Algerien – Tunesien – Marokko – Mauretanien
Arbeitslosenkongress des Maghreb tagte in Algier, in Vorbereitung auf das Weltsozialforum in Tunis. Und wurde zum Opfer harter polizeilicher Repression

von Bernard Schmid

03-2013

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Am Mittwoch früh, den 20. Februar 13 wurde das Gewerkschaftshaus in Algier durch Polizeikräfte umstellt. Drinnen tagte zu diesem Zeitpunkt ein Delegiertenkongress unter dem Namen „Erstes Maghrebinisches Forum gegen Erwerbslosigkeit und Prekarität“, zu dem Arbeitslosenvertreter aus dem gesamten Maghreb – aus den Staaten Tunesien, Algerien, Marokko und Mauretanien – zusammengekommen waren. Ihr Gastgeber war die algerische „autonome“ (d.h. vom staatsnahen Dachverband UGTA unabhängige, und deswegen Schikanen ausgesetzte) Gewerkschaft von öffentlich Bediensteten, SNAPAP. Es handelte sich auch um ein Koordinierungstreffen, auf dem die organisierten Arbeitslosenbewegungen ihre gemeinsame Teilnahme am Weltsozialforum in Tunis vom 26. bis 30. März 13 vorbereiten wollten.

Die Tagung wurde auf diese Weise jäh und brutal abgebrochen. Die polizeiliche Umzingelung (vgl. dazu ein Video: https://www.youtube.com/ ) begann gegen 8 Uhr in der Frühe. Ab 09.45 Uhr wurden auch die Hotels attackiert, in denen die Delegationen untergebracht waren. Angehörige der marokkanischen und der tunesischen Delegation (fünf (1) respektive zwei (2) Personen), mindestens eine Mauretanierin – später war von drei festgenommene mauretanischen Delegierten die Rede(3) - wurden festgenommen und auf Polizeiwachen transportiert. Ebenso drei Vorstandsmitglieder der algerischen SNAPAP, unter ihnen Mourad Tchiko, und Akbdelkader Kherba vom Nationalen Komitee für die Verteidigung der Rechte der Arbeitslosen (CNDDC). Letztere beide Personen wurden noch bis zum Abend durch die Polizei festgehalten.

Die mauretanische Delegation (vgl. dazu die Erklärung eines Delegierten: https://www.youtube.com ) konnte noch am selben Tag abreisen, da am Abend ein Flieger nach Nouakchott ging. Und die tunesische Botschaft in Algier intervenierte zugunsten der Delegierten ihres Landes, so dass auch diese nach rund neun Stunden aus dem Polizeigewahrsam freikamen. Allerdings wurden die fünf tunesischen Delegierten abgeschoben und mussten bis zu ihrer effektiven Ausreise im Polizeigewahrsam am Flughafen verbringen. Am Donnerstag Abend, anderthalb Tage nach der Erstürmung des Forums, konnten sie dann einen Flug nach Tunis nehmen.

Hingegen griff die Botschaft des Königreichs Marokko in keiner Form zugunsten ihrer Staatsbürger ein. Im Laufe des Donnerstag und während der Nacht blieb die Delegation der marokkanischen Vereinigung ANDCM („Nationale Assoziation der Arbeitslosen mit Hochschulabschluss in Marokko“ - die seit 1991 offiziell zugelassen ist und seit langem eine der aktivsten sozialen Bewegungen in Marokko darstellt) in einem gesonderten Saal am Flughafen von Algier festgesetzt. Dort wurde sie von Polizeikräften bewacht, ihre Mitglieder blieben ohne Nahrung und durften selbst nur mit polizeilicher Begleitung auf die Toilette gehen. Nach zweitägiger Quasi-Gefangenschaft am Flughafen konnten sie dann am Freitag früh (22. Februar) in Richtung Casablanca ausreisen. Vgl. http://maghrebemergent.info/

(Vgl. auch folgende Videoerklärungen von tunesischen und marokkanischen Delegierten: https://www.youtube.com/watch?v=mdbHvkCSu5o sowie https://www.youtube.com/watch?v=zz0Vm3icBrk&feature=youtu.be )

Eine Reihe von Vereinigungen und demokratischen Kräften im In- und Ausland protestierten umgehend gegen dieses Polizeistaatsmanöver. Unter ihnen die algerische Gewerkschaft SNAPAP, sowie die marokkanische „Demokratische Arbeiter/Werktätigen-Organisation“ ODT (welche selbst Arbeitslose zu organisieren begonnen hat). Auch der tunesische Gewerkschaftsdachverband UGTT, die proportional zur Einwohner/innen/zahl mit Abstand stärkte Gewerkschaftsorganisation in Nordafrika, solidarisierte sich in einem Kommuniqué mit den Angegriffenen. (Es liegt dem Verf. in arabischer Sprache vor.) Ferner reagierten die ATMF - „Vereinigung maghrebinischer Arbeiter/Werktätiger in Frankreich“ - und der französische Gewerkschaftszusammenschluss Union Syndicale Solidaires, die französische Vorbereitungsgruppen von Migranten-Verreinigungen für das Weltsozialforum (vgl. http://atf-paris.fr/ ) sowie die spanische anarcho-syndikalistische CGT umgehend mit Solidaritätserklärungen.

Die internationale demokratische und Gewerkschaftsbewegung darf eine solche Provokation auf keinen Fall hinnehmen und auf sich beruhen lassen, zumal wenige Woche vor dem Weltsozialforum, das in diesem Jahr erstmals in einem Maghreb- und Mittelmeerland (vom 26. bis 30. März 13 in Tunis) stattfinden wird.

Gleichzeitig zu diesen Vorfällen kam es innerhalb Algeriens, im Süden des Landes, zu relativ massiven Arbeitslosenprotesten und zu polizeilicher Repression dagegen. In Laghouat wurden bei Demonstrationen am 20. Februar d.J. insgesamt , z.T. prominente 17 Aktivisten festgenommen. Am übernächsten Tag kam es infolge dessen zu einer Solidaritätsdemonstration, die mit Tränengasbomben und Gummigeschossen auseinander getrieben wurde. Von der südalgerischen Stadt Ouargla aus versuchten Erwerbslose, zu einem Protestzug in die Ölförderstadt Hassi Messaoud aufzubrechen – wurden jedoch durch massive Polizeikräfte daran gehindert. Ausführliches dazu in Bälde an dieser Stelle!

Anmerkungen

1 Es handelt sich um: Benamor Salah, Idoudi Souheil, Boussaa Kamel, Affout Intissar und Benammour Noama

2 Und zwar Louchacha Dhahbi und Kalou Imade.

3 Es handelt sich um Widdady Abdou, Haimedane Ahmed und Bayrouk Fatimetou.

Editorische Hinweise

Den Artikel erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe