Habermas und die Anwendbarkeit der Arbeitswerttheorie

von
Wolfgang Müller

03/2020

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"Vor allem an zwei Punkten hält Habermas die Marxsche Theorie für revisionsbedürftig: die Kategorien von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen seien heute durch die allgemeineren von Arbeit und Interaktion zu ersetzen, und die „Arbeitswerttheorie“ sei in der Marxschen Fassung nicht mehr anwendbar, sondern bedürfe der Ergänzung durch eine zweite Mehrwertquelle, seitdem Technik und Wissenschaft zur ersten Produktivkraft angewachsen seien. Die Revision der Wertlehre hat Habermas zum ersten Mal vor bald 10 Jahren in einem Vortrag vor der Züricher Philosophischen Gesellschaft formuliert und kürzlich als offenbar festen Bestandteil seiner Marxrevision wiederholt , und zwar auch in praktischer Absicht auf dem Frankfurter Schüler- und Studentenkongress im Juni 1968, wo er eine von ihm dem SDS zugeschriebene Grundüberzeugung durch den Hinweis auf die fehlende empirische Bestätigung der „Arbeitswerttheorie“ zu erledigen suchte."(*)

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Editorische Hinweise

Der Beitrag wurde uns aus dem Kreis unser Leser*innen als OCR-Scan vom Original zur Verfügung gestellt. Er erschien in der Zeitschrift "Sozialistische Politik" (SoPo) Nr. 1/1969, Westberlin, 1. April 1969, S. 39-53

Editorial & Inhaltsverzeichnis
Sozialistische POLITIK
1. Jahrgang Nr. 1 April 1969

*) Das Referat von Jürgen Habermas auf dem Frankfurter Kongress wurde unter dem Titel "Die Scheinrevolution und ihre Kinder - Sechs Thesen über Taktik, Ziele und Situationsanalysen der oppositionellen Jugend" als Sonderdruck der Frankfurter Rundschau am 1.6.1968 erstveröffentlicht.

Zur Person von Wolfgang Müller - eigentlich Rudolf Wolfgang Müller - arbeitete damals am Otto-Suhr-Institut als wissenschaftlicher Assistent. 1970 veröffentlichte er zusammen mit Christel Neusüß in der SoPo 6/7 den Aufsatz "Die Sozialstaatsillussion und der Widerspruch zwischen Lohnarbeit und Kapital", der eine Grenzziehung zur Stamokap-Theorie darstellte, die langsam zum ideologischen Mainstream in der SoPo wurde. 1971 spaltete sich die SoPo-Herausgeber-Gruppe und ein Teil gründete die Zeitschrift "Probleme des Klassenkampfes" (ProKla), die noch im gleichen Jahr erschien. Um die inhatliche Kontinuität zwischen der ursprünglich nicht Stamokap orientierten SoPo und der geplanten ProKla zu unterstreichen, erschien im Juni vor der ersten regulären ProKla-Ausgabe ein ProKla-Sonderheft Nr.1 mit dem Aufsatz von Müller und Neusüß.