Bernard Schmid berichtet aus Frankreich

EIN ÜBERBLICK: Der ideologische Streit der französischen Rechtsextremen zum Israel-Palästina-Konflikt setzt sich nach dem Gazakrieg fort 
 

03/09

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  • Alain de Benoist kam im Laufe des Februar 2009 der „nationalrevolutionären“ Position zu Hilfe

Der israelisch-palästinensische Konflikt, der jüngst mit den Massakern in Gaza (27. Dezember 2008 bis zum 17. Januar 2009) eine neue Eskalationsstufe erreichte, löst unter französischen Rechtsradikalen einen heftigen ideologischen Symbolkonflikt aus. Die Positionen bei ihr reichen von extrem pro-israelisch bis extrem anti-israelisch. Jüngst, im Laufe des Februar 2009, hat sich dieser Ideologiestreit – für den der reale Nahostkonflikt nur als Projektionsfläche dient – nochmals zugespitzt. 

Diese extreme Spannbreite erklärt sich aus der französischen Nationalgeschichte und der eigenen historischen Genese der extreme Rechte. Die erstgenannten (pro-israelischen) Positionen innerhalb der französischen extremen Rechten wurzeln in der Ära der französischen Kolonialkriege, besonders in Nordafrika, während derer Israel der wichtigste aubenpolitische Verbündete Frankreichs war. Etwa im Algerienkrieg und bei der „Suez-Expedition“ gegen Ägypten 1956. Frankreich spielte sich damals als Schutzmacht zunächst der „eigenen“ europäischen Siedler in Nordafrika, aber zunehmend auch der nordafrikanischen Juden auf, um die Aufrechterhaltung seiner kolonialen Präsenz zu legitimieren. Die entgegen gesetzten Positionen innerhalb des rechtsextremen Spektrums wurzeln dagegen in ihrer antisemitischen Tradition. Im Laufe seiner politischen Karriere, die Mitte der fünfziger Jahre anfing, wechselte Jean-Marie Le Pen ab etwa 1988 vom ersten zum zweiten Register über. Aber nicht alle Strömungen der extremen Rechten imitierten ihn, sondern sie bleiben untereinander zu dieser Frage auf das Heftigste zerstritten. 

Im jüngsten Konflikt nun gab es heftige ideologische Reibereien der Rechtsextremen untereinander. Mindestens eine der zahlreichen Abspaltungen des Front National (FN), die sich im Laufe der letzten Monate aufgrund des schlechten Zustands der Partei bildeten, zollt den israelischen Militäraktionen offen Applaus. Es handelt sich um die Strömung um Jean-François Touzé, der sich 2007 noch um die Nachfolge Le Pens an der Spitze des FN bewarb und derzeit einen eigenen Verein – die oben zitierte Nouvelle Droite Républicaine (NDR, „Neue Republikanische Rechte“) – sowie eine starke Internetpräsenz betreibt.  

Touzé hatte zunächst einer anderen Abspaltung vom FN angehört, der am 1. Juni 2008 gegründeten Nouvelle Droite Populaire (NDP, „Neue Rechte der kleinen Leute“). Deren Chefs warfen ihm jedoch während des Georgienkriegs im August 2008 Pro-Amerikanismus sowie, daraufhin auch, „zionistische Positionen“ vor. Und setzten Touzé – der immerhin zeitweise den Posten des Generalsekretärs und Sprechers bekleidet hatte – im September 2008 vor die Tür. Jean-François Touzé ging daraufhin seinen eigenen Laden gründen, und betrieb eifrig Werbung für die Unterstützung von John McCain. Seitdem sich Ende Januar 2009 die Fraktion des Front National im Pariser Regionalparlament in zwei Hälften gespalten hat, sitzt Touzé jedoch nun in einer der beiden Fraktionen, die – unter dem Namen ‚Nationaux et Indépendants’ - von den langjährigen FN-Politikern Martial Bild und Martine Lehideux angeführt wird. Touzé gehört also weiterhin zum Funktionärstamm der extremen Rechten, innerhalb dessen er jenen „pro-amerikanischen“ Ansatz verkörpert, der zur Amtszeit von US-Präsident Ronald Reagan (1981-89) beim FN noch dominierend war. Seit dem Ende des Kalten Krieges ist er als Mehrheitsposition jedoch durch einen eher antiamerikanisch aufgeladenen Nationalismus abgelöst worden. 

Die NDR bezeichnete Nachrichten über zivile Tote in Gaza als pure „Propaganda“ von Arabern und Linken, und spendete den israelischen Angriffen und Militäroperationen in mehreren Kommuniqués offenen Applaus. 

Der alternde Chef des Front National (FN) Jean-Marie Le Pen hingegen nutzte den Konflikt den Gaza, um geschichtsrevionistische Relativierungen der nationalsozialistischen Verbrechen zu betreiben. Er verglich am 8. und am 16. Januar 2009 den Gazastreifen einmal mit einem „riesigen Konzentrationslager“, beim anderen Mal mit dem Warschauer Ghetto. Den KZ-Vergleich enthielt auch bereits ein Pressekommuniqué des FN vom 29. Dezember 2008. Eine Reihe pro-palästinensischer Vereinigungen und die Palästinensische Studentenunion (GUPS) verbaten sich daraufhin in einem Kommuniqué jegliche Stellungnahme von seiner Seite, da Jean-Marie Le Pen Rassist ebenso wie Antisemit sei und im Algerienkrieg eigenhändig gefoltert habe. 

Der Grobteil der extremen Rechten positioniert sich zum realen militärischen Konflikt eher mit einer national-neutralistischen Position. Alle Demonstrationen für eine Seite werden abgelehnt, da sowohl pro-israelische als auch pro-palästinensische Kräfte „ihren Konflikt gefälligst woanders austragen“ sollten. Der zentrale Slogan lautete dabei ‚Ni keffyeh ni kippa’ (Weder Palästinensertuch noch Kippa). 

Die Wochenzeitung Minute titelte dazu am 14. Januar o9: „Ob sie nun für Israel oder die Hamas sein mögen: Sollen sie dort unten kämpfen!“ Zu Zusammenstöben kam es vor diesem Hintergrund in Nizza, einer Stadt mit starker pro-kolonialer und rechtsextremer Tradition. Eine pro-palästinensische Demonstration Anfang Januar 2009, bei der vor allem arabischstämmige Personen waren, wurde von Balkonen aus mit Gegenständen beworfen. Daraufhin kam es zu Unruhen, bei denen unter anderem die Polizei angegriffen wurde. Am 17. Januar 2009 wurde eine neuerliche pro-palästinensische Demonstration verboten – ebenso wie eine dagegen gerichtete des rechtsextrem-aktivistischen „Identitären Blocks“, die unter dem Motto stand: „Herren bei uns!“ (Maîtres chez nous!) Beide fanden dennoch statt, trotz Verbots, jedenfalls kurzzeitig. Und die jeweiligen Unterstützergruppen skandierten einander wechselseitig zu: „Wir sind hier zu Hause!“ 

Die nationalrevolutionäre Strömung innerhalb der extremen Rechten und der - ehemals linke, jetzt nach rechtsauben gewendete - Demagoge Alain Soral propagieren hingegen eine klar antiisraelische Ausrichtung. Um die Dinge auf die Spitze zu treiben, riefen Soral und eine nationalrevolutionäre Website zur Teilnahme an der (zeitlich letzten) pro-palästinensischen Demo vom Samstag, den 24. Januar 2009 in Paris auf – wo sie freilich aus Sicht der Veranstalter unerwünscht waren und durch einen Ordnerdienst aus Anarchosyndikalisten und Anarchokommunisten (CNT, AL) hinausgeworfen wurden. Zeitweise konnte ein Dutzend Anhänger Alain Sorals allerdings danach noch im Block des  ‚Centre Zahra’, eines von politisch durchgeknallten Schiiten in der Peripherie der nordfranzösischen Stadt Dunkerque geleiteten islamistischen Zentrums, mitlaufen. (Dasselbe ‚Centre Zahra“ veröffentlichte jüngste – in der zweiten Februarhälfte – ein Interview mit Jean-Marie Le Pen, in dem dieser positiv zum 30. Jahrestag der Machtübenahme Khomeinis im Iran auslieb und letzteren als „unbhängige Nation“ lobte.)  

Aus Bordeaux vermeldete Indymedia schon am 12. Januar à9 einen Versuch der Anhänger dieser Fraktionen, eine Demonstration zu unterwandern. Aus dieser Ecke kamen auch schon andere Provokationen. So wurde eine Fake-Nachricht per E-Mail weit verbreitet, wonach angeblich die Jüdische Studentenunion (UEJF) sich zu einem Attentat auf die venezolanische Botschaft in Paris bekannt habe, nachdem Venezuela und Bolivien die israelischen Botschafter abberufen hatten. Barer Unsinn, aber mancher Empfänger hat es vielleicht auf den ersten Blick geglaubt. Die Nachricht kam aus dem nationalrevolutionären Milieu. 

Ein Verbündeter Alain Sorals, der schwarze Antisemit Dieudonné, war zwar auf der (vorletzten gröberen) Pariser Demo gegen den Gazakrieg vom 10. Januar 2009 durch die Veranstalter ausdrücklich unerwünscht. Auf der Place de la Nation, wo die Demo sich am Abend zerstreute, lieb er sich jedoch – während die Auflösung im Gange war – am Abend blicken und dabei filmen, wie er zu einigen Anhängern sprach. Dabei handelte es sich jedoch zunächst nur um einen plumpen Vereinnahmungsversuch. 

Alain de Benoist und die Position der „Nationalrevolutionäre“  

Das hätte es gewesen sein können, was den innerrechten Ideologiestreit zum Thema betrifft. Doch in der bisher neuesten Ausgabe der seit Herbst 2008 erscheinenden, 14tägigen rechtsextremen Zeitung ‚Flash’ – in ihrer Nummer 7 vom 12. Februar 2009 – findet sich dann ein Interview von Alain de Benoist dazu. Es ist insofern ziemlich nteressant, als Alain de Benoist hier die nationalrevolutionäre Position (die da lautet : Unterstützung für die angegriffenen Palästinenser in Gaza) abstützt. Letztere Position ist absolut nicht die Mehrheitsposition innerhalb der französischen extremen Rechten, wo die Mehrheitsposition besagt : „Dies ist ein fremder Konflikt, der uns nicht betrifft und nicht auf unseren Straben ausgetragen werden darf”, und wo eine andere Minderheitsposition die israelische Kriegführung unterstützte. Der nationalrevolutionäre Flügel und die „rot-braune” Fraktion um Alain Soral traten hingegen für eine Stellungnahme zugunsten der Palästinenser in Gaza ein. Der Beweis, so kommentiert es Alain de Benoist, dass es so etwas wie ein (inhaltlich kohärentes) „nationales Lager“ – dessen Existenz der Interviewer suggeriert – „nicht gibt“.  

Nun unterstützt Alain de Benoist vehement die Position der nationalrevolutionären Minderheitsfraktion: „Es hat eine Zeit gegeben, wo es als ehrenhaft galt, die Sache einer unterdrückten und Widerstand leistenden Bevölkerung zu unterstützen.“ (Dies sagt ausgerechnet de Benoist, der früher einmal für Frankreichs Sieg in den Kolonialkriegen und – jedenfalls anfänglich - für eine Unterstützung der Apartheid eingetreten war...) Und er attackiert die Position unter anderem des „Identitären Blocks” (also der derzeit wichtigsten auberparlamentarischen neofaschistischen Aktivistenbewegung in Frankreich), der darauf insistierte, es handele sich um einen „fremden Konflikt, der uns nichts angeht, da Frankreich keine Interessen darin hat”: Dies sei – so Alain de Benoist – Sektierertum und „tribaler Egoismus”. Und in einer globalisierten Welt, insistiert de Benoist, „möchte ich wissen, was uns nichts angehen soll”. – Dasselbe Interview erschien dann, ohne nähere Kennzeichnung der Quelle, auch auf der nationalrevolutionären Webpage VoxNR mit Datum vom 27. Februar 2009.

Alain de Benoist und Alain Soral 

Der redaktionelle „Kopf“ der neuen Zeitung ‚Flash’ – während als Herausgeber der rechtsextreme Verleger Philippe Randa firmiert - ist Alain Soral, ein früherer Linker und Publizist, der sich für einen Intellektuellen hält und als Berufsprovokateur (etwa mit dem Bekenntnis „Ich bin ein Macho“ und der Veröffentlichung eines Buchs unter dem Titel „Anleitung zum Anbaggern“) auftritt.  Soral war in den Wahlkämpfen 2006/07 ein führender Berater von Jean-Marie und Marine Le Pen. Er ist es, der von 2006 bis Ende 2008 als personelles Bindeglied zwischen dem Chef des Front National und Dieudonné auftrat und die Annäherung Dieudonnés an den FN mabgeblich bewirkt hat. Allerdings hat Alain Soral, der für eine „rot-braune“ und stark sozialdemagogisch geprägte Ausrichtung des FN eingetreten war, die rechtsextreme Partei am 2. Februar 2009 verlassen. Erzürnt darüber, dass er nicht die Spitzenkandidatur des FN im Raum Paris zur Europaparlamentswahl am 7. Juni 2009 zugesprochen bekam, aber auch über die mit der Personalentscheidung (zu seinen Ungunsten) verbundene inhaltliche Ausrichtung. Denn an seiner Stelle zum Spitzenkandidaten gekürt wurde der mittelständische Unternehmer Jean-Michel Dubois, der 1984 zeitweise die FN-nahe Mittelständlervereinigung FNEML geleitet hatte. Dubois steht für eine eher wirtschaftsliberale, mittelstandsorientierte und aubenpolitische eher „pro-westliche“ Ausrichtung. Der „Rot-Braune“ Alain Soral trat für das Gegenteil ein, für eine Orientierung an den sozialen Protestpotenzialen in der Gesellschaft und eine scharfe aubenpolitische Fronstellung gegen die USA und - vor allem - Israel. Alain Soral gab seinen Austritt aus der Partei am 4. Februar 2009, an der Seite von Dieudonné und in den Räumen des ihm (Dieudonné) gehörenden Theaters, bekannt. Er echauffierte sich zuvor in einem Kommuniqué darüber, dass der „Stotterer, Schwachkopf und Zionist“ Dubois an seiner Stelle ausgewählt worden sei. 

Es bleibt abzuwarten, wohin die weitere Entwicklung – nach seinem Austritt  aus dem FN – in naher Zukunft Alain Soral und seine Anhänger, die u.a. im Club Egalité & Réconciliation („Gleichheit und Aussöhnung“) zusammengeschlossen sind, führen wird. Und ob Alain de Benoist weiterhin oder verstärkt aktive „Öffentlichkeitsarbeit“ bzw. Politik an der Seite von Soral, Dieudonné und Co. betreiben – oder aber sich erneut überwiegend auf seine frühere Position als „purer Theoretiker, jenseits von Parteipolitik & Aktivismus, zurückziehen wird.

Editorische Anmerkungen

Den Artikel erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe.