Betrieb & Gewerkschaft
Bernau bei Berlin
Kampf gegen Schließung der LIEKEN-Bäckerei

von Hannes Hohn

03/11

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Das geflügelte Wort „Der Ofen ist aus“ könnte für die 166 Beschäftigten der LIEKEN-Großbäckerei bald zur traurigen Realität werden. Zum 30. April soll der Bernauer Standort des inzwischen zum Barilla-Imperiums gehörenden Betriebes geschlossen werden. Damit würde der über 20.000-Einwohner-Stadt Bernau im Nordosten Berlins der größte und fast letzte Produktionsbetrieb verloren  gehen.

Am Donnerstag, dem 10. März gab es vor dem Werk eine erste Protestkundgebung mit ca. 100 TeilnehmerInnen. Vertreten waren neben der NGG auch ver.di, die Linkspartei, die DKP und Genossen der erst kürzlich gegründeten neuen Arbeitermacht Regionalgruppe Brandenburg. Die Mehrzahl der Beschäftigten beteiligten sich (noch) nicht am Protest, weil sie von der Geschäftsleitung für diesen Fall mit sofortiger Kündigung bedroht worden waren.

Die Gründe für den Protest sind vielfältig:

  • Die Betriebsschließung wurde erst 11 Wochen vorher bekanntgegeben.

  • Nur einige wenige MitarbeiterInnen sollen Jobs in der Potsdamer Logistik-Filiale des Unternehmens erhalten, allen anderen „winkt“ statt Jobs nur die Jobagentur, die sich nur wenige Meter neben dem Betrieb befindet.

  • Schon im Juni 2010 waren - mit zähneknirschender Zustimmung des Betriebsrates - 70 KollegInnen entlassen worden, um den Standort zu retten. Noch heute sind 40 von ihnen arbeitslos. Das „Entgegenkommen“ erweist sich als totaler Flop - wie so oft.

Ursachen 

LIEKEN/Barilla gehört zu den größten Bäckereiunternehmen hierzulande. Sie beliefern viele Supermarktketten, z.B. LIDL. Die Auslastung des Bernauer Betriebes liegt bei 85%, eine gute Zahl in der Branche.

Seit Jahren fährt das Unternehmen einen Kurs, der die Profitmargen erhöhen soll. Nach der Übernahme stieß Barilla daher große Teile seiner Zukäufe wieder ab. Seitdem greift es zu Entlassungen, Schließungen von Standorten, die Aufspaltung der Struktur bzw. der Beschäftigten, um seinen Profit zu erhöhen. So wurden der Produktionsbereich und der Logistikbereich (Transport) geteilt, was u.a. begünstigte, dass die Entlohnung in beiden Bereichen unterschiedlich war.

Neben Bernau soll auch das Werk in Achim bei Bremen, wo 144 Leute arbeiten, dicht gemacht werden. Die Produktionskapazitäten, die in Bernau und Achim abgebaut werden, sollen vom Standort in Lüdersdorf in Mecklenburg übernommen werden. Das heißt, dass Lüdersdorf ganz Norddeutschland beliefert. Mehr Profit bedeutet dann eben auch mehr Verkehr und damit mehr Umweltbelastung. Die Alternative zu diesem Unternehmskurs ist letztlich nur eine geplante Produktion statt Konkurrenz und Gewinnstreben.

Die Bernauer SPD-Abgeordnete Stark beklagte „Missmanagement“, das nun die Beschäftigten auszubaden hätten. Doch wie jedes Management geht es auch den Barilla-Bossen letztlich nur um Profit. Die wachsende globale Konkurrenz im Handels- und Nahrungsmittelbereich zwingt die Unternehmen dazu, immer hektischer nach kurzfristigen Profitmöglichkeiten Ausschau zu halten.  Daher das immer schnellere Tempo bei Fusionen, Übernahmen, Umstrukturierungen. Diese Vorgänge sind umso absurder, da Nachfrage und Gesamtmarkt im Lebensmittelbereich fast unverändert sind! Die weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise hat diese Dynamik noch gesteigert. Die drohenden Entlassungen bei LIEKEN sind nur die eine Seite der Medaille, die andere sind die Revolutionen in Nordafrika, deren Ursachen auch höhere Lebensmittelpreise und Hunger sind.

Mit Shakespeare können wir sagen: Ist es auch Wahnsinn, so hat es doch Methode. Was als „Missmanagement“ erscheint, folgt letztlich nur der Logik des Kapitalismus. 

Widerstand 

Bisher gab es eine Betriebsversammlung, auf der sich der Betriebsrat kämpferisch gab und v.a. dafür eintrat, einen möglichst guten Sozialplan auszuhandeln. Die zuständige Gewerkschaft NGG tritt für einen Sozialtarifvertrag ein, in dem Kündigungsfristen, Abfindungen und ein Streikrecht festgelegt sind.

Diese Perspektiven setzen allerdings stillschweigend die Schließung fast schon als unabänderliche Tatsache voraus.

Was sind unsere Vorschläge? 

Bevor über Kompromisse geredet wird, muss ein klares Ziel ausgegeben werden: Volle Rücknahme der Schließungspläne!

Wir brauchen sofort ein Solidaritätskomitee, das alle relevanten Kräfte (LINKE, SPD, Gewerkschaften, linke Gruppen, Bevölkerung) einbezieht.

Es muss einen Mobilisierungsplan geben, der nicht nur Proteste organisiert, sondern auch Blockaden organisiert und in einen Streik bzw. die Besetzung mündet. Die Arbeitermacht-Regionalgruppe Brandenburg hat dazu einen entsprechenden Vorschlag unterbreitet.

Von der LINKEN und der SPD, die in Brandenburg immerhin die Landesregierung stellen, erwarten wir, dass sie in Bernau, Eberswalde u.a. Orten der Region breite Proteste organisieren und auch als Landesregierung alles tun, um die Schließung zu verhindern! Immerhin kommen mit Ralf Christoffers der Brandenburger LINKE-Wirtschaftsminister und mit Dagmar Enkelmann die Vizechefin der LINKEN-Fraktion im Bundestag aus Bernau.

Wesentlich ist die Ausweitung und Koordinierung von Protesten und Aktionen in möglichst vielen LIEKEN/Barilla-Standorten. Die Belegschaft und Gewerkschaft müssen Einsichtnahme in die Geschäftsunterlagen fordern, um festzustellen, wie die wirtschaftliche Lage des Betriebes wirklich aussieht!

Die besonders starke und tägliche Abhängigkeit der Standorte vom Transport der Backerzeugnisse zum Handel erfordert v.a. die Einbeziehung der Logistik-Sparte in den Kampf.

Doch auch in Bernau zeigt sich ein zentrales Problem: Ohne Unterstützung von Außen und von anderen Standorten ist es schwierig, den Kampf zu gewinnen. Es zeigt sich auch, dass die Ursache für die Angriffe auf die Beschäftigten nicht nur im Unternehmen selbst, sondern im Gesamtsystem des Kapitalismus liegen. Insofern ist es notwendig, die verschiedenen Abwehrkämpfe vor Ort mit anderen Widerstandsmilieus zu verbinden. Der Kampf gegen das eigene Management muss perspektivisch mit dem Kampf gegen die Ursache der Misere verbunden werden! Denn: Wir wollen nicht nur Brötchen, wir wollen die ganze Bäckerei! 

Editorische Anmerkungen

Wir erhielten den Artikel durch

ARBEITERMACHT-INFOMAIL
Nummer 543
17. März 2011

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