Quelle: Frankfurter Rundschau, 30.3.2000

Der Kampfanzug passt wie angegossen
Joerg Schoenbohm, den sie "Rambo aus Brandenburg" nennen, will auf dem Ticket der Rechten ins CDU-Praesidium

Von Karl-Heinz Baum (Berlin)

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Vor 39 Jahren nahm der 24-jaehrige Joerg Schoenbohm bei der Bundeswehr am "Freizeitwettbewerb fuer Leutnante und Oberleutnante" teil. Er suchte eine Antwort auf die Frage, ob der folgende Spruch des norddeutschen Schriftstellers Theodor Storm aus dem Jahre 1817 auch fuer den Soldaten gilt: "Der eine fragt: Was kommt danach? Der andere fragt nur: Ist es recht? Und also unterscheidet sich der Freie von dem Knecht." Schoenbohms Text hat der Jury gefallen. Der Leutnant wurde ausgezeichnet und erhielt 300 Mark - damals viel Geld. 250 Mark gab es extra, weil der Aufsatz auch gedruckt wurde. Noch heute schaut er gern in das Buechlein Leutnante heute mit seiner und anderen Arbeiten und findet, seine Grundueberzeugungen braucht er kaum zu aendern.

Kern des Stormschen Spruchs ist in Schoenbohms damaligen Worten: "Nur der Mensch aber kann frei sein, der sein Handeln unter das Recht stellt." Nur ein Knecht waege sein Handeln nach den fuer ihn vorteilhaften Folgen ("Was kommt danach?") ab. Der Berufssoldat habe sich "aus freien Stuecken entschieden, fuer die Freiheit einzustehen, ihr zu dienen und fuer sie sein Leben einzusetzen". Schlagworte wie "Lieber rot als tot!" oder "Willst du den Atomtod sterben oder lieber in Knechtschaft leben?" - "von verhetzten oder unrealistischen Wehrdienstgegnern, Pazifisten oder politischen Opportunisten immer wieder unter die Massen geschleudert", existierten fuer den Soldaten nicht, meinte Leutnant Schoenbohm. Heute ist der 62-jaehrige gebuertige Brandenburger, der seit seinem siebten Lebensjahr in Hessen aufwuchs, Vize-Ministerpraesident und Innenminister in Brandenburg. Nach einer lupenreinen Bundeswehrkarriere bis zum Generalleutnant und der Zeit als Staatssekretaer im Verteidigungsministerium schied er 1996 aus der Armee aus und ging als Senator nach Berlin.

Schoenbohm ist ein politischer Spaetentwickler. An den markigen Worten ist auch heute der Ex-Offizier noch gut zu erkennen, etwa als er nach dem Friedens-Abkommen von Dayton bosnischen Buergerkriegsfluechtlingen empfahl, besser in der Heimat "Hand anzulegen als hier die Hand aufzuhalten". Das kam auf der rechten Seite gut an.

Auch dieser Tage hat der Berufssoldat einen Begriff aus der Kaserne in die Politiksprache eingefuehrt. Der Newcomer hat laengst gelernt, wie gut drastische Worte in der Mediengesellschaft ankommen. Auf der Berliner Regional-Konferenz riet er den Leuten an der CDU-Spitze im militaerischen Jargon, "das Buesserhemd abzustreifen und den Kampfanzug anzuziehen". Der Parteibasis sprach Schoenbohm aus dem Herzen, ist sie doch laengst oeffentlicher Kritik wegen der Finanzaffaeren ueberdruessig. Die kuenftige Vorsitzende Angela Merkel, die den Militaerjargon nicht verwendet, blickte indes suess-saeuerlich drein. Schoenbohm bescherte der Partei ein gefluegeltes Wort; nicht nur CSU-Chef Edmund Stoiber hat es begierig aufgenommen. Manche in der Unionsfraktion flachsen: "Wir gehen nur noch im Kampfanzug ins Bett." Sie sind froh, dass Schoenbohm, seit er vom "Kampfanzug" spricht, nicht mehr so oft wie zuvor sagt, was er vom Finanzgebaren der Herren Kohl und Kanther haelt: "Sauereien, Schweinereien".

Dass Schoenbohm ein Kaempfer ist, musste 1999 Brandenburgs SPD unter Manfred Stolpe erfahren. Mit einer darniederliegenden CDU brachte der neue Landeschef eine sieggewohnte SPD an Elbe, Havel und Spree auf die Verliererstrasse: Nach einem SPD-Minus von 15 Prozent und dem eigenem Plus von acht Prozent regiert er jetzt mit; manche sehen ihn schon als naechsten Regierungschef. Fuer ihn gibt es nur einen Grund, warum Brandenburgs Menschen seit der Einheit mehrheitlich SPD waehlten: wegen Stolpe. Sollte jener nach jetzt bald zehn Jahren Amtszeit aufhoeren, wird Schoenbohm den Griff zur Macht in Potsdam wagen.

Doch einer, der nicht erst bei Storm gelernt hat, dass sich Freiheit auf Recht gruenden muss, strebt zu Hoeherem. Den jahrelang zerstrittenen Landesverband hat er ruhig gestellt. Die Neuwahl auf dem CDU-Parteitag in Essen soll ihn ins Praesidium befoerdern. Dort moechte er als Innenpolitiker das Profil der Union schaerfen, als Aelterer in der jungen (CDU-)Garde. Schoenbohm weiss nur zu gut, dass die CDU seit dem unruehmlichen Abgang des frueheren Bundesinnenministers Kanther ein thematisches Loch und eine personelle Luecke zu fuellen hat. Er vertritt in der Rechts-, Sicherheits- und Innenpolitik Positionen, die mit denen Kanthers "weitgehend uebereinstimmen", das will er auch in der Parteispitze tun. Ob beim Asylrecht oder bei der Videoueberwachung, seine Aeusserungen beunruhigen liberale Innenpolitiker der Union. Sie wuenschen nicht, dass ihre Partei dauerhaft etwa mit dem Sturmlauf gegen ein neues Staatsbuergerschaftsrecht identifiziert wird, auch wenn dies der Partei in Hessen einen Wahlerfolg bescherte. Den Sturmlauf Schoenbohms zur CDU-Spitze werden liberale CDU-Leute aber kaum aufhalten. Denn nach Kohls Abgang sehnen in der Union nicht wenige eine starke Fuehrungsfigur herbei. Ihnen kommt der "Rambo aus Brandenburg" gerade recht. Zudem sehen sie in ihm eine Figur, die dem rhetorisch gewandten Innenminister Otto Schily (SPD) "kraftvoll und rechtzeitig entgegentreten" kann.

Schoenbohm hat nach Meinung vieler in der Bundespartei mit dem Spruch vom "Kampfanzug" fruehzeitig zum Aufbruch geblasen und verunsicherten Mitgliedern zur rechten Zeit das rechte Wort gesagt. Er selbst fragt sich, ob er "ueberhaupt ein Konservativer" sei und antwortet: "Das nennt man wohl so, wenn einer fuer Freiheit und Verantwortung ist." Als "Law-und-Order-Mann" zu gelten, sieht er nicht als Nachteil. Um so weniger kann er nachvollziehen, dass einer wie Kanther mit seinen hohen Moral-Massstaeben so tief in die Affaere verwickelt sein konnte. "Ohne den Skandal waere ich nicht angetreten", versichert er. Er setzt auf den rechten Fluegel der Partei, der ohnehin eine Ergaenzung zur "protestantischen" Merkel sucht. In seinen Worten hoert sich das so an: "Es ist sehr vernuenftig, die Last auf mehrere Schultern zu verteilen. Absprachen fuer mich gibt es nicht, die machen auch keinen Sinn bei 14 brandenburgischen Delegierten von insgesamt ueber 1000. Ich will den Parteitag ueberzeugen."

Die rechte CDU-Klientel freut, wenn Schoenbohm wie auf dem von ihm auch in Brandenburg ins Leben gerufenen "Politischen Aschermittwoch" mal so richtig gegen die neuen, rot-gruenen Grosskopfeten der Bundespolitik vom Leder zieht. Im Saengerstaedtchen Finsterwalde sagte er im Festzelt der CDU ueber den gruenen Bundestagsabgeordneten Christian Stroebele, der im Untersuchungsausschuss des Parlaments zur Spendenaffaere die wohl schaerfsten Angriffe gegen die Union fuehrt, jener habe "vor Jahren Gefaengniserfahrung gesammelt und als RAF-Anwalt fungiert". Ihm werde uebel, wenn sich "Krawall-Juristen gar zu Gralshuetern unserer Verfassung aufschwingen wollen". Dann kam der Hoehepunkt der Rede: "Stroebele als Hohepriester der oeffentlichen Moral, Muentefering sein Messdiener, und Joschka transportiert keine Pistolen mehr, sondern traegt den Klingelbeutel."

Wird Schoenbohm ins Praesidium gewaehlt, will er nicht nur ueber Asyl oder Kriminalitaet reden. Saetze zur geplanten Green Card fuer auslaendische Informationstechniker, die er fuer einen klugen Schachzug der rot-gruenen Regierung haelt, um doch noch zum Einwanderungsgesetz zu kommen, reichen ihm nicht. Er will eine allgemeine Debatte anzetteln ueber die Werte der Gesellschaft und was sie zusammenhaelt von der Familie bis zum Shareholder-Value, der "keinesfalls die bestimmende Groesse der Gesellschaft werden darf".

Schon in Leutnante heute sagte er 1961, Storm interpretierend: Toleranz koenne nicht heissen, "alle gewaehren lassen". Denn "mit der Freiheit des Menschen ist auch seine Verantwortlichkeit gegeben". Der Autor erinnerte an Mathias Claudius: "Der ist nicht frei, der da will tun koennen, was er will, sondern der ist frei, der da wollen kann, was er tun soll." Und an Montesquieus "Freiheit ist das Recht, alles zu tun, was die Gesetze erlauben". Auf diesen Konsens will Schoenbohm die Gesellschaft einschwoeren.