Bernard Schmid berichtet aus Frankreich

„Burqa-Verbot“ als dringlichstes Problem in Frankreich & Europa

03/10

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Eine Gespensterdebatte geht um in Europa – und wird begierig von „Rechtspopulisten“ und Rassisten aufgegriffen, aber auch von (manchmal politisch naiven) anderen Geistern im Namen der Frauenrechte bedient

Drei Tage vor dem ersten Durchgang der französischen Regionalparlamentswahlen vom 14. und 21. März schlug Premierminister François Fillon auf die Pauke: Auf einer Großveranstaltung im westfranzösischen Nantes am Abend des 11. März 10 tönte er laut hinaus, noch im Laufe des Frühjahrs 2010 werde es nun kommen, das Verbotsgesetz für die „Burqa“. Also für die, im Französischen oftmals – terminologisch unsauber – so bezeichnete „Ganzkörperverschleierung“, die durch eine sehr kleine Minderheit muslimischer Frauen auf französischem Boden (jedoch häufiger, und aus anderen Motiven, in Afghanistan) getragen wird. Als Begründung rief Fillon donnernd hinaus: „In einer Demokratie lebt man nicht maskiert!“ (Vgl. http://www.lemonde.fr/ )

Das geplante (Teil-)Verbot dieser Form von Ganzkörperverhüllung hatte vor allem im Januar und Februar 10 als Diskussionsstoff die innenpolitischen Debatten gefüllt. Doch mit dem unmittelbaren Herannahen der Regionalparlamentswahlen ebbte die Debatte zunächst wieder ein Stück ab. Allgemein vermutet wurde, das Thema werde nun aus dem Wahlkampf herausgehalten, und danach könnte es zur Verabschiedung eines Verbotsgesetzes durch das konservativ-liberale Regierungslager – eventuell (inzwischen sehr eventuell) im Gleichklang mit der oppositionellen Sozialdemokratie – kommen. Doch nun löst Premierminister Fillon, immerhin einer der gewichtigsten Politiker des Regierungsblocks (mit hohen persönlichen Popularitätswerten, im Gegensatz zu seinem Vorgesetzen Nicolas Sarkozy), die Debatte ausgerechnet auf einer Wahlveranstaltung drei Tage vor dem ersten Durchgang einer Wahl – also zum wahlpsychologisch entscheidendsten Zeitpunkt – wieder aus. Dies ist keinerlei Zufall, sondern ein klarer Hinweis darauf, dass es sehr wohl darum ging und geht, Emotionen mit dem Thema zu mobilisieren und diese in den politischen Wettbewerb einzubringen.

Im Übrigen besagt eine Auswertung der wichtigsten Wahlveranstaltungen der Regierungspartei UMP, dass auch seine Rivalen Xavier Betrand (Parteichef) und Jean-François Copé (Fraktionsvorsitzender der UMP in der Nationalversammlung) dieses Thema anklingen lassen – und dass es die „meist applaudierte Passage“ in ihren Redetexten ausmacht. (Vgl. http://www.lemonde.fr ) Dies möge als kleiner Hinweis darauf genügen, wie mit diesem Thema umgegangen, und wie emotionalisierend es politisch eingesetzt wird.

Doch zunächst sollte ein kleiner Rückblick auf die nunmehr seit einigen Monaten schwelende Debatte in der politischen Klasse Frankreichs zu diesem Thema riskiert werden.

Rückblick auf die jüngste „Burqa“-Polemik: Die Untersuchungskommission und ihr Abschlussbericht


Üblicherweise hätte man erwartet, und erwarten dürfen,, dass die politischen Fronten anders verlaufen. Doch es war bereits keine Überraschung mehr, dass der Parteikommunist André Gerin und der Rechtsbürgerliche Eric Raoult - die beiden Vorsitzenden der parlamentarischen Untersuchungskommission zum Thema Burqa-Verbot - sich nach Worten von Beobachtern „wie Jacke und Hose verstehen“, als sie am 26. Januar 10 den Untersuchungsbericht ihrer Kommission vorlegten.

Unerwarteter hingegen war, dass die Kommissionsmitglieder gemeinsamer Parteizugehörigkeit, und besonders Eric Raoults Parteifreunde von der konservativ-wirtschaftsliberalen Regierungspartei UMP, sich untereinander überhaupt nicht grün schienen. Der Rapport sei „in einer Atmosphäre großer Spannung“ vorgestellt worden, berichtete die liberale Pariser Abendzeitung ‚Le Monde’ vom Ort des Geschehens, einem Seitensaal der französischen Nationalversammlung.

Noch für eine weitere Überraschung sorgte die Sozialistische Partei: Ihre Abgeordneten boykottierten die Sitzung und vermieden es dadurch, sich bei der Abstimmung über die Annahme des Untersuchungsberichts mit Ja oder Nein positionieren zu müssen. Jean-Marc Ayrault, Fraktionsvorsitzender der Sozialisten in der Nationalversammlung, ließ den Kommissionsmitgliedern sowie den Regierungsvertretern ausrichten, er und seine Kollegen erhöben eine Vorbedingung für ihre Teilhabe: Erst müsse die „Debatte über die nationale Identität“, die in den letzten beiden Monaten in Frankreich für heftige Polemiken sorgte - und zu deren hässlichen Auswüchsen, in Form der Stigmatisierung von Einwanderern, jede Woche neue hinzukommen - sofort abgebrochen werden. In diesem Falle könnte man mit sich darüber reden lassen, über den Bericht der Kommission mit abzustimmen.

Denn, so begründete Ayrault das gemeinsame Fernbleiben, die Ideologiekampagne der Regierung zur „Nationalidentität“ (vgl. dazu nebenstehenden Artikel) habe in jüngster Zeit auch die Diskussion über die Haltung gegenüber der Ganzkörperverschleierung „vergiftet“. Anders sah es freilich sein Parteikollege Manuel Valls, Bürgermeister der Pariser Vorstadt Evry: Er nahm an der Sitzung teil und stimmte auch bei der Annahme des Kommissionsberichts mit zu. Valls schwingt sich einigen Monaten zum „Dissidenten“ innerhalb der französischen Sozialdemokratie auf. Inhaltlich steht er eher am rechten Rand der Partei, er trat für das Aufgeben des Adjektivs „sozialistisch“ im Parteinamen - zugunsten einer Bezeichnung als „Demokraten“- ein. Im Frühsommer 2009 hatte er in Evry eine Polemik ausgelöst, als er einen Photographen bat, auf einem Wochenmarkt in seiner Stadt „mehr Weiße, mehr biancos, mehr whites“, so seine Formulierung, ins Bild zu nehmen. Denn sonst drohe die Aufnahme, auf der zu viele Einwanderer zu sehen seien, ein schlechtes Image von Evry zu vermitteln.

Unterschiedliche Motivationen

Die Debatten über Einwanderung, über die Behandlung von Migranten, über die „nationale Identität“ und ihre Bedrohung haben tatsächlich die französische Debatte um die Burqa - also die von manchen Figuren oder Strömungen mit „islamischen Werten“ gerechtfertigte Ganzkörperverhüllung - in starkem Ausmaß durchdrungen und geprägt. Zwar hatte die Parlamentskommission zum Thema schon Ende Juni vergangenen Jahres ihre Arbeit aufgenommen, also noch bevor im Herbst 2009 der „Minister für Einwanderung und nationale Identität“ Eric Besson offiziell die Identitätsdebatte lancierte. Gleichzeitig wurde letztere damals hinter den Kulissen schon vorbereitet; die Aufforderung, eine solche „Debatte“ frankreichweit in die Wege zu leiten, findet sich tatsächlich schon in der ,Lettre de mission’ (ungefähr: Aufgabendefinition), die der zuständige Minister Eric Besson am 31. März 2009 von Nicolas Sarkozy erhielt, so jedenfalls ,Libération’ vom o9. Februar 10... Und ein Ministerium, das die nationale Identität – neben der Immigration - bereits im Namen trägt, gab es schon seit dem Frühsommer 2007.

Einzelne Parlamentarier, besonders Bürgermeister von Trabantenstädten mit starken Ghettoisierungstendenzen, in denen Angehörige sozialer Unterklassen ebenso wie Einwanderer in starker räumlicher Konzentration leben, hatten bei der Einrichtung der Kommission durchaus ihre eigenen Motive. In Kommunen mit starken Ghettoisierungserscheinungen nimmt in einigen Fällen auch die Zahl von Problemen des Zusammenlebens von Menschen unterschiedlicher Herkunft und Religionszugehörigkeit örtlich zu. Dabei ist die Burqa nur ein Symptom, und ein eher randständiges, denn laut Zahlenangaben des französischen Innenministerium vom Sommer 2009 wird sie in Frankreich von 367 Frauen getragen, eine verhältnismäßig winzige Zahl. (Neuere Untersuchungen aus polizeilichen Quellen von Ende 2009 sprechen nunmehr von 1.900 Frauen, die Ganzkörperverschleierung trügen, wobei dabei aber unterschiedliche Kleidungstypen – von der afghanisch/pakistanisch geprägten Burqa bis zum Gesichtsschleier „Niqab“, der bis vor circa zwei Generationen im Maghreb verbreitet war - zusammen erfasst werden. ) Kommunalverwaltungen, die auf andere Probleme stoßen, wenn etwa stranggläubige traditionelle Moslems oder islamistische Aktivisten die Einrichtung von nach Geschlechtern getrennten Behandlungen in Krankenhäusern fordern, sehen dabei die Empörung über die Ganzkörperverschleierung - die eher ein Symbol denn die Ursache dafür darstellt - als Ventil für ihre Frustrationen.

André Gerin, der durch seine Partei - die französische KP - aufgrund seiner aktiven Teilnahme an der Kommission zusammen mit Parlamentariern der konservativen Rechten ziemlich heftig desavouiert wird, dürfte durch solche Hintergründe mit geprägt worden sein. Als Bürgermeister von Vénissieux führt er das Rathaus einer von besonders starker sozialer Ghettoisierung geprägten Vorstadt von Lyon. Gleichzeitig zählt Gerin auch zur altstalinistischen Opposition gegen die Parteiführung innerhalb der französischen KP. Der Rückgriff auf den Staat als zentrale gesellschaftliche Vermittlungs- und Ordnungsinstanz zählt für ihn zu den politischen Grundrezepten. Angesichts einer Vielzahl breit aufgefächerter gesellschaftlicher Verwerfungserscheinungen in den Armutszonen mit hohem Migranten-Anteil lag daher der Ruf nach staatlichen Verbotsmaßnahmen, die theoretisch die Voraussetzungen für gesellschaftliche Gleichheit herstellen sollen, für ihn nahe.

Andere in seiner Partei hingegen empört seine Rolle, gemeinsam mit Abgeordneten der bürgerlichen Rechten an führender Stelle in der Kommission zu arbeiten. Tatsächlich sind deren Motive oft anderer Natur. Denn in den Augen von Vertretern der politischen Rechten handelte es sich bei dem Versuch, die Ganzkörperverschleierung verbieten zu lassen, vor allem um eine Abwehr gegen ein sichtbares Symbol des „nicht integrierten (und nicht integrierbaren) Fremden“. Stehen bei den Befürwortern eines Burqa-Verbots auf der Linken eher die Rechte der Frauen, die durch diese Kleidung schwer beeinträchtigt würden, im Vordergrund, so waren Konservative oder Rassisten eher auf der Suche nach einem „fremden“ Symbol, für dessen Abwehr sich relativ einfach einen Konsens herstellen lässt. Das generelle Verbot von Kopftüchern, Bärten oder Moscheen etwa wäre kaum durchzusetzen und würde quasi diktatorische Einschnitte gegen die Rechte der Einwanderungsbevölkerung erfordern. Doch ähnlich wie die Schweizer Rechtspopulisten im Verbot des deutlich sichtbaren Minaretts eine Maßnahme fanden, für die leichter ein Konsens auch mit der bürgerlichen Mitte zu stiften war als etwa für ein generelles Aussetzen der Religionsfreiheit für Muslime bspw. durch ein Moscheeverbot (das juristisch kaum durchsetzbar gewesen wäre, da es einen frontalen Angriff auf das Grundrecht der freien Religionsausübung darstellen würde), so verhält es sich auch mit der Abwehr der Burqa. Das leichter angreifbare, da tatsächlich als solches ausgesprochen fragwürdige, Symbol etwa der Burqa dient dabei dazu, eine möglichst breite gesellschaftliche Koalition zu schmieden und Kräfte zu bündeln. Bei dieser Bündnisbildung und der dazugehörigen, breit ausstreuenden Debatte werden dennoch all jene fremdenfeindlichen Ressentiments und xenophoben Reflexe mobilisiert, auf deren Abrufen es der rassistischen Rechten genau ankommt: Das Publikum wird genau für ihre Ziele, ihre „Gefahrenbestimmung“ mobilisiert – wobei ein extremes, als solches kritikwürdiges, aber auch innerhalb der Gesamtgesellschaft absolut randständiges Symbol als Aufhänger dafür herhält.

Ähnlich wird die Konjunktur des Themas entsprechend auch in weiten Teilen der Einwanderungsbevölkerung im Allgemeinen, und der moslemischen Wohnbevölkerung in Frankreich im Besonderen aufgefasst. Stellvertretend für einige Stimmen brachte es der marokkanischstämmige französische Schauspieler Djamel Debbouze – gewiss kein Frauenunterdrücker, er ist mit der ziemlich selbstbewussten Fernsehjournalistin Mélissa Theuriau verheiratet – auf den Punkt: „Warum belästigt man uns mit diesem Scheiß?“ (Vgl. http://www.lepost.fr/  )

Von den unterschiedlichen Sinngehalten eines Symbols

Die Burqa oder Ganzkörperverschleierung stellt tatsächlich ein besonders krasses und auffälliges Symbol dar. Nur ist dieses Symbol mehrdeutig, je nach gesellschaftlichem Kontext; denn es ist eine ideologische Illusion, auf der vermeintlichen Einheit von „Symbol, Epoche, Bedeutung und gesellschaftlicher Aussagekraft“ zu beharren, während sie in Wirklichkeit erheblich auseinander klaffen können: Genauso, wie Zeit, Ort und gesellschaftlicher Kontext sich unterscheiden, kann auch die soziale Bedeutung eines Symbols unterschiedlich ausfallen.

In Ländern wie Afghanistan und Pakistan, wo es einen gesellschaftlichen oder auch - zur Zeit der Taliban-Regierung - staatlichen Zwang zum Anlegen solcher Kleidung gab oder gibt, symbolisiert sie ohne Zweifel zuvörderst die äußerst weit reichende Unterdrückung der dortigen Frauen. In Frankreich, wo es keine Taliban-Gerichte und nichts auch nur entfernt ihnen Ähnliches gibt und wo die Burqa gesellschaftlich äußerst randständig ist, hingegen steht dasselbe Symbol für einen anderen gesellschaftlichen Gestus. Auch wenn eine Frauenorganisationen wie die (der Sozialdemokratie, aber auch einem Teil der regierenden bürgerlichen Rechte nahe stehende) Pro-Republik-Jubelfrauentruppe NPNS (,Ni Putes ni Soumises’, also „Weder Nutten noch unterwürfig“) – ihre frühere Chefin Fadela Amara ist derzeit Staatssekretärin für „Stadtpolitik“, ohne eigenes Budget und also faktisch machtlos, unter Nicolas Sarkozy - die Verbotsdebatte unter Hinweis auf frauenunterdrückerische Praktiken etwa im Mittleren Osten begründet. NPNS argumentier, ihnen müsse nun in Frankreich der Riegel vorgeschoben werden. NPNS zeigt sich freilich in jüngerer Zeit generell ziemlich staatsnahe, und erklärte auch die üble „Debatte zur Nationalidentität“ – quasi die französische Ausgabe der „Leitkultur“debatte, die seit einigen Jahren in Deutschland tobt – von Anfang an für legitim. (Vgl. http://lyon.novopress.info/) Ihre Lyoner Repräsentantin nahm an einer Veranstaltung für geladene Gäste mit Einwanderungs- und Identitätsminister Eric Besson zum Thema (die am 22. Januar 10 in Lyon stattfand) teil, wo sie jedoch – aus Zeitgründen - nicht das Wort ergriff; im Gegensatz zu dem rechtsextremen Politiker Bruno Gollnisch, der in einen Dialog mit Besson eintrat. (Besson erklärte dabei, Gollnisch habe „im Wesentlichen Recht“ mit seiner Definition der Nation.) Im Nachhinein erklärte sie jedoch die Debatte ebenso wie ihre Teilnahme daran ausdrücklich für richtig, da es darum gehe, positiv die Werte der Republik zu definieren. (Vgl. http://www.lyoncapitale.f ) Die staatliche Einladungspolitik zur Lyoner Debatte – unter Anwesenheit von Minister Eric Besson – war derart selektiv, dass selbst eine moderat-linke und traditionsreiche Vereinigung wie die 1898 im Zuge der Dreyfus-Affäre gegründete ,Liga für Menschenrechte’ (LDH) nicht in den Saal hineingelassen wurde: Sie blieb aufgrund ihrer kritischen Haltung außen vor. Hingegen wurden die eher liberal-bürgerliche LICRA, die vorrangig gegen Antisemitismus eintritt und im gemäßigten Mitte-Rechts-Spektrum gewichtige politische Unterstützer zählt (ihr Ehrenvorsitzender Patrick Gaubert war UMP-Europaabgeordneter und Berater von Innenminister Charles Pasqua), und NPNS eingelassen – weil sie die Vorgaben akzeptierten. (Vgl. http://www.libelyon.fr/) Unterdessen demonstrierte die politische Linke vor den Türen der Lyoner Veranstaltung, wo ihre Demonstration an jenem Abend von 40 faschistischen Schlägern mit Reizgas und Fahrradketten angegriffen wurde.

Am 08. März dieses Jahres demonstrierte die Streberinnenorganisation NPNS auf der Pariser Place de la République unter einer symbolischen Burqa, um auf dieses aus ihrer Sicht absolut vordringliche Problem aufmerksam zu machen – wie man an der vorausgegangenen politischen Debatte sieht, als einsame & mutige Stimme auf weiter Flur. (Vgl. http://www.lecommunal.com ) Einige Wochen zuvor hatte der überaus staatstagend-„feministische“ Verband auch, als Burqaträgerinnen verkleidet, am 25. Januar vor der Parteizentrale der Sozialistischen Partei in der Pariser rue de Solférino demonstriert. (Vgl. http://www.liberation.fr/ oder http://tempsreel.nouvelobs.com/ )

In Wirklichkeit ist das soziale Symbol, für das die Burqa steht, in Frankreich oftmals nicht dasselbe wie am Hindukusch; zumal in Frankreich anders als in Afghanistan und in Pakistan keinerlei Zwang breiter Gesellschaftskreise zur Einhaltung solcher oder ähnlicher Tugend- & Kleidungsvorschriften herrscht. In Afghanistan oder Pakistan nimmt dieser Zwang, jedenfalls in einigen Zonen des jeweiligen Staatsgebiets, durchaus materielle Gewalt an, wenn es „sein muss“. Völlig anders ist die Situation in einem Staat wie Frankreich. Vor dem Hintergrund einer Republik, die theoretisch die Gleichheit unabhängig von Herkunft und - privatem - Glauben verspricht, doch alltägliche Diskriminierungspraktiken bestehen lässt, dient ein Symbol wie die Burqa in Frankreich vor allem zur Manifestation besonders sichtbarer und demonstrativer Ablehnung der mit dem Gleichheitsversprechen einhergehenden Assimilationsforderung. Sie bedeutet ungefähr so viel wie: „Wir sind nicht so wir Ihr, was immer Ihr auch verkünden möget!“ Eine Form von Revolte, die vor allem bei jungen Frauen anzutreffen ist - und die bei ihnen aus der Erfahrung mit einem an Diskriminierungen reichen Alltag resultiert, die sie allerdings im Laufe der Zeit auch in Familienmodelle hineinführt, die das glatte Gegenteil von Emanzipation darstellen. Bei manchen Trägerinnen kommt, zusätzlich oder stattdessen, auch ein eher mystisches Element des Abschlusses von einer Gesellschaft, ihren verunsichernden oder „verunreinigenden“ Einflüssen, auf der Suche nach dem einzig „Wahren und Reinen“ hinzu. Getragen wird die Burqa in der Regel nur von Angehörigen kleiner Sekten (oder ihren unmittelbaren Familienangehörigen), die von den aktivistischen Salafisten bis hin zu eher pietistisch-religiösen Gruppen islamischer Provenienz reicht.

Was bei der politischen Rechten ankommt, ist allerdings vor allem jener Teil der - inhaltlich durchaus gemischten - Botschaft, der da lautet: „Wir sind nicht so wie Ihr, und den Wunsch, uns an Euer Bild oder Selbstbild anzupassen, lehnen wir radikal ab.“ Er wird als Herausforderung der Mehrheitsgesellschaft, der Leitkultur aufgefasst und genau als solche bekämpft. Aus diesem Grund greift die politische Rechte, von ihren moderaten bis zu ihren extremen Spielarten, derzeit die Forderung nach einem Verbot der Ganzkörperverhüllung oftmals begierig auf. Gleichzeitig wird sie als Verlängerung der nationalen „Identitätsdebatte“, der Abgrenzung vom Eigenen zum Fremden, begriffen. (Angesichts der Tatsache, dass der größte Teil der Burqa-Trägerinnen in Frankreich geboren und aufgewachsen, 75 % unter ihnen französische Staatsbürgerinnen und laut polizeilicher Auffassung mindestens 30 Prozent Islam-Konvertitinnen aus „weißen“, nicht muslimischen französischen Familien sind – die glauben, ihre neue Zugehörigkeit auf besonders krasse Art und Weise unter Beweis stellen zu müssen -, ist das Symbol jedoch für genau diese Abgrenzung der „Eigenen“ gegen „fremd“ nun wirklich ziemlich untauglich.)

Dies findet seinen Niederschlag in den konkreten Ausformungen, die die Verbotsforderung findet. Diese wird derzeit durch den Kommissionsbericht und ihre Handlungsvorschläge vor allem an Punkten durchdekliniert, die soziale und andere Ansprüche gegen den Staat beinhaltet: Wer eine Burqa trägt und solcherart bekleidet zu den entsprechenden Ämtern geht, soll vom Zugang zu Sozialleistungen oder Kindergeld ausgeschlossen werden. Auch von dem zur französischen Staatsbürgerschaft; aber das ist seit 2008 ohnehin ständige höchstrichterliche Rechtsprechung. Anlässlich einer Fernsehdebatte zwischen dem umstrittenen islamischen Reformtheologen Tariq Ramadan und dem wirtschaftsliberalen Politikberater Alain Minc (vgl. http://www.dailymotion.com ) antwortete Letzterer auf die Frage, ob auch saudi-arabische Prinzessinnen, die ihre Luxus-Einkäufe auf den Champs-Elysées tätigen, von einem Verbot betroffen sein sollten: „Nein. Diese beantragen ja schließlich keine Sozialleistungen.“ Daran wird sehr deutlich, dass es im Kern um die Abwehr als illegitim betrachteter „Ansprüche“ (an den Staat und/oder auch an die Mehrheitsgesellschaft) geht. Ähnlich, wie Spielarten anti-muslimischen Rassismus zwar Kritik an tatsächlich brutalen Ausprägungsformen islamistischer Herrschaft in anderen Weltgegenden aufgreifen – aber, um sie fälschlicherweise mit Phänomen innerhalb oder am Rande der europäischen Gesellschaften auf einen (unrichtigen) Nenner zu bringen. Und natürlich, vor allem, um als „Schlussfolgerung“ daraus dann das Lied von der angeblichen „Invasion“ in Europa, von der behaupteten „Überschwemmung“ mit Immigranten und/oder der drohenden Machtübernahme durch „den Islam“ anzustimmen.

Je länger die jüngst ausgebrochene (und noch fortdauernde) Debatte zum Burqa-Verbot in Frankreich anhielt, desto mehr machte sich auf der konservativen Rechten eine generelle Haltung breit, die möglichst viel Verbote und Ausschluss aus der Öffentlichkeit forderte. Hingegen warnten die Spitzenpolitiker und die Juristen ihres Lagers davor, ein zu generelles Verbot - etwa ein Untersagen jeglichen Tragens einer Ganzkörperverschleierung auf der Straße und in der Öffentlichkeit, also auch außerhalb von Ämtern - zu formulieren: Diese würde durch die obersten Gerichte oder den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof zweifellos als unzulässige Diskriminierung kassiert, da es darum gehe, eine unstatthafte Gesinnung zu ahnden. Vor Richtern durchgehen könne, so die Warnung, allenfalls ein punktuelles Verbot, das mit dem (auf der Notwendigkeit der Überprüfung eines Anrechts auf Leistungen, und/oder auf Sicherheitsmotiven beruhenden) Anspruch des Staates auf Identifizierbarkeit der Personen etwa auf Sozialämtern oder Behörden - oder auch in öffentlichen Verkehrsmitteln, die der Liste inzwischen hinzugefügt worden sind - begründbar sei. So sieht es nun auch der Abschlussbericht der Kommission vor.

Eine Mehrheit der Abgeordneten der konservativen Regierungspartei UMP, die ihr angehörten, protestierte dagegen jedoch heftig. Sie sehen darin eine kritikwürdige Einschränkung ihrer Verbotsforderung, die sie generell verstanden wissen möchten. Ihren Unmut stachelte ihr Fraktionsvorsitzender in der französischen Nationalversammlung – Jean-François Copé – im Januar d.J. vorübergehend heftig an. Copé kündigte damals gar an, einen eigenen Gesetzesvorschlag, auch gegen den Entwurf der Kommission und über ihre Vorschläge inhaltlich hinaus gehend, einzubringen; ihm ging es im Gegensatz zum Abschlussbericht der Kommission um ein Totalverbot. Seit einem „Versöhnungs“- respektive „Koordinierungstreffen“, zu dem Präsident Nicolas Sarkozy ihn Ende Januar „zwecks Absprache zum Thema“ zu sich geladen hatte, scheint Copé sich jedoch vorläufig etwas beruhigt zu haben. (Vgl. http://www.rtl.fr/ ) Im Hintergrund stehen die starken Rivalitäten unter Politikern des Regierungslagers: Jean-François Copé bereitet sich erklärtermaßen schon jetzt darauf vor, im Jahr 2017, also zur übernächsten Präsidentschaftswahl, als Kandidat anzutreten. Sarkozy und er selbst stehen sich mit ihren jeweiligen Karriere- bzw. Machterhaltsplänen im Wege. Die ganze Episode belegt aber auch, in welch hohem Maße das gesamte „Burqa“thema – bis hoch in die Staatsspitze hinein – ein taktisch benutztes, machtpolitisch instrumentalisiertes (Pseudo-)Thema darstellt.

Und was kommt danach ?

Und wie wird es danach weitergehen, falls ein (Teil-)Verbotsgesetz dazu wirklich – wie angekündigt – im Frühjahr 2010 kommt? Zunächst einmal wird die auf allen Kanälen geführte Debatte noch einmal eine Reihe von Emotionen, vor allem xenophoben und rassistischen, in Teilsegmenten der französischen Gesellschaft aufrühren. Danach wird der Staat zur bürokratischen Tagesordnung übergehen.

Die Salafisten-Sekten, die irgendwie ernsthaft glauben, getreu den „Weisungen des Propheten“ wie dessen Jünger im 7. Jahrhundert (christlicher Zeitrechnung) auf Erden wandeln zu können, werden in ihrer Ideologie wohl am wenigsten tangiert werden. Denn wenn es für ihre weiblichen Mitglieder – oder die Ehefrauen ihrer aktiven Anhänger – quasi unmöglich sein wird, sich mit einer Burqa bekleidet im öffentlichen Raum zu bewegen, dann werden sie reagieren. Und zwar so, wie eine angegriffene Ideologie reagiert, um den Eindruck zu erwecken, sie beherrsche weiterhin die Wirklichkeit und ordne sie sich unter. (Um nämlich die drohende Abwanderung und Abwendung der, unter Realitäts- oder sonstigen Druck geratenen, Anhänger/innen zu verhindern.) Ihre „Imame“, also ihre meist selbsternannten „Kenner der islamischen Theologie“, werden demzufolge einige Fatawat – Plural von Fatwa – erlassen, die es den Frauen ihrer Gruppen „erlaubt, unter widrigen Umständen im ungläubigen Staat vom Tragen einer glaubenskonformen Verhüllung abzusehen“. Ihre Anhängerinnen werden dazu übergehen, die Burqa abzulegen und „normale“ Kopftücher (wie sie auch von unzähligen anderen Personen moslemischen Glaubens oder moslemischer Kulturkreis-Zugehörigkeit getragen werden) zu tragen. Ihre Bindung an die Ideologie wäre so „gerettet“, da sie nicht definitiv vor eine gar zu radikale Alternative zwischen ideologischer „Konsequenz“ und Möglichkeiten gesellschaftlicher Teilhabe gestellt werden. An den ideologischen Vorstellungen in den entsprechenden Milieus wird sich also voraussichtlich schlichtweg nichts ändern.

Für die Emanzipation, auch der Frauen, wäre durch den ganzen Vorgang also erst einmal nicht viel gewonnen. Denn an der Wirkungsmächtigkeit der Ideologie (als Mixtur aus Religion und Politik) würde erst einmal nicht gekratzt werden. Möglicherweise sogar im Gegenteil: In einem ihrer Vorschläge, der - relativ harmlos daherkommend – in ihrem Abschlussbericht auftaucht, schlägt die oben erwähnte Untersuchungskommission auch vor, das bisherige Verbot der staatlichen Finanzierung von Religionsgruppen und Kultusstätten aufzuweichen oder gar auszuhebeln. Dies würde eine staatliche respektive kommunale Finanzierung von Religionsgemeinschaften zum Zweck des Kirchen- oder Moscheenbaus ermöglichen, wie sie schon einmal Anfang 2008 infolge eines Präsident Nicolas Sarkozy vorgelegten Untersuchungsberichts aus dem Jahr 2006 erwogen wurde. (Vgl. ausführlich http://www.infopartisan.net ) Die Mitglieder der jüngst tätigen Untersuchungskommission „zur Burqa“ sahen darin mehrheitlich ein probates Mittel, die – über ihre absehbare negative Allgemeindarstellung während der ausstehenden Debatte zum Burqa-Verbotsgesetz empörten – Moslems zu beruhigen. Jedoch verbirgt sich hinter dem Vorstoß auch das uralte Vorhaben von Teilen der französischen Rechten, sich der „Fesseln“ des französischen Laizismus (also der Trennung von Kirche und Staat, die 1905 gesetzlich festgegossen wurde) so weit wie irgend möglich zu entledigen. Nicolas Sarkozy ist, vor allem in Jahren 2007/08, in dieser Hinsicht zeitweilig sehr aktiv gewesen. Diese Bedrohung für den französischen Laizismus ist weitaus größer und ernsthafter, als die von salafistischen und anderen Sektierergruppen in ex-kolonisierten Bevölkerungsteilen ausgehende. Hoffen wir nur, dass es nicht gelingen wird, das Eine (Burqa-Verbot) zum Vorwand für das Andere (Aufweichen des Laizismus, unter dem willkommenen Vorwand, doch nur „auf berechtigte Empörung über die drohende Diskreditierung der Muslime“ zu antworten) zu erheben.

Streit in halb Europa – und besonders in Ländern mit starken Rechtsaußen- und Rassistenparteien

Nicht nur Frankreich debattiert derzeit über das Verbot des Symbols, das die Burqa tatsächlich oder vermeintlich darstellt. In angelsächsisch geprägten Ländern wie Großbritannien, den USA sowie Kanada, wo man ein weit ausgreifendes und unterschiedlichste Ausdrucksformen mit einbeziehendes Verständnis von Meinungs- und individueller Kleidungsfreiheit hat, stößt die französische Verbotsdebatte auf scharfe Kritik. Am Freitag, den 29. Januar 10 kritisierte etwa die ‚New York Times’ Frankreichs Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy heftig und warf ihm vor, unter anderem durch diese Debatte „den Hass zu schüren“. Einem Burqa-Verbot in Frankreich, so das Blatt, „könnten die Taliban applaudieren“. Denn auch sie könnten eine Logik, in welcher eine Staatsmacht je nach ihrer Ideologie Kleidungsvorschriften, - gebote oder –verbote erlässt, nur begrüßen. (Während der angelsächsische Liberalismus in Angelegenheiten wie der Kleidungsfrage in aller Regel total ist und gegenüber sämtlichen, auch ideologisch geprägten, Bekleidungsphänomenen gegenüber indifferent bleibt: „Reine Privatsache.“)

Hingegen möchten mehrere europäische Länder nunmehr Frankreich nacheifern. In keinem von ihnen besteht jedoch bisher ein explizites Verbot, einen Ganzkörperschleier oder eine ähnliche verhüllende Kleidung zu tragen. Als Erstes diskutiert nun Dänemark konkret über Verbotsmaßnahmen in dieser Richtung; nachdem man im September 2009 nach einer ersten Verbotsdiskussion zunächst auf die blanke Verbotsforderung verzichtet hatte (vgl. http://www.presseurop.eu und http://www.liberation.fr  ), flammte die Debatte dort nun auch infolge der französischen Entwicklung wieder auf. (Vgl. http://www.ouest-france.fr/ oder auch, auf einer fanatisch islamophoben Webpage, http://www.bivouac-id.com/.) Auch wenn die Unterdrückung der Frau dort ebenfalls als Begründung herhält, ist die rechte, rassistische und auf Abwehr von Einwanderern abzielende Motivation für eine solche Debatte dort recht manifest – zumal es die politische Rechte ist, die dort eisern an ihrer Verbotsforderung festhält (vgl. vorigen Link). In Dänemark fällt das Phänomen der Vollverschleierung noch weitaus marginaler als in Frankreich aus; bei einer Zählung des Innenministeriums wurden... drei Fälle im gesamten Land entdeckt. (Siehe http://www.7sur7.be/ ) Doch die konservativ-liberale Regierung in Kopenhagen ist schon seit 2001 von der parlamentarischen Tolerierung durch die rechtsextreme „Dänische Volkspartei“ DFP als Mehrheitsbeschafferin abhängig, und Dänemark hat in den letzten eine des mit Abstand schärfsten Einwanderungs-, Asyl- und Einbürgerungsgesetzgebungen innerhalb der Europäischen Union angenommen. Ende Januar dieses Jahres entschied die dänische Regierung, zwar kein Totalverbot der Burqa zu verabschieden, aber ein Regelwerk anzunehmen, das – ähnlich wie in Frankreich geplant – ihr Tragen in Räumlichkeiten öffentlicher Dienste, aber (im Falle Dänemarks) auch generell im öffentlichen Raum verbieten kann. (Vgl. http://www.lemonde.fr/  )

In Italien ist die Debatte ebenfalls aufgeflammt, wo die rassistische Regionalpartei Lega Nord die französische Verbotsdebatte begeistert begrüßte und als gefundenes Fressen aufgriff. Eine durch die Lega Nord regierte Stadt, Varallo Sesia in der Region Piemont, hat als erste nunmehr die Burqa verboten - vorbeugend, denn bis dato wurde keine einzige Trägerin gesichtet. (Vgl. http://www.lepoint.froder http://fr.novopress.info/ Vgl. auch zu einer Protestaktion: http://www.uam93.com ) Auf nationaler Ebene hat nicht nur die rechtsextreme Regionalpartei Lega Nord, sondern alsbald auch die Silvio Berlusconi nahe stehende Ministerin für Frauengleichstellung - Mara Cafagna - eine eigene Gesetzesvorlage zum Thema angekündigt. Hingegen vermeldet die Zeitung ‚La Republicca’, dass die Mitte-Links-Partei der Demokraten (PD) bei dem Thema „bremst“.

Auch Österreich, wo die sozialistische Frauenministerin Gabriele Heinisch-Kosek am 22. Dezember 2009 einen Vorstoß für ein Burqa-Verbot unternahm, ist eine Debatte dazu in Fahrt gekommen. Die Ministerin hatte ihre Initiative mit dem Kampf gegen Frauenunterdrückung begründet. Auch die deutsche Frauenrechtlerin Alice Schwarz – die schon seit den 80er Jahren von einem feministischen Ansatz des Kampfs um Emanzipation zu einer Politik des Verbote-Erbettelns beim bürgerlichen Staat überging, und die beim Kampf gegen tatsächliche oder vermeintliche „islamische Frauenunterdrückung“ auch in der Vergangenheit oft völlig rasend und politisch irrational wurde – schaltete sich in die österreichische Debatte ein. Dort begrüßte sie sogleich auch noch lautstark das schweizerische Abstimmungsergebnis zum Minarett-Verbot vom 29. November 2009.

Unterstützung fand die SPÖ-Ministerin für ihren Vorschlag jedoch auch bei den Bischöfen - die mehrheitlich für ein solches Verbot eintreten, jedoch weitaus eher, um das christliche Abendland vor fremdreligiösen Einflüssen zu schützen - und bei der rechtsextremen FPÖ; während die Grünen signalisierten, sie seien gegen die Burqa, aber auch gegen ein staatliches Verbot. (Vgl. http://www.wienerzeitung.at/ ; oder aus rechtsextremer Sicht: http://gesamtrechts.wordpress.com  ) Ausgerechnet die FPÖ zeigt sich aber nunmehr gespalten, denn ihr Tourismussprecher Roman Haider bezeichnete die Verbotsdiskussion als „absurd“ und schädlich für den Fremdenverkehr - da sie reiche Golfaraber davon abhalten könne, im Fremdenverkehrsort Zell am See (Tirol) einzukehren. (Vgl. http://www.ferien-salzburg.at ) Bei der österreichischen Debatte ging es bislang aber auch nicht hauptsächlich um eine Einwanderungsbevölkerung, deren weibliche Angehörige eine Burqa tragen und gleichzeitig Anspräche an den Staat stellen könnten. Vielmehr stehen bei der Diskussion Touristinnen - die nunmehr ausbleiben könnten, folgt man Roman Haider - im Vordergrund. Insofern handelt es sich auch offenkundig, wie im Kern freilich derzeit überall im westlichen Europa, um eine Gespensterdebatte.

Vorläufiges Fazit

Für unsereine/n jedoch sollte unbedingt gelten: Das Thema Kampf gegen Frauenunterdrückung, für Frauenrechte und Emanzipation ist uns viel zu wichtig, als dass wir es im Rahmen einer solch verkorksten und von Anfang an fehlgeleiteten Debatte ansprechen würden. Die machtpolitisch instrumentalisierte Thematisierung des „Burqa“phänomens und das damit einhergehende künstliche Aufbauschen einer im Kern realen, doch (im Frankreich des Jahres 2010) absolut randständigen Problematik dürfen keinen Boden abgeben, auf den wir auch nur einen Fuß setzen würden. Ansonsten wäre das Risiko gefährlichen Ausrutschens und schwerer Knochenbrüche sehr hoch. Der Kampf um die Rechte französischer, afghanischer und anderer Frauen ist „unsere Sache“. Aber wir haben, im Zusammenhang mit ihr, nichts - aber auch gar nichts - mit Figuren wie Sarkozy, Besson und Copé und/oder im Rahmen einer ominösen „Debatte um nationale Identität“ oder um „Leitkultur“ zu besprechen: Den Schuh ziehen wir uns nicht an. Dabei bleibt es.
 

Editorische Anmerkungen

Wir  erhielten den Artikel vom Autor für diese Ausgabe.