Bernard Schmid berichtet aus Frankreich

Aktuelles auf der extremen Rechten
Der Front National zum neuen Papst, zum Tod von Hugo Chavez, zum Geschichtsunterricht über den Zweiten Weltkrieg und sonst einigen Dingen

03-2013

trend
onlinezeitung

Die Stimme kam, quasi buchstäblich, vom anderen Ende der Welt. Nicht aus den Tiefen der Erde, aber von der anderen Seite des Globus. Auf der Inselgruppe Neukaledonien im Westpazifik, welche bislang als „Überseeterritorium“ administrativ zu Frankreich gehört, aber im Zeitraum 2014 bis 2018 nun über ihre Unabhängigkeit abstimmen soll, ergriff Marine Le Pen das Wort. Am vergangenen Freitag, den 15. März 13 erklärte die Chefin des französischen Front National (FN) von dort aus, die Zeit sei reif für eine „Sammlung“. Und zwar jene der Gegner der Unabhängigkeit: Diese sollten vor den im kommenden Jahr anstehenden Wahlen zum Inselparlamentarier ihre Kräfte bündeln, um für den Verbleib bei Frankreich zu kämpfen.

Bei dem danach anstehenden Referendum können alle Einwohner/innen, die sich bis 1998 (Jahr eines Abkommens mit der Unabhängigkeitsbewegung) auf Neukaledonien niederließen, mitstimmen – doch bis dahin hatten die französischen Regierungen ohne Unterbrechung die Ansiedlung von (überwiegend „weißen“) Neubürger/inne/n aus dem französischen kolonialen „Mutterland“ finanziell begünstigt. Die ursprünglichen Einwohner/innen des Archipels, die sich selbst als „Kanak“ (Menschen) bezeichnenden Melanesier, gerieten dadurch inzwischen in die Minderheit. Noch also ist unklar, ob das Anliegen der Unabhängigkeitsbefürworter – die in der melanesischen Bevölkerung stark verankert sind – wirklich durchkommt. Der französische FN, auf der Inselgruppe relativ stark verankert, will sein Gewicht dagegen in die Waagschale werfen.

Dass die französische extreme Rechte bis heute stark vom kolonialen Erbe geprägt bleibt, schimmert an dieser Stelle deutlich durch. Dies unterscheidet sie sicherlich von den starken rechtsextremen Parteien in Ländern wie Österreich, der Schweiz oder Ungarn. (Im letzteren Fall gibt sich die neo-nationalsozialistische Bewegung „Jobbik“ sogar auf demagogische Weise „antikolonial“, da der ungarische Nationalismus seit dem Vertrag von Trianon 1920 oft den „Verrat des Westens“ anprangerte und eine Hinwendung zu Asien predigte.)

Vergleichsweise differenziert zu Hugo Chavez…

Leicht überraschend kam da, wie Marine Le Pen auf den Tod des, in Teilen der Linken als Held gegen den Neokolonialismus unterstützten (aber auch auf dem nationalrevolutionären Flügel der extremen Rechten umschwärmten), venezolanischen Präsidenten Hugo Chavez vom 05. März d.J. reagierte. In weiten Teilen der konservativen Rechten wurde der seit 1999 Staatschef Venezuelas als eine Art kommunistischer Teufel verabscheut und mit oft lächerlichen Argumenten dämonisiert. Auch wenn andernorts auch sehr berechtigte Kritik an dessen Unterstützung für Folterdiktaturen in Libyen unter Gaddafi, in Syrien oder im Iran (nach dem Motto „Die Feinde meines Hauptfeinds USA sind meine Freunde“) geübt wurde – wobei Chavez selbst entgegen bürgerlichen Gerüchten allerdings nicht diktatorisch, sondern mit realer Unterstützung gerade aus den sozialen Unterklassen regierte.

Konservative und wirtschaftsliberale Rechte probten deswegen vergangene Woche in Frankreich künstliche Aufregung, nachdem der frühere Präsident des französischen „Überseebezirks“ Guadeloupe und jetzige Pariser „Überseeminister“ – Victorin Lurel – zur Beerdigung von Hugo Chavez geflogen war. (Quasi als Nachbar, Guadeloupe liegt nur 400 km von den Küsten Venezuelas entfernt.) Und nicht nur dies, der Sozialdemokrat Lurel hatte in Caracas sogar erklärt: „Wenn die Welt mehrere solcher Diktatoren hätte, ginge es auf ihr besser zu.“ Konservative Wadenbeißer wie der, dank offenen Wahlbetrugs innerhalb seiner Partei seit November 12 amtierende, UMP-Chef Jean-François Copé wetterten gegen einen „Skandal“. Einige sozialdemokratische Parteifreunde Lurels pinkelten sich unterdessen betreten ans Bein…

Demgegenüber erschien die Reaktion Marine Le Pens ja, auf einfache Weise, als vergleichsweise moderat. Zwar tat auch sie die Äußerungen Victorins Lurels in einer Handbewegung ab („Was der Überseeminister denkt, den niemand kennt, interessiert keinen“). Aber sie fuhr auch fort, UMP ebenso wie PS (Sozialdemokratie) sollten „mit unfruchtbaren Polemiken aufhören“; und erklärte vor allem: „(Hugo Chavez) hat positive Dinge verrichtet, etwa sein Volk von den Erdöleinnahmen profitieren lassen. Andere Staatsführer, etwa in Afrika, die ebenfalls über bedeutende Ressourcen verfügten, taten dies nicht.“ Letztere Feststellung trifft absolut zu, sollte allerdings – für erdölreiche Länder wie Gabun, Kamerun und Tschad – dringend um die Aussage ergänzt werden, dass der Einfluss des französischen Neokolonialismus dazu ziemlich entscheidend beitrug, was Marine Le Pen sicherlich nicht so ausdrücken würde…

Diese Positionierung Marine Le Pens passt durchaus in ihr gewünschtes (theoretisches) Profil, das darin besteht, als „jenseits von Links und Rechts und allein der Nation verpflichtet“ auftreten zu wollen. An Hugo Chavez‘ Beispiel interessiert ihre Partei natürlich vor allem der Aspekt der „nationalen Selbstbehauptung“, besonders gegenüber den USA – auch wenn diese Frage sich natürlich in Wirklichkeit in einem (zuvor) halbkolonialen Land anders stellt als bei einer früheren Kolonialmacht.

Und kämpferisch für den Papst

Stärker in das traditionelle Links-Rechts-Schema, und zu einer Verortung klar auf der Rechten, passt hingegen die Reaktion von Alt- und Ehrenpräsident Jean-Marie Le Pen auf die Wahl des neuen Papsts, François/Franziskus. Am 14. März 13 erklärte er in einer Presseaussendung dazu, seine Partei begrüße die Wahl des neuen Kirchenoberhaupts im Vatikan und hoffe, der Mann werde sich nicht dem Druck von Zeitgeistfreunden und Gegnern der traditionellen kirchlichen Moralvorstellungen beugen: „Der FN bezweifelt nicht, dass er dem unerträglichen und arroganten Druck jener widerstehen wird, die ihn unter dem Vorwand des ,Fortschritts‘ dazu zwingen wollen, die christliche Moral und die Tradition der katholischen Kirche aufzugeben.“ Allerdings wurde es eben dem Alt-Obervater der Partei - Jean-Marie Le Pen – überlassen, diese Position in ihrem Namen vorzutragen.

Marine Le Pen schneidet bei Umfrage als zweitbeliebteste Politikerin ab

Hinter dem freundlich-modernen Gesicht kommt die alte Fratze zum Vorschein. Auch wenn die 44jährige Marine Le Pen eine junge Frau ist und in gewisser Weise an der Feminisierung der politischen Landschaft Anteil hat - es hieße einem Mythos aufzusitzen, würde man glauben, sie würde mit „weicheren Werten“ oder auf humanere Weise Politik betreiben. Bisherige ideologische Grundlagen ihrer Partei bleiben ebenso unverändert wie die Polarisierungsstrategie, die dann eingeschlagen wird, wenn die extreme Rechte es für taktisch oder strategisch vorteilhaft erachtet.

Am Sonntag, den 03. März 13 feierte der Front National (FN) einen neuen Erfolg in seinem Kampf um die öffentliche Meinung. Eine am selben Tag publizierte Umfrage des Journal du dimanche (JDD) über Frauen in der Politik beförderte Parteichefin Marine Le Pen auf den zweiten Platz der beliebtesten Politikerinnen. Dicht hinter der Titelgewinnerin, der früheren französischen Wirtschaftsministerin und derzeitigen IWF-Direktorin Christine Lagarde. Auf die Frage „Unter den genannten Frauen, für welche vier wünschen Sie in Zukunft eine wichtigere Rolle in der französischen Politik?“ hatten 34 Prozent „Christine Lagarde“ geantwortet. Und 31 Prozent antworteten: „Marine Le Pen“. Am Abend desselben Tages sorgte die Chefin des Front National für neue Schlagzeilen. Dieses Mal durch ihre Äußerungen über Christine Lagarde, die in dem besagten Rennen um Beliebtheitswerte kurz vor ihr abgeschnitten hatte.

Madame Lagarde ist keine französische Politikerin, sondern eine vaterlandslose (apatride) Politikerin. Wenn man der Spitze solcher internationalen Organisationen steht, vergisst man seine Nationalität, man bezieht sich nicht mehr darauf, und vor allem darf man nicht in Bezug auf die Interessen der eigenen Nation denken.“ So wetterte Marine Le Pen beim Fernsehsender BFM TV über die frühere französische Ministerin, die im Jahr 2011 ihren Landsmann Dominique Strauss-Kahn ablöste, welcher aus – nun ja – bekannten Gründen aus dem Amt abtreten musste, kurz bevor er sich auf eine Kandidatur zur französischen Präsidentschaft vorbereiten wollte. Der Ausdruck apatride für „vaterlandslos“ (juristisch bezeichnet er auch staatenlose Personen, also Menschen ohne Staatsbürgerschaft) wurde auf der nationalistischen Rechten historisch vor allem benutzt, um das capital apatride zu bezeichnen, das „vaterlandslose Finanzkapital“ – als beliebte antisemitische Chiffre.

An der oben zitierten Umfrage ist noch bezeichnend, in welchen Kategorien Marine Le Pen besonders gut abschnitt. Wenig überraschend ist, dass 97 % derjenigen Teilnehmer/innen an der Befragung, die sich selbst als FN-Wähler/innen bezeichnen, Marine Le Pen zu ihren beliebtesten Politikerinnen rechnen. Hingegen ist interessant, dass auch 37 % derjenigen, die sich selbst als Wähler/innen der konservativ-wirtschaftsliberalen UMP – der stärksten Oppositionspartei in Frankreich – einstufen, ebenfalls für Marine Le Pen votieren. Allerdings setzen sie die Chefin des FN „nur“ an die vierte Stelle, und andere Politikerinnen (die drei früheren UMP-Ministerinnen Christine Lagarde, Nathalie Kosciusko-Morizet und Valérie Pécresse) sind bei ihnen beliebter.

Unter den Wähler/inne/n der Linksparteien taucht Marine Le Pen hingegen nicht unter den populärsten Politikerinnen – für jede Gruppe werden jeweils fünf aufgelistet – auf. Beruhigend, immerhin. Im Übrigen nennen 33 % der befragten Männer und 29 % der Frauen jeweils Marine Le Pen.

Zu den Erfolgen der FN-Chefin im Kampf um einen vorteilhaften Platz in der Meinungs- und Medienwelt zählt auch jener Gastkommentar, den ihr Vizepräsident (und Lebensgefährte) – der promovierte Jurist und frühere Rugby-Spieler Louis Aliot – am 14. Februar 13 in der konservativ-wirtschaftsnahen Tageszeitung Le Figaro unterbringen konnte. Dass führende Politiker des FN dort unmittelbar und unter ihrem eigenen Namen veröffentlichen dürfen, ist zwar nicht völlig neu (in den 1990er Jahren gab es mehrere Beispiele dafür), war jedoch in den letzten Jahren nur in Ausnahmefällen denkbar.

In dem zitierten Beitrag schreibt Louis Aliot über die Erfolge der „Strategie der Entdiabolisierung (dédiabolisation)“ , die Marine Le Pen seit ihrer Übernahme des Parteivorsitzes im Januar 2011 umzusetzen versucht. Aliot schreibt dazu, es sei ein Irrtum, anzunehmen, dass der FN deswegen seine ideologischen Grundsätze aufgebe: „In Wirklichkeit besteht die ,Entdiabolisierung‘ darin, uns zu zeigen, so wie wir sind – und nicht so, wie die von den Berufspolitikern (angefertigte) Karikatur uns darstellen wollte.“ Statt seine Grundsätze aufzugeben, arbeite der FN daran, die Glaubwürdigkeit seines Programms zu unterstreichen – als deren ersten Punkt nennt Louis Aliot „die Verteidigung der Identität und die Bekämpfung der Einwanderung“.

Nicht immer und zu allen Themen folgt die öffentliche Meinung dem FN bereitwillig. Beim (alltäglichen) Rassismus ist diese Gefahr in Teilen der französischen Gesellschaft relativ stark. Dagegen folgt die öffentliche Meinung der rechtsextremen Partei beispielsweise weniger, wo es darum geht, den Ausstieg aus dem Euro oder gar aus der EU zu propagieren. (Vgl. auch die aktuelle Untersuchung zum Meinungsklima betreffend den FN, siehe Laut Umfrage: „32 Prozent teilen die Ideen des FN“ ) Nichtsdestotrotz betreibt der FN aktuell eine aktive Kampagne auch zu dem Thema – darauf bauend, dass er zwar momentan für solche Thesen gewiss keine Mehrheit findet, diese aber gleichzeitig ein politisches Alleinstellungsmerkmal für die Partei darzustellen. Zudem glaubt die extreme Rechte relativ fest daran, dass die Entwicklung in naher Zukunft ihr Recht geben werde, falls die Euro-Krise wieder aufflammt (etwa infolge des jüngsten Wahlausgangs in Italien) und/oder zentrifugale Tendenzen innerhalb der Währungsunion wieder verstärkt zunehmen.

Am Samstag, den 02. März 13 forderte Marine Le Pen so Staatspräsident François Hollande öffentlich dazu auf, er solle eine Volksabstimmung zum Thema „Austritt aus der Europäischen Union (oder nicht?)“ anberaumen. Darüber solle die französische Bevölkerung im Januar 2014 abstimmen. Zwar hat die Referendumsforderung im Augenblick null Chancen, angenommen zu werden, da die stärksten politischen Parteien ebenso wie die Regierung und die Staatsspitze strikt dagegen sein werden. Doch Marine Le Pen nutzt die medienwirksam erhobene Forderung, um Propaganda für ihre Kritik an Euro und EU zu machen. Dabei knüpft sie unter anderem auch daran an, dass der britische Premierminister David Cameron die Inselbevölkerung seinerseits bis im Jahr 2016 über den Verbleib bei der oder Austritt aus der Europäischen Union abstimmen lassen möchte (wenngleich der Regierungschef selbst nicht einen solchen Austritt befürwortet).

Bei ihrem Auftritt am Samstag – am Rande einer Tagung von Spitzenpolitikern des FN in Sèvres, westlich von Paris – berief Marine Le Pen sich aber auch auf den italienischen Polit-Clown Beppe Grillo. der mit rund 25 % der abgegeben Stimmen jüngst zu den Wahlsiegern bei den italienischen Parlamentswahlen vom 24./25. Februar 13 zählte. Marine Le Pen behauptete, mit dem programmatisch leicht undefinierbaren Polit-Star von der „Fünf Sterne-Bewegung“ in Italien drei Dinge gemeinsam zu haben: „Gegen den Euro, gegen die Korruption und Anti-System“ zu sein.

Kommunalparlamentswahlen am Horizont
 

In Frankreich selbst bereitet sich der FN verstärkt auf die nächsten Kommunalwahlen, welche im März 2014 in ganz Frankreich stattfinden werden, vor. Nahezu täglich berichtet die als Quasi-Pressedienst der Parteiführung unter Marine Le Pen dienende Webseite Nations Presse Info (NPI) darüber, wie die Partei da und dort in den Startlöchern dafür steht. In einem Interview mit der Sonntagszeitung JDD – Ausgabe vom 17. März 13 – erklärte die 23jährige Parlamentsabgeordnete des FN und Nichte von Marine Le Pen, Marion Maréchal-Le Pen, lokale Bündnisse mit der UMP seien nicht auszuschließen. Diese hingen vielmehr von den örtlichen Bedingungen ab.

Über 50 Teilnehmer/innen an einem Treffen, zu dem die Liga für Menschenrechte (LDH) aufgerufen hatte, debattierten unterdessen am Samstag, den 16. März am Sitz der LDH über die Perspektiven von Antifaschist/inn/en vor den herannahenden Kommunalwahlen. Vielerorts ist der Druck der extremen Rechten bedeutend, so erhielt Martine Le Pen in einer Reihe von Einzelstädten (nicht ganzen Wahlkreisen) im April 2012 Ergebnisse von über 50 Prozent. An der Spitze liegt Saintes-Marie-de-la-Mer in der Provence mit damals 72 Prozent der Stimmen. Was nicht unbedingt bedeutet, dass diese Stimmenzahlen zugunsten der Person Marine Le Pen sich wiederholen werden, wenn es um örtliche Kandidat/inn/en geht. Um die Wählerstimmen bei sich zu behalten, setzen viele Bürgermeister – aus dem konservativen wie aus dem sozialdemokratischen Lager – unterdessen massiv auf den Ausbau örtlicher Videoüberwachung und ähnlicher Praktiken, die vordergründig „das Sicherheitsbedürfnis der Bürger/innen befriedigen“ helfen sollen.

Als eine der ersten Stationen auf ihrer „Frankreichtournée“ vor den Kommunalparlamentswahlen trat Marine Le Pen am 26. Februar 13 im christlichen Wallfahrtsort Rocamadour in Südwestfrankreich auf. Dort zog sie – allerdings nur sehr kurzfristig – landesweite Aufmerksamkeit auf sich, indem sie eine Revision der Schulprogramme für den Geschichtsunterricht forderte. Unter anderem insistierte sie dabei darauf, dass die französische Kolonialgeschichte in positiverem Licht erscheinen müsse (was hinreichend skandalös ist, allerdings weniger stark thematisiert wurde). Stärkere Aufmerksamkeit fand, dass sie auch noch hinzufügte, der Zweite Weltkrieg und seine Gräuel stünden zu stark im Mittelpunkt und nähmen zu viel Raum ein. Geschickt präzisierte sie jedoch, sie spreche dabei vom Grundschulunterricht, da „diese Themen für Kinder dieses Alters zu komplex“ seien.

Ihr Vater Jean-Marie Le Pen hätte mutmaßlich gleich losgepoltert, generell werde diese Geschichte doch ganz falsch unterrichtet usw. usf. Blieb doch seine Auslassung vom 13. September 1987 im französischen Fernsehen (die Existenz der Gaskammern sei eine offene Frage, jedoch un point de détail de l’Histoire, also „ein Nebenumstand der Geschichte“) allgemein in lebhafter Erinnerung. Marine Le Pen vermied es diesbezüglich bislang immer, zu sehr ins Fettnäpfchen zu treten. Am 03. Februar 2011, kurz nach ihrer Wahl zur Parteivorsitzenden, hatte sie die Nazi-Todeslager zum „Gipfel der Barbarei“ erklärt und präzisiert, sie stellen „keinen Nebenumstand der Geschichte“ dar. Bevor sie jedoch am 27. Januar 2012 auf dem Wiener Burschenschaftsball an der Seite astreiner Nazifressen und Auschwitzleugner gesichtet wurde…

Nachwahl für einen Parlamentssitz in Beauvais bei Paris: Nur Rechte und extreme Rechte kommen in die Stichwahl

Am vergangenen Sonntag, den 17. März 13 fand im Raum Beauvais, im Bezirk Oise (circa 30 bis 50 Kilometer nördlich von Paris), eine so genannte Teilwahl – élection partielle - um einen einzelnen Parlamentssitz statt. Der Sitz in der französischen Nationalversammlung musste erneut besetzt werden, weil die Wahl des Abgeordneten Jean-François Mancel (UMP, bürgerliche Rechte) vom Juni 2012 aufgrund von Unregelmäßigkeiten angefochten und gerichtlich annulliert worden war. Solche Nach- oder Teilwahlen bilden, im Laufe einer Legislaturperiode, immer symbolträchtige Gradmesser für die Stärke der jeweiligen Parteien.

Bei der allgemeinen Parlamentswahl im Juni 2012 hatte der Konservativ-Wirtschaftsliberale Mancel den Wahlkreis gewonnen, doch nur um 63 einzelne Stimmen vor seiner sozialdemokratischen Herausfordererin Sylvie Houssain gelegen. Damals konnten sich drei Bewerber für die Stichwahl qualifizieren: Mancel für die UMP, Houssain für die Sozialdemokratie und Florence Italiani für den rechtsextremen Front National (FN). Diese drei erhielten in der Stichwahl respektive 38,97 %, 38,84 % sowie 22,18 %.

Heute bietet sich jedoch ein anderes Bild. An diesem Sonntag verschwand nämlich die Sozialdemokratie vor der anstehenden Stichwahl von der Bildfläche. Sylvie Houssain verfehlte den Einzug in den zweiten Wahlgang, auch aufgrund der geringen Wahlbeteiligung; für die Teilnahme an der Stichwahl benötigt ein/e Kandidat/in die Stimmen von 12,5 % der in die Wählerlisten eingetragenen Stimmberechtigten (nicht der real abgegeben Voten). Je niedriger die Wahlbeteiligung ausfällt, desto höher liegt entsprechend diese Hürde.

Am vergangenen Sonntag erhielt Mancel nunmehr im ersten Durchgang 40,61 Prozent der abgegebenen Stimmen. Die rechtsextreme Kandidatin Italiani erzielte 26,58 %, und die sozialdemokratische Bewerberin ihrerseits 21,37 %. Aufgrund der ausgesprochen niedrigen Wahlbeteiligung (32,79 %) reicht es für Letztere jedoch nicht zum Einzug in die Stichwahl. Sicherlich bezahlte Sylvie Houssain auch die Quittung für die immer stärker unbeliebte Regierungspolitik ihrer Parteifreunde auf nationaler Ebene. – Am kommenden Sonntag, den 24. März 13 findet nun die Stichwahl zwischen dem Konservativen und der rechtsextremen Kandidatin statt.

Das Département Oise, dessen zweiter (von insgesamt sieben) Wahlkreisen im Augenblick umkämpft ist, stellt seit langem eine reaktionäre Ecke mit hohem FN-Anteil da, u.a. aufgrund der relativ starken Präsenz früherer Soldaten im Algerienkrieg oder dortiger französischer Siedler.

Jean-François Mancel wiederum ist ein alter Bekannter. Am 07. März 1998 erschien ein Interview mit ihm in der (sehr rechtslastigen) Wirtschaftszeitschrift ,Valeurs Actuelles’. Darin erklärte der frühere Generalsekretär der neogaullistischen Partei RPR, der nach der Wahlniederlage im Juni 97 seinen Hut nehmen musste, seine Bereitschaft zu einem Bündnis mit dem Front National in seinem Département. Mancel fügte vielsagend hinzu: „Andere, die es nicht auszusprechen wagen, werden hinzukommen. Es kommt ein Moment, wo man die Wahrheit sagen muss.“ Dazu formulierte die Pariser Abendzeitung ,Le Monde’ vom 08./09. März 1998: „Auf dem Spiel steht die Formierung des Lagers der Anhänger, innerhalb der parlamentarischen Rechten, von Abkommen mit der extremen Rechten.“

Jean-François Mancel verhält sich heute zu diesem Thema diskret. Aber andere Protagonisten seines politischen Lagers arbeiten daran, Kanäle zur extremen Rechten zu eröffnen. Etwa jene konservative Parlamentarier, die in der vergangenen Woche der 23jährigen Abgeordneten des FN im französischen Parlament, Marion Maréchal-Le Pen, applaudierten, als diese Innenminister Manuel Valls zu den Roma befragte.

Editorische Hinweise

Den Artikel erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe.