Quelle: Interim Nr. 500 v. 20.4.2000

Vorwort
Liebe Leserinnen !

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Die Interim wird 500. Kein schlechtes Ergebnis für ein Zeitungsprojekt das sich vom Namen her als Übergangslösung präsentiert. Nicht viele Projekte aus dem linksradikalen Spektrum können auf eine ähnliche Kontinuität verweisen. Doch hinter dieser auf den ersten Blick erfolgreichen Bilanz versteckt sich zugleich auch die Krux und Krisis dieses Projektes. Ist dieses Heft noch zeitgemäß oder hol sich das Konzept im Zuge der sich veränderten gesamtpolitischen Rahmenbedingungen überholt?

Die Auflage des Blattes hat sich seit den Anfangszeiten fast halbiert, ist aber seit dem zweiwöchentlichen Erscheinungsturnus vor knapp drei Jahren relativ konstant geblieben, bzw. nur leicht abgesunken. Über die Zusammensetzung unserer Leserinnenschaft können wir nur Vermutungen anstellen. Wer von den Fans der ersten Stunde zeigt noch Begeisterung oder zumindest Interesse? Oder wird das Blatt von den über 30jährigen im besten Falle nur noch archiviert? Veränderungen in der Zusammensetzung der Leserinnenschichten lassen aber nicht unbedingt Rückschlüsse auf den Gebrauchswert oder die Qualität einer Zeitung zu. Für den Rückgang der Auflage, bzw. der Stagnation aber auch für die geringere Mitarbeit und Zustimmung von außen gegenüber diesem Projekt müssen Gründe existieren, die jenseits des Feldes persönlicher Entwicklungen oder individueller Entscheidungen angesiedelt sind. Zumal allen bekannt ist, daß diese Zeitung gerade von der aktiven Mitarbeit lebt!

Wenn wir heute in alten Nummern blättern stellen wir fest, daß die Diskussion um Sinn und Nutzen nicht neu ist. Grundsätzlicher wurde sie etwa ab Mitte der 90er Jahre. Und das stand nur bedingt mit dem Kriminalisierungsversuch 1997 in Verbindung. Denn zunächst bewirkte die Repression nichts weiter als die übliche Trotzreaktion des „jetzt erst recht." Aber ähnlich wie bei anderen Projekten dürften solche Einschnitte eine inhaltliche Weiterentwicklung behindert haben. Die Leserinnenumfrage '96 sollte mehr Rückkoppelung ermöglichen. Inwieweit aber kollektiv und wohlwollend ausgefüllte Fragebögen, aus Kreuzberger Großwgs und Hausprojekten, Aufschluß über die reale Bedeutung und Einflußmöglichkeit der Interim abgeben konnten, bleibt dahingestellt. Aus dem Abstand von Jahren erscheint das Ganze heute vielmehr als symphatischer Einfall mit hohem Unterhaltungswert, der vor allem unsere Bindung an liebgewonnene Gewohnheiten dokumentiert. Ungeschminkter und distanzierter kam die Angelegenheit auf der V V nach den Durchsuchungen in Sachen Interim zur Sprache. Wer liest das Heft noch und inwieweit besitzt dieses Medium noch repräsentativen Charakter. Doch bis heute wurde der Versuch einer Bestandsaufnahme der politischen Veränderungen, die sich seit Erscheinen der ersten Nummer seit 88 vollzogen haben, und die sich daraus zu stellende Frage, ob das Konzept Interim noch das adäquate Mittel zur Organisierung und Verbreiterung widerständiger Politikformen darstellt, nicht angepackt.. Diese Kritik müssen wii vor allem an uns selbst richten. Sie ist im Streß, in der Routine und in den dazu kontrovers geführte Diskussionen bisher zu kurz gekommen.

500 Ausgaben sind mehr als eine Zwischenlösung. Sie beinhalten auch die Gefahr, daß eine Idee zu einem starren und unbeweglichen Relikt heranreift. Ein besseres Konzept ist derzeit nicht im Handel, geschweige denn es würde eine einheitliche Position existieren. Die sog. Sinnkrise des Projekts Interim, wie sie vor 5 Jahren auftauchte, hat sich inzwischen nicht als Midlifecrisis herausgestellt, sondern ist in einen mehr oder weniger anhaltenden Dauerzustand übergegangen, m allen Konsequenzen und Brüchen, die sich daraus leider ergeben. In der letzten runden Jubiläumsausgabe, der Nummer 400 vom Dezember 96 befaßte sich schon einmal ein Beitrag mit der sog. Sinnkrise des Projekts Interim. Dieser Beitrag meinte es sehr gut n uns und lieferte einige überzeugende Argumente, die für eine Fortführung nach bisheriger Manier sprechen. Ohne jetzt den Wissensvorsprung von drei Jahren auszunutzen und zu glauben alles bes beurteilen zu können, wollen wir nochmal einige Punkte aus jenem Artikel aufgreifen, gerade weil er exemplarisch die Malaise des Status Quo aufzeigt. Überlebt hat sich seit damals die wöchentliche Erscheinungsweise, so daß das Heft an Aktualität und Diskussionsfreude verloren hat. Aber letzte ist auch darauf zurückzuführen, daß immer weniger Gruppen in dieser Stadt immer weniger zu diskutieren haben, als dies noch zu Gründungszeiten dieses Mediums der Fall war. Wir vermissen einfach qualitativ mehr interessante Beiträge, neuartige Formen der Präsentation und des Zugangs Themen, Kultur, und wir würden uns einen breiteren Austausch wünschen. Es stimmt, daß eine Zeit „Bewegungen" nicht initiieren kann, sondern höchstens ihr „Organ" sein kann. Aber wenn diese Bewegungen sich auflösen oder andere Verlautbarungsorgane benutzen (z.B. auch das Internet), macht es wenig Sinn und Spaß nur einer scheinbaren Kontinuität zuliebe fortzufahren.

Die Ausrichtung an politischen Konstellationen, die größtenteils nicht mehr existieren, arbeitet nicht unbedingt daran, daß sich die Zeiten wieder bessern, sondern trägt selbst zur Schwächung der ohnehin schwach ausgeformten Widerstandskultur bei. Nur „Dienstleistungsunternehmen" zu sein, wie sich die Interim häufig geschimpft hat, würde uns kaum Probleme bereiten, wenn dieses gebraucht und genutzt werden würde. Es geht darum „Durststrecken" nicht einfach nur zu konstatieren, sondern auch neue Wege zu suchen, diese zu überwinden. Wozu Konzepte hinterfragen bloß weil auch die Interim nicht mehr klar hat als die Reste der radikalen Linken im allgemeinen, fragt der Autor in seinem Beitrag weiter. Das hört sich fast so an, als ob wir darauf festgelegt sind, immer auf derselben Stelle treten zu müssen. Natürlich bekommen wir auch noch gute Artikel zugeschickt und immer wieder Zuschriften von Leserinnen, fern und nah, die sich auf die neue Ausgabe freuen. Und das ist sicherlich eine Ermutigung an einem solchen Projekt festzuhalten, selbst wenn es wenig über die Effizienz des Konzeptes aussagt. Was das Layout betrifft, wurde in letzter Zeit versucht ansprechender zu werden. Denn wichtig ist uns das Projekt noch allemal. In diesem Sinne: Urteilt selbst und viel Spaß beim Durchblättern dieser fünfhundersten Ausgabe.