Ein geopolitisches Feld wird abgesteckt
Die zwielichtige Rolle des IWF in Nigeria

von F. William Engdahl

03/12

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In Afrika fahren die Vereinigten Staaten mit ihrer Politik der Einmischung fort, nehmen ein Land nach dem anderen in den Würgegriff und versuchen dabei, China in Schach zu halten. Während Nigeria in eine Abwärtsspirale der Instabilität gerät, vertritt der Historiker und Geopolitologe F. William Engdahl den Standpunkt, daß die kürzlich von der Regierung getroffene Entscheidung, im ölreichen Nigeria die Subventionierung importierten Treibstoffs aufzuheben, den Stempel einer Schocktherapie gemäß des Washington-Konsens trägt – zugeschnitten und verabreicht von der neuen Direktorin des IWF höchstpersönlich.

Nigeria, Afrikas bevölkerungsreichstes Land und sein größter Erdölerzeuger, wird allen Anzeichen nach systematisch ins Chaos und in einen bürgerkriegsähnlichen Zustand getrieben. Die jüngste überraschende Entscheidung der Regierung unter Goodluck Jonathan, schlagartig die Subventionierung importierten Benzins und anderer Treibstoffe aufzuheben, hat einen weitaus unheilvolleren Hintergrund als den der bloßen Korruption, und der in Washington ansässige Internationale Währungsfond (IWF) spielt eine Schlüsselrolle. China und die Bevölkerung Nigerias dürften dabei die Verlierer sein.

Die letzten Streiks, mit denen gegen die abrupte Abschaffung der Subventionen von Benzin und anderen Treibstoffen protestiert wurde und die Nigeria für kurze Zeit zum Erliegen gebracht haben, überraschten die meisten Bewohner des Landes. Monate vorher hatte President Jonathan den großen Gewerkschaftsverbänden versprochen, er würde zur Linderung der finanziellen Belastung eine allmähliche Aufhebung der Subventionen in vier Phasen durchführen. Anstatt dessen kündigte er ohne Vorwarnung die vollständige Aufhebung der Subventionen an, die am 1. Januar 2012 in Kraft treten sollte – eine “Schocktherapie”, um es vorsichtig auszudrücken.
Heutzutage ist Nigeria einer der weltweit wichtigsten Produzenten “süßen”, leichten Rohöls von der gleichen hohen Qualität wie des Öls, welches in Libyen und im britischen Teil der Nordsee gefördert wird. Alles deutet darauf hin, daß das Land in eine Abwärtsspirale tiefgehender Zerrüttung geraten ist. Nigeria ist der fünftgrößte Ölliferant der Vereinigten Staaten, der zwölftgrößte Produzent der Welt und steht mit einem Ausstoß von über zwei Millionen Barrel am Tag auf einer Augenhöhe mit Kuweit und knapp hinter Venezuela.(1)

Das verdächtige Timing der IWF-Forderungen

Trotz seines Ölreichtums ist Nigeria eines der ärmsten Länder Afrikas geblieben. Die Lage der entdeckten Ölfelder konzentriert sich auf die Gegend um das riesige Nigerdelta und erstreckt sich etwa zwischen Port Harcourt und in Richtung der Hauptstadt Lagos, wobei riesige neue Vorkommen entlang des gesamten ölreichen Golfs von Guina erschlossen werden. Gefördert und auch exportiert wird Nigerias Öl hauptsächlich von angloamerikanischen Giganten wie Shell, Mobil, Chevron und Texaco. Auch Italiens Agip ist präsent, und, was kaum überrascht, haben erst kürzlich chinesische staatliche Ölgesellschaften begonnen, sich um umfassende Verträge über die Erdölförderung und damit verbundener Infrastrukturvorhaben mit der Regierung in Laos zu bemühen.

Ironischerweise hat trotz der Tatsache, daß Nigeria über aufreichend Öl verfügt, um die nötigen Dollarexporterlöse zum Aufbau der heimischen Infrastruktur zu erwirtschaften, die Regierungspolitik vorsätzlich die heimische Raffinierungsindustrie dem Verfall überlassen – mit der Folge, daß trotz der reichlichen Ölvorkommen der Großteil des Benzins und anderer raffinierter petrochemischer Produkte, der für Transport und Industrie genutzt wird, importiert werden muß. Um die Bevölkerung vor den hohen Importkosten für Benzin und andere Erdölfertigprodukte abzuschirmen, hat die Zentralregierung die Preise subventioniert.

Soll heißen, sie hat das bis zum 1. Januar 2012 getan. An diesem Tag kündigte Präsident Goodluck Ebele Azikiwe Jonathan ohne vorhergehende Warnung die sofortige Aufhebung aller Treibstoffsubventionen an. Innerhalb weniger Stunden schossen die Preise für Benzin um fast das Dreifache von 65 Naira (0,35 US-Dollar) auf 150 Naira (0,93 US-Dollar) in die Höhe. Die Auswirkungen machten sich in sämtlichen wirtschaftlichen Bereichen bemerkbar, einschließlich der Getreide- und Gemüsepreise.(2)

Zur Rechtfertigung dieses Schritts behauptete Lamido Sanusi, Präsident der staatlichen Zentralbank, beharrlich, “daß die Gelder für die Bereitstellung sozialer Leistungen und für den Aufbau der Infrastruktur verwendet werden, woraus die Nigerianer einen größeren Nutzen ziehen und was das Land vor einem ökonomischen Auseinanderdriften bewahrt.”(3) Präsident Goodluck Jonathan sagt, das Auslaufen der Subventionen sei Teil des Vorhabens, “die nigerianische Regierung zu säubern.” Wenn das der Fall sein sollte, ist überhaupt nicht klar, wie er plant dies zu bewerkstelligen.

Der enorme, unerwartete Preisanstieg im Inland für Treibstoffe löste landesweit Proteste aus, die Mitte Januar drohten, die gesamte Wirtschaft lahmzulegen. Geschickt nahm der Präsident den Protestierenden den Wind aus den Segeln, indem er eine teilweise Senkung der Preise angekündigte, damit aber letztlich im Vergleich zu vergangenen Dezember die Preise auf doppelter Höhe beließ. Der Gewerkschaftsdachverband brach die Proteste sofort ab. Woraufhin, was Bände spricht, die Regierung unter Goodluck Jonathan das Militär auf die Straße schickte, um „die Ordnung zu wahren“ und de facto weitere Proteste zu verhindern. All das fand im Laufe einer der (bisher)blutigsten Wellen von Bombenanschlägen und Amokläufen der terroristischen Boko Haram-Sekte statt, die Chaos und eine Atmosphäre der Angst stifteten.(4)

Erdrückende Beweise gegen den IWF

Was in der internationalen Berichterstattung über die Unruhen im Verborgenen bleibt, wäre die Rolle, die der von den Vereinigten Staaten dominierte Internationale Währungsfonds (IWF) in dieser Situation spielt. Allein der Zeitpunkt, zu dem die IWF-Direktorin Christine Lagard Nigeria besuchte, also wenige Tage vor Präsident Jonathans plötzlichem Entschluss über die Subventionen, gibt Grund zum Verdacht.(5) Auf jeden Fall achten diesmal der IWF und die nigerianische Regierung vorsichtig darauf, nicht in aller Offenheit und unverhohlen ein Ende der Subventionen zu fordern, wie sie es im Falle von Tunesien getan haben, bevor die Hungerunruhen 2011 zum Auslöser für die „Twitterrevolution“ wurden.

Lagarde sagte während ihres Besuchs in Nigeria, Präsident Jonathans „Umgestaltungsprogramm“ der Deregulierung “ist eine Agenda für Nigeria, die von Nigerianern vorangetrieben wird. Der IWF ist hier, um Sie dabei zu unterstützen und um ein besserer Partner für Sie zu sein.”(6) Nur wenige Nigerianer ließen sich davon überzeugen. Am 29. Dezember schreibt Reuters: “Der IWF hat Länder in ganz West- und Zentralafrika zur Kürzung von Subventionen gedrängt, von denen sie behaupten, daß sie als direkte Hilfe für die Armen nicht nur ineffektiv seien, sondern auch Korruption und Schmuggel fördern würden. In den vergangenen Monaten haben sich die Regierungen in Nigeria, Guinea, Kamerun und im Tschad dazu bewegen lassen, die staatlichen Treibstoffsubventionen zu kürzen.”(7)

Jeffery Sachs, Sonderberater des UN-Generalsekretariats, sollte die Rolle, den der Druck der Vereinigten Staaten und der IWF auf die nigerianische Regierung gespielt hat, noch einmal während eines Treffens mit Präsident Jonathan Anfang Januar in Nigeria nach dem Beschluss über die Subventionen bestätigen, als er Jonathans Entscheidung, also die Aufhebung der Treibstoffsubventionen, als eine “mutige und angemessene Entscheidung” bezeichnete.(8)

Sachs, der als Professor an der Universität von Harvard Wirttschaftswissenschaften gelehrt hatte, kam im Laufe der frühen 1990er zu zweifelhaftem Ruhm, als er Polen, Russland, der Ukraine und anderen ehemaligen kommunistischen Ländern “Schocktherapien” nach den Maßgaben des IWF verschrieb, die de facto Staatseigentum von unschätzbarem Wert den Raubzügen dollarschwerer Multis aus dem Westen zugänglich machte.(9)

Noch verdächtiger macht diese plötzliche Maßnahme die Vorgehensweise, mit der Washington und der IWF auf bestimmte ausgewählte Länder Druck ausgeübt hat, Subventionierungen zu beenden. Nigerianisches Öl, das derzeitig für den Gegenwert von 1 US-Dollar pro Liter oder etwa 3,78 US-Dollar pro US-Gallone verkauft wird, ist alles andere als billig. Brunei, Oman, Kuweit, Bahrain, Quatar und Saudi-Arabien bieten ihren Bewohnern Benzin zu sehr niedrigen Preisen an. Die Saudis verkaufen ihr Öl für 17 Cent, die Kuwaitis für 22 Cent.(10) In den Vereinigten Staaten (hingegen) liegt der Benzinpreis bei durchschnittlich 89 Cent für den Liter.(11)

Das bedeutet, daß Washington und der IWF eine der schwächsten Volkswirtschaften Afrikas dazu gezwungen haben, den Bürgern eine immense Steuerlast aufzuerlegen, mit dem unplausiblen Argument, dies würde dabei helfen, die Korruption in der staatlichen Ölindustrie zu beseitigen. Der IWF weiß genau, daß die Abschaffung der Subventionen nichts an der Korruption in den höheren Kreisen verändern wird.

Wären der IWF und die Weltbank ernsthaft um die Wohlbefinden der nigerianischen Volkswirtschaft besorgt, so hätten sie ihre Unterstützung beim Wiederaufbau und Ausbau der dem Zerfall überlassenen nigerianischen Raffinerieindustrie angeboten, damit das Land nicht mehr länger auf den Import von Treibstoffen angewiesen wäre, da für den Import bisher wertvolle Haushaltsmittel aufgewendet wurden. Am einfachsten wäre es, das schon seit zwei Jahren bestehende Abkommen zwischen China und der nigerianischen Regierung über eine Investition von 28 Milliarden US-Dollar in den massiven Ausbau der Raffinierungsindustrie umgehend auszuführen, damit der Import fremden Benzins und anderer raffinierter Produkte nicht mehr vonnöten ist.

Das Gegenteil ist der Fall. Das kriminelle Netzwerk innerhalb der staatlichen Erdölgesellschaft NNPC (National Nigerian Petroleum Company) und der Regierung, welches aus dem alten Subventionierungssystem riesige Profite schlug, macht nun mit einem Schlag den doppelten, möglicherweise den dreifachen Reibach, als daß es das alte korrupte Importsystem aufgeben würde und sabotiert natürlich den Bau chinesischer Raffinerien, die der Absahnerei ein Ende setzen würden.

Ein Schnitt ins Fleisch der Nigerianer

Anstatt den einfachen Nigerianern zu nützen, wie der IWF zu wollen vorgibt, hat die Beseitigung der Subventionen laut Mallam Sanusi Lamido Sanusi, Präsident der nigerianischen Zentralbank, jene 90 % der Bevölkerung, die am Tag von weniger als 2 US-Dollar leben müssen, einer weiteren Verelendung ausgesetzt.(12)
Da Transportkosten ein wesentlicher Faktor bei der Versorgung der Städte mit Lebensmitteln sind, sind für die Mehrheit der ärmeren Nigerianer die Lebensmittelpreise zusammen mit den Preisen für den öffentlichen Verkehr sprunghaft angestiegen. Der nigerianischen Zeitung Leadership Sunday zufolge “haben sich die Preise der Verbrauchsgüter, die in Folge des Anstiegs der Kraftstoffpreise auch in die Höhe gegangen sind, geweigert zu fallen.” Jeder, vom Gemüsehändler auf der Straße vom Autowäscher bis zum Photographen am Straßenrand, bekommt den schockartigen Anstieg der Benzinpreise zu spüren. Während die Arbeitslosigkeit steigt, brechen Kleinunternehmen zusammen.(13)

Das Argument des IWF und der Jonathan-Regierung lautet, daß durch die Freigabe der Kraftstoffpreise finanzielle Mittel für mehr staatliche Sozialleistungen und den Wiederaufbau der nigerianischen „Infrastruktur“ zur Verfügung stünden. Sowohl der IWF als auch die Regierung wissen, daß es wesentlich rentabler gewesen wäre, in den Wiederaufbau der Raffinierungsindustrie zu investieren anstatt das korruptionsfördernde System des Treibstoffimports beizubehalten.

Son Gyoh von der Organisation ‘Nigerian Awareness for Development’ stellt fest: “Wäre es denn angesichts der allgemeinen Folgen und der Wettbewerbsfähigkeit der einheimischen Industrien nicht viel zweckmäßiger, Druck auf die Regierung auszuüben, die Raffinerien in ihrer vollen Kapazität laufen zu lassen?”(14)

Gyoh weist auf die Ursache des Problems hin: “Warum haben all diese Regierungen die Wartung der Raffinieren unterlassen, während sie riesige Summen für die Subventionen ausgegeben haben? Besteht denn überhaupt eine Chance, daß das durch die Streichung der Subventionen eingesparte Geld direkt in die Wiederinstandsetzung der Raffinerien fließt? Impliziert die Deregulierung, daß die NNPC nicht mehr länger das Monopol auf den Treibstoffimport ausübt oder daß sich diese Lobby nach wie vor aus den Trögen selbt bedient und ihr Monopol aufrechterhält?” Er zieht den Schluss: “Es gibt auf jeden Fall gute Gründe zu bezweifeln, daß die Streichung der Subventionen das Problem des Treibstoffmangels lösen wird, da sich das korrupte Netzwerk nur neu aufstellt, um seine Taktik zu ändern – eine Tatsache, der sich die Nigerianer nur zu bewusst sind.”(15)
Nachdem Nigeria in den späten 1970ern seine Erdölindustrie teilweise verstaatlicht hatte, übernahm der Staat auch die Kontrolle über Shells Port Harcourt I-Raffinerie. 1989 wurde die Port Harcourt Raffinerie II gebaut. Nach 1994 gerieten beide Raffinerien in einem schwer wartungsbedürftigen Zustand, als die Militärdiktatur unter Abacha den “Anteil” der NNPC an raffinierten Erdölprodukten wie Benzin für den heimischen Markt von 84 % auf 22 % kürzte und eine Liquiditätskrise der NNPC und den Stillstand der Wartung der Raffinerien zur Folge hatte. Heutzutage ist nur eine von vier Raffinerien im Betrieb.(16)

Seitdem hat sich ein System entwickelt, in dem die NPPC Benzin aus dem Ausland und andere raffinierte Produkte für den Inlandsbedarf importiert, selbstverständlich zu weit höheren Kosten. Die Preissubventionen waren dazu gedacht, die höheren Importkosten abzufedern – wohl schwerlich eine vernünftige Lösung, sondern ein sehr lukratives Geschäft für jene korrupten Elemente im staatlichen Sektor und der Privatwirtschaft, die mit dem Importgeschäft ihren Reibach machen.

Die NNPC – ein kriminelles Unternehmen

Der IWF ist sich der wahren Gründe der Probleme in der nigerianischen Treibstoffindustrie sehr wohl bewusst. Ein nigerianischer Untersuchungsausschuss, der die Gründe für die Probleme in dieser Industrie untersucht, gab kürzlich einen Bericht heraus, der dokumentiert, daß durch die Korruption in der Treibstoffindustrie, an der hauptsächlich die staatliche NPPC beteiligt ist, dem Steuerzahler jährlich mindestens 4 Milliarden US-Dollar abhanden kommen. Laut der Kommission „liefen Importeure täglich 59 Millionen Liter Treibstoff. Das Land verbraucht 35 Millionen Liter am Tag. Es bleiben also 25 Millionen Liter übrig, die von Schmugglern exportiert werden, was mit den Treibstoffsubventionen der Regierung bezahlt wird. Nach Reuters kostet das der nigerianischen Bevölkerung etwa 4 Milliarden US-Dollar im Jahr.“(17)

Die nigerianische Regierung hat gesagt, daß die 7,5 Millionen US-Dollar, die jährlich für die Subventionierung aufgewendet wurden, für den Aufbau der dringend benötigten Infrastruktur genutzt werden könnten. Dabei erwähnt sie aber in keinster Weise die Abschöpfung jenes Öls im Wert von 4 Milliarden US-Dollar durch Schmuggler, die wie berichtet mit dem stillschweigenden Einverständnis hoher Vertreter der NNPC dieses Öl zu saftigen Preisen in den Nachbarländern verkaufen. Laut Abdullahi Umar Ganduje, stellvertretender Gouverneur des Bundesstaates Kano, wird der importierte Treibstoff nachweislich in Nachbarländer wie Kamerun, den Tschad und Niger geschmuggelt, wo die Treibstoffpreise noch viel höher sind.(18)

China als Angriffsziel des IWF?

Einer der wichtigsten geopolitischen Faktoren, der in der gegenwärtigen Diskussion über die Ölpolitik in Nigeria geflissentlich ignoriert wird, wäre die wachsende Bedeutung Chinas. Im Mai 2010, nur wenige Tage, nachdem Präsident Jonathan vereidigt wurde, unterzeichnete China mit seiner Regierung einen Vertrag über beeindruckende 28,5 Milliarden US-Dollar für den Bau drei neuer Raffinerien – was weder in die Pläne des IWF noch Washingtons oder der angloamerikanischen Ölmultis passt.(19)

Die chinesische staatliche Anlagen- und Maschinenbaugesellschaft (CSCEC) unterschrieb einen Vertrag mit der NNCP, der den Bau von drei Ölraffinerien vorsieht, das größte Geschäft, das China jemals in Afrika abgeschlossen hat. Shehu Ladan, Vorsitzender der NNPC, sagte während der feierlichen Unterzeichnung, die drei neuen zusätzlichen Raffinerien würden die Importkosten von jährlich 10 Milliarden US-Dollar für raffinierte Produkte reduzieren. Doch im Januar 2012 befand sich das Projekt mit China noch in der Planungsphase, da es wie berichtet von mächtigen, am Ölgeschäft Beteiligten blockiert wurde, die vom bestehenden korrupten Importsystem profitieren.(20)

Ein in China Daily erschienener Bericht zitiert den nigerianischen Minister für Handel und Investitionen Olusegun Olutoyin Aganga, Nigeria sei für seine Energie-, Bergbau- und Landwirtschaftsindustrie auf der Suche nach weiteren chinesischen Investoren. Auf einem Besuch in Beijing im vergangenen September verlautbarte Lamido Sanusi, Präsident der nigerianischen Zentralbank, sein Land plane, 5 bis 10 % seiner Währungsreserven in chinesischer Währung, dem Renminbi (RMB) oder in Yuan zu investieren, und bemerkte dabei, er strebe den Yuan als wichtigste Währung der nigerianischen Währungsreserven an. Sanusi stellte fest, daß im Jahre 2010 chinesische Darlehen und Exporte in Nigeria einen Wert von 7 Milliarden US-Dollar überstiegen, während Nigeria Rohöl für 1 Milliarde US-$ exportierte.(21)

Bis jetzt hatte Nigeria ungefähr 79 % seiner Währungsreserven in Dollar gehalten und den Rest in Euro oder britische Pfund, angesichts der Verschuldung und anderer Probleme dieser Währungen eine riskante Sache. Der Schritt eines wichtigen Ölproduzenten, vom US-Dollar abzukommen, verheißt gemeinsam mit ähnlichen Maßnahmen, die kürzlich in Indien, Japan, Russland, dem Iran und anderen Ländern getroffen wurden, für die weitere Rolle des Dollars als weltweit dominante Währung der Währungsreserven keine guten Aussichten.(22) Ganz offensichtlich wären in Washington so manche damit überhaupt nicht glücklich.

Überdies bemühen sich die Chinesen um einen direkten Anteil an den reichen Ölreserven Nigerias, bisher eine angloamerikanische Domäne. Im Juli bewarb sich die chinesische staatliche Ölgesellschaft CNPC erfolgreich um vier vielversprechende Ölfelder – zwei im Nigerdelta und zwei im angrenzenden Tschadbecken – und planen dabei, zum wichtigsten Investor im Raffinierungsgeschäft in Kaduna zu werden und eine zweispurige Autobahn von Lagos nach Kano zu bauen.2 In Nigeria befindet sich auch ein wichtiges Offshore-Fördergebiet in Hand der chinesischen Erdölgesellschaft CNOOC Ltd.

An dieser Stelle wird sowohl der Druck des IWF und Washingtons, die Subventionierung importierten Öls aufzuheben, wie auch die zukünftige Rolle, die China in Nigerias Energieindustrie spielen wird, hinterfragt. Es ist klar, daß die Aufhebung der Subventionen den Nigerianern auf keinen Fall irgendwelche Vorteile verschaffen wird. Noch alarmierender ist in diesem Zusammenhang die Instrumentalisierung einer großangelegten neuen Welle terroristischer Morde und Bombenanschläge der mysteriösen und verdächtig gut bewaffneten Gruppe Boko Haram. Damit werden wir uns im Kontext der sich gerade vollziehenden Entwicklung Nigerias zu einem wichtigen Drogenumschlagplatz im nächsten Teil dieses Artikels näher befassen.

(Übersetzung: Andrea Eismann)

(1) Campbell, John: ‘Nigeria’s Turmoil and the Outside World’, 12. Januar 2012.
(2) Chika Otuchikere und Chibunma Ukwu: ”Nigeria: Aftermath of Subsidy Crisis: Food Prices Hitting Roof Tops”, 22. Januar 2012.
(3) Muhammad, Mustapha: ‘Nigeria: Billions Siphoned by Corruption Could Have Been Used to Maintain Fuel Subsidy’, Inter Press Sevice, 11. Januar 2012.
(4) Oboh, Mike: ‘Boko Haram Islamist Insurgents Kill at Least 178 in Nigeria’s Kano’, International Business Times, 22. Januar 2012.
(5) Lagarde, Christine: ‘Statement by IMF Managing Director Christine Lagard at the Conclusion of her Visit to Nigeria’, IMF, Washington, Press Release No. 11/478, 20. Dezember 2011.
(6) Ebenda.
(7) Aus: ‘Nigeria: IMF Pushing the Country to End Subsidy Report’, Idris Achmed und Kate da Costa, 30. Dezember 2011.
(8) Olubi, Olutayo: ‘Fuel subsidy: International Conspiracy against Nigerians’, National Daily, 15. Januar 2012.
(9) Ebenda.
(10) Ebenda.
(11) Ebenda.
(12) Ebenda.
(13) Chika Otuchikere und Chibunma Ukwu: ‘Nigeria: Aftermath of Subsidy Crisis: Food Prices Hitting Roof Tops’, 22. Januar 2012.
(14) Gyoh, Son: ‘Nigeria: The case against removal of fuel subsidy and the argument for deregulated petroleum subsector’.
(15) Ebenda.
(16) Mbendi: ‘Oil Refining in Nigeria: An Overview’.
(17) Murdock, Heather: ‘Nigeria finds 4 billion dollars in fuel corruption’, 20. Januar 2012.
(18) Muhammad, Mustapha: ‘Nigeria: Billions Siphoned by Corruption Could Have Been Used to Maintain Fuel Subsidy’, Inter Press Sevice, 11. Januar 2012.
(19) Shannon, Kerri: ‘China Continues its Run on African Commodities With $23 Billion Nigeria Oil Deal’, Money Morning, 15. Mai 2010.
(20) Du Venage, Gavin: ‘Everyone is a loser in Nigeria’s fuel subsidy cut and partial restoration’, The National, 24. Januar 2012.
(21) ‘Nigeria seeking Chinese Capital’, China Daily, 12. November 2011.
(22) ‘Nigeria bank chief sees Yuan becoming reserve currency’, 6. September 2011.
(23) Ekundayo, Kayode: ‘Nigeria: China, 2010 Budget and Oil Blocks’, Daily Trust, 12. Juli 2010, Abuja.

 

Editorische Hinweise

Wir erhielten den  Artikel von der Übersetzerin, nachdem er bei http://wz.subfiles.net auf deutsch erstveröffentlicht wurde.