Vorbemerkung:
Adressiert ist der Brief an "Die LINKE" im Hinblick
auf die Zustimmung zur Verlängerung des EU-"Hilfs"programms
für Griechenland am 27.2.2015 im Bundestag. 41
sozialdemokratische Linksparteimitglieder der
Bundestagsfraktion stimmten dennoch für die Verlängerung des
Hilfsprogramms für Griechenland, 3 dagegen, 10 enthielten
sich.
red. trend
Liebe GenossInnen,
Wir wollen Euch und die Partei “Die Linke” über den Inhalt des
provisorischen Vertrags zwischen der griechischen Regierung und
der Führung der Eurozone am 20.2015 informieren – zumindest
darüber, wie wir ihn gelesen haben. Gleichzeitig wollen wir Euch
eine kurze Einschätzung des Inhaltes der Reformliste geben, die
unser Finanzminister Gianis Varoufakis an die Eurogruppe
geschickt hat.
Beide Texte entsprechen nicht den wichtigsten Punkten unseres
Wahlprogramms. Schlimmer noch: Die wichtigsten Punkte unseres
Programms werden dadurch praktisch außer Geltung gesetzt.
An dieser Stelle können wir Euch nur einige wenige Beispiele
geben. Der Anstieg des Mindestlohnes auf 750 Euro wird nicht
kurzfristig von unserem Parlament “einseitig” durchgesetzt
werden können. Er kann höchstens eine langfristige Perspektive
werden, die unter dem Vorbehalt steht, dass er die
Wettbewerbsfähigkeit des Landes in der internationalen
Konkurrenz (“competitivness”) nicht schwächt.
Die schon vollendeten Privatisierungen bleiben in Kraft.
Diejenigen bei denen das Verfahren noch läuft, soll der Prozess
unter „Beachtung der Legalität” abgeschlossen werden. Eine
prinzipiell ablehnende Haltung zu den Privatisierungen kann man
in dem Text an keiner Stelle finden.
Stattdessen behauptet der Text, dass die „Modernisierung” des
Systems der sozialen Sicherung weitergeführt wird. Diese
„Modernisierung“ bedeutete in der Vergangenheit immer
Sozialabbau.
Im Rahmen des Vertrages liegt die Kontrolle über die
Finanzierung des Gesundheitssystems in den Händen ausländischer
ausländischer „Institutionen“, darunter auch die OECD. Die
wesentliche Kernforderung des Wahlprogrammes von SYRIZA –
nämlich Steuererleichterungen für Lohnabhängige und keine Steuer
auf Einkommen unter 12.000 Euro wird auf unbestimmte Zeit
verschoben.
Fast kein Gesetzesentwurf kann ohne Einverständnis der Troika,
die jetzt zu “den Institutionen” umgetauft wurden und ohne
finanzielle Ausgleichsmaßnahmen eingeführt werden.
Auch die Maßnahmen für die Lösung der humanitären Krise dürfen
keine negativen finanzpolitischen Konsequenzen haben.
Wir möchten betonen, dass die Verlängerung des
Finanzierungsvertrags von 2012 für vier Monate politisch und
juristisch ohne die Einhaltung der Memoranden mit alle ihren
juristischen Konsequenzen unmöglich ist. Den
Finanzierungsvertrag von den Memoranden zu trennen ist einfach
unmöglich. Dies bedeutet, dass die Memoranden und ihre
Anwendungsgesetze im wesentlichen ihre Geltung behalten.
Die Skepsis und Ablehnung gegen diesen neuen Vertrag wurden auch
in der Sitzung der Fraktion von SYRIZA am Mittwoch den 25.
Februar deutlich zum Ausdruck gebracht. 70 Mitglieder der
Fraktion stimmten in einer Probeabstimmung für den Vertrag, 40
Abgeordnete stimmten gegen den Vertrag und 30 Abgeordnete nahmen
an den Abstimmung nicht teil.
Auch die neue Präsidentin des Parlaments stimmte gegen den
Vertrag. Während des Wochenendes findet eine Sitzung des
Zentralkomitees von SYRIZA statt, in der über den Vertrag und
die von der griechischen Regierung vorgelegte Reformliste
entschieden wird.
Für uns steht fest, dass die Ratifizierung dieses Vertrages
durch europäische Parlamente unter Zustimmung der Parteien der
Linken den griechischen Lohnabhängigen und dem griechischem Volk
nicht nützlich sein kann.
Die Solidarität zwischen den linken Parteien und Formationen in
Europa und die notwendige Unterstützung der Regierung von SYRIZA
muss aus unserer Sicht einer wichtigen Bedingung unterliegen:
Dass sie die Memorandumspolitik hinter sich lässt und den
Neoliberalismus praktisch und nicht nur durch Worte und
Kommunikationstricks bekämpft.
Angesichts dieser Situation stellt sich die Frage, welche
Position die LINKE im Bundestag einnehmen sollte Unserer Meinung
nach ermöglicht man der griechischen Linken und im besonderem
SYRIZA die Chance, sein Programm zu verwirklichen, wenn man
gegen diesen Vertrag stimmt. Ein „Ja“ hingegen öffnet den Weg in
eine Welt der falschen Illusionen.
Dimitris Belantis, Rechtsanwalt-Dr jur, Mitglied des ZK von
Syriza
Stathis Kouvelakis, Professor an der Universitaet, King’s
College London, Mitglied der ZK von Syriza
Quelle:
Zusendung aus Leser*innenschaft am 27.2.2015
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