8. März
Wo bleibt die Frauenbewegung?

von
Anne Moll

03/09

trend
onlinezeitung

Dass die lohnabhängigen Frauen zu den Hauptleidtragenden nicht erst der Krise, sondern der gesamten neoliberalen Reformen der letzten Jahrzehnte zählen, ist für viele Linke wohl ein Gemeinplatz. Hier nur ein paar Zahlen zur Illustration: 

- Der durchschnittliche Brutto-Stundenverdienst von Frauen lag 2006 laut statistischem Bundesamt 24 Prozent unter dem von Männern. Im Schnitt erhalten Frauen 14,05 Euro in der Stunde, Männer 18,38. Von wegen “gleicher Lohn für gleiche Arbeit”!

- Auch wenn in Europa und der BRD die Frauenerwebsquote gestiegen ist, so geht das vor allem auf die Ausweitung von Teilzeitarbeit und unsicheren Beschäftigungsverhältnissen zurück. Laut EU-Kommission sind in Europa ein Drittel aller lohnarbeitenden Frauen Teilzeitkräfte (dem ein Anteil von nur 8 Prozent bei Männern gegenübersteht).

„Natürlich“ müssen Frauen nach wie vor den Großteil der privaten Hausarbeit leisten. Tendenz steigend! Erstens, weil immer mehr Einrichtungen für Kinder- und Jugendbetreuung geschlossen oder bei sinkenden Einkommen einfach nicht mehr bezahlbar sind. Der Anteil vergesellschafteter Hausarbeit in den letzten Jahren zurückgefahren worden - auf Kosten der Frauen und aller „unteren“ Klassen.

Zweitens, weil angesichts der stagnierenden Einkommen, erhöhtem Leistungsdruck und Ausbeutung und des seit Jahrzehnten vorhandenen Einkommensgefälles zwischen Mann und Frau die patriarchale Arbeitsteilung in Familie oder Partnerschaft (zumal auch in der Arbeiterklasse) zusätzlich gestärkt, ja geradezu erzwungen wird.

Angesichts dieser Fakten und Entwicklungstendenzen, die sich in der Krise noch dramatisch zuspitzen werden, fragt sich - wo bleibt die Frauenbewegung, welche Perspektive bieten die Gewerkschaften für den Kampf? 

Welche Wahl haben Frauen im Kapitalismus? 

Der Aufruf des DGB bzw. von Einzelgewerkschaften zum 8. März fordert in den Betrieben die Frauen auf, genau hinzusehen, welche Partei im Wahljahr 2009 Politik für Frauen bzw. für mehr Gleichberechtigung umsetzen will. Danke für den Tipp, DGB!

Der DGB hat natürlich auch Forderungen, die sich kaum vom Standard aller im Bundestag vertreten Parteien unterscheiden: 

1. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit;

2. Bildungs- und Betreuungseinrichtungen für alle Kinder;

3. Flexible Arbeitszeitmodelle;

4. Gleiche Karrierechancen;

5. Eindämmung von Niedriglöhnen und prekärer Beschäftigung;

6. Sichere Rente.

Viele dieser Ziele sind sicher richtig, aber sie sind als solche Allgemeinplätze oder halb-herzig formuliert (z.B. „Eindämmung“ von Niedriglöhnen), dass sie wirklich keinen Hund hinter dem Ofen hervorlocken.

Das ist aber - rufen wir uns nur die ähnlich lautenden Texte zu jedem 8. März, in jedem „Superwahljahr“ in Erinnerung - auch gar nicht bezweckt. Der DGB will für diese Forderungen die Frauen aus der Arbeiterklasse, seinen sie nun beschäftigt, arbeitslos oder an die Hausarbeit gebunden, gar nicht begeistern und zum Kampf mobilisieren. Sie sollen nur zur Stimmabgabe für SPD, DIE LINKE oder die GRÜNEN bei den Bundestagswahlen gebracht werden.

Das Kreuz auf dem Wahlzettel wird die Frauen nicht von der gesellschaftlichen Unterdrückung erlösen, es wird nicht Arbeitsplätze schaffen, die für Frauen und Männer ein gleichberechtigtes Zusammenleben und gleichen Einfluss auf politische und gesellschaftliche Entwicklungen ermöglichen.

Auch wo es Ansätze zu mehr Gleichstellung der Frauen gab, Zugeständnisse an Forderungen nach mehr Betreuungsplätzen für Kinder, nach mehr Qualifizierung und besserer Bezahlung, werden diese in der jetzigen Wirtschaftskrise als erstes wieder einkassiert.

Seit der Agenda 2010, die in der SPD/GRÜNEN-Koalition verabschiedet wurde, treffen Frauen die Verschlechterungen am härtesten. Sie werden als Alleinerziehende als nicht vermittelbar in den Arbeitsagenturen abgestempelt und kommen in keine Förderprogramme. Mit Ein-Euro-Jobs müssen sie beweisen, dass sie arbeiten wollen, bei Verweigerung gibt es Kürzungen bei Hartz IV! Besodners für Frauen wurden die zahlreichen Mini- und Teilzeitjobs „geschaffen“, mit der sich die Regierung dann rühmen kann, dass die Arbeitslosigkeit geringer geworden wäre. Dass die Frauen davon kaum überleben können, wird verschwiegen.

Die Reallohnsenkung trifft die gesamte Arbeiterklasse, extrem ist sie aber in den typischen Frauenberufen im Dienstleistungssektor und im sozialen Bereich.

Wenn zusätzlich die Kinderbetreuung teurer wird, die Arbeitsplätze der Männer gefährdet sind, sind Tor und Tür dafür geöffnet, die Frauen in ihre Familienrolle zurück zudrängen, so wie es der Kapitalismus gerade in Zeiten der Kapitalkrise braucht. Die Frau zu Hause bedeutet auch, mehr Einsatz und mehr Flexibilität von den Männern fordern zu können, die Arbeitszeit zu verlängern, unbezahlte Überstunden zu machen usw. - insgesamt ein Schritt zurück in noch ärgere patriarchale Strukturen.

Die Familie ist nicht nur eine Form des Zusammenlebens, sondern eine gesellschaftliche Struktur, eine Institution, durch welche die Ideologie des Kapitalismus in die Arbeiterklasse getragen wird. Am Modell patriarchalischer Autorität und weiblicher Unterdrückung werden Diziplin, Gehorsam, Kritiklosigkeit, Autoritätshörigkeit und Unterordnung gegenüber gesellschaftlicher Herrschaft schon Kindern von klein auf anerzogen.

Frauen können sich nur unter großen Anstrengungen und Entbehrungen dieser Rolle  entziehen, verstärkt durch die wieder zunehmende wirtschaftliche Abhängigkeit vom Lohn des Mannes. 

Welche Alternative gibt es? 

Die aktuelle Entwicklung verdeutlicht sehr gut, wie eng der eigentliche Zusammenhang von kapitalistischer Ausbeutung und Frauenunterdrückung ist. Alle „Gleichstellungsgesetze“, auch die Erringung weitgehender formaler Gleichstellung der Frau haben die Wurzeln der Unterdrückung - v.a. die Fesselung der Frau an die Hausarbeit - nicht beseitigt, was sich eben in einer trotz aller „Gleichberechtigungs-Reformen“ seit Jahrzehnten weiter bestehenden Ungleichheit ausdrückt.

Neoliberalismus und Krise haben diese sogar noch verschärft, weil sie zu einem ständigen Angriff selbst auf die innerhalb des Kapitalismus errungenen oder zugestandenen Formen der Sozialisierung der Hausarbeit führten.

Eine Alternative dazu und eine wirkliche - nicht nur rechtliche - Gleichstellung der Frau ist nur jenseits der kapitalistischen Gesellschaft möglich: in der Überwindung der Zwänge des Kapitals und seiner Ideologie.

Der Kampf für die Verbesserung der Lage der Frauen muss und kann letztlich nur erfolgreich sein, wenn Frauen sich auch selbst dafür einsetzen. Sie müssen sich selbst gegen jede Form von Unterdrückung wehren, gegen die Verschlechterungen der Arbeits- und Lebensbedingungen, wie gegen die Verschlechterung sozialer Dienste. Dafür braucht es aber Organisierung und gemeinsames Handeln, nur gemeinsam sind die proletarischen Frauen, ja die gesamte Arbeiterklasse in der Lage, sich zu befreien und die Kapitalisten davon zu jagen!

Hier ist die gesamte Arbeiterbewegung, sind die Gewerkschaften gefragt.

Schluss mit unverbindlichen Erklärungen! Der Kampf gegen die Krise muss so geführt werden, dass sich nicht nur auf die Schultern der Klasse allgemein, sondern insbesondere auch nicht auf jene der Frauen abgewälzt wird! 

  • Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit! Für einen Mindestlohn von 13,50 brutto (11 Euro netto) für alle! Mindesteinkommen in Höhe von 1.500 Euro für alle Arbeitslosen, RentnerInnen, Auszubildende, Studierende und SchülerInnen über 16!
  • Arbeitszeitverkürzung für die gesamte Arbeiterklasse, in einem ersten Schritt 30-Stunden Woche bei vollem Lohnausgleich - als Schritt zur Aufteilung der Arbeit auf Alle unter Kontrolle der ArbeiterInnen!
  • Abschaffung aller Minijobs, prekären Arbeitsverhältnisse und Unwandlung in reguläre, tarifvertraglich gesicherte Stellen!
  • Kostenlose und qualitativ gute Kinderbetreuung für rund um die Uhr! Kostenloser und freier Zugang zu allen Bildungseinrichtungen! Volle Lernmittelfreiheit! Kostenloser Mittagstisch für alle Lohnabhängigen und ihre Kinder, für Arbeitslose und Rentner!
  • Voll bezahlte Freistellung für Kinderbetreuung für Väter und Mütter!

Dazu sind Kampagnen und Kampforgane notwendig: breite Mobilisierungen mit Demos, Streiks, Blockaden und die gemeinsame Aktion in einer internationalen Bewegung unter dem Motto „Wir zahlen nicht für Eure Krise“. Zweitens braucht es aber auch eine Bewegung der Frauen in der Arbeiterklasse, eine proletarischen Frauenbewegung, die nicht nur den Kapitalisten und Unternehmern, sondern auch den Bürokraten in den Gewerkschaften und Betrieben Druck macht.

Editorische Anmerkungen

Den Text  erhielten wir von

ARBEITERMACHT-INFOMAIL
Nummer 411
8. März 2009
 

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