Man
erinnert sich: als die sogenannte Finanzkrise ihren Höhepunkt
erreichte, sprachen viele von einer drohenden „Kernschmelze“
des Kapitals. Der Begriff kam nicht von ungefähr, erwiesen
sich doch die Finanzmärkte als nicht mehr beherrschbar.
Den Begriff der
Kernschmelze verdanken wir der „friedlichen“ Nutzung von
Atomenergie. Bereits seit Harrisburg und Tschernobyl ist er
allgemein bekannt und erfährt durch die Katastrophe in Japan
eine bedrohliche Aktualität. Die außer Kontrolle geratene
Spaltung von Atomkernen bedroht flächendeckend menschliche
Existenz, wo sie doch der „allgemeinen Wohlfahrt“ dienen sollte.
Billige Energie für alle meinte jedoch immer zunächst und vor
allem profitable Anlagemöglichkeiten für Kapital. Die angeblich
100%ige Sicherheit, von der Kanzlerin Merkel und unser heutiger
Atomminister Röttgen noch immer schwafeln, war nie mehr als ein
Verkaufsargument, das für Akzeptanz werben sollte.
Als 100% sicher
wurden auch all jene Kapitalanlagen von smarten Bankern
angepriesen, die in der „Finanzkrise“ von heute auf morgen
„verbrannten“ und nichts mehr wert waren.
Die Spaltung
von Atomkernen zum Zweck der Energiegewinnung und
kapitalistische Marktwirtschaft haben eines offensichtlich
gemeinsam: es handelt sich um grundsätzlich unbeherrschbare,
nicht kontrollierbare Prozesse. Werden auf der einen Seite
Naturkräfte in Gang gesetzt, die sich technisch letztlich nicht
beherrschen lassen, so auf der anderen Seite gesellschaftliche
Kräfte (Privateigentum und Privatinteresse), die politisch
letztlich nicht beherrschbar sind.
Die
unkontrollierbar ablaufende Kettenreaktion bei der Kernspaltung
ist prinzipiell nichts anderes als unkontrollierbare
Kettenreaktion auf Märkten von Privatproduzenten. Die im ersten
Fall resultierende explosionsartige Freisetzung von radioaktivem
Material ist prinzipiell – vom Prozess her - nichts anderes, als
die explosionsartige Entwertung von Kapital. In seinen
Auswirkungen ist beides verheerend und der „allgemeinen
Wohlfahrt“ keinesfalls zuträglich.
Kapitalistisches Management und bürgerliche Politik bekunden
nicht nur ständig ihren Gestaltungswillen, sondern versprechen
auch ihre Fähigkeit zur Kontrolle alles dessen, was sie ins Werk
setzen. Ein Schmarn! Die ausufernde Ausübung dieser Kontrolle
vermag wohl für die Wahrung privater Interessen zu sorgen, sie
hat jedoch nichts zu tun mit sozialer Ein- und Vorsicht, die
allein Technik und Gesellschaft kontrollierbar machen.
Man sollte also
nicht nur die Atomkraftwerke abschalten, sondern sich zugleich
überlegen, wie man die kapitalistische Marktwirtschaft
„herunterfahren“ könnte.
März 2011
Editorische Hinweise
Peter Trotzig schreibt ab der Nr. 1-05 in unregelmäßigen
Abständen seine Kommentare zum Zeitgeschehen.
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