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Generalstreik in Mitteldeutschland

03/2019

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.... Nachdem der Generalstreik des Ruhrproletariats Mitte Februar von sozialdemokratisch geführ­ten Sicherheitswehren und von Freikorps blutig niedergeschlagen worden war (allein in Bottrop 92 Tote), begann am 24. Februar der Generalstreik in Mitteldeutschland. In dem Streikbeschluß der Bergarbeiter heißt es:

"Die Bezirkskonferenz der Bergleute in Halle erklärt:

1. Da alle Wege beschriften sind, die Forderungen der Bergarbeiter durchzusetzen, die aber von der Regierung zurückgewiesen sind, gebrauchen wir die letzte furchtbare Waffe und erklären für morgen, Montag, den 24. Februar, den Generalstreik." (158)

Den Bergarbeitern schlössen sich in den nächsten Tagen die Eisenbahner, die Arbeiter von Erfurt, Gotha, Leipzig und anderen mitteldeutschen Städten an. Der Aufruf des Arbeiter- und Soldatenrats Leipzig vom 27. Februar lautete:
 

"Arbeiter, Arbeiterinnen!

Das immer frechere Auftreten der Gegenrevolution, der Mord an Eisner, die blutige Abwürgung des Ruhrstreiks, die Weigerung der Regierung zu sozialisieren, fordert den entschiedensten Widerstand der Arbeiterschaft heraus.

Die Bergleute in Mitteldeutschland sind für den Streik für die Sozialisierung, gegen die Regierung eingetreten. Die chemische Industrie, die Überlandzentralen, die Eisenbahner haben sich ange­schlossen.

Die Leipziger Arbeiterschaft unterstützt diesen Streik. Sie hat in den Betrieben abgestimmt. Das Resultat ist 34 012 für den Streik, 5 320 gegen den Streik. Dazu kommen die Eisenbahner, die einstimmig den Generalstreik beschlossen haben. 40 000 Arbeiter für den Generalstreik, nur 5 000 dagegen, das ist der Wille der Leipziger Arbeiterschaft. Arbeiter, der Streik ist beschlossen. Er muß durchgeführt werden, trotz aller Opfer. Er muß mit gewaltiger Wucht einsetzen. Solidarität muß geübt werden.

Heraus aus den Betrieben! Keiner darf sich ausschließen!
Heraus zum Generalstreik für den Sozialismus!

Die Streikleitung A.- u. S.-Rat Leipzig" (159)

Als schließlich auch das Berliner Proletariat begann, Streikforderungen aufzustellen, die auf der Vollversammlung der Großberliner Arbeiter- und Soldatenräte beschlossen werden sollten, erkannte die Reichsregierung den Ernst der Lage (160). Die Arbeiter der Spandauer Staatsbetriebe hatten am 27. Februar unter anderem gefordert:

1) Enteignung aller Banken, Bergwerke, Hütten sowie aller Großbetriebe in Industrie und Handel.

2)Konfiskation aller Vermögen von einer bestimmten Höhe an. (Zentralrat bestimmt)
3)Beseitigung aller Parlamente und Gemeinderäte und Übernahme ihrer Funktion durch die A.- und S.-Räte.
4) Einsetzung eines Revolutionstribunals, vor dem die Hauptschuldigen am Kriege, die beiden Hohenzollern, Ludendorff, Hindenburg und Tirpitz, sowie die Verräter an der Revolution, Ebert, Scheidemann und Noske, abzuurteilen sind..." (161)

Am 28. Februar gelang es jedoch den Sozialdemokraten, den Generalstreikbeschluß des Berliner Proletariats durch Vertagung der Vollversammlung der Arbeiter- und Soldatenräte auf den 3. März noch einmal zu verschieben. Die sozialdemokratische Fraktion in der Nationalversammlung brachte inzwischen am 1. März einen Sozialisierungsantrag ein, und am 3. März legte die Reichsregierung der Nationalversammlung ihr Sozialisierungsgesetz vor. Mit diesen Entwürfen sollte die Erfüllung der Sozialisierungsforderungen der Arbeiter vorgetäuscht werden. Die Regierung versuchte mit diesem Vorstoß die Streikwelle zu brechen.

Aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang ein Ausschnitt aus der Rede des Abgeordneten Burlage (Zentrum) während der Debatte über das Sozialisierungsgesetz, das schließlich am 13. März auch wirklich verabschiedet wurde. Burlage:

'Herr Vogler sprach sogar vom Bolschewismus. Durch solche Bilder lassen sich nur Kinder schrecken. Wir werden später die Gesetze mit Verstand und Vernunft machen, wir werden bedenken, welches die Folgen der Gesetze sein werden, und wir werden es abwenden können, daß derartige Folgen eintreten, wie sie soeben an die Wand gemalt wurden. Gerade um nicht in den, Bolschewismus hineinzugeraten, machen wir auch diese Gesetze im gegenwärtigen A ugenblick. Ich denke, die Zusammenhänge sind so klar, daß ich sie nicht weiter auseinanderzusetzen brauche." (162)

Diese Aussagen werden verständlich, wenn man sich die Unverbindlichkeit der Sozialisierungs-anträge ansieht. Um vorzutäuschen, die Verstaatlichung sei das dringendste Anliegen, wird die Reichsregierung wortstark aufgefordert, die Sozialisierung "mit möglichster Beschleunigung zu betreiben". Es wird aber vermieden, sich festzulegen und einen Termin zu nennen. Im Antrag vom 1. März heißt es:

"1. Das Eigentum an den zur Erhaltung der Volkswirtschaft notwendigen Bodenschätzen steht allein der Nation zu.

2. Die Reichsregierung wird aufgefordert, die Überführung der Bergwerke und Erzeugung der Energie in öffentliche Betriebe (Sozialisierung) mit möglichster Beschleunigung zu betreiben und dabei Arbeiter und Angestellte durch geeignete Vertretungen (Betriebsräte) zur Kontrolle und Verwaltung heranzuziehen." (163)

Den Bergarbeitern Mitteldeutschlands wurden Zugeständnisse in Form der gesetzlichen Ver­ankerung der Betriebsräte gemacht. In einem Aufruf der Reichsregierung vom 1. März heißt es dazu:

"Wir sind dabei, das Gesetzbuch der wirtschaftlichen Demokratie zu schaffen: Das einheitliche sozialistische Arbeiterrecht auf freier Grundlage. Wir werden die Organe der wirtschaftlichen Demokratie ausbauen: Die Betriebsräte. - Wir werden das Ziel der wirtschaftlichen Demokratie erreichen: Die konstitutionelle Fabrik auf demokratischer Grundlage. All das in Verbindung mit der Sozialisierung der Wirtschaftszweige, die sich, wie vor allem Bergwerke und Erzeugung von Energie, zur Übernahme in öffentliche oder gemischtwirtschaftliche Bewirtschaftung eignen oder der öffentlichen Kontrolle unterstellt werden können." (164)

Gleichzeitig begannen die konterrevolutionären Truppen unter General Maercker in Mittel­deutschland einzumarschieren. Die Konterrevolution wußte, daß sie sich nicht allein auf die Propagandaoffensive der SPD verlassen konnte, wenn sie die weitere Herrschaft des Kapitals sichern wollte. Am 1. März wurde Halle, das Zentrum der Streikbewegung, von Maercker gewaltsam besetzt (24 Tote und 67 Verwundete auf Seiten der Arbeiter) (165). Am 5. März begannen Verhandlungen zwischen Streikleitung und Regierung. Die Regierung versprach den Ausbau der Rechte der Betriebsräte, beschleunigte Sozialisierung, Verankerung der Arbeiterräte in der Verfassung. Die Delegierten nahmen das Verhandlungsergebnis gegen eine starke Minderheit an, und am 6. und 7. März wurde der Generalstreik in Mitteldeutschland abgebrochen.

In Berlin beschlossen die SPD-Arbeiterräte am 2. März, eine Delegation nach Weimar zu schicken, die mit der Regierung verhandeln sollte. Das Ziel war klar: Der Generalstreik sollte abgewiegelt werden, noch bevor er beschlossen wurde. Dementsprechend brachte der "Vorwärts" am 3. März in der Morgenausgabe zwei Aufrufe der SPD gegen den Streik unter der Überschrift "Gegen die Tyrannei!". Der eine Aufruf setzte mit den Worten ein: "Wahnsinn und Verbrechen jagen durch die deutschen Lande. Wird dem wilden Wüten nicht Einhalt getan, gräbt sich die deutsche Arbeiterklasse ihr eigenes Grab."(166) Das war üble Hetze gegen die vielen klassenbewuß­ten Arbeiter, die sich für den Streik einsetzten. Ihre Agitation für den Streik wurde von der SPD als eine neue "Tyrannei" bezeichnet, gegen die man sich wehren müsse. Statt zu helfen, die Abwehrfront gegen die Unterdrückung der Arbeiterklasse zu stärken, arbeitete die SPD-Führung mit allen demagogischen Tricks, setzte sie ihren ganzen Einfluß ein, um die Kampffront zu spalten. Doch allen agitatorischen Anstrengungen der SPD zum Trotz: Die Sozialdemokratie konnte nicht mehr verhindern, daß die Vollversammlung der Großberliner Arbeiter- und Soldatenräte am 3. März mit großer Mehrheit (mit vielen Stimmen der sozialdemokratischen Arbeiter ) den Generalstreik beschloß. Die politischen Forderungen lauteten:

1) Anerkennung der A.- und S.-Räte.
2) Sofortige Durchführung der Hamburger Punkte, die Kommandogewalt betreffend.
3)
Freilassung aller politischen Gefangenen, insbesondere Freilassung des Genossen Ledebour, Niederschlagung aller politischen Prozesse, Aufhebung der Militärgerichtsbarkeit, Verweisung aller militärischen Vergehen an die Zivilgerichte, insbesondere sofortige Aufhebung aller militärischen Standgerichte, sofortige Verhaftung aller Personen, die an politischen Morden beteiligt waren.
4)
Sofortige Bildung einer revolutionären Arbeiterwehr.
5) ofortige Auflösung aller durch Werbung zustandegekommenen Freiwilligenverbände.
6)
Sofortige Anknüpfung der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zur Sowjetregierung Rußlands" (167)

Die Streikleitung wurde auf Betreiben der USPD einem paritätisch besetzten Vollzugsrat über­tragen.

Während der "Vorwärts" gegen den Generalstreik hetzte (168) und die Sozialdemokraten im Vollzugsrat versuchten, den Streik abzuwiegeln, verhängte die sozialdemokratische preußische Regierung den Belagerungszustand über Berlin (169). Gegen die Mitglieder der Zentrale der KPD und die Redakteure der "Roten Fahne" wurden Haftbefehle erlassen. Um jeden Protest zu ersticken, wurden die "Freiheit" (USPD-Zentralorgan) und die "Rote Fahne" (Zentralorgan der KPD) verboten. Um sicherzugehen, ließ die Regierung die Druckmaschinen der "Roten Fahne" zerstören. Soldaten warfen Handgranaten in die Maschinen.

Daraufhin erklärte am 4. März die KPD in der Vollversammlung der Arbeiter- und Soldatenräte ihren Austritt aus dem Vollzugsrat:

"Der Generalstreik richtet sich gegen die von der SPD geführte Regierung und deren Politik. Die Vertreter dieser Politik in die Streikleitung zu übernehmen, bedeutet den Verrat an dem General­streik und an der Revolution.
Die Folgen dieses Verrats zeigen sich schon heute, da nahezu die ganze gegenrevolutionäre Presse, insbesondere der 'Vorwärts1, erscheint, während die revolutionäre Presse nicht erscheint.
Die Kommunistische Partei Deutschlands lehnt es ab, in irgendeiner Form die Verantwortung für diesen Verrat zu tragen.
Sie zieht als Zeichen schärfsten Protests ihre Mitglieder aus dem Vollzugsrat zurück." (170)

Der "Vorwärts" brachte am 4. März in der Morgenausgabe einen Aufruf (171), in dem die SPD ihre Parteigenossen aufforderte, nur dort in den Streik zu treten, wo er in geheimer Urab­stimmung beschlossen würde. Das war ein eindeutiger Versuch, die Streikfront zu spalten, nachdem es der SPD nicht gelungen war, den Streik zu verhindern. Am selben Tag traf eine "Abordnung der sozialdemokratischen Arbeiterräte Berlins" in Weimar ein, die mit der Regie­rung eine "eingehende Aussprache" hatte. (172)

Am 5. März schickte der Vollzugsrat ebenfalls eine Delegation nach Weimar. Das nahm der "Vorwärts" zum Anlaß, in der Abend-Ausgabe vom 5. März noch einmal alle Register sozial­demokratischer Demagogie zu ziehen. Da war die Rede von 'unserer (!) komplizierten Wirtschafts­organisation", die nicht "durch große Erschütterungen" gefährdet werden sollte. Die Arbeiter sollten endlich "die große Gefahr" und den "schweren Schaden" erkennen, die der General­streik verursachen würde. Wessen Klassenstandpunkt der Vorwärts hier vertrat, ist nur allzu-deutlich. Am Schluß steht dann die Warnung "an alle Einsichtigen", nicht "durch weitere Fortsetzung des Streiks eine Überhastung und Überlastung der Gesetzgebungsmaschinerie herbeizuführen".

Der Abbruch des Streiks

Während am 4. März die konterrevolutionären Truppen Lüttwitz' in Berlin einmarschierten, um die "Ruhe und Ordnung" wiederherzustellen (173), bemühten sich die sozialdemokratischen Arbeiterräte den Streik mit allen Mitteln abzuwürgen. Noch ehe das Verhandlungsergebnis der offiziellen Delegation aus Weimar bekannt wurde, nahmen die sozialdemokratischen Arbeiter­räte am 5. März eine Entschließung an, in der es hieß:

"Sie (die Konferenz) stellt fest, daß der Streik gegen den Willen der Sozialdemokratischen Partei und ihrer Vertreter im Groß-Berliner Arbeiterrat von einer durch Kommunisten und Unabhängige beherrschten Versammlung der Arbeiterräte eingeleitet worden ist. Nach dem Ergebnis der Verhandlungen mit der Regierung kann die Konferenz eine weitere Fortsetzung des Generalstreiks nicht unterstützen, wenn auch die Kommission des Vollzugsrats mindestens dieselben Zugeständnisse der Regierung mitbringt. In dieser Voraussetzung werden die sozial­demokratischen Arbeiterräte beauftragt, den Abbruch des Streiks zu beantragen, und im Fall der Ablehnung dieses Antrages den Streik selbständig aufzuheben." (174)

Auf der Vollversammlung der Arbeiterräte am 6. März wurde aus Protest gegen das gewaltsame Vorgehen der Regierungstruppen der Beschluß gefaßt, auch die Gas-, Elektrizitäts- und Wasser­werke stillzulegen. Diesen Beschluß nahmen die Sozialdemokraten zum Anlaß, aus der Streik­leitung auszutreten (Kommentar des "Vorwärts am 8. März: "Wo die Bestialität anfängt, hört die Solidarität auf") Daraufhin wurde der Generalstreik am 7. März auf der Basis einer USPD-Resolution abgebrochen. In der Resolution heißt es:

"Die Arbeiterräte der USP sind bisher mit allen Mitteln für die Durchführung des Generalstreiks eingetreten. Sie haben dem Generalstreik zugestimmt in der sicheren Erwartung, daß auch die beiden anderen sozialistischen Parteien mit aller Macht unter vollster Wahrung der proletarischen Solidarität und Aktionsfreiheit an dem Gelingen des Generalstreiks mitwirken werden.

Kaum war der Generalstreik begonnen, als auch bereits die Führer der Rechtssozialisten Versuche unternahmen, den Streik zum Abbröckeln zu bringen. Die Führer der SPD haben auch während des Streiks diese Versuche wiederholt und durch ihr Ausscheiden aus der Streikleitung und Ver­lassen der Vollversammlung vom 6. März ab, eine einheitliche und erfolgversprechende Weiter­führung des Generalstreiks unmöglich gemacht.

Auch die KP hat durch ihr selbständiges, das einheitliche Handeln schädigende Vorgehen die Fortführung des Streiks erschwert. Selbst als die SPD aus der Streikleitung ausgeschieden war, konn­te sich die KP noch nicht entschließen, zu einer gemeinsamen, einheitlichen Fortführung des Generalstreiks beizutragen. (175) Nachdem nunmehr die SPD und die KP - die DF (Fraktion der DDP) hat von Anfang an abgelehnt - die Fortführung des Generalstreiks durch ihr Verhalten in Frage gestellt haben, verzichtet die Fraktion der USP-Arbeiterräte für dieses Mal auf eine Wei­terführung des Generalstreiks, erklärt aber, daß sie die von der Regierung gemachten Zugeständ­nisse als völlig ungenügend ansieht und zu gegebener Zeit wieder mit allen Machtmitteln zur Erringung ihrer unerfüllten politischen und wirtschaftlichen Forderungen auf den Plan treten wird.

Von diesen Gesichtspunkten ausgehend, erklären sich die Arbeiterräte der USP unter folgen­den Bedingungen für ein Abbrechen des Streiks:

1) Keine Maßregelungen infolge des Streiks.

2) Freilassung aller wegen des Streiks Verhafteten.
3)Sofortige Räumung aller militärisch besetzten Betriebe.
4) Entfernung aller Freiwilligenverbände aus Berlin.
5)
Aufhebung des Belagerungszustandes und der außerordentlichen Kriegsgerichte." (176)

Jetzt, nachdem der Streik endgültig abgewürgt worden war, nachdem die konterrevolutionären Truppen blutig in Berlin "aufgeräumt" hatten, konnte es sich die sozialdemokratisch geführte Reichsregierung leisten, die Abbruchsforderungen der Arbeiter höhnisch beiseitezuschieben. Und der "Vorwärts" besaß auch noch die Frechheit, von "teilweisen Zugeständnissen" der Reichs­regierung zu sprechen.

In ihrem Aufruf zum Generalstreik vom 3. März hatte die KPD geschrieben:

"Arbeiter, Proletarier!
Wieder ist die Stunde gekommen. Wieder stehen die Toten auf. Wieder reiten die Niedergerittenen. (...) Das Proletariat muß das Werk dieser Revolution vollenden. Es kann nicht niedergeschlagen werden durch Säbel und Kolben. Das Proletariat ist unüberwindlich: es braucht nichts anderes zu tun - als nichts zu tun. Der Generalstreik ist die Waffe, die den todwunden Kapitalismus endgültig zu Boden schlägt. Der Generalstreik ist die Waffe, die die Bourgeoisie und ihre Henkers­knechte, die Ebert-Scheidemann-Noske, fürchten wie den Tod.
Schon fangen sie an zu winseln. Schon kommen sie wieder mit Versprechungen. Schon kommen sie mit neuen Vertröstungen.

Arbeiter! Parteigenossen!
Seid euch klar: Die Ebert-Scheidemann-Noske sind die Todfeinde der Revolution. Sie haben um ihrer Ministersessel willen euch an die Bourgeoisie verkauft. Sie haben euch verraten vom ersten Tage an, sie haben um euch die Stricke der Nationalversammlung gelegt, sie haben euch täglich morden lassen. Arbeiter! Parteigenossen! Seid euch bewußt:

Die Revolution kann nur voranschreiten über das Grab jener Mehrheitssozialdemokratie. (...)

Auf zum Kampfe!
Auf zum Generalstreik!
Nieder mit Ebert-Scheidemann-Noske, den Mördern, den Verrätern! Nieder mit der Nationalversammlung! Alle Macht den Arbeiterräten!

Laßt euch nicht wieder betrügen. Laßt euch nicht wieder hinhalten mit neuen Versprechungen. Laßt euch nicht wieder einwickeln, wenn wieder neue Mittelsmänner kommen und mit den Ebert-Scheidemann verhandeln und eine neue Resolution aufsetzen mit den Ebert-Scheidemann. Laßt euch nicht wieder nach Hause schicken mit nichts anderem als blöden Versprechungen von Sozialisierungskommissionen.

Laßt euch nicht wieder in den Arm fallen, von keinem, heiße er sich auch ein Unabhängiger. Das, was ihr jetzt fordert, darf euch nicht versprochen werden: es muß geschehen.

Zentrale der Kommunistischen Partei Deutschlands (Spartakusbund) (...) (177)

Und in ihrem Flugblatt zum Abbruch des Generalstreiks vom 11. März 1919 schrieb die KPD:

"Arbeiter! Parteigenossen! Im Januar haben eure Feinde prahlerisch verkündet: Spartakus hat ausgeblutet. Sie haben prahlerisch verkündet: Die Revolution sei nun zu Ende. Des Sieges so sicher haben sie die Natio­nalversammlung nach Weimar berufen, damit sie noch die Erde schaufle über der toten Revo­lution.

Und im März habt ihr euch wieder erhoben. Es ist ein Generalstreik in Berlin ausgebrochen, wie ihn die Stadt noch nicht gesehen hat. Wie auf einen Schlag standen die großen Betriebe still. Die kleineren Betriebe folgten. Die Verkehrsinstitutionen ruhten. (...)

Und wenn noch einer an der Wirkung des Schlages auf die Bourgeoisie zweifelte: Der Noske und die Noske-Garden haben ihn eines anderen belehrt. (...)

Wenn jetzt der Kampf in das Stadium getreten ist, daß der Arbeiterrat die Aufnahme der Arbeit anempfohlen hat, so ist das kein Grund, niedergeschlagen zu sein. Stolz könnt ihr das Haupt erheben, und nur eines müßt ihr tun: Lehren ziehen aus dem Geschehenen für Kommendes. (...)

Der Kampf richtete sich gegen die Ebert-Scheidemann, die das Rätesystem auf den Schindanger führen wollten, die die Mörder eurer Brüder und Führer schützten und der Strafe entzogen, die mit ihrer weißen Garde das Proletariat in ganz Deutschland in den Staub zu treten suchen.

Der Generalstreik war der Kampf gegen das Schreckens- und Betrugsregiment.

Und was geschah?

Eben diese Anhänget der Ebert-Scheidemann, sie, die als willige Agenten dem Proletariat die Schandtaten der Ebert-Scheidemann schmackhaft zu machen suchten und versuchen, eben die kamen in die Streikleitung.

Was hatten sie dort zu suchen? Nichts! Was taten sie dort? Alles, was möglich war, um den Streik zu sabotieren, um ihn zu verzetteln, um ihn zu erwürgen, um ihm das Genick zu brechen.

Das taten sie, und man konnte von den Kreaturen der Ebert-Scheidemann nichts anderes erwarten.

Wie aber kamen sie in diese Streikleitung? Wir von der Kommunistischen Partei waren durch die Erfahrungen der Januarwoche gewitzigt. Wir wußten, daß die Unabhängigen in ihrer Schwäche unfähig seien, im Generalstreik durchzu­halten.

Wir wußten, daß sie im ersten Augenblick schon beginnen würden zu kuhhandeln. Wir verwahrten uns dagegen, dazu unseren Namen herzugeben. Wir waren aber bereit, alles zu tun, um in der technischen Durchführung des Generalstreiks die volle Solidarität herzustellen, indem wir 3 Mitglieder in die Streikleitung der USP und diese 3 Mitglieder zu uns delegieren sollten

Das haben die Unabhängigen abgelehnt. (...) Lieber wollte Richard Müller mit den Mehrheitlern und Demokraten den Streik zugrunde richten, als ihn mit uns energisch zu führen. (...)

Jawohl, Arbeiter und Parteigenossen, die Unabhängigen haben erst durch ihr Paktieren mit den Mehrheitlern und dann durch ihre Feigheit den vorzeitigen Abschluß des Generalstreiks herbeigeführt. (...)

Zur Ergreifung der politischen Macht durch das Proletariat konnte dieser Generalstreik nicht führen. Wir haben aus diesem Grunde keine solche Parole ausgegeben, wir konnten aus diesem Grunde auch unsere Anhänger nicht auffordern, sich an dem bewaffneten Kampf zu beteiligen, der von uns fernstehenden Leuten unternommen wurde und den wir darum in dieser Situation nicht für politisch, sondern für putschistisch halten.

Wir sind der Meinung: Der Zeitpunkt der Machtergreifung durch das Proletariat ist dann gekommen, wenn nicht Berlin, wenn nicht Leipzig oder Rheinland-Westfalen oder Bremen abwechselnd oder nacheinander streiken, sondern dann, wenn gekommen ist die nächste Etappe: der Generalstreik über ganz Deutschland. (...)

Das Proletariat wird sein Ziel erreichen: Es hat diesen Kampf abgebrochen und hat alle Kraft bereit zum nächsten starken und vielleicht letzten Schlag.

Nützet die Zeit aus! Schafft Klarheit in den Köpfen! Zum Teufel die Verräter! Hinweg mit den Halben! Reinigt die Arbeiterräte! Ein Mehrheitler verunstaltet den Arbeiterrat! Er mag in die Fabrikantenversammlungen gehen! (...)

Unverdrossen werdet ihr weiterkämpfen und die Proletarier von ganz Deutschland sammeln unter unserem Schlachtruf:

Nieder mit Ebert-Scheidemann-Noske!
Nieder mit der Nationalversammlung!
Alle Macht den Arbeiter- und Soldatenräten!

Berlin, den 11. März 1919

Die Zentrale der Kommunistischen Partei Deutschlands (Spartakusbund)'' (178)

FUSSNOTEN

158) Dokumente und Materialien zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Reihe II Bd. 3, a.a.O. S. 198
159) ebd., S. 201
160) vgl. "Gewitterstimmung", Vorwärts, 28.2.1919
161) Dok. u. Mat., a.a.O., S. 202
162) zit.n. Illustrierte Geschichte a.a.O., S. 418 (Hervorhebung d. Hrsgb.)
163) ebd., S. 327
164) ebd., S. 374
165) vgl. R. Lindau, Revolutionäre Kämpfe 1918-1919, Berlin 1960, S. 257
166)"Vorwärts", 3.3.1919 (Morgenausgabe), siehe Dokumententeil diesem Buch
Dokumente und Materialien..., a.a.O., S. 289
167) 172 Dokumente und Materialien..., a.a.O., S. 289
168)"Vorwärts", 3.3.1919 (Morgenausgabe), siehe Dokumententeil
169 "Vorwärts", 4.3.1919 (Morgenausgabe), siehe Dokumententeil
170) Dokumente und Materialien a.a.O., S. 291
171) "Vorwärts", 4.3.1919 (Morgenausgabe), siehe Dokumententeil
172) "Vorwärts", 5.3.1919 (Abendausgabe), siehe Dokumententeil
173) Vgl. dazu das nachfolgende Kapitel "Der Lichtenberger Gefangenenmord"
174) Zit.n. Illustrierte Geschichte a.a.O., S. 363 f.
175) Diese Darstellung entspricht nicht den Tatsachen; siehe dazu Flugblatt der KPD vom 11.3.1919
176) Dokumente und Materialien a.a.O., S. 302 f.
177) Ebd., S. 282 ff.
178) Ebd., S. 310 ff.


QUELLE: Richard Wiegand, "Wer hat uns verraten...", Die Sozialdemokratie in der Novemberrevolution (1918/19), Westberlin 1974, S.139-147