Krisenproteste zwischen Bankenblockaden und Tarifpolitik

von
Peter Nowak

03/12

trend
onlinezeitung

Frankfurt/Main soll in den nächsten Wochen zum Schauplatz mehrerer antikapitalistischer Aktionstage werden. Der Erfolg wird auch davon abhängen, ob die Zusammenarbeit mit dem Gewerkschaften gelingt.

Ein Demonstrant sucht inmitten eines großen Polizeiaufgebots intensiv im Stadtplan nach dem Ort, an dem sich seine Gruppe zum Protest verabredet hat. Dieses Foto von Julian Röder aus seiner Reihe „Gipfelproteste“ ist zur Zeit in der ersten Etage des Kunstverein in Frankfurt in der Ausstellung „Demonstrationen“ noch bis zum 25. März zu sehen. Nur wenige Tage später, am 31. März, dürften sich die von Röder in Genua und Heiligendamm festgehaltenen Szenen direkt in Frankfurt wiederholen. An diesem Tag beginnt der erste von mehreren Aktionstagen, mit denen linke Gruppen auf die EU-Krise reagieren wollen.

Am vergangenen Wochenende wurde die Protestagenda auf einer dreitätigen Konferenz in Frankfurt festgelegt. Für den von Basisgewerkschaftler_innen  und zahlreichen linken Gruppen in sieben europäischen Ländern organisierten antikapitalistischen Aktionstag am 31. März  (http://march31.net/de/) wird schon seit Wochen geworben. Ziel einer bundesweiten Demonstration ist der Neubau der Europäischen Zentralbank (EZB) zwischen Osthafen und Mainufer.

Die aktuelle EZB-Zentrale am Willy Brand-Platz soll das Ziel von antikapitalistischen Protesttagen vom 17. bis 19. Mai (http://www.european-resistance.org/) werden. Geplant sind Besetzungen von zentralen Anlagen und Plätze in Frankfurt. Für den 18. Mai wird zu Blockaden der EZB und anderer Banken aufgerufen. Eine Großdemonstration am 19. Mai soll Höhepunkt und Abschluss der Aktionstage sein.

Der Widerstand soll sich sowohl Ende März als auch Mitte Mai gegen die nach Meinung der OrganisatorInnen maßgeblich von der Bundesregierung vorangetriebenen Sparpakete richten, die die Troika aus Europäischer Zentralbank, EU-Kommission und Internationalem Währungsfonds IWF Griechenland und anderen Ländern der europäischen Peripherie diktiert. Der Vorplatz der aktuellen EZB-Zentrale in der Nähe des Frankfurter Hauptbahnhofs wird schon seit Monaten von den Occupy-Aktivisten belagert. Während der strengen Frostperiode der letzten Wochen bekamen sie Verstärkung von den zahlreichen Wohnungslosen, die dadurch etwas sicherer als sonst die kalten Nächte verbringen können. Die Occupy-Bewegung, die in Deutschland nie die Bedeutung bekam, die sie in den USA, Griechenland oder Spanien bis heute besitzt, will am 12. Mai im Rahmen eines internationalen Aktionstag einen Neustart versuchen. Sie gehörte neben dem linken Bündnis Interventionistische Linke (IL), dem Erwerbslosenforum Deutschland und der globalisierungskritischen Organisation Attac zu den Organisatoren der Wochenendkonferenz.

Wie stehst Du zur Gewerkschaft?

Die Stuttgarter Daimler-Betriebsrätin Christa Hourani schilderte auf einer abendlichen Diskussionsveranstaltung, dass es unter ihren Kolleg_innen die Stimmung gibt, es sei genug auf ihre Kosten gespart worden und daher eine offensive Tarifrunde anstehe. Die Vertreter_innen der Interventionistischen Linken (IL) und des Ums-Ganze-Bündnis (UG), die für die Aktionstage am 31.März und Mitte Mai stehen, betonten unisono, dass sich die Lohnabhängigen und ihre Gewerkschaften aktiver werden. Viel konkreter wurden allerdings beide nicht. Auch die politischen Differenzen zwischen den beiden Bündnissen waren nach mehrmaligen expliziten Nachfragen der Moderatorin schwer zu erkennen.

Jan vom UG-Bündnis legte einen stärkeren Stellenwert auf die Kapitalismuskritik, stimmte aber auch Anna von der IL zu, dass sich natürlich auch Menschen an den Protesten beteiligten sollen, die noch keine fundierte Kapitalismuskritik entwickelt haben. Das müsste allerdings eine Binsenweisheit sein. Denn, wer wollte denn ausgerechnet bei einer so schwachen und so zerstrittenen linken Bewegung, wie in Deutschland darauf setzen, dass nur die eigene politische Szene auf die Straße gehen darf?

Wer sind die vielzitierten anpolitisierten Menschen?

Vielmehr müsste die Frage lauten, welche Möglichkeiten haben diese anpolitisierten Menschen, sich an den Protesten zu beteiligen. Und nicht zuletzt, àn wen wird dabei gedacht? Sind wie so oft in der radikalen Linken damit vor allem rebellische Jugendliche und subkulturelle Szenen gemeint, die in die Aktionen einbezogen worden?

Oder sollen explizit auch die Lohnabhängigen angesprochen werden, die sich im Rahmen der anstehenden Tarifkämpfe politisieren? Dafür stehen die Chancen gar nicht so schlecht. Das zeigte sich am Beginn der Abendveranstaltung. Dort warben gegen ihre Entlassung durch eine Frankfurter Filiale der > Steakhauskette Maredo kämpfende KollegeInnen und eine Maredo-Betriebsrätin aus Niedersachsen um Unterstützung und berichteten über die ständige Schikanen, denen sie am Arbeitsplatz ausgesetzt sind, weil sie sich organisierten. DAS wären die  Menschen, die durch ihre Kämpfe im Alltag und am Arbeitslatz politisiert werden und für die Proteste angesprochen werden müssten.

Dass es möglich zeigte die schon erwähnte abendliche Diskussionsveranstaltung. Die Betriebsrätin Christa Hourani sagte trotz sehr kurzer Anfrage sofort zu. Andere eingeladene Gewerkschafter_innen sagten wegen persönlicher Verpflichtungen, nicht aber aus politischen Gründen ab. Wäre also frühzeitig auf Gewerkschafter_innen zugegangen worden, wäre es sicher auch möglich gewesen, sie in die Debatte einzubeziehen. Dabei muss man nicht nur auf die DGB-Gewerkschaften schauen. Die Gewerkschaft des Vorfeldpersonals (GDF) hat unweit des Kongressortes mit ihrer Streikbereitschaft am Frankfurter Airport ihre Kampfentschlossenheit gezeigt. Wäre eine Grußadresse angesichts der medialen Hetze sowie einer Schadenersatzklage in Millionenhöhe von drei Airlines gegen die GDF wegen einer Streikdrohung im letzten Sommer nicht ein Zeichen der Solidarität gewesen?

Es ist die eine Sache, Berichte über eine gelungene Kooperation zwischen Beschäftigten und Occupy-Aktivist_innen in den USA zu bejubeln, wenn darüber per Videoschaltung berichtet wird. Ein konkreter Solidaritätsbeweis für die Streikenden um die Ecke hätte aber deutlich gemacht, dass man nicht nur Kämpfe weit weg bejubelt.

Das es sich hier nicht um Einzelfälle handelt und sich im gewerkschaftlichen Sektor etwas bewegt, zeigt auch der Aufruf der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di zu Protesten anlässlich der Diskussion über das griechische Sparpaket im Deutschen Bundestag am Montagnachmittag. Dort wurde auch der Bogen zu den hiesigen Tarifauseinandersetzungen gespannt. „Im Namen der Schuldenbremse, der 'leeren Kassen', sprechen die öffentlichen Arbeitgeber den Beschäftigten im öffentlichen Dienst das Recht auf die Forderung nach 'kräftigen Reallohnerhöhung' ab – und das nach jahrelangem Reallohnverzicht.“, heißt es in dem ver.di-Aufruf. Der beim ver.di-Bundesvorstand  für die Wirtschaftspolitik zuständige Dierk Hierschel schrieb in einem Aufsatz: „Erst wenn hierzulande die Löhne wieder kräftig steigen, haben griechische, italienische und spanische Exporteure die Chance, mehr Waren abzusetzen. Erfolgreiche deutsche Tarifabschlüsse sind somit auch Ausdruck europäischer Solidarität mit den Krisenländern.“

Dass eine offensive Tarifauseinandersetzung  eine vielleicht wirkungsvollere Solidaritätsaktion mit den Kolleg_innen in der europäischen Peripherie sein kann, als Blockaden von Bankgebäuden an einem Brückentag, wo viele Büros gar nicht geöffnet sind, wurde allerdings auf dem Kongress in Frankfurt kaum thematisiert. Hierin besteht eine große Schwäche des Protestbündnisses in Deutschland. Es wird sich zeigen, ob in den nächsten Wochen noch eine Kooperation zwischen den Vorbereitungsbündnissen für die Aktionstage und unterschiedlichen Gewerkschaften gelingt, die für offensive Tarifauseinandersetzungen eintreten. Nur dann kann von der geplanten ambitionierten Protestagenda auch ein gesellschaftliches Signal ausgehen, das über die linke Szene hinausgeht.

 

Editorische Hinweise

Wir erhielten den Artikel vom Autor