Mehrfache jihadistische Attacke in Burkina Faso und Jihadistenterror in Mali

von Bernard Schmid

03/2018

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Die Angreifer waren nur in geringer Anzahl. Doch sie richteten erhebliche Schäden an. Vor allem aber kamen (trotz widersprüchlicher Angaben dazu) ersten Informationen zufolge im westafrikanischen Ouagadougou mindestens 28 Menschen zu Tode, unter ihnen sieben Armeeangehörige sowie acht Angreifer – manche Pressemitteilungen sprechen von neun -, und 85 wurden verletzt. Im Laufe der folgenden Tage wurden die Bilanz allerdings auf acht Tote (alle Militärs) und 80 Verletzte korrigiert, wobei zwischen französischen und örtlichen Medienberichten erhebliche Diskrepanzen auftauchten; vgl. zu diesen erheblichen Widersprüchen zusammenfassend: http://www.jeuneafrique.com

Jedenfalls so viel steht fest: Am vergangenen Freitag, den 02. März 18 attackierten jihadistische Kämpfer fast zeitgleich die französische Botschaft in Ouagadougou, der Hauptstadt des westafrikanischen Staats Burkina Faso, sowie das dortige französische Kulturinstitut und das Hauptquartier (QG) der Armee Burkina Fasos. Letzteres war erst vor kurzer Zeit baulich stärker gesichert worden, Wachtürme aus Beton waren errichtet und die bisherigen improvisierten Barrieren durch solide Absperrgitter ersetzt worden. Doch die Angreifer trugen Militäruniformen, konnten ins Innere des QG-Sitzes gelangen und ließen dort eine Autobombe in ihrem Fahrzeug detonieren. Dies riss ein Loch in die Mauer, durch welches sie ins Gebäudeinnere gelangten.

Drinnen sollte just zu dem Zeitpunkt eine militärische Führungstagung der so genannten „G5 Sahel-Gruppe“ stattfinden. Doch dieses Treffen war kurz zuvor an einen anderen Ort verlegt worden. Sonst wäre die Zahl der Toten wesentlich höher ausgefallen, und es hätten sich ranghohe Militärs unter ihnen befinden. Nach derzeitigem Stand starben fünf der sieben getöteten Militärangehörigen bei der Attacke auf den Sitz des Quartier général. Hingegen kamen an jenem Freitag keine französischen Staatsangehörigen zu Schaden, obwohl zwei der drei angegriffene Ziele dieses Land repräsentieren. An der Beerdigung der acht „gesicherten“ Toten (vgl. oben) – sämtlich Militärs – nahm am Mittwoch, den 08.03.18 in Ouagadougou eine ziemlich große Menschenmenge teil; vgl. zu letzterem Punkt http://www.jeuneafrique.com

Am Samstag Abend, den 03. März 18 versuchten ferner drei Männer, eine zu Kontrollzwecken errichtete Straßensparre in der Näher des Präsidentenpalasts in Ouagadougou zu überfahren. Zwei der drei konnten fliehen, der dritte wurde jedoch erschossen, nachdem er infolge seiner Ergreifung versucht hatte, sich der Waffe eines seiner Bewacher zu bemächtigen. (Siehe dazu auch eine kurze AFP-Meldung: http://www.lefigaro.fr/ ) Regierungskreise in Burkina Faso vermuteten daraufhin einen Zusammenhang zu den drei Attacken vom Vortag. Bei ihnen war auch ein mutmaßlicher Teilnehmer festgenommen worden, wie ebenfalls am folgenden Tag (03.03.18) bekannt wurde; er gilt Sicherheitskreisen zufolge sogar als ein möglicher „Kopf“ der Angriffe. Er wurde im Laufe des Sonntag, den 04. März d.J. durch die örtliche Justiz vernommen. Am Dienstag, den 06.03.18 wurde überdies bekannt, dass bis dahin acht Personen im Zusammenhang mit den Ermittlungen festgenommen wurden. Unter ihnen befänden sich lt. Staatsanwaltschaft auch drei Militärs, zwei aktive sowie ein dritter, welcher infolge von Meutereien in den Reihen der Armee 2011 aus dem Dienst entlassen worden war.

Nunmehr stellen sich viele Beobachterinnen und Beobachter die Frage, ob die Angreifer im Vorfeld wussten, wann genau das zuvor gegenüber der Öffentlichkeit geheim gehaltene Treffen von Armeeprominenten der G5-Länder stattfindet. Diese Staatengruppe umfasst die Länder Mauretanien, Mali, Burkina Faso, Niger und Tschad und koordiniert die militärischen Anstrengungen dieser Länder, um die wachsenden Aktivitäten jihadistischer Gruppen in der Sahelregion zu bekämpfen. Vor allem Frankreich trägt auf internationaler Ebene zur Finanzierung der militärischen Aktivitäten des „G5 Sahel“ bei, diese ist vorläufig auf ein Jahr hinaus gesichert.

Die 2017 gegründete bewaffnete Allianz unter dem demagogischen Namen „Gruppe zur Unterstützung des Islam und der Muslime“ – der GSIM unter Iyad Ag Ghali - hat sich am vorigen Wochenende zu den 36 Stunden zuvor verübten Attacken bekannt. Es handelt sich um eine neue Koalition jihadistischer Truppen in der Sahelzone, deren Kristallisationskern die vormalige Organisation „Al-Qaida im Land des islamischen Maghreb“ (AQMI) bildet. Diese wiederum bestand in ihrem harten Kern aus Staatsbürgern Algeriens, die nach der Niederlage des bewaffneten politischen Islam gegen die Staatsmacht in ihrem Land – die 1999 besiegelt wurde – in den südlich angrenzenden Sahelraum auswichen. Mittlerweile haben sie sich dort mit weiteren Kombattanten aus den umliegenden Staaten vermischt.

Aufgeworfen wird auch die Frage, wie die attackierenden GSIM-Mitglieder an burkinische Armeeuniformen kamen. Möglicherweise liegt die Ursache dafür darin begründet, dass im März 2017 ein Geschäft für Armeebedarf in Ouagadougou geplündert wurde. Dabei waren auch 400 Uniformen entwendet worden. Doch viele in Burkina Faso geben sich mit dieser Antwort inzwischen nicht oder nicht mehr zufrieden und fragen in den Medien des Landes laut nach möglichen Komplizenschaften innerhalb der Armee, zumal die Angreifer über die Abhaltung des nicht öffentlich angekündigten Treffens informiert waren und offenkundig über Ortskenntnisse im Hauptquartier verfügten. Diese These hat nun auch in französische Presseorgane wie Le Point Afrique oder die Tageszeitung Libération Eingang gefunden.

Viele lenken dabei den Verdacht auf Sympathisanten des alten, autoritären Regimes von Blaise Compaoré, der vor gut drei Jahren durch die Bevölkerung gestürzt wurde, nachdem er 27 Jahre lang amtiert hatte: Ende Oktober 2014 wurde der Parlamentssitz durch Protestierende abgefackelt, als die Nationalversammlung über eine Verfassungsänderung abstimmen wollte, die Compaoré eine weitere Amtszeitsverlängerung ermöglicht hätte. Blaise Compaoré wurde durch einen französischen Militärhubschrauber ins Exil befördert und lebt heute im Nachbarstaat Côte d’Ivoire, wo er auf seine Stunde wartet, bislang jedoch vergeblich. Im September 2015 hatten Teile der Armee versucht, durch einen Putsch das Rad der politischen Entwicklung zurückzudrehen, scheiterten dabei aber. Der Prozess gegen die Putschisten sollte just zu Anfang vergangener Woche beginnen, wurde jedoch kurz nach seiner Eröffnung „auf unbestimmte Zeit“ verschoben – am Dienstag Nachmittag voriger Woche (27. Februar 18) hatten alle Anwälte der Verteidigung ihr Mandat geschlossen niedergelegt. Auch in diesem Zusammenhang wurden zahlreiche Vorwürfe verbreiteten Komplizentums in den Institutionen laut. Unter den prominenten Angeklagten befanden sich der frühere Außenminister Djibril Bassolé und Ex-Generalstabschef Gilbert Diendéré.

Altpräsident Blaise Compaoré war außenpolitisch eng mit der Ex-Kolonialmacht Frankreich liiert und war an die Macht gekommen, indem er am 15. Oktober 1987 an der Ermordung seines revolutionär orientierten Amtsvorgängers und Ziehvaters Thomas Sankara mitwirkte. Dass die bislang blockierte parlamentarische Aufklärung zur Rolle Frankreichs dabei nunmehr doch noch vorankommen soll, hat Staatspräsident Emmanuel Macron bei seinem Besuch in Ouagadougou vor einem guten Vierteljahr zugesichert, jedenfalls verbal. Während seiner 27 Jahre an der Macht hatte Compaoré sich gerne als Mittelsmann in allerlei Konflikten der Region aufgeführt, doch Opponenten hatten ihn in den letzten Jahren seiner Amtszeit unter anderem bezichtigt, Jihadisten an der nördlichen Landesgrenze sich einnisten zu lassen, um sich als vermeintlich „Garanten der Sicherheit“ profilieren zu können. Aktuell wäre eine Zusammenarbeit seiner Anhänger – unter der Hand – mit Jihadisten in den Augen von Kritikern geeignet, die demokratisch gewählte aktuelle Regierung zu destabiliserien.

Im nördlich und westlich angrenzenden Nachbarland Mali konnten sich jihadistische Gruppen vor allem im Zentrum des Landes um die Stadt Mopti, und in Teilen des Nordens festsetzen und sind über die Staatsgrenze hinweg aktiv. Am 02. März 18 zeigte sich ein im Auftrag der Vereinten Nationen erstellter Untersuchungsbericht, ein Zwischenbericht über die Umsetzung des Abkommens von Algier von 2015 – das zwischen der Zentralregierung Malis und vormaligen Tuareg-Separatisten geschlossen wurde -, „beunruhigt“ über die „zunehmende Ausbreitung der Unsicherheit“ vom Norden in die Landesmitte durch das Vordringen bewaffneter Gruppen. Das Papier, das den 15 Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats zugestellt wurde, stellt fest, die Unterzeichnerparteien des Abkommens von Algier verlören in einigen Zonen des Landes zunehmend an Einfluss und Kontrolle; ob es sich nun um die Zentralregierung, die früheren Tuareg-Separatisten der „Koordination der Bewegungen für Azawad“ (CMA) oder die bewaffneten Loyalisten der „Plattform“ handele.

Am 25. Januar dieses Jahres starben über vierzig Menschen, darunter gut die Hälfte Zivilisten, an einem Tag infolge jihadistischer Attacken. Allein 26 von ihnen starben in einem Fahrzeug, das von Djibo in Burkina Faso nach Boni im Zentrum Malis unterwegs war, durch die Explosion einer Mine. Ende Februar 2018 führte die französische Sahel-Streitmach „Barkhane“, begleitet von bewaffneten Einheiten der „Bewegung für die Rettung von Azawad“ (MSA) sowie der Gruppierung GATIA – Letztere stehen respektive der vormals separatistischen CMA sowie der loyalistischen „Plattform“ nahe – eine Offensive im Norden Malis durch. Laut Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron wurden dabei rund dreißig jihadistische Kombattanten getötet. Aufgrund von Hinweisen einer „menschlichen Quelle“ am Boden, die sich gegenüber der Luftaufklärung als zuverlässiger herausstellten, attackierten die Militärs am 22. Februar 18 ein Waldgebiet rund 60 Kilometer südwestlich der Stadt Ménaka, in dem sich mutmaßlich auch der Anführer des „Islamischen Staats im Großraum Sahara“ (EIGS) – Abu Walid Al-Sahraoui – aufhielt. Letzter entkam der Offensive jedoch.

Der EIGS ist derzeit in der Sahelregion der große Konkurrent des GSIM und kooperiert mit dem „Islamischen Staat“ im Mittleren Osten, während sein Rivale mit dem Netzwerk Al-Qaida zusammenarbeitet. Der GSIM seinerseits behauptet in dem Bekennerschreiben vom Samstag, seine Terrorangriffe in Ouagadougou seien eine Vergeltung für weitere jüngste französische Militäroperationen in Mali, bei denen am 14. Februar d.J. der hochrangige GSIM-Anführer Hassan Al-Ansari den Tod gefunden hat.

Editorische Hinweise

Wir erhielten den Artikel vom Autor für diese Ausgabe. Er ist die ausführliche Fassung eines Artikels, der in der Berliner Wochenzeitung ‚Jungle World‘ vom 8. März 18 erschien.