„Eine
absolute Schande! Gebt uns die alten Autoren zurück!“
Diese Twitternachricht zog zahlreiche Reaktionen nach
sich. Sie stammte von dem bekannten Kabarettisten
Stéphane Guillon – die Absetzung seiner Sendung beim
öffentlich-rechtlichen Rundfunksender France Inter
hatte 2010 eine Welle der Empörung. Am vergangenen
Montag Abend (14.03.16) protestierte Guillon mit diesen
Worten gegen einen Sketch, den der Privatfernsehsender
Canal + im Rahmen seiner satirischen
Puppensendung Les Guignols ausstrahlte.
In der Sequenz, die seitdem vielfach
kritisiert wurde, tauchen die rechtsextremen
Prominenten Marine und Jean-Marie Le Pen auf. Beide
streiten sich, wie sonst im richtigen Leben, um den
rechten Kurs. Auf dem TV-Bildschirm entscheiden sie
über die einzuschlagende Linie, indem sie ein
Kinderspiel – „Papier, Schere, Stein“- imitieren. In
ihrer rassistischen Version heißt
es jedoch Beur, feuj, négro. Damit greifen die
Autoren des Sketchs mehrheitlich rassistisch besetzte
Bezeichnungen für Araber, für Juden und für Schwarze
auf. Eine halbe Minute lang folgen ungeschminkt
rassistische Äußerungen
über alle drei Gruppen, die den rechten Führungsfiguren
in den Mund gelegt werden.
Infolge wachsender Kritik berief
sich der Produktionsleiter der Sendung, Yves Le
Rolland, auf die satirische Absicht: Es sei doch
„unzweideutig“ darum gegangen, die Rechten in den
Kakao zu ziehen. Viele BeobachterInnen sahen das anders
und sahen jedoch ein Tabu verletzt, weil rassistische
Ideen unmittelbar ausformuliert worden seien. Sollte es
sich um eine Auseinandersetzung mit der
nationalistischen Rechten handeln, dann sei diese viel
zu flach.
Vielleicht war es auch einfach das
Streben nach einer Erhöhung der Einschaltquote, indem
man von sich reden macht, das den Sender motiviert
hatte. Die Sendung, die seit 1988 einen festen Platz in
der Medienlandschaft hatte, läuft nämlich nicht mehr
sonderlich gut. Nach halbjähriger Pause wird sie
erstmals seit dem 14. Dezember vorigen Jahres wieder
ausgestrahlt. Zuvor war sie weitgehend umgekrempelt
worden, auch ihr Name – früher lautete er Les
Guignols de l’info („Die Info-Kasper“) – wurde
eingekürzt. Die vier vormaligen Autoren des täglichen
Drehbuchs wurden durch vier neue ersetzt: Matthieu
Burnel, Nans Delgado, Cédric Clémenceau und Frédéric
Hazan. Nicht nur der Twitter-Autor Guillon fand jedoch
das alte Team um Längen besser. Die Sendung hat sich
auch teilweise entpolitisiert, und war sie früher
kostenlos zu empfangen, so ist sie heute
zahlungspflichtig oder nur mit zeitlicher Verzögerung
im Internet zu sehen.
Monatelang sah es im Sommer und
Herbst 2015 sogar weitestgehnd so aus, als würde die
Sendung ganz gekippt, wogegen sich im Juli 15 eine
Petition mit 43.000 Unterschriften richtete. Ihre
Bedrohung stand im Zusammenhang mit der offensiven
Unternehmenspolitik des Milliardärs Vincent Bolloré,
der zur Jahresmitte 2014 die Kontrolle über den Medien-
und Multi-Konzern Vivendi (konkret: dessen
Aufsichtsratsvorsitz) übernommen hatte, nachdem er dort
2012 finanziell mit Kapitalanteilen eingestiegen war.
Zu ihm gehört Canal + gehört, aber auch der
TV-Sender i-Télé, das französische
Youtube-Pendant Dailymotion oder die Universal
Music Group.
Insgesamt hat
Vivendi für seine diversen Angebote gut acht Millionen
Kund/inn/en. Doch wie am 19. Februar bekannt wurde,
verlor er im Vorjahr 405.000 Abonnent/inn/en. Bollorés
Kehrauspolitik, die unbequeme Stimmen in seinen
Medienunternehmen zum Schweigen bringen sollte, hat
ebenso wie seine neue Bezahlpolitik einige Leute dazu
veranlasst, ihm den Rücken zu kehren. Verluste versucht
Vivendi derzeit durch eine internationale Expansion,
etwa zum Aufkauf des italienischen Senders Mediaset, zu
kompensieren.
Unterdessen versucht die Redaktion
von Canal + sich vor dem neuen Boss zu schützen,
etwa indem sie eine „JournalistInnengesellschaft“ (SDJ,
Société des journalistes) gründete, die ähnlich
wie eine Gewerkschaft agiert. Sie arbeitete einen
Entwurf für eine „Ethik-Charta“ aus, welche die
Unabhängigkeit der redaktionellen Arbeit garantieren
sollte. Die Direktion gab darauf jedoch keinerlei
Antwort. Am 02. März 16 wurde unterdessen in einem
Ausschuss der französischen Nationalversammlung ein
Vorentwurf für ein Gesetz, das denselben Zwecken dienen
soll, debattiert. Es ist jedoch fraglich, ob er noch in
dieser Legislaturperiode durchkommt, die in einem Jahr
zu Ende geht. Der Textentwurf sieht die Einrichtung
einer „Ethikkommission“ in Medienunternehmen vor. Wie
der Vorsitzende der SDJ, Olivier Ravanello, erklärt,
geht dies jedoch „nicht weit genug“, zumal eine
solche Kommission nach den vorliegenden Plänen
„durch die Direktion eingesetzt“ würde.
Im Hause Bolloré wurden bereits
mehrere Filmbeiträge zensiert oder aus dem Programm
gestrichen, die dem obersten Herrn nicht in den Kram
passen. Am 12. Februar d.J.stellte die Sendung Arrêt
sur images eine, längere, Liste der bei Bolloré
„verbotenen Themen“ auf.
Im Mai 2015 wurde etwa ein
kritischer Dokumentarfilm über das Finanzgebahren der
Bank Crédit Mutuel-CIC – es ging um Beihilfe zur
Steuerflucht - kurzfristig abgesetzt: Wie die
Internetzeitung Mediapart im Juli 15 erfuhr,
hatte Vincent Bolloré die Redaktion von Canal +
angerufen und sich auf seine persönlichen
Geschäftsbeziehungen zum Chef der Bank, Michel Lucas,
berufen. Letzterer dient als Kreditgeber bei der
Expansionsstrategie Bollorés durch
Unternehmensaufkäufe.
Erst recht keine Chance haben
Beiträge, die sich den Geschäftspraktiken von Bolloré
und seines Mischkonzerns (Groupe Bolloré) in Afrika
widmen. Dort, in den Fußstapfen
der kolonialen und neokolonialen Politik Frankreichs,
wurde Bolloré in den letzten dreißig
Jahren wirtschaftlich groß.
Ursprünglich fing es im Tabakanbau an. Heute
kontrolliert Bolloré im französischsprachigen Afrika
vielerorts die Infrastruktur, Transportwege und mehrere
Häfen an der Atlantikküste.
Wer seine Methoden, um eine
dominante Stellung zu erlangen und zu behalten,
kritisiert, bekommt es mit der geballten
wirtschaftlichen Macht Bollorés – die sich mit
politischem Einfluss paart – zu tun. Nicht nur bei
seinen eigenen Sendern, wo Themen wie diese nicht
angerührt werden dürfen. Bolloré hat auch die Zeitung
Le Monde mit dem Verlust von 7,6 Millionen an
Werbeeinnahmen bestraft, weil ihm ein Artikel vom
Oktober 2013 in der Wochenendbeilage missfiel. Es ging
um unlautere politische Einflussnahme von Bolloré in
der Elfenbeinküste, um ein Monopol über den Hafen von
Abidjan zu erlangen.
Aber es kam noch dicker. Denn
Bolloré erstattete Strafanzeige gegen mehrere – ihm
nicht gehörende – Medien, die sich erdreistet hatten,
über dasselbe Thema sowie über die in Luxemburg
ansässige Firma Socfin. Letztere wird dafür kritisiert,
Land Grabbing in Westafrika zu betreiben und an
Abholzungsmaßnahmen
für den Bau von Plantagen zu beteiligt zu sein. Bolloré
gehören knapp 40 Prozent der Anteile an der Socfin.
Zur Liste der Presseorgane, gegen
die sich gerichtliche Klagen Bollorés richtete, zählen
die Netzzeitung Mediapart sowie die
Wochenmagazine L’Obs (früher Le Nouvel
Observateur) sowie L’Express. Wie hinter den
Kulissen zu erfahren war, jedoch noch nicht offiziell
bestätigt wurde, zog Bolloré hingegen eine weitere
Klage gegen einen Artikel aus der Pariser Abendzeitung
Le Monde zurück.
Die finanzschwächere Zeitschrift
Basta Magazine wurde von ihm jedoch bereits vor
Gericht zitiert, der Prozess fand am 11. Februar dieses
Jahres statt. Das Urteil wird für den 7. April 16
erwartet. „Darf man noch über die Aktivitäten des
Bolloré-Konzerns berichten?“ fragte sich Basta
Magazine aus diesem Anlass. Die Antwort darauf folgt
demnächst.
Editorischer Hinweis
Den Artikel
erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe.
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