Kannst Du uns etwas über den
biographischen Hintergrund von Werner Braeuner erzählen?
Werner ist
Jahrgang 1955. Er ist ein Kind des Ruhrpotts, in Gelsenkirchen
aufgewachsen. Werner berichtet, dass er in seiner Kindheit
mitkriegte, dass das Resultat des Faschismus für seine Umwelt
hieß: Schnauze halten. In den 60er Jahren, in der von Werner
sogenannten 'Ford Capri-Ära' ( nach einem damals populären
Automodell) wurden dann aus geselligen Untertanen einsame
Konsumenten. Werner studierte schließlich an einer
Fachhochschule in Hamburg Maschinenbau. Dann hat er als
Maschinenbau- Ingenieur gearbeitet. In den 90er Jahren wurde er
arbeitslos.
Was hat er
in der Zeit der Arbeitslosigkeit erlebt?
Er wohnte in
Verden bei Bremen und war dann mit der bremisch geprägten
'Arbeitslosenindustrie' konfrontiert, d.h. einem
undurchdringlichen, filzigem Dschungel von SPD und
Gewerkschaften. Er hat im Arbeiterbildungscentrum (ABC) Bremen,
einem Träger des DGB, Maßnahmen absolviert. Das Kommen und Gehen
mußte abgestempelt werden, dazwischen wurde die Zeit
totgeschlagen. Das ABC ging in Insolvenz, der Leiter wurde
'dafür' in die Arbeitnehmerkammer Bremen befördert, die von SPD
und DGB geführt wird und mafiaähnliche Strukturen aufweist.
Werner versuchte sich bei Firmen vorzustellen. Schließlich
schmiss er einen sinnlosen Computerkurs hin.
Was geschah
dann?
Es setzten
Sanktionen ein, die schließlich zur Total-Kürzung des
Arbeitslosengeldes führten. Diese Maßnahmen waren auch nach den
Vorschriften der Arbeitsverwaltung nicht rechtens.
Wie kam es
dann zur Tötung des Arbeitsamtsdirektors?
Zwei Tage vor
der Tat erklärte jener “Jeder, der eine Maßnahme abbricht,
erhält eine Sperre.” Werner hätte also eine Sperre von 12 Wochen
bekommen. Er hätte dann 75% Sozialhilfe auf Darlehensbasis
bekommen, die er zurückzahlen müßte. Werner schickte mehrere
Mails an den Arbeitsamtsdirektor, die dieser nicht beantwortete,
und bekam dessen Privatadresse heraus. Schließlich kundschaftete
er ihn aus und tötete den Arbeitsamtsdirektor, der auch in
seinem privaten Umfeld ein Stinkstiefel gewesen sein soll. Ein
paar
Stunden nach
der Tat stellte sich Werner, da eine Flucht in und durch
Deutschland sinnlos gewesen wäre. Seit dem 6.2.2001 sitzt er in
Haft. Der Chef der Bundesagentur für Arbeit Jagoda hielt dann
die Trauerrede für den Arbeitsamtsdirektor.
Wie erklärst
Du dir diese Tat? Es soll ja auch in Amtsstuben immer mehr zu
Gewaltausbrüchen kommen?
Werners Tat
war, wie ich oben schon ausgeführt habe, kein affektiver
Gewaltausbruch. Obwohl ein solcher in den Amtsstuben nach meiner
Bewertung auch immer noch besser ist als geduldiges
Runterschlucken.
Werner
war ja auch in der Erwerbslosenbewegung aktiv, so hielt er
Kontakt zu französischen Erwerbslosenaktivisten. Gab es denn
Unterstützung im Knast von Seiten der
Erwerbslosenbewegung?
Werner hatte
schlechte Erfahrungen mit Teilen der Erwerbslosenbewegung
gemacht. So hatte er z.B. vorgeschlagen, die Kommunen zu
schädigen, indem Damenstrümpfe in den Klos runtergespült werden
sollen. Als Ingenieur kannte er sich aus. Das führt zu Schäden
in den kommunalen Klärwerken. Ihm wurde jetzt von Seiten der
Erwerbslosenbewegung der Vorwurf gemacht, er wolle das
Trinkwasser vergiften. Insbesondere mit den DGB-orientierten
Kräften machte er schlimme Erfahrungen, das ging bis zur
Androhung körperlicher Gewalt. Werner vertritt eine überaus
gewerkschafts-kritische Positionen und sieht gerade was Hartz-IV
angeht, die DGB-Gewerkschaften als Erfüllungsgehilfen des
Kapitals.
Zu seinen
Kontakten nach draußen: Es ist klar, dass im Laufe so langer
Zeit, die Werner schon im Knast ist, Kontakte nach draußen
spärlicher werde. Das ist aber auch als Aufforderung an 'uns
draußen' zu verstehen, den Kontakt eben nicht abreißen zu
lassen.
Was kam nach
der Inhaftierung?
Es wurde immer
versucht, ihn zu psychiatrisieren. Wenn er nicht auf die
Psychiatrie-Sache eingegangen wäre, hätte er lebenslänglich
bekommen. So bekam er 12 Jahre. Der Prozeß war ein Schauspiel,
er sollte unpolitisch gestaltet werden. Von Seiten des Staates
wird das Tötungsdelikt mit psychischen Gründen gedeutet. Werner,
der sich als Anarcho versteht, will das aber als politisch
gewertet wissen. Da er das als politische Tat deutet, hat er
auch die Therapien im Knast abgelehnt. Hätte er sich auf die
Psycho-Schiene mit Therapien eingelassen, dann wäre er nach 2/3
der Haftzeit draußen gewesen.
Werner
verweigert aber nicht nur die Therapien, sondern auch die
Arbeit?
Daher ist er
von einem Regime aus Zuckerbrot und Peitsche bedroht. Es
herrscht Willkür, z.B. beim Einkaufen. Es kann immer wie aus
heiterem Himmel ein Verbot geben. Willkür wegen
Arbeitsverweigerung kann auch bedeuten: Telefon-Verbot,
Postverbot, auch Isolationshaft (24 Std. Einschluß). Jede
Stunde, die er die Arbeit verweigert, kann nach der Haft in
Rechnung gestellt werden. Werner sieht die Arbeit im Knast
als Fortsetzung des Zwangsarbeitssystems Hartz IV.
Du besuchst
Werner, was erlebst du als Besucher?
Werner kann
drei Stunden im Monat Besuch bekommen. Er muß einen
Besucherschein beantragen, den bekommt der BesucherIn
zugeschickt und dann muß er/sie sich zum angegebenen Zeitpunkt
an der Knastpforte einfinden. Man/frau wird durchsucht; Als
Besucher wird dir das Schlechteste unterstellt. 30 Euro in
Münzen darf man/frau dabei haben, die müssen an Automaten mit
überteuerten Preisen eingelöst werden. Natürlich sind dann bei
den Besuchen immer Vollzugsbeamte dabei und immer sind Kameras
da. Niemand soll sich aber abschrecken lassen, man kann es
aushalten!
War Werner
mal draußen?
Nein, er darf
nicht raus. Seit 10 Jahren war er nicht draußen, er hat eine
Odysee durch viele Knäste hinter sich. Derzeit sitzt er in der
JVA Sehnde bei Hannover. Die JVA ist ziemlich neu (seit 10/15
Jahren in Betrieb) und liegt in einer Industriebrache an einer
Kali-Halde. Sein Vater ist gestorben. Um zur Beerdigung seines
Vaters zu kommen, hätte er mehrere tausend Euro für den Ausgang,
also das Auto und zwei Begleiter, bezahlen müssen. Dann hätte er
mit Handschellen am Grab gestanden...
Wann wird
Werner entlassen?
Eigentlich
müßte er im Februar 2013 entlassen werden. Aber im Knast weiß
man nie, was passiert. Außerdem gibt’s ja noch die nachträgliche
Sicherungsverwahrung, aber an den Regelungen wird ja noch
gebastelt. Den Gefangenen hier im Unklaren zu lassen, scheint
mir System zu haben.
Wie kann man
ihm im Knast helfen?
Ihm schreiben.
Wenn man ihm schreibt, sollte man aber auch bereit sein, ihn zu
besuchen. Mit Hilfe von Werner habe ich ein Info-Blatt
zusammengestellt.
Infos
zur Gefangenen-Unterstützung
Ohne
Öffentlichkeit
und
Unterstützer
sind
politische Gefangene dem Terror der Staatsorgane völlig
ausgeliefert und werden im Strafvollzug total isoliert und
dominiert. Die entsprechenden Weichen werden in der Zeit
zwischen Verhaftung und Gerichtsverfahren gestellt.
Was können wir draußen
tun?
-
Leute für Soligruppe
(Öffentlichkeitsarbeit) finden und organisieren
-
einen
Rechtsanwalt ausfindig machen, der die Rechte der Gefangenen
gegenüber der U-Haftanstalt durchsetzt: EINZELUNTERBRINGUNG;
Briefpapier, Umschläge, Briefmarken;
Besuche; Geld für Gefangeneneinkauf
-
Das persönliche
Umfeld des Gefangenen auf das Auskunftsverweigerungrecht
hinweisen: NULL Infos an Polizei, Staatsanwaltschaft
und Medien ( Anna und Arthur halten die
Schnauze )!
-
die Justiz droht
politischen Gefangenen fast immer mit Psychatrisierung, um sie
zu nötigen, sich gerichtspsychatrisch
'begutachten' zu lassen. Wer da einwilligt, verliert
dann auch IMMER, denn die Gutachter entpolitisieren die
politischen Gefangenen durch
Pathologisierung; das rächt sich in der anschließenden
Strafhaft böse: Wer dann 'Resozialisierung' bzw. '
Therapiemaßnahmen' verweigert, wird bald auf Haftstationen mit
schwer gestörten Mitgefangenen gebracht. Im Zusammenspiel mit
politisch feindlichen und/oder verrückten
Justizvollzugsbediensteten können Mitgefangene einen
isolierten politischen Gefangenen nach und nach zerrütten und
brechen.
-
Ungebrochene politische Gefangene sind im Knast allgemein
sichtbare Bezugspunkte für politisch
Unorganisierte/Desinteressierte! Deshalb werden solche
politischen Gefangenen
und
ihre Unterstützer
von
den Herrschenden als erhebliche Bedrohung betrachtet; darum
ist es wichtig, Verbindung zu kämpferischen Strukturen
herzustellen wie z.B. zur Roten Hilfe, zu Anarchist Black
Cross oder zur innergewerkschaftlichen Opposition und anderen
Gruppen und Parteien.
(Politische) Gefangene,
die bereits in Strafhaft sitzen, freuen sich meistens sehr über
Briefkontakte. Am Anfang nicht zu viel schreiben!
Briefmarken in den Brief legen und das im Brief mitteilen!
Bietet einen Brief-Dialog an, aber drängt Euch nicht auf. Ihr
solltet dann auch bereit sein, den Gefangenen - auf dessen
Einladung hin - im Knast zu besuchen, wenn das 'entfernungsmäßig'
irgendwie geht. Es gibt Knäste mit Post-Inhalts-Kontrolle und
Text- Kontrolle. Versucht, im Laufe des Kontakts
herauszubekommen, wie es im Knast 'Eures Gefangenen' ist. Legt
keine Medien-Textausschnitte und keine Bilder bei! Aber eigene
Zeichnungen/Malereien auf Eurem Briefpapier gehen!
Vertraut nicht den web-sites der
einzelnen Knäste, aber schaut sie Euch kritisch an!
Wenn Ihr Fragen dazu
habt, kann ich die evtl. beantworten (
Thomas Bodenstein, Kuckuck 2, 31789 Hameln, Tel.: 05151-9 19 84
87, e-mail: la_taupe@gmx.de )
Editorische
Hinweise
Wer Anregungen oder/und Kritik zur Rubrik Repression &
Widerstand unter Hartz IV "loswerden" oder mitarbeiten will,
der wende sich per Email an Anne Seeck (anne.snk44[at]yahoo.de
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