Zur Kritik an der Palästina-Solidarität
Antisemitismus in der deutschen Linken
04/02
 
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Ziel dieses Textes ist es nicht, eine Position zum Nahost-Konflikt zu formulieren, sondern eine Kritik an dem Umgang der hiesigen Linken mit dem Konflikt. Es geht uns um eine Kritik an der aktuellen Palästina-Solidarität und dem Antisemitismus in der Linken. Linker Antisemitismus? Gibt's doch gar nicht, denken viele vielleicht. Zwar fehlt der Antisemitismus meist in der Aufzählung der -ismen, gegen die protestiert wird, aber linke Antisemiten? Schön, wenn's so einfach wär... Linksradikale reagieren auf den Begriff “Antisemitismus” oft genauso nervös, wie die bürgerliche Öffentlichkeit auf den Begriff “Rassismus”: Der Vorwurf löst meist weit mehr Empörung aus, als die Tat selbst. Wird etwa der (latente) Antisemitismus in bestimmten Positionen zum
Nahost-Konflikt kritisiert, lautet die reflexhafte Antwort meist: “Man muss ja wohl noch Israel kritisieren dürfen”, denn das “habe ja nichts mit Antisemitismus zu tun”. Ebenso kann man in unzähligen Talkshows hören, dass es ja wohl nichts mit “Fremdenfeind­lichkeit” zu tun habe, wenn “man mal offen darüber sprechen möchte, wie viele Ausländer dieses Land verträgt”. Seit 1945 versteckt sich der Antisemitismus in Deutschland hinter der Behauptung, “man dürfe ja nichts mehr gegen Juden sagen”. Diese Strategie, real gar nicht existierende “Denkverbote” herbeizureden, angebliche “Tabus” zu konstruieren und diese dann mutig zu brechen, wird auch unter Linken immer beliebter. Kürzlich wurde sogar in einem Beitrag auf “Indymedia” bemerkt, es sei “nationalistisch”, wenn jemand “nichts gegen Juden sagen dürfe”, nur weil er Deutscher sei. Auch in der innerlinken Debatte ist es inzwischen üblich, den KritikerInnen des Antisemitismus vorzuwerfen, sie würden ja beim Nahost-Konflikt ständig Israelis und Juden gleichsetzen und jede Kritik an Israel als Antisemitismus “verteufeln”. Das sehen wir anders. Antisemitismus ist - stark verkürzt - die Verbreitung von Vorurteilen gegen Jüdinnen und Juden. Unzweifelhaft ist, dass es sich bei Israel - sowohl nach seinem Selbstbild wie auch in der Fremdwahrnehmung - um einen jüdischen Staat handelt. Dazu kommt, dass aus unserer Sicht - im Vergleich zum eher mäßigen Interesse an ähnlichen Konflikten, beispiels­weise auf dem Balkan, in Sri Lanka oder Kolumbien - auffällig starke Interesse der deutschen Linken - aber auch teilweise der internationalen Öffentlichkeit am Nahostkonflikt. Zudem ist die Kritik häufig nicht gegen die Leiden der PalästinenserInnen gerichtet, sondern dagegen, dass die Israelis sie schlecht behandeln. Die
miserablen Bedingungen, unter denen PalästinenserInnen in arabischen Staaten leben, werden nur selten thematisiert. Kurzum: Die Tatsache, dass es sich bei Israel um einen jüdischen Staat handelt, spielt durchaus eine wichtige Rolle für den Blick auf den Nahostkonflikt.

Antizionismus und Pali-Solidarität

Auf Israels Charakter als “Judenstaat” wurde Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre von Seiten der deutschen Linken noch deutlicher Bezug genommen. Unter dem Vorzeichen der Solidarität mit dem “Befreiungskampf der Palästinenser” wurde behauptet, die Juden würden den PalästinenserInnen genau das antun, was “die Nazis” ihnen angetan hätten. Viele Linke fanden
es passend, von der “Endlösung der Palästinenserfrage” zu sprechen, vom “faschistischen Israel”, das “das palästinen­sische Volk ausradieren” wolle. Auch die “Gerade-wir-Deutschen”-Logik, mit der Fischer und Scharping 1999 die Bomben auf Belgrad begründeten, hatte hier ihre Geburtsstunde. Damals hieß es, gerade die Deutschen hätten eine besondere Verantwortung für die PalästinenserInnen. Der “Antizionismus” verstand sich als nach­träglicher Widerstand gegen den deutschen Faschismus und war dabei den heutigen Aktionen von Neonazis gefährlich nahe: Es war die Spontigruppe “Tupamaros Westberlin”, die am 9. November [!] 1969 einen Brandanschlag auf das jüdische Gemeindezentrum in Westberlin verübten. Ihr Mitbegründer Dieter Kunzelmann schrieb zu jener Zeit: “Wenn wir endlich gelernt haben, die faschistische Ideologie ›Zionismus‹ zu begreifen, erden wir nicht mehr zögern, unseren simplen Philosemitismus zu ersetzen durch eindeutige Solidarität mit AL FATAH, die im Nahen Osten den Kampf gegen das Dritte Reich von Gestern und Heute und seine Folgen aufgenommen hat”. Es ist also keine große Überraschung, dass Kunzelmanns ehemaliger Genosse Horst Mahler heute mit seinen Kameraden mit Pali-Tüchern bekleidet durch die Straßen läuft und “Lang lebe Palästina” ruft. Schon in den 70ern bewunderten viele deutsche Linke die PalästinenserInnen als “militanten
Heimatvertriebenenverband” (Wolfgang Pohrt). Schon aus den 70er Jahren stammt die absurde These, “Antizionismus” habe nichts mit Antisemitismus zu tun. Es mag ja sein, dass die, die sich selbst Antizionisten nennen, keine Antisemiten sein wollen und sich auch nicht selbst als solche sehen. Aber allein schon die oben genannten Anschlagsziele zeigen, dass Antizionismus und Antisemitismus zumindest nahe Verwandte sind. Der Begriff Antizionismus wurde zunächst in der Sowjetunion verwen­det, um eine Verbindung des tradier­ten Antisemitismus mit der
marxistisch-leninistischen Ideologie zu erreichen. Der “Zionist” war gleichzeitig Klassen- und Volksfeind, der “Zionismus” (sprich: Israel) galt als Quelle des Imperialismus. Auch der “Antizionismus” der deutschen Linken kritisierte nicht etwa das konkrete Handeln israelischer
PolitikerInnen, sondern richtete sich meist gegen die Existenz eines jüdischen Staates an sich. “Israel” wurde in vielen linken Texten in Anführungszeichen gesetzt, wie die “DDR” bei Springer. Zur “Lösung des Konflikts” wurde nicht selten die “Zerschlagung Israels” gefordert. Auch
wenn “Antizionismus” und “palästinen­sischer Befreiungskampf” heute keine eindeutigen Bezugs­punkte linker Politik mehr sind, so ist dies doch nach wie vor die Brille, mit der viele deutsche Linke auch heute noch (bzw. wieder) auf den Nahost-Konflikt schauen. Seit Beginn der sogenannten Al-Aqsa-Intifada im Herbst 2000 kochen bei kaum einem anderen Thema die Emotionen so schnell hoch, sind so schnell die Fronten klar gezogen, als wenn es um den Nahostkonflikt - oder besser um Israel geht.

Auf die Fresse für "Solidarität mit Israel"

Besonders seit den Anschlägen vom 11. September 2001 artikulieren sich dabei auch in der deutschen Linken immer offener antisemitische Denkweisen - bis hin zur offenen Gewalt. Einigen Linken scheint es legitim zu sein, andere Linke, die - aus welchen Grün­den und in welchem Ausmaß auch immer - für Israel Partei ergreifen, anzuschreien, sie als “Zionistenschweine” zu beleidigen und sie auch körperlich anzugreifen. Inzwischen gab es in mehreren deutschen Städten Übergriffe auf Personen, deren “Vergehen” darin bestand, Parolen wie “Solidarität mit Israel” oder
“Lang lebe Israel” zu unterstützen. Auch Plakate, die sich in irgend einer Weise positiv auf den Staat Israel bezogen oder sich auch nur gegen palästinensische Selbstmordatten­tate richteten, wurden in Berlin wiederholt innerhalb kürzester Zeit abgerissen oder auf andere Weise unlesbar gemacht. Manche GenossInnen finden, dass Menschen, die “einen imperialistischen Staat”, oder wie es auch heißt, “die drittgrößte Militärmacht der Welt” “verteidigen”, sich ja schließlich nicht wundern müssten, “auf die Schnauze zu bekommen”. Was mit Parolen wie “Solidarität mit Israel” gemeint sein könnte, ist Ihnen also noch nicht mal eine Diskussion wert. Kein Gedanke wird daran verschwendet, dass damit vielleicht auch einfach nur gemeint sein kann: Die Existenz eines
jüdischen Staates, der unter anderem als Konsequenz aus der von Deutschen versuchten Vernichtung des europäischen Judentums und dem bis heute weltweit virulenten Antisemitismus entstanden ist, ist legitim und unterstützenswert. Gerade angesichts des arabischen Antisemitismus und der Vernichtungsabsichten weiter Teile der politischen und militärischen
GegnerInnen Israels sollte die Idee Israels als jüdischer Staat unterstützt werden. Diese Sätze bedeuten nämlich etwas ganz anderes, als eine unbedingte Übereinstim­mung mit jeglichen Aktionen der jeweiligen israelischen Regierung oder der israelischen Armee. “Uneingeschränkte
Solidarität” - komme sie nun von Schröder oder von der Bahamas - ist meist eine eher zweifelhafte Angelegenheit. Allemal zu verurteilen ist es jedoch, angesichts solch gutgemeinter (aber meist jedoch wohl recht folgenloser) Solidaritätsbekundungen völlig auszurasten und Leute von Demos zu verjagen, sie zu beschimpfen oder gar zusammenzuschlagen. Noch stärker zeigt sich der Antisemitismus in Aktionen wie dem Boykott israelischer Produkte bzw. Geschäfte. Die AktivistInnen verbitten sich jeglichen Vergleich mit den Judenboykotten der Nazis. Begründet wird die Aktion mit der Politik Sharons. Aber wer käme etwa auf die Idee, wegen der Politik Schröders, der deutschen Waffenexporte und Kriegseinsätze, Deutschlands Rolle in EU, NATO und IWF, angesichts der staatlich geduldeten “national befreiten Zonen” und der rassistischen Sondergesetze einen Boykott deutscher Waren zu fordern? Spätestens vor dem Hintergrund
solcher Kampagnen ist die Behauptung, “man dürfe ja nichts gegen Israel sagen”, nicht nur ad absurdum geführt, sondern auch faktisch widerlegt.

Die Palästina-Demo am 16.3.

Ein aktuelles Beispiel dafür, wie sich Antisemitismus in der Palästina-Soliarbeit ausdrückt, ist die vom “Solidaritätsbündnis für Palästina” am 16.3.02 organisierte Demo. In diesem Solibündnis sind neben der “Vereinigten Palästinens schen Gemeinde” Berlins und weiteren palästinensischen und iranischen Gruppen auch zahlreiche deutsche Gruppen vertreten, vom “Arbeitskreis Nahost” der grünennahen Heinrich-Böll-Stiftung und der “Friedensinitiative Wilmersdorf” über das
“Gegeninformationsbüro” (GIB), die Gruppen “Libertad!” und “Mücadele” bis hin zu “Linksruck”. Schon das Motto der Demo “Palästina muss leben!” lässt aufhorchen. Ein ähnlicher Spruch war Teil der Nazi-Kriegspropaganda: “Deutschland muß leben, und wenn wir sterben müssen” prangt seit 1936 u.a. auf dem “Kriegsklotz” in Hamburg - auf den sich auch ein bekannter Song der Hamburger Punkband Slime bezieht. Der Demo-Aufruf steht unter der Überschrift “Schluss mit der Besatzung!”. Damit ist jedoch nicht etwa die Besetzung des Gazastreifens und der Westbank 1967 gemeint. An einer Stelle heißt es, die PLO habe in den Osloer Verträgen “auf 78% des
palästinensischen Gebietes” verzichtet - damit ist das Gebiet des Staates Israel seit dessen Gründung 1948 gemeint!!! Mit anderen Worten: Schon die bloße Existenz Israels ist für die unterzeichnenden Gruppen ein Kompromiss. Dies schließt an den Mythos des “fremden Staates auf arabischem Boden” an, der auch den Antizionismus der 70er Jahre prägte. Für das Scheitern des Friedensprozesses wird ausschließlich Israel verantwortlich gemacht. In der Kritik der “kolonialistischen und rassistischen Politik [...] in den nunmehr 54 Jahren seit seiner
Staatsgründung” verschwinden jegliche Unterscheidungen zwischen verschiedenen Regierungen, politischen Strategien, Verhandlungs- oder Kriegsphasen. Auch wenn es nicht wörtlich so benannt wird, ist hier ganz klar: Für das Solibündnis heißt das Problem schlicht Israel. Deshalb findet sich in dem Aufruf auch kein Wort über die Ablehnung sämtlicher Friedenspläne durch Arafat, über die politische Dominanz offen antisemitischer Gruppen in Palästina, die das Existenzrecht Israels nach wie vor ablehnen und über ihre Mordanschläge, die dieser Haltung ständig praktisch Nachdruck verleihen. Auf die Forderungen des Solibündnisses wollen wir näher eingehen: Es ist schon ein krasser Widerspruch, zunächst den angeblichen Imperialismus Israels sowie die Unterstützung Israels durch die BRD zu brandmarken und dann ausgerechnet die deutsche Bundesregierung aufzufordern, “Druck auf die israelische Regierung auszuüben”, einen “palästinensischen Staat anzuerkennen” und die “Waffenlieferungen an Israel sofort einzustellen”. Zumindest einige der unterzeichnenden Gruppen haben - wenn es nicht um Israel geht - vermutlich erheblich größere Probleme, sich als Bittsteller an die deutsche Regierung zu wenden. Eine weitere Forderung ist die “Auflösung der Siedlungen” - welcher? Gemeint sind wahrscheinlich die jüdischen Siedlungen in den sogenannten besetzten Gebieten - lautet die Forderung also polemisch gesagt: Palästina judenfrei?

Rückkehrrecht?

Auch die geforderte “Anerkennung des Rückkehrrechts der palästinensischen Flüchtlinge” ist zu kritisieren. 1948 und 1967 sind mehrere hunderttausend Palästinenser­Innen geflüchtet. Der Flüchtlingsstatus wird - ebenso wie bei den deutschen “Vertriebenen” - über Generationen hinweg
vererbt. Ihre Zahl 1948 wird von palästinensischer Seite mit 800.000 angegeben. Heutzutage existieren nach gleichen Angaben jedoch rund fünf Millionen palästinensische Flüchtlinge. Davon leben über drei Millionen in den arabischen Staaten und knapp zwei Millionen bereits in Israel oder in den palästinensischen Autonomiegebieten. Von den sogenannten Flüchtlingen sind also nur die Wenigsten wirklich einmal geflüchtet. Das Recht von PalästinenserInnen, sich in einem (späteren) palästinensischen Staat anzusiedeln, wurde von Israel in den jüngsten Verhandlungen nicht
bestritten. Arafat forderte jedoch - mit dem Argument vom angestammten arabischen Boden - ein kategorisches “Rückkehrrecht” für alle fünf Millionen “Flüchtlinge”, d.h. das Recht, in das israelische Kernland “zurückzukehren”. Bei einer Zahl von knapp fünf Millionen jüdischen (und gut einer Million moslemischer und christlicher) Israelis wäre diese “Rückkehr” gleichbedeutend mit dem Ende Israels als jüdischem Staat. Die undifferenzierte Forderung eines “Rückkehrrechts für die Palästinenser” ist vor diesem Hintergrund nicht als Lösung der Flüchtlingsfrage im Nahen
Osten zu sehen, sondern als politischer Kampfbegriff. In letzter Konsequenz bedeutet er eine Infragestellung des Status Israels als jüdischem Staat, oder zugespitzt: eine verklausulierte Art, die Auflösung des jüdischen Staates Israel zu fordern. Das es dabei nicht um die
Situation der Flüchtlinge geht, zeigt die mangelnde Kritik an der entsprechenden Politik der arabischen Staaten und auch der palästinensischen Autonomiebehörden. Bei der Forderung nach einer “Freilassung der politischen Gefangenen” macht das Solibündnis keinerlei Differenzierungen. Damit wird - ob bewusst oder nicht - auch die Freilassung derjenigen gefordert, die verantwortlich sind für Selbstmordattentate auf israelische ZivilistInnen. Lediglich bei der Forderung nach einem “Ende der Liquidierungen” wird unterschieden. Die UnterzeichnerInnen machen noch einmal deutlich, dass nicht alle Morde aufhören sollen, sondern nur die “gezielte Ermordung palästinensischer Aktivisten”. Dadurch wird - ebenfalls nicht explizit ausgesprochen - die Ermordung von Israelis (sprich: Juden) weiterhin als legitimer Teil des politischen Kampfes begriffen. Auf der Demo selber griffen viele TeilnehmerInnen diese Argumentation auf und wurden sogar noch deutlicher: Einer der beliebtesten Sprechchöre lautete “Stoppt den Krieg - Intifada bis zum Sieg!”. Mit anderen Worten: Israel soll seine Armee zurückziehen, aber die Attentate sollen weitergehen! Auf der Demo wurde mit diversen arabischen Sprechchören, Palästinaflaggen, grünen Märtyrer-Stirnbändern u.ä. versucht, die Stimmung der Demos in Gaza oder Ramallah zu imitieren, auf denen die “Märtyrer des palästinensischen Volkes” gefeiert und der bedingungslose Krieg gegen “die Juden” bejubelt wird. Neben Sprechchören wie “Sharon ist ein Mörder und Faschist!” oder “Israel Kindermörder - Israel Frauenmörder!” war auch eine Flagge mit Palästinakarte zu sehen, auf der Israel gar nicht mehr existiert - eine Darstellung, die in
palästinensischen Schulbüchern gang und gäbe ist. Von keiner der an dem Solidaritätsbündnis beteiligten Gruppen ist bisher eine prinzipielle Kritik an der Praxis der Selbstmordattentate, am Konzept des “heiligen Djihad” gegen die Juden und an der Nichtanerkennung des israelischen Staates durch große Teile der DemoteilnehmerInnen öffentlich wahrnehmbar geworden. Auch eine sichtbare Abgrenzung einzelner Gruppen von offen antisemitisch agierenden Gruppen wie der Hamas, dem Palästinensischen Islamischen Djihad, oder der angeblich linken PFLP (die bis heute den Oslo-Friedensprozess und jegliche Anerkennung oder Verhandlung mit dem Staat Israel ablehnt) ist bis heute nicht erfolgt.

Völkisches Denken in der Linken

Diese fehlende Abgrenzung kann im Jahre 2002 nicht mehr mit mangelnder Kenntnis über die Hintergründe des Nahostkonflikts entschuldigt werden. Zudem muss gefragt werden, was mit der “Befreiung” Palästinas gemeint sein soll, wenn nicht die Befreiung von der Anwesenheit von Jüdinnen und Juden. Die bundesweite Palästina-Demo am 13.4. soll am “Tag des Bodens” stattfinden, an dem die PalästinenserInnen seit 1976 gegen die “Landnahme arabischen Bodens” durch Israel protestieren. Fernab vom Antisemitismus sind Vorstellungen vom “guten Volk”, das gegen die “bösen Staaten” (besonders die imperialistischen) kämpft, ein fester Bestandteil des
antiimperialistischen Weltbildes. Nicht selten werden die “Rechte eines Volkes” auch mit dem “natürlichen” oder “angestammten” Boden begründet. Der Mythos des homogenen Volkes zeigt sich in der Affinität für die “Völker” Tschetscheniens, Afghanistans, Serbiens und eben auch
Paläs­tinas. Durch die Forderung nach einem Selbstbestimmungsrecht für ein Volk und nicht für einzelne Menschen ist diese Haltung in erstaunlicher politischer Nähe sowohl zu den NGOs des rotgrünen Milieus (z.B. der Gesellschaft für bedrohte Völker), als auch zur traditionellen deutschen Außenpolitik, die stets danach strebte, Europa in kleine “ethnisch homoge­ne” Häppchen zu zerteilen, die nicht in der Lage sind, sich deutschen Interessen in den Weg zu stellen. Wie sehr die homogenisierende “Volksromantik” das politische Weltbild mancher deutscher Linker prägt, zeigt sich auch an der Kreuzberger Kiezromantik im Vorfeld des 1. Mai (GIB), die der Bevölkerung des Bezirks einen einheitlichen, gegen “die Herrschenden” gerichteten politischen Willen unterstellt. Ebenso zu kritisieren ist jedoch, wenn der Wunsch nach einer klaren Positionierung gegen Antisemitismus in rassistischen Stereotypen, in Antiislamismus, in der Projektion der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft auf heutige arabische Gesellschaften (der Gleichsetzung von Koran und “Mein Kampf”) ausartet, wie es vor allem die “Bahamas” des
öfteren praktiziert.

Unser Ziel ist es nicht, eine Bewertung des Nahostkonfliktes vorzunehmen - für uns ist auch sehr fraglich, ob dies ausgerechnet die Aufgabe der deutschen Linken sein sollte. Zudem wird es wohl in naher Zukunft keinen innerlinken Konsens in dieser Frage geben, schon gar keinen, der “auf der
Straße” ausdrückbar wäre, ohne zur Mobilisierung antisemitischer Ressentiments zu werden. Eines ist jedoch für uns klar: Eine Identifizierung oder auch Unterstützung des derzeitigen “palästinensischen Befreiungskampfes” ist aus linker Perspektive untragbar! Denn anders als
vielleicht noch 1987 handelt es sich bei der sogenannten Al-Aqsa-Intifada keineswegs um einen spontanen, durch die Lebensbedingungen hervorgerufenen sich militant entladenden Protest mit progressivem Potential, sondern größtenteils um eine geplante und koordinierte antisemitische Guerilla, deren Ziel es ist, den Feind zu vernichten, d.h. die Existenz Israels zu beenden und zu diesem Zweck so viele Juden wie möglich zu ermorden. Wir gehen davon aus, dass es in der palästinensischen Gesellschaft derzeit keine nennenswerten politischen Kräfte gibt, die eine positive Bezugnahme, wie sie in der Parole “Solidarität mit Palästina” zum Ausdruck kommt,
rechtfertigen. Die Positionen, die für einen Dialog und für ein Zusammenleben mit dem jüdischen Staat Israel und für die Verbesserung der Lebensverhältnisse in den palästinensischen Autonomiegebieten eintreten, sind in der palästinensischen Gesellschaft derzeit bestenfalls
marginalisiert. Völlig unklar ist, mit was bzw. wem sich eigentlich solidarisiert werden soll und eine unbestimmte Solidarität mit allem palästinensischen ist für uns auf den o.g. Gründen untragbar. Deshalb lautet unsere Konsequenz: So wie sie gerade propagiert wird, lehnen wir eine “Solidarität mit Palästina” ab!

Keine “Solidarität mit Palästina”!
Gegen Antisemitismus und völkisches Denken überall!
Keine antisemitischen Parolen am 1. Mai und an anderen Tagen!
Deutschland halt’s Maul!

Antisemitismus-AG der Gruppe subcutan
Kontakt: a6_laden@gmx.de

Editorische Anmerkungen:

Der Artikel wurde uns zur Veröffentlichung am 7.4.2002 von der Antisemitismus-AG zugeschickt.