Gegen den Antisemitismus der radikalen Linken !
04/02
 
trend
onlinezeitung
Briefe oder Artikel info@trend.partisan.net ODER per Snail: trend c/o Anti-Quariat 610610 Postfach 10937 Berlin
Was kürzlich geschah: in Marseille wird eine Synagoge niedergebrannt, in Lyon eine weitere angegriffen, eine jüdische Schule nahe Paris ebenfalls durch Flammen verwüstet, ein Mann, der wegen seiner Kopfbedeckung als Jude erkenntlich war, und seine schwangere Ehefrau werden zusammengeschlagen. Der erst zwei Wochen zuvor erschienene Bericht über antisemitische Gewalttaten registriert 405 Brandanschläge, Schmierereien, Todesdrohungen, Tätlichkeiten zwischen dem 1. September 2000 und dem 31. Januar 2002. Daran zeigt sich, daß der Antisemitismus nie überwunden, sondern nur verdrängt wurde und nun wieder emporwuchert. Er entfaltet sich auf Basis eines völkischen Populismus der radikalen Linken in Deutschland.

In den Aufrufen und Flugblättern der deutschen Linken ist fast ausschließlich vom »unterdrückten palästinensischen Volk« die Rede, das sich gegen die »israelischen Besatzer« wehre. In den Aufruf der türkischen DHKC heißt es gar: »Wir appellieren an alle revolutionären, patriotischen, progressiven und demokratischen Organisationen, an alle Anti-Imperialisten, Anti-Amerikaner, an alle Islamisten und an alle, die für Freiheit, Brot und Gerechtigkeit sind. Es ist an der Zeit, die gemeinsame Wut der Völker gegen die imperialistisch-zionistischen Angriffe zu mobilisieren.«
Während das tägliche Leid, das der palästinensischen Bevölkerung widerfährt, zynisch benutzt wird, um das eigene nationale Ehrgefühl projektiv hochzustilisieren (wie etwas beim Begriff der „Demütigung“), sind ihnen die Selbstmordattentate auf israelische Zivilisten kaum der Rede wert. Selbst islamistische Gruppen wie die Hamas oder die Hizbollah, deren erklärtes Ziel die Vernichtung Israels ist, werden als legitime nationale Befreiungsbewegungen angesehen. >>Volk, nationale Befreiung und Kampf bis zum Sieg<< - nicht nur im Vokabular erinnert die aktuelle Palästina-Solidarität an den Antiimperialismus der siebziger Jahre. >>Boykottiert Israel!<< Für solche Forderungen waren bislang nur linksradikale Antiimperialisten bekannt. Neu ist hingegen, dass nun auch konservative Politiker wie Lamers oder Blüm an dem antizionistischen Kampf der Linken Gefallen finden. Jürgen Möllemann (FDP) und Karl Lamers (CDU) rufen zum Boykott israelische Produkte auf, wie auch in Italien die linksradikalen Nachwuchskräfte von Ya Basta.

Daß sich auch heute wieder Antisemitismus und Antizionimus (die bekanntlich im rassistischen Antisemitismus des letzten Jahrhunderts zusammenflossen) kaum mehr trennen lassen, zeigt sich schon an den Anschlagszielen. In Berlin explodierten Mitte März nach einer propalästinensischen Demonstration auf einem jüdischen Friedhof Rohrbomben, am Osterwochenende wurden nahe dem Kurfürstendamm zwei Juden, die an ihrer Kleidung als solche zu erkennen waren, auf offener Straße niedergeschlagen. In der Schweiz wurde die Indymedia-Filiale nach einer Anzeige wegen antisemitischer Volksverhetzung vorrübergehend eingestellt. In Frankreich und Belgien richteten sich in der vergangenen Woche zahlreiche anti-israelische Attacken gegen Synagogen, Friedhöfe und Einrichtungen der jüdischen Gemeinden.

Am Osterwochenende wurden in Marseille, Lyon, Nizza, Brüssel und Antwerpen Synagogen angezündet. Während die Europäische Union noch überlegt, sind die „Globalisierungsgegner“ in Gestalt des Anti- McDonald's-Bauern José Bové, der zur »Verteidigung des palästinensischen Volks« und seines Führers in die Autonomiegebiete einrückte schon vor Ort. Die französischen »Friedensaktivisten« stellen die übergroße Mehrheit der zivilgesellschaftlichen Hilfstruppen der Intifada, obwohl auch eine deutsche Lehrerin mit ihrer Tochter u.a. darin nicht fehlen durften.
In Europa entwickelt sich eine neue antisemitische Stimmung. Knapp 60 Jahre, nachdem die nationalsozialistische Vernichtungspolitik die jüdische Assimilation beendet hat, gilt es klar zu machen, daß in Europa so Kriege vorbereitet werden !

Israel führe einen »hemmungslosen Vernichtungskrieg« schreibt Norbert Blüm an Botschafter Stein, das Land verliere jeden Respekt »der zivilisierten Welt«, zu der es nach Blüms Einschätzung wohl noch nie so richtig gehörte. Und in den Medien wird darüber räsonniert, ob nicht die Nummern, die israelische Soldaten palästinensischen Gefangenen auf den Arm schrieben, mit den Tätowierungen der KZ-Häftlinge zu vergleichen seien. Palästinenser, denen in ihrem Lande vorgeworfen wird, mit Israelis zusammenzuarbeiten, werden in deutschen Zeitungen nicht etwa als Friedensaktivisten, sondern als »Kollaborateure« bezeichnet und die palästinensischen Gebiete nennt Augstein »Israelische Protektorate«. Die neuen Nazis sind die Israelis.

In Deutschland sammeln sich unter dem Motto: „Schuld an der Eskalation hat Israel“ von den »nationalen Anarchisten« bis zur DKP, vom Gutmenschen bis zum Globalisierungsgegner, Politiker, Medien und (faschistische) Parteien alle, die nun eine große Koalition aus rechte Liberalen, Konservativen und Linken bilden. Dieser Wertkonserve samt ihrer „Schirmherren“ (Roman Herzog mit: „Es muß ein Ruck durch Deutschland gehen!“) muß von unserer Seite eine klare Absage erteilt werden.

Eine sozialemanzipatorische Bewegung darf sich weder auf das völkische Motiv (das immer die Pogromstimmung gegen das „Volksfremde“ in sich trägt) noch auf einen nationalen Staatsapparat stützen, sondern muß eine Strategie entwickeln, das menschliche Individuum aus dem Kerker des bürgerlichen Produktionsverhältnisses und seiner Ideologien zu befreien.

Solidarisieren wir uns mit allen, die den Antisemitismus - der aus verkürzter und personifizierender Kapitalismuskritik entspringt - aufheben wollen !
Gegen den Nationalismus - für das menschliche Gemeinwesen !


rolf & angelika,
intitiative menschliche emanzipation,
mailto:menschl.emanzipation@gmx.de
Berlin, den 14. April 2002

 

Editorische Anmerkungen:

Dieser Artikel ist eine Spiegelung von
http://www.members.partisan.net/gratis/antisem.htm