.... Nachdem der
Generalstreik des Ruhrproletariats Mitte
Februar von sozialdemokratisch geführten
Sicherheitswehren und von Freikorps blutig
niedergeschlagen worden war (allein in Bottrop
92 Tote), begann am 24. Februar der
Generalstreik in Mitteldeutschland. In dem
Streikbeschluß der Bergarbeiter heißt es:
"Die
Bezirkskonferenz der Bergleute in Halle
erklärt:
1. Da alle
Wege beschriften sind, die Forderungen der
Bergarbeiter durchzusetzen, die aber von der
Regierung zurückgewiesen sind, gebrauchen wir
die letzte furchtbare Waffe und erklären für
morgen, Montag, den 24. Februar, den
Generalstreik." (158)
Den Bergarbeitern
schlössen sich in den nächsten Tagen die
Eisenbahner, die Arbeiter von Erfurt, Gotha,
Leipzig und anderen mitteldeutschen Städten an.
Der Aufruf des Arbeiter- und Soldatenrats
Leipzig vom 27. Februar lautete:
"Arbeiter,
Arbeiterinnen!
Das immer
frechere Auftreten der Gegenrevolution, der
Mord an Eisner, die blutige Abwürgung des
Ruhrstreiks, die Weigerung der Regierung zu
sozialisieren, fordert den entschiedensten
Widerstand der Arbeiterschaft heraus.
Die Bergleute
in Mitteldeutschland sind für den Streik für
die Sozialisierung, gegen die Regierung
eingetreten. Die chemische Industrie, die
Überlandzentralen, die Eisenbahner haben sich
angeschlossen.
Die
Leipziger Arbeiterschaft unterstützt diesen
Streik. Sie hat in den Betrieben abgestimmt.
Das Resultat ist 34 012 für den Streik, 5 320
gegen den Streik. Dazu kommen die
Eisenbahner, die einstimmig den Generalstreik
beschlossen haben. 40 000 Arbeiter für den
Generalstreik, nur 5 000 dagegen, das ist der
Wille der Leipziger Arbeiterschaft. Arbeiter,
der Streik ist beschlossen. Er muß
durchgeführt werden, trotz aller Opfer. Er
muß mit gewaltiger Wucht einsetzen.
Solidarität muß geübt werden.
Heraus aus den
Betrieben! Keiner darf sich ausschließen!
Heraus zum Generalstreik für den Sozialismus!
Die
Streikleitung A.- u. S.-Rat Leipzig" (159)
Als schließlich
auch das Berliner Proletariat begann,
Streikforderungen aufzustellen, die auf der
Vollversammlung der Großberliner Arbeiter- und
Soldatenräte beschlossen werden sollten,
erkannte die Reichsregierung den Ernst der Lage
(160). Die Arbeiter der Spandauer
Staatsbetriebe hatten am 27. Februar unter
anderem gefordert:
1) Enteignung aller
Banken, Bergwerke, Hütten sowie aller
Großbetriebe in Industrie und Handel.
2)Konfiskation aller
Vermögen von einer bestimmten Höhe an.
(Zentralrat bestimmt)
3)Beseitigung aller
Parlamente und Gemeinderäte und Übernahme
ihrer Funktion durch die A.- und S.-Räte.
4) Einsetzung eines
Revolutionstribunals, vor dem die
Hauptschuldigen am Kriege, die beiden
Hohenzollern, Ludendorff, Hindenburg und
Tirpitz, sowie die Verräter an der
Revolution, Ebert, Scheidemann und Noske,
abzuurteilen sind..." (161)
Am 28. Februar
gelang es jedoch den Sozialdemokraten, den
Generalstreikbeschluß des Berliner Proletariats
durch Vertagung der Vollversammlung der
Arbeiter- und Soldatenräte auf den 3. März noch
einmal zu verschieben. Die sozialdemokratische
Fraktion in der Nationalversammlung brachte
inzwischen am 1. März einen
Sozialisierungsantrag ein, und am 3. März legte
die Reichsregierung der Nationalversammlung ihr
Sozialisierungsgesetz vor. Mit diesen
Entwürfen sollte die Erfüllung der
Sozialisierungsforderungen der Arbeiter
vorgetäuscht werden. Die Regierung
versuchte mit diesem Vorstoß die Streikwelle zu
brechen.
Aufschlußreich
ist in diesem Zusammenhang ein Ausschnitt aus
der Rede des Abgeordneten Burlage (Zentrum)
während der Debatte über das
Sozialisierungsgesetz, das schließlich am 13.
März auch wirklich verabschiedet wurde.
Burlage:
'Herr Vogler
sprach sogar vom Bolschewismus. Durch solche
Bilder lassen sich nur Kinder schrecken. Wir
werden später die Gesetze mit Verstand und
Vernunft machen, wir werden bedenken, welches
die Folgen der Gesetze sein werden, und wir
werden es abwenden können, daß derartige Folgen
eintreten, wie sie soeben an die Wand gemalt
wurden. Gerade um nicht in den, Bolschewismus
hineinzugeraten, machen wir auch diese Gesetze
im gegenwärtigen A ugenblick. Ich denke, die
Zusammenhänge sind so klar, daß ich sie nicht
weiter auseinanderzusetzen brauche." (162)
Diese Aussagen
werden verständlich, wenn man sich die
Unverbindlichkeit der Sozialisierungs-anträge
ansieht. Um vorzutäuschen, die Verstaatlichung
sei das dringendste Anliegen, wird die
Reichsregierung wortstark aufgefordert, die
Sozialisierung "mit möglichster
Beschleunigung zu betreiben". Es wird aber
vermieden, sich festzulegen und einen Termin zu
nennen. Im Antrag vom 1. März heißt es:
"1. Das
Eigentum an den zur Erhaltung der
Volkswirtschaft notwendigen Bodenschätzen steht
allein der Nation zu.
2. Die
Reichsregierung wird aufgefordert, die
Überführung der Bergwerke und Erzeugung der
Energie in öffentliche Betriebe
(Sozialisierung) mit möglichster Beschleunigung
zu betreiben und dabei
Arbeiter und Angestellte durch geeignete
Vertretungen (Betriebsräte) zur Kontrolle und
Verwaltung heranzuziehen." (163)
Den Bergarbeitern
Mitteldeutschlands wurden Zugeständnisse in
Form der gesetzlichen Verankerung der
Betriebsräte gemacht. In einem Aufruf der
Reichsregierung vom 1. März heißt es dazu:
"Wir sind
dabei, das Gesetzbuch der wirtschaftlichen
Demokratie zu schaffen: Das einheitliche
sozialistische Arbeiterrecht auf freier
Grundlage. Wir werden die Organe der
wirtschaftlichen Demokratie ausbauen: Die
Betriebsräte. - Wir werden das Ziel der
wirtschaftlichen Demokratie erreichen: Die
konstitutionelle Fabrik auf demokratischer
Grundlage. All das in Verbindung mit der
Sozialisierung der Wirtschaftszweige, die sich,
wie vor allem Bergwerke und Erzeugung von
Energie, zur Übernahme in öffentliche oder
gemischtwirtschaftliche Bewirtschaftung eignen
oder der öffentlichen Kontrolle unterstellt
werden können." (164)
Gleichzeitig
begannen die konterrevolutionären Truppen unter
General Maercker in Mitteldeutschland
einzumarschieren. Die Konterrevolution wußte,
daß sie sich nicht allein auf die
Propagandaoffensive der SPD verlassen konnte,
wenn sie die weitere Herrschaft des Kapitals
sichern wollte. Am 1. März wurde Halle, das
Zentrum der Streikbewegung, von Maercker
gewaltsam besetzt (24 Tote und 67 Verwundete
auf Seiten der Arbeiter) (165). Am 5. März
begannen Verhandlungen zwischen Streikleitung
und Regierung. Die Regierung versprach den
Ausbau der Rechte der Betriebsräte,
beschleunigte Sozialisierung, Verankerung der
Arbeiterräte in der Verfassung. Die Delegierten
nahmen das Verhandlungsergebnis gegen eine
starke Minderheit an, und am 6. und 7. März
wurde der Generalstreik in Mitteldeutschland
abgebrochen.
In Berlin
beschlossen die SPD-Arbeiterräte am 2. März,
eine Delegation nach Weimar zu schicken, die
mit der Regierung verhandeln sollte. Das Ziel
war klar: Der Generalstreik sollte abgewiegelt
werden, noch bevor er beschlossen wurde.
Dementsprechend brachte der "Vorwärts" am 3.
März in der Morgenausgabe zwei Aufrufe der SPD
gegen den Streik unter der Überschrift
"Gegen die Tyrannei!". Der eine Aufruf
setzte mit den Worten ein: "Wahnsinn und
Verbrechen jagen durch die deutschen Lande.
Wird dem wilden Wüten nicht Einhalt getan,
gräbt sich die deutsche Arbeiterklasse ihr
eigenes Grab."(166) Das war üble Hetze
gegen die vielen klassenbewußten Arbeiter, die
sich für den Streik einsetzten. Ihre Agitation
für den Streik wurde von der SPD als eine neue
"Tyrannei" bezeichnet, gegen die man sich
wehren müsse. Statt zu helfen, die Abwehrfront
gegen die Unterdrückung der Arbeiterklasse zu
stärken, arbeitete die SPD-Führung mit allen
demagogischen Tricks, setzte sie ihren ganzen
Einfluß ein, um die Kampffront zu spalten. Doch
allen agitatorischen Anstrengungen der SPD zum
Trotz: Die Sozialdemokratie konnte nicht mehr
verhindern, daß die Vollversammlung der
Großberliner Arbeiter- und Soldatenräte am 3.
März mit großer Mehrheit (mit vielen Stimmen
der sozialdemokratischen Arbeiter ) den
Generalstreik beschloß. Die politischen
Forderungen lauteten:
1) Anerkennung
der A.- und S.-Räte.
2) Sofortige
Durchführung der Hamburger Punkte, die
Kommandogewalt betreffend.
3) Freilassung
aller politischen Gefangenen, insbesondere
Freilassung des Genossen Ledebour,
Niederschlagung aller politischen Prozesse,
Aufhebung der Militärgerichtsbarkeit,
Verweisung aller militärischen Vergehen an
die Zivilgerichte, insbesondere sofortige
Aufhebung aller militärischen Standgerichte,
sofortige Verhaftung aller Personen, die an
politischen Morden beteiligt waren.
4) Sofortige
Bildung einer revolutionären Arbeiterwehr.
5) ofortige Auflösung
aller durch Werbung zustandegekommenen
Freiwilligenverbände.
6) Sofortige
Anknüpfung der politischen und
wirtschaftlichen Beziehungen zur
Sowjetregierung Rußlands" (167)
Die Streikleitung
wurde auf Betreiben der USPD einem paritätisch
besetzten Vollzugsrat übertragen.
Während der
"Vorwärts" gegen den Generalstreik hetzte (168)
und die Sozialdemokraten im Vollzugsrat
versuchten, den Streik abzuwiegeln, verhängte
die sozialdemokratische preußische Regierung
den Belagerungszustand über Berlin (169). Gegen
die Mitglieder der Zentrale der KPD und die
Redakteure der "Roten Fahne" wurden Haftbefehle
erlassen. Um jeden Protest zu ersticken, wurden
die "Freiheit" (USPD-Zentralorgan) und die
"Rote Fahne" (Zentralorgan der KPD) verboten.
Um sicherzugehen, ließ die Regierung die
Druckmaschinen der "Roten Fahne" zerstören.
Soldaten warfen Handgranaten in die Maschinen.
Daraufhin
erklärte am 4. März die KPD in der
Vollversammlung der Arbeiter- und Soldatenräte
ihren Austritt aus dem Vollzugsrat:
"Der
Generalstreik richtet sich gegen die von der
SPD geführte Regierung und deren Politik. Die
Vertreter dieser Politik in die Streikleitung
zu übernehmen, bedeutet den Verrat an dem
Generalstreik und an der Revolution.
Die Folgen
dieses Verrats zeigen sich schon heute, da
nahezu die ganze gegenrevolutionäre Presse,
insbesondere der 'Vorwärts1,
erscheint, während die revolutionäre Presse
nicht erscheint.
Die
Kommunistische Partei Deutschlands lehnt es ab,
in irgendeiner Form die Verantwortung für
diesen Verrat zu tragen.
Sie zieht
als Zeichen schärfsten Protests ihre Mitglieder
aus dem Vollzugsrat zurück." (170)
Der "Vorwärts"
brachte am 4. März in der Morgenausgabe einen
Aufruf (171), in dem die SPD ihre
Parteigenossen aufforderte, nur dort in den
Streik zu treten, wo er in geheimer
Urabstimmung beschlossen würde. Das war ein
eindeutiger Versuch, die Streikfront zu
spalten, nachdem es der SPD nicht gelungen war,
den Streik zu verhindern. Am selben Tag traf
eine "Abordnung der sozialdemokratischen
Arbeiterräte Berlins" in Weimar ein, die mit
der Regierung eine "eingehende Aussprache"
hatte. (172)
Am 5. März
schickte der Vollzugsrat ebenfalls eine
Delegation nach Weimar. Das nahm der "Vorwärts"
zum Anlaß, in der Abend-Ausgabe vom 5. März
noch einmal alle Register sozialdemokratischer
Demagogie zu ziehen. Da war die Rede von
'unserer (!) komplizierten
Wirtschaftsorganisation", die nicht "durch
große Erschütterungen" gefährdet werden sollte.
Die Arbeiter sollten endlich "die große Gefahr"
und den "schweren Schaden" erkennen, die der
Generalstreik verursachen würde. Wessen
Klassenstandpunkt der Vorwärts hier vertrat,
ist nur allzu-deutlich. Am Schluß steht dann
die Warnung "an alle Einsichtigen", nicht
"durch weitere Fortsetzung des Streiks eine
Überhastung und Überlastung der
Gesetzgebungsmaschinerie herbeizuführen".
Der Abbruch des
Streiks
Während am 4.
März die konterrevolutionären Truppen Lüttwitz'
in Berlin einmarschierten, um die "Ruhe und
Ordnung" wiederherzustellen (173), bemühten
sich die sozialdemokratischen Arbeiterräte den
Streik mit allen Mitteln abzuwürgen. Noch ehe
das Verhandlungsergebnis der offiziellen
Delegation aus Weimar bekannt wurde, nahmen die
sozialdemokratischen Arbeiterräte am 5. März
eine Entschließung an, in der es hieß:
"Sie (die
Konferenz) stellt fest, daß der Streik gegen
den Willen der Sozialdemokratischen Partei und
ihrer Vertreter im Groß-Berliner Arbeiterrat
von einer durch Kommunisten und Unabhängige
beherrschten Versammlung der Arbeiterräte
eingeleitet worden ist. Nach dem
Ergebnis der Verhandlungen mit der
Regierung kann die Konferenz eine weitere
Fortsetzung des Generalstreiks nicht
unterstützen, wenn auch die Kommission des
Vollzugsrats mindestens dieselben
Zugeständnisse der Regierung mitbringt. In
dieser Voraussetzung werden die
sozialdemokratischen Arbeiterräte beauftragt,
den Abbruch des Streiks zu beantragen, und im
Fall der Ablehnung dieses Antrages den Streik
selbständig aufzuheben." (174)
Auf der
Vollversammlung der Arbeiterräte am 6. März
wurde aus Protest gegen das gewaltsame Vorgehen
der Regierungstruppen der Beschluß gefaßt, auch
die Gas-, Elektrizitäts- und Wasserwerke
stillzulegen. Diesen Beschluß nahmen die
Sozialdemokraten zum Anlaß, aus der
Streikleitung auszutreten (Kommentar des
"Vorwärts am 8. März: "Wo die Bestialität
anfängt, hört die Solidarität auf")
Daraufhin wurde der Generalstreik am 7. März
auf der Basis einer USPD-Resolution
abgebrochen. In der Resolution heißt es:
"Die
Arbeiterräte der USP sind bisher mit allen
Mitteln für die Durchführung des Generalstreiks
eingetreten. Sie haben dem Generalstreik
zugestimmt in der sicheren Erwartung, daß auch
die beiden anderen sozialistischen Parteien mit
aller Macht unter vollster Wahrung der
proletarischen Solidarität und Aktionsfreiheit
an dem Gelingen des Generalstreiks mitwirken
werden.
Kaum war
der Generalstreik begonnen, als auch bereits
die Führer der Rechtssozialisten Versuche
unternahmen, den Streik zum Abbröckeln zu
bringen. Die Führer der SPD haben auch während
des Streiks diese Versuche wiederholt und durch
ihr Ausscheiden aus der Streikleitung und
Verlassen der Vollversammlung vom 6. März ab,
eine einheitliche und erfolgversprechende
Weiterführung des Generalstreiks unmöglich
gemacht.
Auch die KP
hat durch ihr selbständiges, das einheitliche
Handeln schädigende Vorgehen die Fortführung
des Streiks erschwert. Selbst als die SPD aus
der Streikleitung ausgeschieden war, konnte
sich die KP noch nicht entschließen, zu einer
gemeinsamen, einheitlichen Fortführung des
Generalstreiks beizutragen. (175) Nachdem
nunmehr die SPD und die KP - die DF (Fraktion
der DDP) hat von Anfang an abgelehnt - die
Fortführung des Generalstreiks durch ihr
Verhalten in Frage gestellt haben, verzichtet
die Fraktion der USP-Arbeiterräte für dieses
Mal auf eine Weiterführung des Generalstreiks,
erklärt aber, daß sie die von der Regierung
gemachten Zugeständnisse als völlig ungenügend
ansieht und zu gegebener Zeit wieder mit allen
Machtmitteln zur Erringung ihrer unerfüllten
politischen und wirtschaftlichen Forderungen
auf den Plan treten wird.
Von diesen
Gesichtspunkten ausgehend, erklären sich die
Arbeiterräte der USP unter folgenden
Bedingungen für ein Abbrechen des Streiks:
1) Keine
Maßregelungen infolge des Streiks.
2) Freilassung aller wegen des Streiks
Verhafteten.
3)Sofortige
Räumung aller militärisch besetzten Betriebe.
4) Entfernung aller Freiwilligenverbände aus
Berlin.
5) Aufhebung
des Belagerungszustandes und der
außerordentlichen Kriegsgerichte." (176)
Jetzt, nachdem
der Streik endgültig abgewürgt worden war,
nachdem die konterrevolutionären Truppen blutig
in Berlin "aufgeräumt" hatten, konnte es sich
die sozialdemokratisch geführte Reichsregierung
leisten, die Abbruchsforderungen der Arbeiter
höhnisch beiseitezuschieben. Und der "Vorwärts"
besaß auch noch die Frechheit, von "teilweisen
Zugeständnissen" der Reichsregierung zu
sprechen.
In ihrem Aufruf
zum Generalstreik vom 3. März hatte die KPD
geschrieben:
"Arbeiter, Proletarier!
Wieder ist
die Stunde gekommen. Wieder stehen die Toten
auf. Wieder reiten die Niedergerittenen. (...)
Das Proletariat muß das Werk dieser Revolution
vollenden. Es kann nicht niedergeschlagen
werden durch Säbel und Kolben. Das Proletariat
ist unüberwindlich: es braucht nichts anderes
zu tun - als nichts zu tun. Der Generalstreik
ist die Waffe, die den todwunden Kapitalismus
endgültig zu Boden schlägt. Der
Generalstreik ist die Waffe, die die
Bourgeoisie und ihre Henkersknechte, die
Ebert-Scheidemann-Noske, fürchten wie den Tod.
Schon fangen sie an zu winseln. Schon kommen
sie wieder mit Versprechungen. Schon kommen sie
mit neuen Vertröstungen.
Arbeiter! Parteigenossen!
Seid euch klar: Die Ebert-Scheidemann-Noske
sind die Todfeinde der Revolution. Sie haben um
ihrer Ministersessel willen euch an die
Bourgeoisie verkauft. Sie haben euch verraten
vom ersten Tage an, sie haben um euch die
Stricke der Nationalversammlung gelegt, sie
haben euch täglich morden lassen. Arbeiter!
Parteigenossen! Seid euch bewußt:
Die Revolution kann nur voranschreiten über das
Grab jener Mehrheitssozialdemokratie. (...)
Auf zum Kampfe!
Auf zum Generalstreik!
Nieder mit Ebert-Scheidemann-Noske, den
Mördern, den Verrätern! Nieder mit der
Nationalversammlung! Alle Macht den
Arbeiterräten!
Laßt euch nicht wieder betrügen. Laßt euch
nicht wieder hinhalten mit neuen
Versprechungen. Laßt euch nicht wieder
einwickeln, wenn wieder neue Mittelsmänner
kommen und mit den Ebert-Scheidemann verhandeln
und eine neue Resolution aufsetzen mit den
Ebert-Scheidemann. Laßt euch nicht wieder nach
Hause schicken mit nichts anderem als blöden
Versprechungen von Sozialisierungskommissionen.
Laßt euch nicht wieder in den Arm
fallen, von keinem, heiße er sich auch ein
Unabhängiger. Das, was ihr jetzt fordert, darf
euch nicht versprochen werden: es muß
geschehen.
Zentrale der
Kommunistischen Partei Deutschlands
(Spartakusbund) (...) (177)
Und in ihrem
Flugblatt zum Abbruch des Generalstreiks vom
11. März 1919 schrieb die KPD:
"Arbeiter!
Parteigenossen! Im Januar haben eure Feinde
prahlerisch verkündet: Spartakus hat
ausgeblutet. Sie haben prahlerisch verkündet:
Die Revolution sei nun zu Ende. Des Sieges so
sicher haben sie die Nationalversammlung nach
Weimar berufen, damit sie noch die Erde
schaufle über der toten Revolution.
Und im März
habt ihr euch wieder erhoben. Es ist ein
Generalstreik in Berlin ausgebrochen, wie ihn
die Stadt noch nicht gesehen hat. Wie auf einen
Schlag standen die großen Betriebe still. Die
kleineren Betriebe folgten. Die
Verkehrsinstitutionen ruhten. (...)
Und wenn noch
einer an der Wirkung des Schlages auf die
Bourgeoisie zweifelte: Der Noske und die
Noske-Garden haben ihn eines anderen belehrt.
(...)
Wenn jetzt
der Kampf in das Stadium getreten ist, daß der
Arbeiterrat die Aufnahme der Arbeit anempfohlen
hat, so ist das kein Grund, niedergeschlagen zu
sein. Stolz könnt ihr das Haupt erheben, und
nur eines müßt ihr tun: Lehren ziehen aus dem
Geschehenen für Kommendes. (...)
Der Kampf
richtete sich gegen die Ebert-Scheidemann, die
das Rätesystem auf den Schindanger führen
wollten, die die Mörder eurer Brüder und Führer
schützten und der Strafe entzogen, die mit
ihrer weißen Garde das Proletariat in ganz
Deutschland in den Staub zu treten suchen.
Der
Generalstreik war der Kampf gegen das
Schreckens- und Betrugsregiment.
Und was
geschah?
Eben diese
Anhänget der Ebert-Scheidemann, sie, die als
willige Agenten dem Proletariat die Schandtaten
der Ebert-Scheidemann schmackhaft zu machen
suchten und versuchen, eben die kamen in die
Streikleitung.
Was hatten
sie dort zu suchen? Nichts! Was taten sie dort?
Alles, was möglich war, um den Streik zu
sabotieren, um ihn zu verzetteln, um ihn zu
erwürgen, um ihm das Genick zu brechen.
Das taten sie, und man konnte von den Kreaturen
der Ebert-Scheidemann nichts anderes erwarten.
Wie aber kamen sie in diese Streikleitung? Wir
von der Kommunistischen Partei waren durch die
Erfahrungen der Januarwoche gewitzigt. Wir
wußten, daß die Unabhängigen in ihrer Schwäche
unfähig seien, im Generalstreik durchzuhalten.
Wir wußten, daß sie im ersten Augenblick schon
beginnen würden zu kuhhandeln. Wir verwahrten
uns dagegen, dazu unseren Namen herzugeben. Wir
waren aber bereit, alles zu tun, um in der
technischen Durchführung des Generalstreiks die
volle Solidarität herzustellen, indem wir 3
Mitglieder in die Streikleitung der USP und
diese 3 Mitglieder zu uns delegieren sollten
Das haben die Unabhängigen abgelehnt. (...)
Lieber wollte Richard Müller mit den
Mehrheitlern und Demokraten den Streik zugrunde
richten, als ihn mit uns energisch zu führen.
(...)
Jawohl, Arbeiter und Parteigenossen, die
Unabhängigen haben erst durch ihr Paktieren mit
den Mehrheitlern und dann durch ihre Feigheit
den vorzeitigen Abschluß des Generalstreiks
herbeigeführt. (...)
Zur Ergreifung der politischen Macht durch das
Proletariat konnte dieser Generalstreik nicht
führen. Wir haben aus diesem Grunde keine
solche Parole ausgegeben, wir konnten aus
diesem Grunde auch unsere Anhänger nicht
auffordern, sich an dem bewaffneten Kampf zu
beteiligen, der von uns fernstehenden Leuten
unternommen wurde und den wir darum in dieser
Situation nicht für politisch, sondern für
putschistisch halten.
Wir sind der Meinung: Der Zeitpunkt der
Machtergreifung durch das Proletariat ist dann
gekommen, wenn nicht Berlin, wenn nicht Leipzig
oder Rheinland-Westfalen oder Bremen
abwechselnd oder nacheinander streiken, sondern
dann, wenn gekommen ist die nächste Etappe: der
Generalstreik über ganz Deutschland. (...)
Das Proletariat wird sein Ziel erreichen: Es
hat diesen Kampf abgebrochen und hat alle Kraft
bereit zum nächsten starken und vielleicht
letzten Schlag.
Nützet die Zeit aus! Schafft Klarheit in den
Köpfen! Zum Teufel die Verräter! Hinweg mit den
Halben! Reinigt die Arbeiterräte! Ein
Mehrheitler verunstaltet den Arbeiterrat! Er
mag in die Fabrikantenversammlungen gehen!
(...)
Unverdrossen werdet ihr weiterkämpfen und die
Proletarier von ganz Deutschland sammeln unter
unserem Schlachtruf:
Nieder mit Ebert-Scheidemann-Noske!
Nieder mit der Nationalversammlung!
Alle Macht den Arbeiter- und Soldatenräten!
Berlin, den
11. März 1919
Die Zentrale
der Kommunistischen Partei Deutschlands
(Spartakusbund)'' (178)
FUSSNOTEN
158) Dokumente und
Materialien zur Geschichte der deutschen
Arbeiterbewegung, Reihe II Bd. 3, a.a.O. S.
198
159) ebd., S. 201
160) vgl. "Gewitterstimmung", Vorwärts,
28.2.1919
161) Dok. u. Mat., a.a.O., S. 202
162) zit.n. Illustrierte Geschichte a.a.O.,
S. 418 (Hervorhebung d. Hrsgb.)
163) ebd., S. 327
164) ebd., S. 374
165) vgl. R. Lindau, Revolutionäre Kämpfe
1918-1919, Berlin 1960, S. 257
166)"Vorwärts", 3.3.1919 (Morgenausgabe),
siehe Dokumententeil diesem Buch
Dokumente und Materialien..., a.a.O., S. 289
167) 172 Dokumente und Materialien...,
a.a.O., S. 289
168)"Vorwärts", 3.3.1919 (Morgenausgabe),
siehe Dokumententeil
169 "Vorwärts", 4.3.1919 (Morgenausgabe),
siehe Dokumententeil
170) Dokumente und Materialien a.a.O., S. 291
171) "Vorwärts", 4.3.1919 (Morgenausgabe),
siehe Dokumententeil
172) "Vorwärts", 5.3.1919 (Abendausgabe),
siehe Dokumententeil
173) Vgl. dazu das nachfolgende Kapitel "Der
Lichtenberger Gefangenenmord"
174) Zit.n. Illustrierte Geschichte a.a.O.,
S. 363 f.
175) Diese Darstellung entspricht nicht den
Tatsachen; siehe dazu Flugblatt der KPD vom
11.3.1919
176) Dokumente und Materialien a.a.O., S. 302
f.
177) Ebd., S. 282 ff.
178) Ebd., S. 310 ff.
QUELLE: Richard Wiegand, "Wer hat uns
verraten...", Die Sozialdemokratie in der
Novemberrevolution (1918/19), Westberlin
1974, S.139-147
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