In der „Frankfurter
Rundschau“ und im „Neuen Deutschland“ läuft seit drei
Monaten eine Debatte darüber,
wie die gesellschaftliche Linke und in und mit ihr die
Partei DIE LINKE sich dem
wachsenden Rechtstrend in Deutschland und Europa
entgegenstellen können.
Die meisten der
Wortmeldungen (so Klaus Ernst in seinem den Reigen
eröffnenden FR-Beitrag;
Petra Sitte und Jan Korte in ihrem ND-Beitrag;
die zweite Hälfte des FR-Beitrages
von Michael Brie und auch der auf seine Art der
etwas philosophischschrullige
Beitrag von Thomas Seibert vom Institut für
solidarische Moderne) sehen im
Mittelpunkt einer linken Gegenoffensive die verstärkten
Bemühungen um eine linke
Regierung. Darunter verstehen sie das
konventionelle Modell einer Mitte-Links-Regierung. Für
Deutschland wird das in das schon ziemlich
ausgelutschte „Rot-Rot-Grün“ übersetzt, für andere
europäische Staaten gibt es gar nicht erst konkrete
Vorschläge. Zur Ermöglichung einer solchen
Regierungsmehrheit müsste die LINKE mal
wieder über einige ihrer Schatten, vor allem in
der Außen- und Friedenspolitik springen.
Im Zentrum einer solchen
„linken Regierung“ müsste ansonsten eine
Demokratisierungsoffensive stehen, wie sie auch
das übergreifende Projekt DIEM25 von
Gianis Varoufakis und anderen vorschlägt.
Es verwundert nicht
wirklich, dass dieselben Protagonisten das gleiche
politische Modell schon immer
als Option Nummer Eins angesehen haben. Selbst zu
Zeiten, in denen die LINKE in
Deutschland gerade aus der tiefen Krise der Regierung
aus „Rot-Grün“ entstanden ist und es eher einen schönen
Linkstrend gab. Ob es regnet oder die
Sonne scheint: Rot-Rot-Grün ist so leblos, das
passt immer. Da die neue Rechte heute
allerdings real und lebensbedrohend ist, ist die
Beliebigkeit, mit der hier führende
Mitglieder einer der größten linken Parteien in
Europa Vorschläge zum Kampf gegen
Rechts vortragen an dieser Stelle auch ziemlich
ärgerlich. Dass es auch klüger
geht, beweist Michael Brie im ersten Teil seines
Beitrages – was ihn leider nicht
hindert, im Rest dann umso platter das Modell
„Mitte-Links-Regierung“ und die
Neupositionierung der LINKEN in der Kriegsfrage
herbeizurufen. Ich zitiere mal die
Klugheit:
„In allen drei genannten
Fragen möchte ich widersprechen: Erstens war es die
neoliberale Politik der Allparteienkoalition,
die das permanente Erstarken der Rechten
ermöglicht hat. Von dieser Politik geht keine
Hoffnung aus, und wo die Hoffnung
verkümmert, wachsen Nationalismus und
Ausgrenzung. Zweitens können wir uns nicht
von der Abwehrlinie aus neu erfinden. Wir dürfen
uns nicht vors eigene Tor
stellen, sondern müssen den
Angriff ins gegnerische Feld tragen (...). Und drittens
und vor allem:
Es geht nicht um eine Mitte-Links-Regierung. Von denen
gab es in der Europäischen Union
schon viel zu viele. Mitte-Links hat die umfassende
Durchsetzung des Neoliberalismus
mit modifizierten Mitteln erst ermöglicht. Die
Regierung Schröder- Fischer war
die Probe aufs Exempel. (...) Es ist Zeit, den Kampf um
wirklich linke Regierungen
aufzunehmen.“
Genau so ist
es. Um die politische Mobilisierung für wirklich linke
Regierungen in Europa zu erfassen, ist es sinnvoll,
sich darüber genauer im Klaren zu sein, warum die
neoliberale Politik die Hoffnung zerstört und die Saat
für den aktuellen Rechtstrend gelegt hat.
Die Krise
der Europäischen Union
Als im Jahre
1998 in fast allen Staaten der damaligen EU
Mitte-Links-Parteien unter der Führung
sozialdemokratischer Parteien oder die Sozialdemokratie
allein die Regierungen stellte, waren die Hoffnungen in
das Projekt der EU auf ihrem Höhepunkt. Die
herrschenden Klassen in den europäischen Staaten
standen vor der Umsetzung ihres Planes, ein
kapitalistisch vereintes Europa zu schaffen, das zu so
viel gemeinsamer Politik fähig sei, wie der
Konkurrenzkampf mit den anderen Großmächten es
erforderte. Der gemeinsame Binnenmarkt, einschließlich
eines Netzes von assoziierten Staaten an Peripherie,
mit mehr als 500 Millionen Arbeitskräften und
Konsument*innen war etabliert und die Konkurrenzen
zwischen den einzelnen EU-Mitgliedern im notwendigen
Umfang zurückgedrängt. Gemeinsame Großinvestitionen im
Verkehrs- und Chemiesektor und vor allem der
Informationstechnologie wurden ermöglicht. Ein System
der gemeinsamen Verträge ermöglichte eine
Vereinheitlichung im staatlichen Überbau mittels
Gesetzen und Verordnungen, wie es von Kapitalseite
gefordert wurde.
Und selbst
auf dem heiklen Gebiet der Außen- und
Verteidigungspolitik wurden Grundlagen vereinbart, auf
denen im Rahmen der Nato und der Akzeptanz der
Vorherrschaft der USA auch ein wachsender eigener
europäischer Beitrag und entsprechende Geschäfte der
europäischen Rüstungsindustrie möglich wurden. Der
Wunsch nach einem größeren Anteil für das europäische
Kapital bei der seit 1990 andauernden
Großauseinandersetzung um die Neuaufteilung der
Weltmärkte nach dem Ende der nicht-kapitalistischen
Staaten in Osteuropa und dem zunehmenden Wandel Chinas
in eine sich dem Weltmarkt unterordnende
Volkswirtschaft wurde zum Teil realisiert. Und
letztlich wurde das neue starke Deutschland in diese
europäische Einigung eingebunden. Das Hauptmittel dafür
war die etwas übereilte Einführung des Euro, mit der
eine zu große Vormachtstellung Deutschlands verhindert
werden sollte. Der Optimismus war groß, dass die mit
den Verträgen von Amsterdam, Maastricht, und später
Lissabon angelegte Entwicklung alle noch offenen
Probleme schrittweise lösen würde. Insbesondere vom
Euro versprachen sich die europäischen Banker nicht nur
viele neue Finanzgeschäfte, sondern auch so viel
Wirtschaftswachstum für alle Teile Europas, dass die
realen großen Unterschiede in der Produktivität der
einzelnen Mitgliedsstaaten – die vor dem Euro mittels
währungspolitischer Maßnahmen neutralisiert werden
konnten – im Gegensatz zu vielen Voraussagen von
„Experten“ keine zerstörerische Kraft mehr würden
ausüben können.
Die schweren
Defizite in der demokratischen Verfasstheit dieser EU
versprachen insbesondere die Mitte-Links-Parteien
kontinuierlich mindern zu wollen: Die Rolle des
Europäischen Parlaments sollte gestärkt und ein
allgemeiner verfassungsgebender Prozess beschleunigt
werden. Die mächtige Bürokratie mit ihrer Tendenz zur
Verselbständigung sollte abgebaut und in transparente
politische Entscheidungsprozesse integriert werden.
Schließlich wurde auch mit mal mehr mal weniger
Fanfarenmusik behauptet, die EU sei eine große
Friedensinitiative und allgemeine Fortschrittskraft,
die alle großen Menschheitsfragen – allen voran die
Sicherung des Friedens in der Welt sowie die Rettung
des Klimas und der Stabilität der Biosphäre – Schritt
für Schritt lösen würde.
Die EU
sollte, davon träumten wieder mal vor allem die
Mitte-Links-Parteien, der neue Hoffnungsträger der
bürgerlichen Politik werden, der sogar zu so etwas wie
einem europäischen Nationalbewusstsein bei der Masse
der Menschen führen würde. Heute ist völlig unstrittig,
dass dieses Projekt der EU und die damit verknüpften
Hoffnungen in einer existenziellen Krise sind. Die
größte Weltwirtschaftskrise seit 1929, die 2007 begann,
hat die zentralen Träume der EU-Architekten zerplatzen
lassen. Die Bankenrettungsprogramme und die damit
verbundene Vergesellschaftung der vorherigen privaten
Bankschulden haben die ökonomischen Gefälle zwischen
den Mitgliedstaaten nicht etwa nivelliert, sondern
vertieft. Der Zwang zum Euro hat die Volkswirtschaften
in Südeuropa, besonders Griechenland, Spanien,
Portugal, Italien zum Daueropfer der realen
Produktivitätsunterschiede zu den starken Ökonomien,
allen voran Deutschlands, werden lassen. Die Debatten
um einen Austritt aus dem Euro sind sowohl auf der
rechten als auch auf der linken Seite der politischen
Kräfte nicht mehr zubremsen – überflüssig zu sagen:
dass es keine identischen Debatten von Rechts und Links
sind, sondern sich konträr gegenüberstehende.
Die deutschen
Regierungen – erst Rot-Grün, dann Schwarz-Gelb, dann
Schwarz-Rot - verfolgten einen ökonomischen Kürzungs-
und Sanierungskurs, der die Vorherrschaft der deutschen
Volkswirtschaft in Europa zu größeren Höhen führte, als
das deutsche Kapital selbst zu Hitlers Zeiten sich
vorzustellen wagte. Andere Regierungen in Europa taten
es der deutschen durchaus nach, aber die Summe ihrer
Aktivitäten war lediglich die Vertiefung der
ökonomischen Hierarchie und die Steigerung der
ungleichen Verteilung der Kosten der
Weltwirtschaftskrise. Heute propagiert die deutsche
Regierung offen, alle Regierungen Europas sollen ihr
EU-feindliches Rezept nachmachen., was die EU-Krise
zusätzlich politisch-ideologisch vertieft. Die neuen
rechten Führungsfiguren – in Ungarn, Frankreich,
Britannien, Skandinavien usw. – sind zu einem guten
Teil auch „Anti-Deutsche“.
Weltweit hat
die neoliberale Wende in den achtziger Jahren, aber
noch mehr die Krisenpolitik nach der großen Krise von
2007 zu einer gigantisch ungleichen Verteilung der
Einkommen und Vermögen in der Welt geführt. Das Bild
der 62 Multimilliardäre, die die Hälfte des Reichtums
auf der Welt besitzen, sagt alles. Der freie Welthandel
und die ökonomische Zurichtung aller Sektoren der Welt
entlang seiner Gesetze haben zu Massenelend und
Vertreibung von Millionen Menschen aus ihren
volkswirtschaftlichen Strukturen geführt. Die
beschleunigte Zerstörung des Klimas und der Biosphäre
in Folge dieser weltweiten kapitalistischen
Produktionsweise hat sich selbst zu einem weiteren
großen Grund für Flucht und Verarmung entwickelt.
Gleichzeitig
sind die Versuche, die Welt im Sinne des Kapitals neu
zu ordnen, in furchtbaren Neuordnungskriegen, mit
failed states, Massenelend und Massenflucht
gescheitert. Diese Kriege und ihre Ergebnisse haben den
linken, oder auch nur republikanisch-säkularen
Antiimperialismus geschwächt und sowohl eine rechte
Radikalisierung des Islam als auch eine rechte
Radikalisierung der Islamfeindschaft hergebracht.
Der Versuch,
die EU als Alternativmodell zu dieser Politik, als
Hoffnungsträgerin zu etablieren ist restlos
gescheitert. Die alten nationalen Differenzen der
Mitgliedstaaten sind nicht geringer geworden, sondern
auf höherer Ebene erneut ausgebrochen. Die Ambitionen
der EU-Elite, sich eigenständig in den militärischen
Konflikten entweder als schlichtende oder als
parteiisch eingreifende Kraft zu etablieren, sind
zugunsten der alten militärischen Mächte USA,
Frankreich, Britannien, Italien usw. geschwunden. Die
Demokratie-Defizite der EU sind nicht kleiner, sondern
größer geworden. Sowohl die Regierungen der
Einzelstaaten, als auch die EU-Verwaltung sind in eine
hektische Phase der Politik mittels tagespolitischer
Verordnungen geraten. Die Parlamente, das EU-Parlament
natürlich zuerst, werden zu Abnickbuden der
Regierungsvorgaben degradiert und selbst Wahlen werden
kurzerhand ausgehebelt, wenn das Ergebnis nicht stimmt.
Selbst die wenigen demokratischen Vorzeigeprojekte, wie
die Abschaffung der Grenzkontrollen, werden im Zuge der
Politik zur Eindämmung der Flüchtlingsströme
kurzfristig aufgehoben.
Die EU wird
bei der Mehrzahl der Menschen in Europa nicht als
Hoffnung, sondern als Bedrohung wahrgenommen. Die
Angebote zur scheindemokratischen Partizipation werden
nicht angenommen, die Wahlbeteiligungen sinken auf
Tiefststände und es ist von einer tiefen
Legitimationskrise der EU die Rede, selbst bei der
Elite der EU. Niemand entwickelt zurzeit ernsthaft eine
Perspektive, mit der die kapitalistische EU aus dieser
Todeskrise wieder herauskommen kann. Das ist der
Nährboden für den neuen Aufschwung von
rechtspopulistischen und nationalistischen, bis hin zu
neo-faschistischen Parteien und Bewegungen fast überall
in Europa. Eine linke Bewegung gegen diese neue Rechte
hat deshalb als erste Aufgabe, das EU-Projekt scharf zu
kritisieren und jede Illusion, es könnte von innen
heraus saniert werden, zu zerstören. Links muss heute
heißen: Ein neuer Internationalismus, eine neue
politische Internationale und ein sozialistisches
Europa von unten. Das wäre auch ein schönes Aufgreifen
des Erbes von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, deren
Namen sich die Einrichtungen der LINKEN gegeben haben.
Die neuen
Linkskräfte und der Kampf gegen Rechts
Das erste
große politische Opfer dieser Krisenentwicklung in
Europa waren die Mitte-Links-, insbesondere die
sozialdemokratischen Parteien. Sie haben in fast allen
Ländern ihren Einfluss und ihre Mitglieder massenhaft
verloren. Die Führungen dieser Parteien haben fast
ausnahmslos den Kurs der EU und der Krisenbewältigung
der letzten Jahre mitgetragen, wenn nicht
verantwortlich geführt. Nachdem eine ganze Generation
von Parteimitgliedern und Führungen den Schwenk vom
Keynesianismus zur Unterstützung der neoliberalen
Politik im letzten Jahrzehnt des 20 . Jahrhunderts
vollzogen hat, ist die folgende Generation fest mit der
Bewältigung der Krise dieser Politik verbunden, ohne
aber die politischen und personellen Konsequenzen
daraus ziehen zu wollen und zu können.
Mit Ausnahme
der britischen Labour-Party – und ob die Rückkehr von
New zu Old Labour wirklich eine Ausnahme ist, wird sich
noch zeigen, die vielen neuen jungen Mitglieder im Zuge
der Corbyn-Kampagne sprechen eher dagegen – sind alle
neuen Linkskräfte in Europa deshalb außerhalb und gegen
die alten Mitte-Links-Parteien entstanden. In
Deutschland ist die LINKE zur Hälfte Ergebnis der
tiefen Krise der Sozialdemokratie und der Bewegung
gegen die konkrete Politik der von ihr geführten
Regierung.
Wer sich der
neuen Rechtsentwicklung entgegenstellen will, kann dies
nur mit diesen neuen Linkskräften tun. Sicherlich
werden einzelne, gelegentlich sogar ganze Gruppen von
Sozialdemokraten sich dieser neuen Linken anschließen.
Das ist zu unterstützen, es wird aber immer nur als
Bruch mit der vergangenen Politik erfolgen und
wahrscheinlich auch als persönliche Abgrenzung zum
alten Führungspersonal der Sozialdemokratie. Darunter
wird es nicht gehen. Nur eine starke autonome Linke,
die nicht verstrickt ist in die Verbrechen der
Sozialdemokratie der letzten Jahrzehnte,verhindert
letztlich die Stärkung der Rechten.
Inhaltlich
ist nach der oben skizzierten Analyse völlig klar, dass
die Linke sich um eine Kritik und um scharfe Ablehnung
des kapitalistischen EU-Projekts und des darin
innewohnenden Nationalismus sowie der Entwicklung eines
neuen, linken Internationalismus ausrichten muss. Die
EU ist nicht nur ökonomisch gescheitert, wie es die
Initiator*innen der „Plan-B“-Kampagne richtig anmerken,
sondern vor allem auch als politisches Projekt. Auf
dieser Ebene wird zurzeit das Feld im starken Maße den
neuen Rechten überlassen. Das muss sich ändern: Für
eine Aufkündigung der EU-Verträge und die Begründung
eines sozialistischen Europas, eines Europas von unten.
Die weiteren
großen inhaltlichen Linien sind von den verschiedenen
Autoren der Debatte in der LINKEN, vor allem in dem
Beitrag von Bernd Riexinger, richtig aufgezeigt worden:
Radikale Umverteilung von Einkommen und – wichtiger
noch – Arbeitszeit sowie ein sozialökologischer Umbau
der Gesellschaft, der nicht vor radikalen Eingriffen in
die Eigentumsverhältnisse halt machen darf. Dazu kommt,
gerade in der Kritik der konkreten Wirklichkeit der EU,
die Skizze einer umfassenden basisdemokratischen
Neukonstituierung „Europas“, die an den realen sozialen
Bewegungen und den europäischen
Gewerkschaftsmobilisierungen anknüpft.
Eine solche
Linke könnte ein wenig die Hoffnung neu erfinden, die
durch die Politik der Mitte-Links-Kräfte, gar nicht zu
reden von den bürgerlichen Parteien der EU, zerstört
wurde. Die neuen Rechtskräfte versuchen zurzeit massiv
den öffentlichen Diskurs und die Straßen zu erobern.
Die LINKE und die Linke müssen sich dabei entgegen
stellen und dabei nicht die schweren Fehler der
Arbeiterparteien aus der Weimarer Republik wiederholen.
Christine Buchholz, Nicole Gohlke und Hubertus Zdebel
haben sich dieser Notwendigkeit einer neuen modernen
Einheitsfrontpolitik in ihrem Debattenbeitrag gewidmet,
ein wenig auch Klaus Ernst in seinen Beiträgen. Dem ist
nur eines hinzuzufügen: Es sollten in solchen konkreten
Bündnissen gegen Rechts keine Unvereinbarkeiten und
selbstkritische Distanzierungen der Sozialdemokraten
von ihrer Verantwortung für den Aufschwung der Rechten
verlangt werden, aber das Gegenteil darf auch nicht
Grundlage der Aktionen sein: Die Ausklammerung der
Kritik an der EU und an der Politik der europäischen
Regierungen.
Die Krise der
EU und des kastrierten Internationalismus der
Sozialdemokratie hat aktuell ein dramatisches,
menschliches Gesicht. Hunderttausende von Flüchtenden
versuchen, in die reichen Zonen Europas zu gelangen.
Das ist ihr gutes Recht und die LINKE sollte die drei
großen Einwände der bürgerlichen Parteien wie der SPD
massiv angreifen: Erstens, es gibt keine Obergrenzen
bei der Wahrnehmung des Grundrechts auf Asyl; zweitens,
Deutschland und die EU haben genug Geld, alle
Flüchtlinge menschenwürdig aufzunehmen und zu
integrieren und drittens, die Politik zur Eindämmung
der Fluchtursachen fängt hier und heute an und ist mit
den Grundlagen der EU-Politik nicht vereinbar. Der
Kampf gegen Krieg, Freihandel und Klimakatastrophe ist
Gegenstand der konkreten Alltagspolitik von heute –
oder er findet nicht wirklich statt.
Die LINKE
sollte darüber hinaus ihre politischen Kräfte dafür
einsetzen, dass die große Wanderungsbewegung der
Flüchtenden auch eine politische Bewegung von
selbstbewussten Akteuren und Akteurinnen wird, wie es
2013 und 2014 teilweise schon der Fall war. Dies muss
die Ergänzung zur so genannten Willkommenskultur
werden. Die deutsche und europäische Linke, die
Europäische Linkspartei und die LINKE können in diesem
Prozess wachsen, wenn sie seine authentischen Wurzeln
und Dynamiken nicht ignorieren. Wer meint, die
Etablierung einer neuen Linken mit parlamentarischen
und Regierungsabsprachen mit der alten Sozialdemokratie
und Mitte-Links-Parteien
garnieren zu wollen, wird bestenfalls nichts erreichen,
wahrscheinlich aber sehr schnell Mit-Opfer des
Abwendungsprozesses von der Sozialdemokratie.
Auf Basis
einer solchen konkreten Politik gegen die neuen
Rechten, wird dann auch sehr schnell die Möglichkeit
von neuen, wirklich linken Regierungen auftauchen. Die
Ereignisse in Griechenland waren dafür nur ein
Vorspiel, so wie der Ausgang der griechischen
Ereignisse nur die erste Lehrstunde war, alle anderen
können dann nur besser werden, denn die linke,
sozialistische Alternative in Europa (und, wenn die
Kampagne von Bernie Sanders in den USA betrachtet wird,
auch darüber hinaus) ist deutlich populärer als die
zaghaften „Rot-Rot-Grün“-Phantasten in der LINKEN es
wahrhaben wollen. Auch diese und nur diese radikale
Linke ist regierungsfähig.
Köln
24.02.2016
Thies Gleiss – Mitglied im BundessprecherInnenrat der
Antikapitalistischen Linken in der Partei DIE LINKE
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