Bernard Schmid berichtet aus Frankreich

Frankreichs neokoloniale Kontinuität in Afrika
Nicolas Sarkozys Aufenthalt in Gabun und Rwanda

03/10

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Zum vierten Mal in seiner Amtszeit als französischer Präsident hielt Nicolas Sarkozy sich vom 23. bis 26. Februar 2010 zu einem wichtigen Besuch in Afrika, und in der postkolonialen Einflusssphäre Frankreichs, auf.

Aus diesem Anlass ein kurzer Rückblick: Am 25., 26. und 27. Juli 2007 hatte Sarkozy sich in den Staaten Libyen, Senegal und Gabun aufgehalten und dort seine berüchtigte Ansprache an der Universität Dakar gehalten. (Vgl. http://www.trend.infopartisan.net/trd7807/t577807.html  ) Ende Februar 2008 besuchte er zusammen mit seiner frisch angetrauten Ehefrau Carla Bruni-Sarkozy den Tschad - wo zu Anfang des Monats das Regime von Idriss Déby eine Rebellion blutig niedergeschlagen hatte – und im Anschluss daran Südafrika, wo er eine Rede vor dem Parlament in Kapstadt hielt. Carla Bruni-Sarkozy traf unterdessen, am Rande der Visite, mit Nelson Mandela zusammen. Am 26. und 27. März 2009 dann suchte er – im Schnelldurchlauf binnen einiger Stunden – die drei Staaten Congo-Kinshasa, Congo-Brazzaville und Niger auf. Nebenbei strich er dabei auch noch Mega-Aufträge, insbesondere eine in Kinshasa unterzeichnete monopolistische Uran-Schürflizenz für den französischen Nuklearkonzern AREVA, mit ein.

Dieses Mal nun hat „Speedy Sarkozy“, eilig (d.h. arrogant) wie immer, innerhalb von nur anderthalb Tagen den Besuch in zwei Ländern „durchgehechelt“, die aus sehr unterschiedlichen Gründen eine absolut zentrale Rolle für die französische Afrikapolitik spielen. Es handelt sich um die zentralafrikanische Rohstoff-Republik Gabun sowie um das ostafrikanische Land Rwanda. Zwischendurch, in der Nacht zwischen seinem Aufenthalt in Gabun am 24. Februar und in Rwanda am 25. Februar, fand Sarkozy auch noch Zeit für einen Abstecher im (nord-)westafrikanischen Mali. Dort feierte Präsident Sarkozy die kurz davor erfolgte Freilassung der französischen Geisel Pierre Camatte, eines NGO-Angehörigen, der zuvor durch ,Al-Qaida im Maghreb’ im wüstenhaften Norden des Staatsgebiets Malis festgehalten worden war. Als Gegenleistung für seine Freilassung hatte Frankreich der Republik Mali abgepresst, vier Al Qaida-Militante bzw. –Kader, algerischer respektive mauretanischer Nationalität, freizulassen. Ohne die Republik Algerien bzw. Mauretanien um Rat zu fragen, und sehr zum Missfallen ihrer Staatsführungen.

(Kurz darauf tauchte ein sich einige Tage lang hartnäckig haltendes Gerücht auf, wonach Pierre Camatte ein Agent des französischen Auslandsgeheimdiensts DGSE sei. Anscheinend beruht diese Information, die auf einer Nachricht der Online-Zeitung Bakchich.info beruhte, jedoch auf einem Missverständnis: 14 Tage zuvor hatte DGSE-Chef Bernard Barjolet vor der französischen Nationalversammlung die derzeit in Geiselnahme oder Gefangenschaft befindlichen Agenten seines Hauses im Ausland erwähnt. Dabei fiel auch der Hinweis auf Mali, womit nur Pierre Camatte genannt sein konnte; dies wurde durch die Online-Zeitung als Eingeständnis der Agententätigkeit Camattes gewertet. Jedoch scheint Barjolet sich missverständlich ausgedrückt zu haben, und in seiner Aufzählung tauchen u.a. zwei französische Journalisten auf, die derzeit in Afghanistan gefangen gehalten werden. Offenbar umfasste seine Liste auch andere Franzosen, die derzeit im Ausland als Geiseln gehalten werden, und für die der Agentenchef keinen Anspruch auf Zugehörigkeit zu seinem Dienst erhebt. Bei dem Hinweis auf Camattes angebliche Mitarbeit für den Nachrichtendienst könnte es sich also gut um eine glatte Fehlinformation handeln – könnte. Vgl. http://www.lejdd.fr/  )

Nun aber zu den beiden mit Abstand wichtigsten Stationen von Präsident Sarkozys jüngster Afrikareise iN Richtung Ex-Kolonien.

Gabun, Rwanda und ihre jeweilige Bedeutung für die französische Einflusspolitik


Gabun und Rwanda: Unterschiedlicher könnte ihr jeweiliges Verhältnis zur Neokolonialmacht Frankreich bislang kaum ausfallen. Das ostafrikanische Rwanda ist dabei keine frühere französische, sondern eine ehemalige belgische Kolonie, in welcher jedoch Paris seit dem putschförmigen Amtsantritt von Präsident Juvénal Habyarimana (1973 bis 1994 an der Spitze des Staates, am 6. April 1994 ermordet) die Positionen der Ex-Kolonialmacht als hegemoniale Großmacht übernommen hatte; im Juli 1975 hatten Paris und Kigali ein militärisches Beistandsabkommen abgeschlossen. In den späten siebziger Jahren hatte auch einer der jährlichen französisch-afrikanischen Gipfeln, in denen die Pariser Politik die Staatsoberhäupter ihrer ex-kolonialen Einflusszone um sich sammelt, in Rwandas Hauptstadt stattgefunden. Doch seit Juli 1994 sind die Beziehungen empfindlich gestört – warum, siehe ausführlicher unten.

Gabun, vor 1960 ein Bestandteil der Kolonie Französisch-Äquatorialafrika, ebenso bevölkerungsarm wie erdölreich, spielte und spielt die Rolle eines „Kronjuwels“ der französischen Einflusssphäre auf dem Kontinent. Beruhigend wirkte in den Augen der führenden Pariser Politiker dabei lange Zeit auch, dass politische Wechsel in Gabun höchst selten waren: Von 1967 bis im Juni 2009 regierte derselbe Präsident, Omar Bongo Ondimba, ununterbrochen am Stück. Nach seinem Ableben tat eine neue Phase der Verunsicherung ein, die jedoch von kurzer Dauer war: Am 30. August vergangenen Jahres wurde Omar Bongos Lieblingssohn – Ali Ben Bongo – im Alter von 50 Jahren zu seinem Nachfolger gewählt. Der (ähem, räusper!) freie, geheime, demokratische und unmanipulierte Charakter dieser Wahl ist freilich höchst umstritten; Proteste der Opposition und ihre Niederschlagung forderten 15 Tote. Nicolas Sarkozy, der sich am Mittwoch, den 24. Februar 2010 schon zum dritten Mal seit seiner Wahl im Jahr 2007 in Gabun aufhielt (infolge eines Staatsbesuchs am 27. Juli 2007 und seiner Teilnahme an der Beerdigung Altpräsident Omar Bongos im Juni 2009), gilt als persönlicher Freund der Familie.

Rwanda: Die historische Hypothek einer Beteiligung an Völkermord (1994)

Anders fiel das Verhältnis zum ostafrikanischen Rwanda aus: Frankreichs Armee hatte dort von 1990 bis 1994 ununterbrochen in bürgerkriegsähnliche Kämpfe eingegriffen. Bei ihnen stand ein rassistisches Regime, das sich auf die Mehrheits-Bevölkerungsgruppe der Hutu stützte, einer Rebellenarmee von im Exil lebenden, aber ihre Rückkehr anstrebenden Tutsi gegenüber. Von April bis Juni 1994 verübten vor diesem Hintergrund rechtsextreme Ethno-Milizen der „Hutu Power Bewegung“ einen Genozid, dem 800.000 bis eine Million Angehörige der Tutsi-Minderheit sowie politische Oppositionelle aus der Hutu-Bevölkerung zum Opfer fielen. Frankreich unterstützte die „Interimsregierung“, die die Milizen steuerte und die in der zweiten Aprilwoche in den Räumen der französischen Botschaft in Kigali formiert worden war, bis zuletzt politisch. Aufgrund der Tatsache, dass die im Exil lebenden Tutsi – und die Anführer ihrer Rebellenarmee RPF (Rwandian Patrotric Front) – im englischsprachigen Uganda aufgewachsen waren und kein Interesse an einem Verbleib in der französischen „Sprachzone“ Afrikas an den Tag legten, fürchtete man ein Wegbrechen einer Einflusssphäre.

Nachdem die RPF im Juli 1994 den Krieg gewann, weil ihre Gegner zu sehr mit Morden an Zivilisten und zu wenig mit militärischen Operationen beschäftigt waren, blieben die Beziehungen der neuen Regierung zu Frankreich höchst angespannt. Doch seit Ende 2006 waren sie zeitweilig auf dem Nullpunkt angelangt: Ein französischer Untersuchungsrichter, der Sarkozy nahe stand und derselben Partei UMP angehörte, leitete ein „Anti-Terrorismus-Ermittlungsverfahren“ gegen die Spitze der derzeit regierenden RPF ein. Die Obsession des Richters Jean-Louis Bruguière lautete, durch „terroristische Angriffe“ auf das damalige Rwanda habe die RPF den Völkermord an den „eigenen Leuten“ - den Tutsi – selbst ausgelöst. Dabei ist nachgewiesen, dass Hutu-Rassisten eine „Endlösung“ an den Tutsi seit Jahren systematisch und akribisch vorbereitet hatten.

Ausgerechnet Nicolas Sarkozy ist es nun, der am Donnerstag, den 25. Februar 2010 eine Seite in der Geschichte der rwandisch-französischen Beziehungen umgeschlagen hat. Obwohl Sarkozy nicht nur ein Parteifreund des inzwischen aus dem Staatsdienst geschassten Richters Bruguière war und zudem 1994 – während des Völkermords in Rwandas – als französischer Regierungssprecher amtierte, hat er es verstanden, scheinbar normale und ausgeglichene Beziehungen anzuknüpfen. „Über den Gräbern der Hunderttausenden von Leichen“ von 1994, wie Kritiker, von der französischen Solidaritäts-NGO Survie bis zur KP-nahen Tageszeitung ‚L’Humanité’, wörtlich monierten. Aber anscheinend erfolgreich.

Sarkozy besuchte nicht nur als erstes französisches Staatsoberhaupt die rwandische Haupstadt Kigali – wo er sich freilich nur für drei Stunden aufhielt, in Eile wie stets. Er besuchte auch das Memorial für die Völkermordopfer und verneigte sich dort vor den Opfern, was ähnlich starke symbolische Bedeutung hat wie 1970 der Kniefall von Bundeskanzler Willy Brandt im Warschauer Ghetto. Und er fand, im Vergleich zu anderen französischen Politikern der letzten 15 Jahre, sogar relativ starke Worte. Er sprach von „Verblendung“ der politischen Entscheidungsträger in Paris im Jahr 1994, von „Fehltritten“ der französischen Politik und „schwer wiegenden Entscheidungsfehlern“. Nur weigerte er sich, eine explizite Bitte um Entschuldigung auszusprechen - wie der frühere US-Präsident Bill Clinton es im April 2004 zum zehnten Jahrestag in Kigali tat, weil „Leute wie ich Tag um Tag in Büros saen und nicht real einschätzen“, welcher Horror gleichzeitig auf rwandischem Boden entfesselt wurde. Auch Belgien hat bei seiner Ex-Kolonie Rwanda, die seit den siebziger Jahren eher zur französischen Einflusssphäre zählte, wo 1994 jedoch noch belgische Blauhelmtruppen involviert waren, um Pardon gebeten.

„Millimetergenau abgewogene Äußerungen“

Beobachter in Frankreich sprachen von „millimetergenau abgewogenen Worten“, wie in der liberalen Pariser Abendzeitung ‚Le Monde’ zu lesen war. Die bislang von Teilen des politischen Establishments in Frankreich gepflegte geschichtsrevisionistische Vision, wonach die Tutsi – wenn überhaupt – zu Opfern eines durch das Vorrücken der RPF ausgelösten Mordens geworden „und ja schlielich auch viele Hutu umgebracht worden“ seien, ist nunmehr offiziell vom Tisch. Doch gleichzeitig kam ein Wort wie „Pardon“ oder auch „kriminell“ zur Kennzeichnung einer Politik, die Komplizenschaft mit Völkermordtätern beinhaltete, Nicolas Sarkozy nicht über die Lippen. Gar zu sehr hätte es laut Auffassung derselben Beobachter in Widerspruch zu Sarkozys sonstigem Diskurs, der gegen nationalen Masochismus und „Büertum“ – etwa im Hinblick auf Kolonialverbrechen – wettert, gestanden.

Die letzten offenen Verfechter des noch vier einem halben Jahrzehnt von französischen Politikern und Intellektuellen verfochtenen Geschichtsrevisionismus bezüglich Rwanda 1994 gingen in die Defensive. Der ex-sozialdemokratische und nationalistische Schriftsteller Pierre Péan – ein (pardon) echter Drecksack, der noch vor sechs Monaten in Paris wegen rassistischer Äuerungen über Tutsi und ihre „Kultur der Lüge“ vor Gericht stand, jedoch in zweiter Instanz freigesprochen wurde – äuerte sich in der Sonntagszeitung ‚JDD’ zum Thema. (Ausgabe vom 28. Februar 10, Artikel nicht on-line.) Er versuchte sich an Sarkozys Erklärungen aufzuhängen und sich ihnen entlang aufzurichten: Der Präsident habe die richtige Position vertreten, da er „von Fehlern, nicht aber von Verbrechen“ der französischen Politik 1994 gesprochen habe. Seine Version der Ereignisse in Rwanda 1994, wonach die Tutsi-Rebellenarmee RPF die schlimmsten Verbrechen direkt verschuldet oder auf der Gegenseite ausgelöst habe und die französische Politik „friedensstiftend“ gewirkt habe, ist nun dennoch quasi staatsoffiziell desavouiert worden.

Den Rest, nachdem Nicolas Sarkozy nun – in aller Schnelle - wieder abgereist ist, soll nun eine gemeinsame französisch-rwandische Historikerkommission klären (vgl. u.a. ,Les Echos’ vom 24. O2. 2010). In ihr soll über Entscheidungen und Verantwortlichkeiten diskutiert werden. Auf Regierungsebene aber scheint die „Normalisierung“ der Beziehungen, die mit der Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Paris und Kigali im November o9 eingeleitet zu werden schien, endgültig akzeptiert worden zu sein. Präsident Paul Kagamé hat seinen Amtskollegen Sarkozy empfangen und die schärfsten Kritiken und Vorwürfe gegenüber Frankreich dabei verschwiegen.

Dazu dürften ihn verschiedene Beweggründe geführt haben. Im Oktober dieses Jahres steht Rwanda eine Präsidentschaftswahl bevor, und die Zukunft von Kagames Regime ist potenziell ungewiss. Auch wenn es mitunter autoritär durchgreift und die als „Oppositionskandidatin“ antretende Victoire Ingabire mehrfach administrativ zum Schwiegen gebracht – vorübergehend vor wenigen Wochen auch in Polizeigewahrsam genommen – hat, so könnte im Vorfeld doch eine schwer zu kontrollierende Dynamik ausgelöst werden. Victoire Ingabire wird im Hintergrund durch eine Lobby von Hutu-Extremisten unterstützt; so trommelt das in Nordfrankreich angesiedelte Verlagshaus ‚Editions des Sources du Nil’, das dieses Milieu eifrig bedient und den Völkermord von 1994 leugnende Thesen verbreitet, heftig propagandistisch für ihre Kandidatur. Gleichzeitig versuchen extremistische Kreise offenkundig auch, das Regime gewaltsam zu destabilisieren. So fanden in der rwandischen Hauptstadt Kigali, die in den letzten Jahren als eine mit Abstand sichersten afrikanischen Hauptstädte (und eine der sichersten Städte der Welt) gegolten hat, im Februar und Anfang März dieses Jahres zwei Serien von Handgranaten-Anschlägen auf belebten Plätzen statt. Sie forderten jeweils zwischen zehn und zwanzig Verletzte.

Das Regime möchte also zumindest auenpolitisch den Rücken frei wissen, insbesondere auch gegenüber Frankreich in Anbetracht von dessen früherer Rolle in Rwanda – viele „Hutu Power“-Anhänger dürften in ihm nach wie vor den groen, guten Onkel erblicken.

Auch für seine, alles in allem durchaus negativ zu bewertende, Rolle als Kriegspartei im Nordosten der Demokratischen Republik Kongo möchte Rwanda auf eine zumindest wohlwollende Neutralität, wenn nicht – wie im Falle der USA – Unterstützung, durch die wichtigsten westlichen Mächte bauen können.

Nunmehr hat Rwandas Präsident Paul Kagamé sogar angekündigt, das Land werde erstmals wieder an einem der jährlichen „Frankreich-Afrika-Gipfel“ teilnehmen; vgl. http://www.lepoint.fr/actualites-monde/2010-02-25/rwanda-kagame-participera-au-sommet-france-afrique/924/0/427939 . Der nächste solche Gipfel findet Ende Mai und Anfang Juni d.J. in Nizza statt, wohin Kagamé voraussichtlich auch reisen wird; übrigens pünktlich zum Anlass der 50. Jahrestags der formellen Unabhängigkeit der meisten französischen Ex-Kolonien in Afrika. Dieser wird heuchlerisch gefeiert werden, u.a. auch durch die Teilnahme zahlreicher Präsidenten aus der postkolonialen Einflusssphäre Frankreichs in Afrika an der Militärparade zum französischen Nationalfeiertag: am 14. Juli 2010 auf den Champs-Elysées.

Sarkozy ehrt Mafiaboss-Staatsoberhaupt Omar Bongo...

Bevor Sarkozy in Kigali eintraf, hatte er sich einen knappen Tag über in Gabuns Hauptstadt Libreville aufgehalten. Zuvor, am Mittwoch früh (am Morgen des des 24. Februar 10), hatte er jedoch – unmittelbar nach seinem Eintreffen in Zentralafrika - in Franceville vor dem gigantischen Mausoleum von Altpräsident und Präsidentenvater Omar Bongo einen Blumenkranz niedergelegt. Und hatte seine Zuneigung zu dem verstorbenen Mafiaboss-Präsidenten, der dereinst seine Karriere Ende der 50er/Anfang der 60er Jahre als Nachrichtendienstmitarbeiter bei der französischen Kolonialarmee begonnen hatte, auf dessen Grab er sich lange Minuten hindurch verneigte, bekannt. (Vgl. http://www.gabonpage.com

...und verspricht für künftig „Transparenz“ und „echte Freundschaft“ (harhar hihihi)

Kurz darauf unterzeichnete Sarkozy zusammen mit dem aktuellen Staatschef des zentralafrikanischen Erdöl-„Emirats“, wie viele Beobachter die Republik auch bezeichnen, ein angeblich völlig neuartiges bilaterales Verteidigungsabkommen. Es wird so dargestellt, als stehe es im Unterschied zu den Vorgängertexten im Zeichen völliger Transparenz und „offener Beziehungen unter Freunden“. (Vgl. bspw. http://www.lemonde.fr/  oder http://www.bdpgabon.org/)

Unterdessen ist ein intensivierter Ausbau der Beziehungen Frankreichs zum gabunischen Regime geplant. Auf politischer Ebene – da Gabun in den kommenden Monaten für 2010/11 als nicht ständiges Mitglied dem UN-Sichersheitrat angehören wird -, aber bspw. auf der Ebene der polizeilichen Zusammenarbeit. Im Vorgriff auf die Afrika-Fußballmeisterschaft im Jahr 2012, die durch die Nachbarländer Gabun und Äquatorialguinea gemeinsam ausgerichtet (und erstmals in zwei Ländern gleichzeitig stattfinden) wird, sollen Franzosen die dortige Polizei & Gendarmerie besser ausbilden. Zudem soll die gabunische Armee auf die Übernahme von Aufgaben, über ihre Grenzen hinaus, auch „im regionalen Rahmen“ vorbereitet werden. (Vgl. http://www.marianne2.fr/) Ferner will Frankreich Gabun dabei unterstützen, seine Wälder als planetare Reserve zum Abbau von CO2-Emissionnen – da Pflanzen Kohlendioxid aufnehmen und Sauerstoff abgeben – zur Verfügung zu stellen; Greenpeace spricht jedoch in einem Kommuniqué von Beihilfe für einen gezielten „Ausverkauf der gabunischen Wälder“.

Das überarbeitete Militärabkommen mit Gabun ist das dritte seiner Art, der so genannten „neuen Generation von Verteidigungsabkommen“ zwischen Frankreich und afrikanischen Staaten. Die ersten beiden wurden im März 2009 in Togo, und im Mai 2009 – anlässlich eines Staatesbesuchs von Premierminister François Fillon – in Kamerun unterzeichnet. Beide Länder werden von Regimes regiert, die ebenso autoritär wie feste Verbündete der Ex-Kolonialmacht Frankreich sind. Letztere schätzt ihre „Stabilität“, die im Falle Togos eher durch massive Repression, in Kamerun jedenfalls in den letzten Jahren eher durch eine alle gesellschaftlichen Bereiche durchziehende Korruption erkauft wurde.

Das Neue an den modernisierten Verteidigungsabkommen soll darin bestehen, dass sie nicht länger der Öffentlichkeit vorenthaltene Geheimklauseln enthalten sollen – und insbesondere keine Bestandsklauseln für von äueren oder inneren „Bedrohungen“ geplagte Regimes mehr. Solcherlei „innere Bedrohungen“ können aus Unruhen, Soldatenmeutereien oder auch Streik- und Demokratiebewegungen bestehen. Klauseln, die meist geheim blieben, sahen seit den Tagen der Unabhängigkeit – die für die meisten französischsprachigen Länder Afrikas in das Jahr 1960 fällt, soeben werden vielerorts die Feierlichkeiten für den fünfzigsten Jahrestag vorbereitet – eine automatische Intervention in solchen Fällen vor.

Streit zwischen „Dinosauriern“ und „Modernisieren“ über die französische Afrikapolitik: ...

Doch seit den neunziger Jahren war es auch in der französischen politischen Klasse zunehmend umstritten, ob es wirklich im Interesse des eigenen Landes liege, eine solche „Lebensversicherung“ für oft autokratisch regierende Präsidenten zu garantieren. Zu teuer, meinten die Einen - die sowohl die Kosten für militärische Operationen anführten als auch das teure Geld, das durch ultrakorrupte und als ineffizient geltende Regimes in die Netzwerke der Korruption umgeleitet wird. Es gibt keine Alternative, meinen wiederum Andere: Eine Modernisierung der französisch-afrikanischen Beziehungen durch ihren Übergang zu kalt berechnenden Kosten-Nutzen-Beziehungen, mit lukrativen Wirtschaftsaufträgen aber ohne Kolonialnostalgie und Aufrechterhaltung „archaischer“ Regimes, werde zwar von Wirtschaftsliberalen mitunter herbei gewünscht. Nur könne sie nicht funktionieren, da allein die seit 50 Jahren ausgehaltenen Regimes die Aufrechterhaltung des französischen Einflusses ohne unerwünschte „Einmischung“ der afrikanischen Bevölkerungen oder der chinesischen Konkurrenz garantieren könne.

Die Anhänger der zweit genannten Option haben sich in den letzten Jahren immer wieder durchsetzen können, auch wenn der 2007 gewählte Staatspräsident Nicolas Sarkozy selbst anfänglich noch zwischen beiden Optionen hin- und herzuschwanken schien. Noch ein Jahr vor seiner Wahl hatte Sarkozy bei Besuchen in den afrikanischen Ländern Mali und Bénin betont, die bürgerliche Demokratie stelle einen hohen Wert dar. Und da Frankreich – so seine damalige Formulierung in Malis Hauptstadt Bamako im Mai 2006 – „Afrika wirtschaftlich nicht braucht“ (vgl. http://www.heise.de/tp/r4/artikel/22/22801/1.html ), sondern eher aus idealistischen Gründen gute Beziehungen zu ihm unterhalte, gebe es auch keine wirtschaftliche Notwendigkeit zur Fortsetzung „überholter, vormoderner Praktiken“. Inzwischen musste Sarkozy sich von seinen Beratern oder politischen Verbündeten wohl eines Anderes belehren lassen: Das französische Kapital benötigt sehr wohl den privilegierten Zugriff auf afrikanische Rohstoffe, um im weltweiten Konkurrenzkampf auf demselben Rang wie bislang mitspielen zu können. Die Extraprofite aus den früheren Kolonien haben vielleicht eine Modernisierung bestimmter wirtschaftlicher Sektoren bislang blockiert – da diese Kapitalfraktionen sie nicht nötig hatten -, aber so einfach kann Frankreich auch die Struktur seiner wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zu den Ex-Kolonien nicht ummodeln. Bestimmte Mafiosi werden also auch weiterhin benötigt.

Jean-Marie Bockel, Sarkozys erster Staatssekretär für Afrikapolitik, hatte dies in den Jahren 2007/08 zunächst noch anders betrachtet. Er verfolgte eher die Modernisierungsoption und griff politische Dinosaurier wie Ali Bongo ungewohnt scharf an. Dafür musste er schon im März 2008 den Hut nehmen, unter persönlichem Druck der beiden „Dinosaurier“präsidenten Omar Bongo und Denis Sassous-Ngessou – autokratische Oberhäupter der beiden Erdölstaaten Gabun und Congo-Brazzaville – auf die Pariser Politik. Heute amtiert er als – völlig einflussloser – Staatssekretär für Gefängnisbau im Justizministerium. (Vgl. http://www.heise.de/t  - Und vgl. auch hier zu den jüngsten Äußerungen des Armen, in denen Bockel sich über seine gänzliche politische Einflusslosigkeit beschwert: http://www.lepoint.fr)

,La Françafrique’, Fortsetzung einer unendlichen und unheimlichen Geschichte

Ein Mann, der damals eine Schlüsselrolle bei der – zwischen Sarkozy und Omar Bongo ausgehandelten – Absetzung des elsässischen Politikers Bockel spielte, begleitete Nicolas Sarkozy an jenem Mittwoch (24. Februar 10), bei seinen Auftritten in Gabun in der allerersten Reihe sitzend. Es handelt sich um den französisch-senegalesisch-libanesischen Anwalt Robert Bourgi. Er gilt notorisch als „Türöffner“ und Einfädler von Kontakten zwischen französischen Politikern und afrikanischen Potentanten; und tritt bspw. auch als Lobbyist des am 06. August 2008 durch einen Militärputsch an die Macht gekommenen neuen Regimes in Mauretanien auf, das (nach einigen Jahren größerer Distanz Nouakchottes zu Paris, und Annäherung an Washington) gute Beziehungen zur Ex-Kolonialmacht wieder herstellt.

Nur der Diskurs in Sarkozys Reden, Auge in Auge mit seinem Amtskollegen Ali Bongo und an der Seite von Robert Bourgi, stand in scheinbar auffälligem Widerspruch zu dieser Kontinuität zwischen „Alt“ und „Neu“. Nicolas Sarkozy verfocht darain das Ansinnen, zu einer „offenen“, „transparenten“ Beziehung zu kommen. (Vgl. etwa http://www.lejdd.fr ) Er dementierte energisch, dass Frankreich – wie bei vielen afrikanischen Wahlen – über „einen offiziellen Kandidaten“ in Gabun verfügt und ihn unterstützt hätte: Er fordere „wer immer das Gegenteil behauptet“ dazu auf, dies zu belegen. Präsident Ali Bongo, der im September o9 nach einer heftig umstritten Wahl in sein Amt eingeführt worden war und zuvor die faktische ungeschminkte Unterstützung der Pariser Machthaber genossen hatte, dürfte den Scherz goutiert haben.

Zugleich witzelten Nicolas Sarkozy und Ali Ben Bongo gemeinsam über den Ausdruck ,Françafrique’, der in den letzten Jahren (seit dem berühmten Buch des 2005 verstorbenen NGO-Vorsitzenden François-Xavier Verschave: ,La Françafrique, der längste Skandal der Republik’, von 1998) für Kritiker/innen als Synonym für die französische Neokolonialpolitik in Afrika gedient hatte. Völlig entspannt nahmen Sarkozy und Ali Bongo den Begriff, der bis dahin zum Ausdruck einer scharfen Kritik an den Beziehungen Frankreichs zu Satrapen-Diktatoren wie beispielweise Gabuns Boss Omar Bongo diente, in den Mund. Und stellten das Konzept ,Françafrique’ als Bezeichnung einer bloßen, harmlosen und unproblematischen, Freundschaftsbeziehung – die es heute fortzusetzen gelte – hin. Am Flughafen von Libreville besang eine Musikgruppe bei der Ankunft Nicolas Sarkozys lautstark die Zukunft der ,Françafrique’. Das dürfte in etwa die Vorstellung Sarkozys vom Begriff „komplexfrei“ – im Wahlkampf 2006/07 hatte der Kandidat Nicolas Sarkozy sich als Repräsentant einer ,droite décomplexée’ („von ihren Komplexen befreiten“ oder „selbstbewusst gewordenen“ Rechten) bezeichnet – widerspiegeln.

Alles wurde unternommen, um „entkrampfte“ Beziehungen zu demonstrieren. Dies unterstrich Sarkozy auch dadurch, dass er –erstmals für einen französischen Präsidenten – auch mit Vertretern der gabunischen Opposition zusammentraf. Während einige Hampelmänner sich jedoch bei dieser Zusammenkunft lächerlich machten und sich der Hegemonialmacht peinlich anbiederten, kritisierte der im Pariser Exil lebende Oppositionspolitiker Bruo Ben Mubamba: „Ich fürchte, dass QSarkozy Gabun als Melkkuh betrachtet.“ (Vgl. http://www.lemonde.fr/)

Sarkozys Ankündigungen dürften in Wirklichkeit eher im Zeichen des Ausspruchs gestanden haben, den dereinst der italienische Schriftsteller Giuseppe Tomasi di Lampedusa formuliert hat: „Alles muss sich ändern“ – gemeint ist, an der Oberfläche – „damit nichts sich ändert“.

Ob dies auch für den Übergang von den „alten“ zu den „neuen“ Militärabkommen und das ihn begleitende Transparenzversprechen gilt, muss die nahe Zukunft erweisen. Fest steht, dass die im Vorjahr lautstark angekündigte Veröffentlichung des Texts dieser Abkommen – der neuen „militärischen Beistandsabkommens“ Frankreichs mit Togo und Kamerun, und jetzt auch mit der Republik Gabun – „noch vor Ende 2009“ nicht stattgefunden hat. Nicht nur die Öffentlichkeit oder die Presse, sondern auch die Abgeordnete in den Parlamenten der betroffenen Ländern kennen ihren Inhalt bislang nicht. Dabei hatte die Exekutive versprochen, im Rahmen der Aushandlung dieser Militärabkommen „der neuen Generation“ erstmals auch die Parlamentarier zu beteiligen.

Editorische Anmerkungen

Wir  erhielten den Artikel vom Autor für diese Ausgabe.