Bernard Schmid berichtet aus Frankreich

Medienmacht des Konzernherrn Vincent Bolloré & Zensur

03/2016

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Eine absolute Schande! Gebt uns die alten Autoren zurück!“ Diese Twitternachricht zog zahlreiche Reaktionen nach sich. Sie stammte von dem bekannten Kabarettisten Stéphane Guillon – die Absetzung seiner Sendung beim öffentlich-rechtlichen Rundfunksender France Inter hatte 2010 eine Welle der Empörung. Am vergangenen Montag Abend (14.03.16) protestierte Guillon mit diesen Worten gegen einen Sketch, den der Privatfernsehsender Canal + im Rahmen seiner satirischen Puppensendung Les Guignols ausstrahlte.

In der Sequenz, die seitdem vielfach kritisiert wurde, tauchen die rechtsextremen Prominenten Marine und Jean-Marie Le Pen auf. Beide streiten sich, wie sonst im richtigen Leben, um den rechten Kurs. Auf dem TV-Bildschirm entscheiden sie über die einzuschlagende Linie, indem sie ein Kinderspiel – „Papier, Schere, Stein“- imitieren. In ihrer rassistischen Version heißt es jedoch Beur, feuj, négro. Damit greifen die Autoren des Sketchs mehrheitlich rassistisch besetzte Bezeichnungen für Araber, für Juden und für Schwarze auf. Eine halbe Minute lang folgen ungeschminkt rassistische Äußerungen über alle drei Gruppen, die den rechten Führungsfiguren in den Mund gelegt werden.

Infolge wachsender Kritik berief sich der Produktionsleiter der Sendung, Yves Le Rolland, auf die satirische Absicht: Es sei doch „unzweideutig“ darum gegangen, die Rechten in den Kakao zu ziehen. Viele BeobachterInnen sahen das anders und sahen jedoch ein Tabu verletzt, weil rassistische Ideen unmittelbar ausformuliert worden seien. Sollte es sich um eine Auseinandersetzung mit der nationalistischen Rechten handeln, dann sei diese viel zu flach.

Vielleicht war es auch einfach das Streben nach einer Erhöhung der Einschaltquote, indem man von sich reden macht, das den Sender motiviert hatte. Die Sendung, die seit 1988 einen festen Platz in der Medienlandschaft hatte, läuft nämlich nicht mehr sonderlich gut. Nach halbjähriger Pause wird sie erstmals seit dem 14. Dezember vorigen Jahres wieder ausgestrahlt. Zuvor war sie weitgehend umgekrempelt worden, auch ihr Name – früher lautete er Les Guignols de l’info („Die Info-Kasper“) – wurde eingekürzt. Die vier vormaligen Autoren des täglichen Drehbuchs wurden durch vier neue ersetzt: Matthieu Burnel, Nans Delgado, Cédric Clémenceau und Frédéric Hazan. Nicht nur der Twitter-Autor Guillon fand jedoch das alte Team um Längen besser. Die Sendung hat sich auch teilweise entpolitisiert, und war sie früher kostenlos zu empfangen, so ist sie heute zahlungspflichtig oder nur mit zeitlicher Verzögerung im Internet zu sehen.

Monatelang sah es im Sommer und Herbst 2015 sogar weitestgehnd so aus, als würde die Sendung ganz gekippt, wogegen sich im Juli 15 eine Petition mit 43.000 Unterschriften richtete. Ihre Bedrohung stand im Zusammenhang mit der offensiven Unternehmenspolitik des Milliardärs Vincent Bolloré, der zur Jahresmitte 2014 die Kontrolle über den Medien- und Multi-Konzern Vivendi (konkret: dessen Aufsichtsratsvorsitz) übernommen hatte, nachdem er dort 2012 finanziell mit Kapitalanteilen eingestiegen war. Zu ihm gehört Canal + gehört, aber auch der TV-Sender i-Télé, das französische Youtube-Pendant Dailymotion oder die Universal Music Group.

Insgesamt hat Vivendi für seine diversen Angebote gut acht Millionen Kund/inn/en. Doch wie am 19. Februar bekannt wurde, verlor er im Vorjahr 405.000 Abonnent/inn/en. Bollorés Kehrauspolitik, die unbequeme Stimmen in seinen Medienunternehmen zum Schweigen bringen sollte, hat ebenso wie seine neue Bezahlpolitik einige Leute dazu veranlasst, ihm den Rücken zu kehren. Verluste versucht Vivendi derzeit durch eine internationale Expansion, etwa zum Aufkauf des italienischen Senders Mediaset, zu kompensieren.

Unterdessen versucht die Redaktion von Canal + sich vor dem neuen Boss zu schützen, etwa indem sie eine „JournalistInnengesellschaft“ (SDJ, Société des journalistes) gründete, die ähnlich wie eine Gewerkschaft agiert. Sie arbeitete einen Entwurf für eine „Ethik-Charta“ aus, welche die Unabhängigkeit der redaktionellen Arbeit garantieren sollte. Die Direktion gab darauf jedoch keinerlei Antwort. Am 02. März 16 wurde unterdessen in einem Ausschuss der französischen Nationalversammlung ein Vorentwurf für ein Gesetz, das denselben Zwecken dienen soll, debattiert. Es ist jedoch fraglich, ob er noch in dieser Legislaturperiode durchkommt, die in einem Jahr zu Ende geht. Der Textentwurf sieht die Einrichtung einer „Ethikkommission“ in Medienunternehmen vor. Wie der Vorsitzende der SDJ, Olivier Ravanello, erklärt, geht dies jedoch „nicht weit genug“, zumal eine solche Kommission nach den vorliegenden Plänen „durch die Direktion eingesetzt“ würde.

Im Hause Bolloré wurden bereits mehrere Filmbeiträge zensiert oder aus dem Programm gestrichen, die dem obersten Herrn nicht in den Kram passen. Am 12. Februar d.J.stellte die Sendung Arrêt sur images eine, längere, Liste der bei Bolloré „verbotenen Themen“ auf.

Im Mai 2015 wurde etwa ein kritischer Dokumentarfilm über das Finanzgebahren der Bank Crédit Mutuel-CIC – es ging um Beihilfe zur Steuerflucht - kurzfristig abgesetzt: Wie die Internetzeitung Mediapart im Juli 15 erfuhr, hatte Vincent Bolloré die Redaktion von Canal + angerufen und sich auf seine persönlichen Geschäftsbeziehungen zum Chef der Bank, Michel Lucas, berufen. Letzterer dient als Kreditgeber bei der Expansionsstrategie Bollorés durch Unternehmensaufkäufe.

Erst recht keine Chance haben Beiträge, die sich den Geschäftspraktiken von Bolloré und seines Mischkonzerns (Groupe Bolloré) in Afrika widmen. Dort, in den Fußstapfen der kolonialen und neokolonialen Politik Frankreichs, wurde Bolloré in den letzten dreißig Jahren wirtschaftlich groß. Ursprünglich fing es im Tabakanbau an. Heute kontrolliert Bolloré im französischsprachigen Afrika vielerorts die Infrastruktur, Transportwege und mehrere Häfen an der Atlantikküste.

Wer seine Methoden, um eine dominante Stellung zu erlangen und zu behalten, kritisiert, bekommt es mit der geballten wirtschaftlichen Macht Bollorés – die sich mit politischem Einfluss paart – zu tun. Nicht nur bei seinen eigenen Sendern, wo Themen wie diese nicht angerührt werden dürfen. Bolloré hat auch die Zeitung Le Monde mit dem Verlust von 7,6 Millionen an Werbeeinnahmen bestraft, weil ihm ein Artikel vom Oktober 2013 in der Wochenendbeilage missfiel. Es ging um unlautere politische Einflussnahme von Bolloré in der Elfenbeinküste, um ein Monopol über den Hafen von Abidjan zu erlangen.

Aber es kam noch dicker. Denn Bolloré erstattete Strafanzeige gegen mehrere – ihm nicht gehörende – Medien, die sich erdreistet hatten, über dasselbe Thema sowie über die in Luxemburg ansässige Firma Socfin. Letztere wird dafür kritisiert, Land Grabbing in Westafrika zu betreiben und an Abholzungsmaßnahmen für den Bau von Plantagen zu beteiligt zu sein. Bolloré gehören knapp 40 Prozent der Anteile an der Socfin.

Zur Liste der Presseorgane, gegen die sich gerichtliche Klagen Bollorés richtete, zählen die Netzzeitung Mediapart sowie die Wochenmagazine L’Obs (früher Le Nouvel Observateur) sowie L’Express. Wie hinter den Kulissen zu erfahren war, jedoch noch nicht offiziell bestätigt wurde, zog Bolloré hingegen eine weitere Klage gegen einen Artikel aus der Pariser Abendzeitung Le Monde zurück.

Die finanzschwächere Zeitschrift Basta Magazine wurde von ihm jedoch bereits vor Gericht zitiert, der Prozess fand am 11. Februar dieses Jahres statt. Das Urteil wird für den 7. April 16 erwartet. „Darf man noch über die Aktivitäten des Bolloré-Konzerns berichten?“ fragte sich Basta Magazine aus diesem Anlass. Die Antwort darauf folgt demnächst.

 

Editorischer Hinweis

Den Artikel erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe.