trend sonderthema:  Der XX. Parteitag der DKP
Zum 20. DKP-Parteitag in Mörfelden

Wird die DKP antikapitalistisch ?


von Frank Braun

03-2013

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In den letzten zwanzig Jahren machte es die DKP einem Außenstehenden nicht gerade leicht, Interessantes über sie zu schreiben. Dabei war und ist nicht einfach nur die Abnahme ihrer öffentlichen Präsens das Problem. Das teilt sie sich mit allen anderen Strömungen der Kapitalismuskritik. Bei der DKP jedoch kam noch hinzu, daß sie sich eine Parteiführung gegeben hatte, die sich mit ihrer Profillosigkeit und ihrem nur sehr bescheidenem Maß an eigenen Initiativen sowie einer nur mäßig aufregenden Taktik des Versteckens hinter der Partei Die Linke. (PDL) wohl zu fühlen schien. Das Resultat: Ein auch nach internen Aussagen dahinsiechendes Projekt mit nurmehr um die 3500 zahlenden Mitgliedern.

Schon seit einiger Zeit gab es dagegen aber auch ein Aufbegehren einzelner Gruppen, ja sogar einzelner Landesverbände der Partei, z.B. dem aus Berlin. Die wohl deutlichste Kritik wird seit Jahren von einem Mitgliederkreis um die Zeitschrift ‚Theorie und Praxis’(TuP) 1 formuliert, deren theoretische Arbeit insbesondere gegen eine Erosion der von ihnen so empfundenen marxistisch-leninistischer Standards gerichtet ist.

Genau jene Strömung hat sich auf dem 20. Parteitag der DKP am ersten Märzwochenende in Mörfelden zumindest personell durchgesetzt. Der neue Parteivorsitzende Patrik Köbele ist führendes Mitglied der TuP-Gruppe. Der rechte Flügel der DKP beklagte, man sei jetzt nur noch sehr schwach im neuen Parteivorstand vertreten - Beoabchter schätzen maximal zu 25%.

Vor allem zwei Gruppen wurden abgemeiert: Die alte Parteiführung um Bettina Jürgensen und Heinz Stehr auf der einen und jene, welche die DKP noch weiter unter den ‚Schutzschirm’ der PDL und ihrer Europäischen Linkspartei (EL) führen wollen, mit Leo Mayer und seiner Münchner Parteigruppe an der Spitze, auf der anderen Seite.

Der TuP-Gruppe um Patrik Köbele war es nämlich gelungen, namhafte Parteiintellektuelle wie Hans-Peter Brenner wegen deren Abneigung gegenüber Mayers Reformthesen punktuell auf ihre Seite zu ziehen, weil man sich als Gruppe erfolgreich die Sachen Bewahrung von Parteikontinuität profilieren konnte. Auch strömungsmäßig eher ungebundene Delegierte stimmten dann eben auch für die neue Parteiführung.

‚Theorie und Paxis’ für gründliche Parteireform ...

Unabhängig davon, ob und wie die Parteitagsbeschlüsse in den folgenden Wochen und Monaten in den Gliederungen der DKP Niederschlag finden werden, scheinen allein die Positionen der TuP-Gruppe bemerkenswert und sind hier von Interesse. Der Rest ist eher auf bloßes ‚Durchhalten’ gepolt oder eben auf ‚PDL-Schutzschirm’.

Die TuP-Leute jedenfalls heben die eigenständige Rolle von KommunistInnen hervor und räumen dabei bereitwillig ein, daß es außerhalb der DKP eine größere Anzahl von KommunistInnen und SozialistInnen gibt. Eine nüchterne und ganz offensichtlich auch zutreffende Sichtweise, die allerdings bis dato ohne gründliche Konsequenzen bleibt. Denn ein Angebot für ein neues kommunistisches Projekt über die Grenzen der DKP hinaus wird - derzeit wenigstens - nicht ins Auge gefaßt.

Und eine gründliche Kritik an der reformistischen Betulichkeit in Arbeitsweise und Politikkonzept als Grundlage einer Parteireform unterbleibt. Betulichkeit ? In den Gewerkschaften rennt man noch immer den sozialdemokratischen Predigern von Sozialpartnerschaft hinterher, wie in den letzten fünfundvierzig Jahren. Erst als sich DGB-Sommer & Co. am 14. November letzten Jahres doch irgendwie in letzter Minute in den europäischen Gewerkschaftsprotest gegen das Krisenmanagement der Troika einreihte, war die DKP auch sozusagen offiziell dabei.

Der Berliner Landesverband der DKP mußte gegenüber dem Parteivorstand ‚Einmaligkeit’ seines Tuns beteuern, als er die gewerkschaftsoppositionelle Liste ‚Alternative’ bei Daimler-Benz gegen die sozialdemokratischen Sitzriesen und Partner der Geschäftsführung im Betriebsrat unterstützte – einer von denen aus der DKP. Wen wundert es da, daß die DKP auf betrieblicher Ebene bundesweit kaum noch zu sehen ist, wenn ansonsten nur Nachtrab zu vermerken ist ?

... gegen reformistische Betulichkeit ?

Das alles kritisiert die TuP-Gruppe und sie kritisiert auch, daß die DKP als antikapitalistische Kraft kaum erkennbar ist. Denn seit fünfundvierzig Jahren versteckt sie sich hinter der ziemlich blumigen strategischen Orientierung ‚antimonopolistische Demokratie’.

Unfreiwillig gestelzt offenbarte Hans-Peter Brenner kurz vor dem Parteitag in einer Kritik an ‚Wirtschaftsdemokratie’, was eigentlich mit ‚Strategie des antimonopolistischen Kampfes’ gemeint ist, als er in ‚junge Welt’ schrieb: „...die den Weg für Übergänge zum revolutionären Bruch mit dem Kapitalismus öffnen will und soll“. 2

Wer den Artikel, gedacht als Kritik an L.Mayer und C.Schuhler vom DKP-nahen Münchner Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung (isw) genauer liest, wird Brenners Problem erkennen: Das als reformistisch kritisierte isw argumentiert mit seiner an die sozialdemokratischen Theoretiker Naphtali und Leipart anlehnende ‚Wirtschaftsdemokratie’ aus den 1920er und 1930er Jahren ja eigentlich exakt ‚antimonopolitisch’. Brenner, der als Parteilinker gilt, will zwar den Bruch mit dem Kapitalismus, also eine antikapitalistische DKP, aber mit dem Reformismus in seiner Partei will er nicht brechen.

Genau dies trifft auch auf die TuP-Gruppe zu, deren Verdienst es ist, in der innerparteilichen Diskussion all jene strategischen Sackgassen aufs Tapet gebracht zu haben, welche die Perspektive einer auf sich gestellten DKP immer fragwürdiger erscheinen läßt. Sepp Aigner, einer aus dieser Gruppe, formulierte es in ‚Theorie und Praxis’ so: „(...)Die Einschätzung des heutigen Imperialismus, der sogenannten Globalisierung, des Charakters der gegenwärtigen Krise, des Verhältnisses von Reform und Revolution unter den heutigen Bedingungen, der Rolle der kommunistischen Partei, der Bedeutung der sogenannten neuen sozialen Bewegungen, des Inhalts einer Aktionseinheits- und Bündnispolitik(...) Die Partei hat kein wissenschaftliches Zentrum, das theoretische Positionen erarbeitet. Das macht sie anfällig für linkskeynesianistische, reformistische Positionen via isw und transform – insbesondere, wenn sie in faktenreichen Recherchebroschüren versteckt sind.“ 3

Die Lage der DKP ist prekär, die Lage der antikapitalistischen Linken in Deutschland insgesamt ist es ebenfalls. Viele Chancen auf eine Neubegründung zeitgemäßer kommunistischer Identität möglichst fernab von neuen reformistischen Versuchen nach dem Vorbild der PDL einerseits oder andererseits fernab einer inzwischen glücklicherweise wieder verblichenen Operetten-Aufführung wie der ‚Kommunistischen Initiative’4 wird es wohl in nächster Zeit nicht so häufig geben.

Daher wird es darauf ankommen, ob vor allem die kommunistische Linke – innerhalb und außerhalb der DKP, am besten aber zusammen - ein gemeinsames Projekt aufzusetzen in der Lage ist. Es muß ja nicht gerade die Klärung der Widersprüche aus der Polemik über die Generallinie der 1950er oder 1960er Jahre hauptsächlicher Gegenstand dieses Projekts sein. In aller Bescheidenheit: Die Formulierung von vor allem praxistauglichen Leitgedanken für eine zeitgemäße kommunistische Identität ausgangs ganz praktischer Verabredungen wäre da schon ein enormer Fortschritt.

 Köln, 03.03.2013

Anmerkungen

1 Vgl. unter https://theoriepraxis.wordpress.com/
2 vgl. ‚junge Welt’ vom 28.02.2013
3 vgl. dazu unter: https://theoriepraxis.wordpress.com/2013/02/08/die-dkp-vor-dem-parteitag-uberblick/
4 ...als als Eins-zu-eins-Modell alten Komintern-Heroismus. Vgl. unter http://www.kommunistische-initiative.de/

Editorische Hinweise

Wir erhielten den Artikel vom Autor für diese Ausgabe.