten Palästinensergebiete" meine.

Die Knessetwahl ist nicht Frau Zoubis erste Pioniertat. Sie war die erste Palästinenserin mit israelischem Pass, die in Israel ein Studium der Medienwissenschaften abschloss - an der Hebrew University von Jerusalem. Sie war die Erste, die an arabischen Schulen Medienkurse einrichtete. In den letzten sechs Jahren hat sie eine Organisation geleitet, die die Voreingenommenheit der israelischen Medien deutlich macht.

Zum einen wolle sie die Sache der (arabischen) Minderheit in Israel voranbringen, die ein Fünftel der Bevölkerung stellt und normaleweise als "israelische Araber" bezeichnet wird, zum anderen die Sache der Palästinenserinnen in Israel fördern. Beides habe für sie nun Priorität.

"Ich möchte in der Knesset nicht zur Anlaufstelle für das Thema 'Arabische Frauen' werden, vielmehr muss ich das Interesse der Männer meiner Partei an Frauenthemen stärken. Sie sollen das Interesse nicht verlieren, indem sie das Thema auf mich abwälzen können".

Was Frau Zoubi durchaus repräsentieren will, ist die Forderung von Frauen aus ihrer Minderheit nach einem Wandel und nach politischer Beteiligung. "Auf der Straße gratulieren mir Frauen. Selbst Frauen, von denen ich weiß, dass sie normalerweise die islamische Bewegung unterstützen oder dass sie die Wahl, wegen (des kürzlichen israelischen Angriffs auf) Gaza eigentlich boykottieren wollten, kamen und sagten mir, sie hätten mich gewählt".

Außer Zoubi wurden neun weitere (männliche) Kandidaten arabischer Parteien in die Knesset gewählt: 2 von Tajamu, 4 von einer islamischen Partei und 3 von der Kommunistischen Partei; dazu noch ein Jude (auf der Liste einer arabischen Partei).

Sie werden mit der feindseligsten Knesset aller Zeiten konfrontiert sein. Mindestens 65 der insgesamt 120 Parlamentsabgeordneten werden als rechts oder rechtsextrem eingestuft. Sie haben noch die Chance, die Regierungskoalition zu bilden.

Avigdor Liebermans Partei, Yisrael Beiteinu, errang 15 Sitze. Diese Partei droht Palästinensern mit israelischem Pass mit dem Entzug ihrer Staatsbürgerschaft, wenn sie keinen Loyalitätseid auf Israel, als jüdischen Staat, leisten. Die Nationale Union hat 4 Sitze errungen. Einer dieser Sitze geht an Michael Ben-Ari. Er ist Ex-Mitglied einer antiarabischen Terrororganisation. Ben-Ari hat zwei extremistische Siedler aus Hebron zu Parlamentsassistenten ernannt.

"In einem properen Staat würde Liebermans Programm für illegal erklärt. Aber wirkliche Sorgen bereitet nicht sein Programm, sondern (die Tatsache), dass es von den wichtigsten Zionistischen Parteien legitimiert wird". Zu diesen Parteien zählt auch Kadima. Deren Chefin, Tzipi Livni und Likud-Führer Benjamin Netanjahu versuchen derzeit, eine Koalition zu schmieden.

Die meisten jüdischen Parlamentarier verachten die Tajamu. Parteigründer Azmi Bishara lebt im Exil, seit man ihn während des Libanonkrieges 2006 des Verrats beschuldigte. Offizielle der Tajamu werden von der (israelischen) Geheimpolizei Shin Bet bespitzelt. Wie schon im Vorfeld früherer Wahlen, die in letzter Zeit stattfanden, hatten die Zionistischen Parteien auch diesmal versucht, zu verhindern, dass Tajamu überhaupt antreten darf. Mehrere Gerichtsurteile waren jedoch stärker.

Frau Zoubi sagt, sie werde sich nicht einschüchtern lassen. "Die Knesset verhält sich stets feindlich gegenüber arabischen Knesset-Abgeordneten, wir sind sehr an ihre rassistische Sprache gewöhnt. Selbst das Gebäude zeigt uns, dass wir nicht willkommen sind: Überall gibt es jüdische Symbole - vom Davidstern auf der Flagge bis zu den Menorah-Leuchtern - mit denen wir Palästinenser uns nicht identifizieren können".

Wie viele andere palästinensische BürgerInnen hat Zoubi die Nachrichtenbulletins im Fernsehen verfolgt, die zeigten, wie jüdische Parlamentarier, ja selbst Kabinettmitglieder, arabische Parlamentarier in der Knesset zusammenschrien oder hinauswerfen ließen.

Die rassistische Debatte hinter solchen Knesset-Debatten mache besorgt, sagt Frau Zoubi. "Es ist frustrierend und ermüdend, sich immerzu verteidigen zu müssen, weil ich eine palästinensische Identität habe, weil ich keine Zionistin bin, weil ich den jüdischen Staat nicht für demokratisch halte und er mich nicht vertreten kann oder weil (ich vertrete), dass ich ein Recht auf Staatsbürgerschaft habe. Es ist eine Sisyphos-Arbeit."

Sie gibt zu, die erste Knesset-Wahl, bei der sie wählen durfte, boykottiert zu haben. Damals war sie 18.

"In unserer Gesellschaft gibt es eine signifikante Gruppe, die zum Boykott aufruft, denn sie sagen, wir werden immer von diesem politischen System ausgeschlossen bleiben. Aber wir brauchen eine palästinensische Stimme in der Knesset. Ich und die übrigen palästinensischen Abgeordneten sind dem Erfolg der Zionistischen Parteien im Weg, wenn sie versuchen, das gesellschaftliche Bewusstsein zu kontrollieren".

Das Programm der Tajamu-Partei wurde von Azmi Bischara entworfen. Es will Israel von einem jüdischen Staat in einen "Staat für all seine Bürger" transformieren. Dieses Programm wird nun von sämtlichen arabischen Parteien vertreten.

"Die jüdische Öffentlichkeit mag keine selbstbewussten Araber, die sich nicht entschuldigen, deshalb hatten sie auch immer Angst vor Azmi (Bishara). Im Grunde, so denke ich, gibt es selbst unter den Juden eine Basis, die für eine Reform Israels zu einer richtigen Demokratie ist - vielleicht 30 Prozent".

Zoubi hofft, dass ihre Wahl weitere israelische Juden vom Programm ihrer Partei überzeugen wird, denn mit ihrer Wahl wurde eines der Stereotype, das in der jüdischen Gesellschaft über die palästinensische Öffentlichkeit vorherrscht, widerlegt.

In der Zwischenzeit, so sagt sie, werde Tajamu sich gegen die Konfiszierung arabischen Landes einsetzen und gegen Häuserzerstörungen. Tajamu werde eine anständige Infrastruktur für die Gemeinden der (arabischen) Minderheit fordern. Auch sollen die Rechte der Minderheit auf Bildung sowie ihre ökonomischen Rechte anerkannt werden.

Seit vielen Jahrzehnten ist 'Gleichheit' die wichtigste politische Forderung der palästinensischen Minderheit. Zoubi steht dem kritisch gegenüber: "Nur für Gleichbehandlung zu kämpfen, würde mich zu einem Teil einer mathematischen Formel machen, darauf reduzieren. Meine Geschichte, meine Identität und (persönliche) Geschichte als Palästinenserin werden ignoriert. Ich möchte eine vollwertige israelische Bürgerin sein, aber das darf nicht auf Kosten des kollektiven Rechtes meines Volkes auf eine Identität und eine Vergangenheit geschehen".

Editorische Anmerkungen

Den Artikel spiegelten wir von
http://www.zmag.de/artikel/die-einzige-palaestinenserin-in-der-knesset

Eine andere Version dieses Artikels erschien in The National www.thenational.ae in Abu Dhabi.

Jonathan Cook ist der einzige westliche Journalist, der in Nazareth lebt, der Hauptstadt der palästinensischen Minderheit in Israel. Er war zuvor Mitarbeiter bei den Zeitungen The Guardian und Observer und hat über den israelisch-palästinensischen Konflikt auch für die Times, Le Monde diplomatique, die International Herald Tribune, Al-Ahram Weekly, Counterpunch und Aljazeera.net geschrieben. Er ist Autor von Blood and Religion (2006) und von Israel and the Clash of Civilisations (2008).

Sein neuestes Buch "Disappearing Palestine: Israel's Experiments in Human Despair" ist im Oktober 2008 bei Zed Books in Großbritannien und in den Vereinigten Staaten erschienen. Weitere Informationen zum Buch unter: http://www.jkcook.net/DisappearingPalestine.htm