Betrieb & Gewerkschaft
Kassen- oder Klassenfrage?
Tarifrunde Öffentlicher Dienst für Bund und Kommunen

von Helga Müller

03-2014

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In diesem Jahr geht ver.di mit folgenden Forderungen in die Lohn- und Gehaltstarifrunde für die rund 2,1 Millionen Angestellten des Bundes und der Kommunen:

  • Grunderhöhung von 100 Euro für alle;
  • lineare Erhöhung von 3,5 % für alle;
  • 30 Tage Urlaub für alle, altersunabhängig;
  • Verbindliche Übernahme aller Azubis;
  • sachgrundlose Befristungen sollen tarifvertraglich ausgeschlossen werden;
  • Ausgleich für die nicht mehr möglichen Bewährungsaufstiege im Bereich der Kommunen.

Nach Aussagen des ver.di-Chefs Bsirkse ergibt dies eine durchschnittliche Erhöhung von 6,7 % für alle.

Dass es auch in dieser Tarifrunde für die Gewerkschaft nicht einfach werden wird, zeigen bereits die ersten Reaktionen des Arbeit“geber“verbandes: Bundesinnenminister Thomas de Maiziére (CDU) wies die Forderung gleich nach Veröffentlichung als „maßlos überzogen“ zurück. „Niemand kann sich einen solchen Abschluss leisten“, meinte er. Der Verhandlungsführer der Kommunen, Thomas Böhle, wiederum, wies den Sockelbetrag von 100 Euro mit den Worten zurück, dass ein solcher Sockel in den untersten Lohngruppen zu unverhältnismäßigen Lohnerhöhungen führen würde. Im Wettbewerb befindliche kommunale Betriebe wie im Nahverkehr und der Entsorgungswirtschaft könnten bei derartigen Lohnsteigerungen nicht mehr mit privaten Wettbewerbern konkurrieren, was zu Arbeitsplatzverlusten führen würde.

Die Rolle der SPD

Dass auch die SPD in der Bundesregierung nicht auf Seiten der Gewerkschaften steht, wenn auch viele Gewerkschaftsfunktionäre der Meinung sind, dass die SPD mit der Übernahme der Mindestlohnforderung des DGB sich wieder auf die Seite der Gewerkschaften geschlagen hat, zeigt die Aussage im Jahreswirtschaftsbericht 2014, in der Bundeswirtschaftsminister Gabriel (SPD) schreiben lässt, dass „Produktivität und Lohnhöhe korrespondieren [müssen], damit sozialversicherungspflichtige Beschäftigung erhalten bleibt“.

Aber gerade die Durchsetzung eines Festgeldbetrags wäre für die KollegInnen, die in den unteren Lohngruppen eingruppiert sind, eine wichtige Forderungen, um die immer größer werdende Schere zwischen den höheren Lohn- und Gehaltsgruppen und den unteren Lohngruppen in dieser Tarifrunde zumindest abzumildern - zumal die Festgeldforderung in der letzten Tarifrunde zugunsten eines Gesamtpakets wieder fallen gelassen wurde.

Die Betonung, dass die Kombination aus Sockelbetrag und linearer Erhöhung einen durchschnittlichen Gesamtbetrag von 6,7 % für alle ausmachen würde, deutet daraufhin, dass es sicher in verschiedenen Landesbezirken höhere Lohnforderungen gab. Dies zu Recht: zum einen hinkt der Öffentliche Dienst der Privatwirtschaft hinterher, zum anderen ist die Lohnquote (der Anteil aller Löhne, Gehälter und Besoldungen inkl. der Arbeit“geber“beiträge zur Sozialversicherung am Volkseinkommen) von 2000-2012 auf 67%, d.h. um 5 Prozentpunkte, gesunken, während im gleichen Zeitraum die Einkommen aus Vermögen und Unternehmertätigkeit real um 40% gestiegen sind. Ver.di hat ausgerechnet, um die Lücke zur Lohnquote und zu Preissteigerungen zu schließen, müssten die Gehälter im Öffentlichen Dienst um 12% steigen!

Zudem haben die diversen Sparhaushalte, Kürzungen und die Millionen, die 2008/09 zur Bankenrettung herangezogen wurden, zu einem massiven Personalabbau im Öffentlichen Dienst geführt, die bei den KollegInnen auch zu verstärkter Arbeitsverdichtung geführt haben. Gleichzeitig steht der Öffentliche Dienst unter einem Privatisierungsdruck, was wiederum zu einem Druck auf die Löhne und Gehälter führt, wie die obige Aussage des kommunalen Verhandlungsführers bestätigt.

Nichtsdestotrotz: die Große Tarifkommission hat jetzt die Forderungen festgelegt und die Orientierung muss jetzt sein, die Forderungen tatsächlich auch voll durchzusetzen gegen den entschiedenen Widerstand der Arbeitgeberverbände und der Bundesregierung. Darauf muss die ganze Organisation orientiert werden!

Bisher sind drei Verhandlungstermine relativ kurz hintereinander angesetzt - beginnend am 13. März, endend am 31. März/1. April.

Wenn es dabei bleibt, ist die Niederlage schon vorprogrammiert, mit drei Verhandlungsterminen und entsprechenden Warnstreiks - also mit den üblichen Tarifritualen - wird gegen die Front von Bund und Kommunen nicht viel durchzusetzen sein. Es wird auch nicht ausreichen, wie bei den Tarifrunden üblich, zu versuchen, die öffentlichen Arbeit“geber“ mit Argumenten davon zu überzeugen, dass eine Lohnsteigerung gesamtwirtschaftlich erforderlich ist, wie im Tarifinfo von ver.di in extra 02/14 geschrieben.

Notwendig wäre stattdessen,

  • die volle Kampfkraft der Beschäftigten ins Feld zu führen,

  • den Tarifkampf politisch zu führen, um den Beschäftigten bewusst zu machen, dass es um einen Kampf Klasse gegen Klasse geht: z.B. dass die Haushalte durch die Umverteilungspolitik zugunsten der Unternehmer finanziell ausgeblutet werden. Gegenforderungen wie z.B. die Wiedereinführung der Vermögenssteuer und der Erhöhung der Kapitalsteuern.

Wenn der Tarifkampf so geführt würde, könnte auch die gesamte Arbeiterklasse mit in diesen Kampf einbezogen werden und die Verbindung zu anderen Bereichen, die sich gerade im Tarifkampf befinden, praktisch aufgebaut werden. So stehen z.B. die KollegInnen aus der Zeitungs- und Druckbranche vor einem Generalangriff ihrer Unternehmerverbände, die gerade versuchen, in dieser Tarifrunde ihre Krise auf die Belegschaften abzuwälzen und jahrzehntelang erkämpfte Errungenschaften anzugreifen.

Gegen die Absicht der öffentlichen Arbeitgeber als auch der privatwirtschaftlichen Unternehmer, ihre Krise noch weiter auf die breite Masse der Lohnabhängigen abzuwälzen, wäre es notwendig, zügig zu Vollstreiks zu kommen. Diese müssen natürlich gut vorbereitet werden, insofern begrüßen wir auch die Initiative einiger Bezirke wie in München, im Vorfeld der ersten Warnstreikrunde Funktionärstreffen einzuberufen, um die betrieblichen Funktionäre darauf vorzubereiten wie Warn- und Durchsetzungsstreiks umgesetzt werden können.

Forderungen

Wir meinen aber auch, dass die KollegInnen - wie es ansatzweise im Stuttgarter Landesbezirk und im Einzelhandel auch bundesweit versucht wurde -, den Streik unter ihrer Kontrolle führen müssen.

Damit der Tarifkampf erfolgreich wird und die Beschäftigten in den Kampf geführt werden können, muss dieser um folgende zentrale Forderungen und unter folgenden Bedingungen geführt werden:

  • Aufbau von lokalen Streikkomitees, die bundesweit koordiniert werden müssen, damit der Kampf unter Kontrolle der Beschäftigten geführt werden kann;

  • Aufbau von Solidaritätskomitees in den Stadtteilen;

  • zügige Urabstimmung über den Beginn eines Vollstreiks;

  • volle Durchsetzung der Lohnforderung und der anderen Forderungen;

  • Einführung einer Millionärssteuer;

  • Rücknahme der Steuervergünstigungen der letzten 15 Jahre, z.B. der Senkung der Körperschaftssteuer und des Spitzensteuersatzes!

Editorische Hinweise

Wir erhielten den Artikel von:

ARBEITERMACHT-INFOMAIL
Nummer 736
17. März 2014

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