Moralische Jugend
Ein Film setzt sich kritisch mit der Straight-Edge-Bewegung auseinander

von
Peter Nowak

03/10

trend
onlinezeitung


Sie waren jung, gesundheitsbewusst und hassten Drogen. Die Rede ist von den Begründern und Protagonisten einer der wohl verkanntesten subkulturellen Bewegungen der letzten Jahre: der Straight Edge-Bewegung. Der Name heißt klare Linie. Für die Edger hieß das, keine Drogen zu nehmen und sich mindestens fleischlos, in der Regel aber vegan zu ernähren, also auf jede tierischen Produkte in der Nahrung zu verzichten.

Diesen Anspruch nahmen die Mittelstandskids Ernst, die Ende der 70er Jahre in den Großstädten der USA vor allem ein Ziel hatten: vor allem nicht in der Gosse landen. Sie grenzten sich damit von dem oft extensiven Drogenkonsum der Subkulturen ab, die sie selber kannten. Denn zu dieser Zeit war der Gebrauch dieser Mittel - anders als noch Ende der 60er Jahre- nicht mehr mit Befreiung der Sinne sondern mit dem oft gar nicht so romantischen Leben der regelmäßigen Drogenkonsumenten verbunden.

Als Reaktionen auf diese Erfahrungen entwickelt sich eine Subkultur, die auf Drogenfreiheit, ein gesundes Leben und auch auf konservative Werte setzt. Die in Münster lebenden Filmemacher Marc Pierschel und Michael Kirchner haben sich in ihren Film Edge auf eine sehr sympathische Weise mit dieser in die Jahre gekommenen Subkultur auseinandergesetzt. Sie haben sie weder romantisiert noch denunziert und auch mit manchen Mythen aufgeräumt. Dazu gehört die verbreitete Ansicht, die Straight Edge-Bewegung propagiere eine Asexualität. Doch mehrheitlich wanden sich die Straight-Edger gegen einen häufigen Partnerwechsel. Auch hier trafen sie in den frühen 80er Jahren, als der Schrecken über die damals neue Krankheit Aids groß war auch bei Jugendlichen auf offene Ohren. Leider werden diese gesellschaftlichen Umstände, ohne die die große Bedeutung der Edge-Bewegung nicht erklärbar ist, im Film nur angedeutet. Dafür werden Musiker der unterschiedlichen Bands interviewt, die der Bewegung erst die große subkulturelle Bedeutung gaben. Die Punk Band Minor Threat , die den Begriff Straigh Edge prägte, gehört ebenso dazu, wie der Rapper Ray Cappo oder die Hard-Core-Combo Youth of Today, die Mitte der 80er Jahre die Edge-Bewegung mit gemeinhin links codierten politischen Themen verband. Hierin liegt der Grund, dass diese Subkultur bis heute junge, moralische Gymnasiasten in ihren Bann zieht.

Rechte Edger

Dass die Edge-Bewegung aber generell emanzipatorische Inhalte habe, ist auch einer der Mythen, die der Film dekonstruiert. So wird mit der Band „Terror Edge“ eine Combo vor gestellt, die für eine Strömung steht, die den Menschen generell der Feind ist. Dieser Antihumanismus ist auch die Grundlage für einen offen rechten Straight-Edge-Flügel. Mittlerweile gibt es in Deutschland innerhalb des NS-Cardhores Strömungen, die gesunde Ernährung und den Kampf gegen Drogen mit rassistischen und antisemitischen Ideologemen kombinieren und sich dabei auf Ahnherren in der NS-Bewegung berufen können. Leider fehlt auch dieser Aspekt in dem ansonsten informativen Film.
Das junge Zielpublikum wird dadurch angesprochen, dass zwischen den einzelnen Szenen und Interviews im Film immer wieder Internetrecherche betrieben wird. Auch die Musikbeispiele kommen aus dem Netz. Einige Rezensenten monieren, dass auch die Musikbeispiele auch nur von You-Tube und My-Space kommen. Aber abgesehen davon, dass dafür wahrscheinlich finanzielle Gründe ausschlaggebend waren, gewinnt der Film dadurch, weil der Fokus auf die kritische Auseinandersetzung und nicht das Konsumieren einer Jugendkultur gelegt wird.
 

Editorische Anmerkungen

Wir  erhielten den Artikel vom Autor.

EDGE - Perspectives on Drug Free Culture, Marc Pierschel und Michael Kirchner, Dokumentarfilm, 82 minutes, engl. OmU, miniDV, Farbe,