“Gerechtigkeit und
Würde – Schluss mit der Straflosigkeit für die
Polizei!” Hinter Titeltransparenten mit dieser
Aufschrift liefen am Sonntag Nachmittag rund 10.000
Menschen quer durch Paris, von der place de la
Nation bis zur place de la République. Es handelte
sich um die stärkste thematische, also nicht
parteipolitische Demonstration in der französischen
Hauptstadt seit Beginn dieses Jahres, seit mehreren
Monaten war sie vorbereitet worden. Ihr Anliegen
war es zugleich, Polizeigewalt in Frankreich und
insbesondere in den banlieues oder
Trabantenstädten urbane Ballungszentren
anzuprangern und Rassismus zu kritisieren.
Eröffnet wurde der
bunte und komptakte Demonstrationszug durch die
Opferfamilien, also um die fünfzig Familien, die
eineN AngehörigeN durch polizeiliche
Gewalteinwirkung – ausserhalb von
Notwehrsituationen – verloren hatten. Das Kollektiv
Urgence, notre police assassin! unter
Anleitung der 41jährigen Amal Bentounsi schätzt die
Zahl der Toten juristisch nicht gerechtfertigter
polizeilicher Gewalteinwirkung und
Schusswaffeneinsätze auf 15 jährlich. Dass es unter
dem rechten Innenminister Charles Pasqua (1986 bis
1988 und 1993 bis 95) einmal fünfzig bis 100 pro
Jahr waren, vermag dabei nicht zu trösten.
Bentounsi, eine
Französin marokkanischer Herkunft, verlor ihren
Bruder Amin Bentounsi im April 2012. Er war ein
flüchtiger Straftäter, doch wurde von hinten
erschossen. Polizeizeugen-Aussagen, wonach der
Todesschütze in Notwehr gegenüber einer gezogenen
Waffe gehandelt habe, erwiesen sich im Prozess als
schlicht gelogen: Die Zeugen waren im fraglichen
Zeitpunkt nicht anwesend, und Amin Bentounsi wurde
in den Rücken getroffen. Dennoch sprach ein Gericht
in erster Instanz im Februar 2016 den Todesschützen
frei. Am 10. März 17 wurde er jedoch im
Berufungsverfahren zu fünf Jahren Haft verurteilt –
allerdings auf Bewährung, eine Seltenheit bei einem
solchen Strafmaß.
Die Demonstration,
die am frühen Sonntag Abend in ein Konzert auf der
Pariser place de la République mündete, war von
Spannungen im hinteren Zugteil zwischen autonomen
Gruppen und der Polisei gepraegt. Ab 17 Uhf
ueberflog ein Hubschrauber permanent den Platz der
Abschlusskundgebung und des Konzerts.
Sie richtete sich
auch gegen staatlichen Rassismus und die permanent
von etablieeten Parteien unterhaltene Islamdebatte
sowie gegen Abschiebungen. Kollektive von Sans
papiers (illegalisierten Migrantdn) hatten
ebenfalls stark mobilisiert. Der Marsch prangerte
auch den seit November 2015 geltenden
Ausnahmezustand an. Er wurde soeben durch Präsident
François Hollande bis zkm 14. Juli 2017 verlängert.
Kurz zuvor hatte sein eigener Justizminister
Jean-Jacques Urvoas noch erklaert, die Bedingungen
zu seiner Aufhebung seien reif. Die Verlaengerunf
erfolgte noch vor dem Schusswechsel vpm Samstag am
Flughafen Orly – mit einem « islamistischen
Attentäter », welcher laut ersten
Obduktions-Erkentnissen unter Einfluss von… Alkohol
und weiteren Drogen stand.
Editorische
Hinweise
Wir erhielten den Artikel vom Autor für diese
Ausgabe.
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