Bibliothek des Widerstands
Im Laika-Verlag sind einzigartige Filmbücher über Argentinien und die Linke in den USA herausgekommen

von Peter Nowak

03/11

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„Wenn es notwendig ist, um den Frieden im Land zu erreichen, dann müssen alle im Wege stehenden Personen sterben. Zuerst werden wir alle Subversiven töten, dann all diejenigen, die mit ihnen kollaboriert haben, danach alle ihre Sympathisanten, dann die Gleichgültigen und am Schluss töten wir die Ängstlichen“. Diese Agenda eines faschistischen Vernichtungsprogramms gab der argentinische General Jorge Videla zum Besten. Und er blieb nicht bei Worten. Der Chef der argentinischen Militärjunta setzte diese Pläne mit Hilfe seiner Kumpane in den Nachbarländern und seiner Geldgeber und Freunde aus den USA in die Tat um. Eine ganze Generation von politischen Aktivisten, Gewerkschaftern, Studentenvertretern, Bauernoppositionellen wurde ermordet. Unter ihnen waren auch mehrere deutsche Staatsbürger. Zwei von ihnen, die Soziologin Elisabeth Käsemann und der Münchner Maschinenbaustudent Klaus Zischank, werden durch ein Filmbuch, das als Band 8 in der „Bibliothek des Widerstands“ erschienen ist, dem Vergessen entrissen. Käsemann wurden 1977, Zischank ein Jahr zuvor ermordet. Beide waren Menschen, die vom sozialen Aufbruch jener Jahre beeinflusst waren, die den Traum von einer anderen Welt nicht verloren hatten, und die deshalb in der BRD und in Argentinien auf der Seite der Unterdrückten standen.
Auf einer in dem Buch eingehefteten CD finden sich zwei Kurzfilme, auf denen die Hintergründe der Ermordung der beiden jungen Menschen zu finden sind. Es wird auch gezeigt, wie offizielle politische Stellen sich nicht für die Verschwundenen einsetzen, sondern sogar im Gegenteil alles unternommen haben, um deren Angehörige zu vertrösten und hinzuhalten. Die in Argentinien lebende Mutter von Zischank wurde auf einer Rundreise durch die BRD von Solidaritätsgruppen, nicht aber von der Politik unterstützt. Sie wurde vielmehr aufgefordert, zurückzureisen und sich ruhig zu verhalten. Es wurde sogar die Version des argentinischen Regimes wiederholt, Zischank sei gar nicht entführt worden, sondern habe sich einer Guerillagruppe angeschlossen. Dabei war zu diesem Zeitpunkt schon bekannt, dass Zischank in einem Geheimgefängnis des argentinischen Militärs inhaftiert und in großer Gefahr war. Eine französische Gefangene konnte in einen Folterzentrum kurz mit dem Münchner Studenten sprechen. Da er die Augen nicht verbunden hatte, war sie überzeugt, dass er damals schon zum Tode verurteilt war und seine Folterer deshalb keine Anstrengungen unternahmen, ihm die Augen zu verbinden.

Fußball und Folter

In dem ansprechend gestalteten 190 seitigen Buch zu dem Film werden in verschiedenen Beiträgen die Hintergründe vermittelt. Sehr ausführlich wird auf die ignorante Rolle der westdeutschen Außenpolitik gegenüber den südamerikanischen Folterregimen eingegangen. Dabei gab es in der kritischen Öffentlichkeit eine lebhafte Debatte über das Verhalten des BRD-Fußballteams im Argentinien der Militärjunta im Jahr 1978. Doch die offizielle Politik und der DFB blieben von Menschenrechtsfragen völlig unangekränkelt. Als Amnesty International alle Spieler in einem Offenen Brief bat, eine Petition zu unterzeichnen und sich darin für die Menschenrechte einzusetzen, antwortete der Kicker Manfred Kaltz vom Hamburger SV, er habe andere Probleme und es belaste ihn keineswegs, wenn in Argentinien gefoltert wird. Ihn und die anderen Spieler hat es auch nicht belastet, dass der Altnazi Hans-Ulrich Rudel als Gast im Camp der Spieler auftauchte. Auf Kritik antwortete DFB-Präsident Neuberger: „Herr Rudel ist meines Wissens Bundesbürger mit vollen Rechten wie die Protestierenden. Ich hoffe doch nicht, dass man ihm seine Kampffliegertätigkeit aus dem Zweiten Weltkrieg vorwerfen will.“ Neuberger, Kaltz und Co. haben keinen Nazi seine Tätigkeiten im zweiten Weltkrieg vorgeworfen und sie haben dem Gastgeberregime auch nicht übel genommen, dass ese diese Tradition fortsetzte. Mit diesem Thema beschäftigt sich auch Band 9 der Reihe „Bibliothek des Widerstands“ mit dem Filmbuch „Panteon Miltar“. Dort wird den preußischen Traditionen im argentinischen Militär nachgegangen und auch gezeigt, wie der faschistische Geist bis heute in aktiven Militärs weiterwirkt. Ein junger Offizier sagt ganz offen, dass die Junta nur die Subversion gekämpft und für Ruhe und Ordnung gesorgt hätte und das auch in Ordnung wäre.

Anti-MTV

Die beiden Filmbücher sind zwei Beispiele im Sortiment des Laika-Verlags, in der die Bibliothek dem Widerstand erscheint. Mehr als 100 Filme und Bücher sind noch in Vorbereitung. Die bisher erschienen 9 Filmbücher erwecken große Erwartungen an eine linke Gegengeschichtsschreibung. Denn dass ist ausnahmslos bei allen Bänden bisher gelungen.

Eine besondere Rarität sind die beiden Filme über den Weather-Underground, einer Guerillagruppe in den USA, die in Solidarität mit den Black Panther und mit den Bewegungen im globalen Süden, vor allem aber den Vietcong den Krieg heim bringen wollte.

In dem Film „Underground“ wurden die Kämpfer 1976 von befreundeten Filmemachern porträtiert. In dieser Zeit hatten sie schon eine große Zäsur, hervorgerufen durch einen Unfall beim Hantieren mit Sprengstoff, hinter sich. Dieses Ereignis, dass drei Genossen das Leben kostete, führte zu einer intensiven Selbstkritik in der Gruppe. Der zweite Film stammt aus dem Jahr 2002 und ist ein kritisches Resümee der Gruppe. Dort kommen ehemalige Aktivisten ebenso zu Wort wie strikte Gegner und auch ein Ausschnitt aus dem Filmporträt wird gezeigt. Diese Kombination erlaubt es den Zuschauer, sich ein eigenes Bild zu machen und kombiniert mit den informativen Hintergrundtexten ist dieser Band eine wahre Fundgrube, wenn man sich über ein Amerika informieren will, dass vergessen gemacht werden soll. Im fünften Filmbuch wird in Bild und Wort die Geschichte des SDS in den USA nachgezeichnet. Der Bibliothek ist eine hohe Verbreitung zu wünschen. Schon damit die beiden Mitarbeiter Karlheinz Dellwo und Willi Baer ihre sehr wichtige Arbeit lange fortsetzen können.

Denn, heute wo die Herrschaft sich auch über CNN und mehr noch über MTV in die Köpfe der Menschen frisst, wo statt einer Auseinandersetzung um Geschichte nur billige Events geboten werden und wo der Traum von dem ganz anderen Leben von der Klingeltonwerbung übertönt wird, sind die Filmbücher aus dem Laika-Verlag ein kleines Licht, das in der Dunkelheit der globalen Barbarei namens Kapitalismus, einen Weg weist. Er muss nicht in die Vergangenheit führen.

Die Filmbücher können über die Homepage http://www.laika-verlag.de  bestellt oder abonniert werden. Dort gibt es auch Informationen über das gesamte Programm.

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