Wer wird der nächste sein?
Rede zum 2. Jahrestag der Angriffe auf Jugoslawien

Gehalten von Franz-Josef Hanke

auf dem Marburger Marktplatz zum Abschluss der Demonstration "Überfall auf Jugoslawien - wer ist der nächste?"

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Sehr geehrte Marburger Bürgerinnen und Bürger, liebe Friedensfreunde!

"Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein!" Diesen Satz mussten wir in den letzten Tagen leider allzuoft hören. Dabei geht Nationalstolz doch beinahe zwangsläufig mit Fremdenfeindlichkeit einher. Fremdenfeindliche Übergriffe gab es in Deutschland in jüngster Zeit zu viele! Jeder einzige ist schon zuviel, aber es waren leider nicht nur Einzeltaten.

"Deutschland, Deutschland, über alles in der Welt" heißt es im Deutschlandlied. Nach zwei Weltkriegen, die deutsche Politiker und Militärs vom Zaun gebrochen haben, schicken sich deutsche Soldaten wieder an, in der Welt mitzumischen. In Bellet Uen und Bosnien standen sie noch unter dem Oberkommando der Uno, bei der Bombardierung Bagdadhs leistete die Bundeswehr "nur logistische Hilfe", aber am 24. März 1999 - heute vor genau zwei Jahren - begann die deutsche Armee einen Angriffskrieg. Die vorherigen UN-Blauhelm-Missionen waren nur Etappe auf dem Weg zur großdeutschen Militärmacht, die deutsche Politiker seit Volker Rühe und - lückenlos anschließend daran - Joschka Fischer systematisch aufbauen. Kritik an der Vergangenheit des Außenministers ist wahrscheinlich der Ausdruck konservativen Erschreckens über seine Annäherung an großmachtorientierte Politik-Konzepte, denn dass Joschka als "Sponti" an Demos teilgenommen hat, haben doch alle schon immer gewusst. Nur, dass er vor zwei Jahren die Teilnahme an einem Krieg legitimiert hat, damit hatte mancher vorher nicht gerechnet.

Zur Begründung der Beteiligung deutscher Soldaten an diesem Angriffskrieg erfand er den Ausdruck "Humanitäre Katastrophe". Welch ein Widersinn: Entweder ist etwas humanitär, oder es ist eine Katastrophe.

Ein schwerer Schlag gegen Verfassungs- und Völkerrecht war dieser Krieg allemal. Ihre Besorgnis darüber haben am 21. April 1999 28 engagierte Bürgerinnen und Bürger in einem Aufruf in der Berliner Tageszeitung "TAZ" zum Ausdruck gebracht. Darin forderten sie - unter ihnen Persönlichkeiten wie Wolf-Dieter Narr, Elke Steven, Hanne und Klaus Vack - die deutschen Soldaten, die "am Krieg im Kosowo beteiligt sind", auf, diesen Einsatz zu verweigern.

"Handlungen, die geeignet sind ... das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen", steht in Artikel 26 Absatz . 1 des Grundgesetzes.

Strafverfahren gegen die Unterzeichner wegen "Aufrufs zur Fahnenflucht" waren die Folge. Strafverfahren gegen die Kriegstreiber wurden hingegen niedergeschlagen.

Voraussichtlich am 10. Juni, dem Jahrestag des letzten Bombardements im Kosowo und zugleich Jahrestag der größten Friedensdemonstration in Deutschland gegen den NATO-Doppelbeschluss , werden die 28 Erstunterzeichnerinnen und Erstunterzeichner dieses Aufrufs den Fritz-Bauer-Preis der Humanistischen Union erhalten. Mit dieser Würdigung ihres Einsatzes für Menschenrechte und Demokratie in Deutschland stehen sie in einer Reihe mit Preisträgern wie Gustav Heinemann und Günter Grass.

Frühzeitig haben sie auf Unstimmmigkeiten bei der Legitimierung des Krieges hingewiesen. Inzwischen haben sich diese Widersprüchlichkeiten bei Regierungsäußerungen verdichtet:
Der pensionierte deutsche General Heinz Loquai hatte als kommandeur der OSCE-Beobachtertruppe frühzeitig Verstärkung aus Deutschland angefordert; sie kam - trotz anderslautender Absprachen - nicht.

Die "Massaker" von Raczak, Rugowo und Srebrenica , die zum beleg der "ethnischen Säuberungen" durch das Milosevic-Regime angeführt wurden, haben so, wie es von NATO-Kreisen immer behauptet worden war, nicht stattgefunden.

Den sogenannten "Hufeisenplan" - angeblich ein Gehiempapier der jugoslawischen Militärs zur "ethischen Säuberung" des Kosowo - haben nach Lurquays Feststellung seine ehemaligen Kollegen auf der Bonner Hardthöhe ausgeheckt.

Noch im März 1999 sandte das Auswärtige Amt sogenannte "Länderberichte" an bundesdeutsche Gerichte, in denen eine "ethnische Verfolgung" der albanischen Volksgruppe im Kosowo bestritten wurde; nur eine Woche später war die "Humanitäre Katastrophe" dann plötzlich allgegenwärtig.
Minister Rudolf Scharping entblödete sich im Verlauf des nicht einmal, von Greueltaten der Jugoslawen zu "berichten: sie hätten Babys bei lebendigem Leibe geröstet, mit ihren Köpfen Fußball gespielt und noch einiges mehr, was einem kranken Hirn an Scheußlichkeiten einfallen kann.

Damit ich nicht missverstanden werde: Slobodan Milosevic war ein Diktator, der sein Volk unterdrückt hat. Aber, anstatt dem unterdrückten Volk solidarisch zu Hilfe zu eilen, hat die NATO eben dieses Volk bombardiert. Und um dieses Bombardement zu rechtfertigen, haben bundesdeutsche Politiker uns - das deutsche Volk - belogen.

Wir fordern: Lügner und Kriegstreiber müssen zur Rechenschaft gezogen werden!
In Wirklichkeit dienen die Angriffe auf Jugoslawien wie auch die neuerliche Bombardierung Bagdadhs nur macht-, militär- und wirtschaftspolitischen Interessen. Stünde Humanität wirklich so hoch im Kurs, wie es die Begründungen der NATO-Angriffe auf Jugoslawien vermuten ließen, dann dürfte die Bevölkerung des Irak nicht so menschenunwürdige Zustände erleiden.

Deshalb: Beendet die Bombardements! Stadttdessen: Brot und Medikamente für die Menschen!
Stünde Humanität wirklich hoch im Kurs, würden westliche Staaten keine Waffen mehr an afrikanische Regimes liefern, die damit Machtstreitigkeiten unter einflussreichen Clans auf dem Rücken der Bevölkerung und - vor allem - von Kinder-Soldaten austragen.

Deswegen: Stoppt den Waffenhandel weltweit! Stattdessen: Brot und Medikamente - beispielsweise gegen AIDS - für die Menschen!

Waffen, die einmal entwickelt wurden, sollen nach dem Willen ihrer Konstrukteure auch einmal eingesetzt werden. Die Luftschläge gen den Irak wie auch gegen Jugoslawien sind ein gigantischer Waffentest. Die Techniker sehen, wie "sauber" ihre mörderischen Maschinen "Funktionieren".
Der Verherrlichung von Kriegsgerät dient auch die Waffenschau "Die Luftwaffe", die am 4. April auf dem Messeplatz Affölller eröffnet werden soll. Von Marburg aus soll diese Kriegspropaganda zum Anfassen dann durch die gesamte Republik reisen.

"Luftwaffe" heißen die bewaffneten Flieger schon seit der Nazi-Zeit. Mit diesem Namen verbindet sich die Kriegsführung aus der Luft gegen die - zu weiten Teilen unbewaffnete - Bevölkerung.
Im kürzlich vergangenen Jahrhundert haben deutsche Soldaten drei Angriffskriege geführt. In besonderem Maße zeigt der 2. Weltkrieg, wie Demokratie und Menschenwürde im Krieg vor die Hunde geht. Mehr als 50 Jahre später sind immer noch nichat alle Kriegsverbrechen gesühnt oder auch nur aufgeklärt. Immer noch warten Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter auf eine - wenn auch nur symbolische - Entschädigung für das erlittene Unrecht. Hier beginnen die humanitären Pflichten der deutschen Regierungen und die moralischen Pflichten der deutschen Wirtschaft. Auf ein Land, wo Gerechtigkeit nur dann erkauft wird, wenn es künftigen Gewinnen dienlich ist, kann ich wahrlich nicht stolz sein.

Alle Unternehmen, die sich ihrer r Verantwortung hier entziehen, müssen boykottiert werden. Waffenhandel, -entwicklung und -herstellung müssen aufhören! Stattdessen: Brot udn Medikamente, Schulen und Studienplätze, Demokratie und Freiheit für alle Menschen!
Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!

Diesen Wunsch haben die Überlebenden des 2. Weltkrieges formuliert, und er ist immer noch richtig: Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!

Franz-Josef Hanke
(HU-Ortsvorsitzender)      
e-Mail: mailto:hanke@hu-marburg.de?

Lesen Sie dazu auch den Bericht über die Demonstration bei http://www.marburgnews.de/, die Pressemitteilung des HU-Ortsverbands Marburg vom 24. März 2001 und den Aufruf "Überfall auf Jugoslawien - wer ist der nächste?" der Marburger Friedensinitiative "Nein zum Krieg"!
Abonnieren Sie die jeweils aktuelle Pressemitteilung des HU-Ortsverbands Marburg per e-Mail!
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