Geld macht faul
Neulich beim Frühstück mal wieder was gelernt. Nämlich wie Arbeit und Leistung bestimmt nicht zusammenhängen.

von Junge Linke gegen Kapital und Nation

03/11

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Die Wissensseite der Süddeutschen Zeitung ist berühmt-berüchtigt für die absurdesten Meldungen aus der Welt der Wissenschaft. Neben dem Hypen biologistischer Erklärungen für menschliches Handeln, finden sich auch immer wieder „Ergebnisse“ aus Versuchsanordnungen der Psychologen, die einen in Erstaunen versetzen. Eine dieser Erkenntnisse lautet „Geld macht faul. Psychologen warnen: Gehaltserhöhungen können Motivation und Leistung senken“ (SZ vom 01.09.2009). Nun weiß ja der Volksmund so gut wie niemand sonst, dass Geld das eigentliche Schmiermittel der Marktwirtschaft ist. Noch jede andere gesellschaftliche Utopie hat den Ruch des Lächerlichen und wird abgeschmettert mit dem Hinweis, dass ohne Geld oder andere Anreize doch niemand arbeiten würde!

Doch nun haben ausgerechnet Harvard-Psychologen herausgefunden, dass Gehaltserhöhungen Motivation und Leistung senken können. Die Versuchsanordnung, die die SZ zitierte, war die folgende: Vor 20 Monate alten Babys lassen die Versuchsleiter wie zufällig Bleistifte fallen und warten, wie die Babys darauf reagieren. Heben sie die Stifte auf oder lassen sie sie liegen? Die Psychologen teilten die Babys in zwei Gruppen auf. Die erste bekam fürs Aufheben einen Bauklotz geschenkt, die zweite Gruppe bekam nichts. Und nun die Überraschung: Die Hilfsbereitschaft der Kinder in der Bauklotzgruppe sank und zwar, so der Versuchsleiter, weil die Belohnung den natürlichen Altruismus der Kinder zerstören würde.

Nun stellen sich zunächst drei Fragen. Was haben Gehaltserhöhungen mit Hilfsbereitschaft zu tun, was Bleistift aufheben mit Altruismus und 20 Monate alte Babys mit Menschen, die soeben eine Gehaltserhöhung bekommen haben? Nun, nichts. Das aber ficht weder die SZ noch die Psychologen an, die es gleichermaßen beherrschen, noch die unterschiedlichsten Phänomene in einen Topf zu werfen. Die SZ macht in ihrem Artikel erstmal munter weiter mit noch anderen faszinierenden Forschungen und ihren Ergebnissen: Kinder, die Süßigkeiten fürs Puzzlen bekamen, verloren schneller die Lust am Puzzlen als jene, die leer ausgingen. Und ein Psychologe aus Stanford hat sogar noch herausgefunden, „dass sich die Fähigkeit von Kindern, Denksportaufgaben zu lösen, auf eine ganz einfache Weise zerstören lässt: indem man ihnen eine Belohnung verspricht.“ (SZ) Die einfache Erklärung, dass man Kinder mit Süßigkeiten oder anderen Spielzeugen von der ursprünglichen Aufgabe schlicht ablenkt, ist offensichtlich für die Psychologen keine. Auch die Verwechslung von Hilfsbereitschaft und Leistungsbereitschaft bereitet der Wissenschaft kein Kopfzerbrechen, sondern die Resultate, die sie glauben daran ablesen zu können, machen ihnen Sorge: Aus dem Verhalten der Kinder folgern sie messerscharf, dass Geld, Urlaub oder Sonderzahlungen die Leistungsbereitschaft nicht steigern. „Wer für seine Arbeit bezahlt wird, der folgert unwillkürlich, dass er nicht um der Sache selbst willen arbeitet, sondern nur fürs Geld – und das sei eine fatale Umdeutung.

Ein profaner äußerer Anreiz schiebe sich dann über das ursprüngliche hehre innere Handlungsmotiv. Plötzlich beginnt der Mensch, den Wert seiner Arbeit zu messen und mit anderen zu vergleichen.“, befürchtet ein Psychologe aus Stanford. (SZ) Ja, wo kommen wir denn dahin? Leute arbeiten gar nicht mehr als Bäckereifachverkäuferinnen ab morgens um vier Uhr, weil es ihnen Spaß macht, sondern nur weil sie damit ihre eigenen Brötchen verdienen wollen. Wo bleibt da der Aufopferungswille als Burgerbrater im Schichtdienst, wenn er die Narben an seinen Unterarmen nicht mehr gerne aus freien Stücken, sondern nur noch wegen des Geldes in Kauf nimmt? Dass in dieser Gesellschaft die meisten Menschen arbeiten gehen, weil sie das Geld brauchen und nicht weil das verdrängen die Psychologen an dieser Stelle erfolgreich. In einer Gesellschaft wie dieser, wo alle Bedürfnisse, die Mensch so hat (wohnen, essen, feiern, schlafen), immer über Geld vermittelt sind, ist die durchgesetzte Möglichkeit Geld zu verdienen die, dass man einer Lohnarbeit nachgeht. Alle brauchen Lohnarbeit und ob das dann Spaß macht oder nicht, ist zweitrangig und wenig mehr als eine glückliche Fügung, wenn es denn mal klappt. Löhne sind eher niedriger als hoch und ein netter Arbeitsplatz, der die Gesundheit des Arbeitnehmers schont, lohnt sich für den Arbeitgeber in der Regel nicht. Arbeit, also der Verkauf von Dienstbarkeit an andere, kostet die Arbeitgeber Geld, und entsprechend beschissen sieht die Arbeit dann halt aus. Wenn also eine Psychologin der Harvard Business School herausfindet, dass Geld einen „schädlichen Effekt“ habe, könnte man ihr eigentlich ob dieser durchaus richtigen Einsicht gratulieren. Natürlich sind es Kostengründe, wegen derer man an vernünftig eingerichteten Arbeitsplätzen spart. Dass viele Produkte billig hergestellt werden und krank machen oder Allergien auslösen, ist ebenfalls der Tatsache geschuldet, dass man mit den Produkten in erster Linie Geld verdienen möchte und weniger, dass die VerbraucherInnen was schönes, leckeres, gesundes oder haltbares bekommen. Doch unsere Psychologin hat einen anderen Grund für die Schädlichkeit des Geldes ausgemacht: Der Mensch macht nämlich das, was er mal gerne machte nun mit Bezahlung nicht mehr gerne. In der Tat ist es unsinnig, Menschen für Dinge zu belohnen, die sie gerne machen.(1) Doch ausgerechnet darin die Schädlichkeit von Geld entdecken zu wollen, ist schon komisch.

Der Idiotien auf der SZ-Wissensseite sind aber immer noch nicht genug. Denn nun stellt sich die Zeitung sofort die „politisch inkorrekte Frage“ (SZ), ob die Leute nicht viel mehr leisten würden, wenn sie (noch) weniger Geld verdienten? Das Beispiel Wikipedia habe ja bewiesen, dass Leute hochmotiviert ihr Bestes gäben, ohne dafür auch nur einen Pfennig Honorar zu sehen. Dass sie das nur tun, weil sie woanders bereits ihre Brötchen verdient haben und ihnen ihr Job noch genug Raum lässt für die Sachen, die ihnen wirklich Spaß machen, ist keiner Erwähnung wert. Bei der Frage also, ob die Menschen nicht viel mehr leisten würden, wenn man ihnen weniger Geld bezahlte, werden SZ und auch die Psychologen sehr geständig: Sie gehen da nicht mehr vom vermeintlich arbeitswütigen Subjekt aus, sondern von einem Standpunkt, der erstmal nur der Standpunkt desjenigen ist, der hofft, ein arbeitswütiges Subjekt eingestellt zu haben. Dass sie dabei die Anforderungen an einen Job verwechseln mit dem, was der Arbeitnehmer selbst schon immer wollte, ist nur einer von vielen Fehlern, die Wissenschaftler und Bürger Tag für Tag so drauf haben. Die zentrale Stellung, die Arbeit in dieser Ökonomie und Gesellschaft einnimmt, legt diesen Fehlschluss nahe. Wer 13 Jahre seines Lebens für die Arbeit ausgebildet wird, um dann 40 Jahre seines Lebens an die Arbeit zu verlieren, um dann zu hoffen, noch mal 15 Jahre ohne Arbeit zu leben, dem mag es plausibel erscheinen, sich alles mögliche Gute auf die Arbeit einzubilden – nämlich dass er sie eh nur für sich selber macht.(2) Komisch nur, dass vermutlich noch jedem von Lohnarbeit Betroffenen (also fast allen) als Letztes einfällt, eine Lohnsenkung zu fordern, damit er mehr leistet.

Weshalb die Psychologen also nicht Arbeitnehmer als Arbeitnehmer untersuchen, sondern 20 Monate alte Kinder, um dann die wildesten Schlussfolgerungen über Leistungsbereitschaft am Arbeitsplatz zu konstruieren, ist kein Geheimnis. Wie viele ihrer Kollegen interessiert sie vor allem das Funktionieren von Menschen in der und für die Gesellschaft und sie sind deswegen erst mal ganz abstrakt für mehr Leistung. Die Erforschung des menschlichen Seelenhaushaltes soll für die kapitalistische Gesellschaft Effizienzgewinne bringen. Dass die Prinzipien der Gesellschaft wie etwa Lohnarbeit und Profit auf Kosten von Bedürfnisbefriedigung und Gesundheit vieler Menschen gehen, ist nicht ihre Sorge.(3) Dass die Leistung, die den Lohnarbeitern abverlangt wird, ihnen wenig einbringt, kommt als Überlegung in der ganzen Forschung nicht vor. Dieses abstrakte Interesse am Funktionieren des Menschen in Gesellschaft führt dann dazu, dass man sich für Versuchsanordnungen mit Kleinkindern entscheidet, um über Leistungsbereitschaft des Menschen überhaupt was herauszufinden. So kommt die Lehre vom Seelenleben des Menschen ganz ohne die konkreten gesellschaftlichen Umstände aus.

Dies war ein Beitrag zur Serie: „Wozu begriffsloses Forschen bei bürgerlichen Wissenschaftlern so führt.“ Näheres auch in Zukunft in Ihrer SZ.

Anmerkungen:

1) Zur Illustration der Idiotie des Gedankens. Küssen tun die meisten gerne, aber wenn man immer nach jedem
Kuss ein Eis angeboten bekäme, wurde die Kusswahrscheinlichkeit (um im Jargon der SZ Wissensseite zu
belieb) rapide sinken.
2) Der Zwang zur Lohnarbeit ist nicht weniger Zwang, nur weil Menschen sich tatsächlich alles mögliche auf
Lohnarbeit einbilden. Für viele ist sie in der Tat der Quell der Selbstbestätigung, die Flucht vor dem engen
Zuhause, eine willkommene Abwechslung oder gar ein „Hobby“. Dass Lohnarbeit aber das einzige Mittel zum
Gelderwerb bleibt, ist von all diesen positiven Einstellungen zur Arbeit unberührt.
3) Die aussterbenden Kritischen Psychologen vielleicht ausgenommen.

 

Editorische Hinweise

Den Artikel erhielten wir von den AutorInnen.