Kerneuropa und eurasische Pläne – im Kampf gegen das Empire

von Max Brym

04/03
 
 
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Das Buch „Empire“ von Hardt und Negri war schon vor seiner Drucklegung offensichtlich veraltet. Besonders deutlich wird dies, aufgrund der gegebenen Konfliktlage, zwischen der sich formierenden Achse Paris-Berlin-Moskau und den USA. Die Blut, Schweiß und Tränen- Rede, die Gerhard Schröder im März im Bundestag hielt bedeutet, das Massenarmut in Deutschland wieder offen sichtbar werden soll. Alle sozialen Errungenschaften wurden radikal, selbst im Widerspruch zu sozialdemokratischen Axiomen, zur Disposition gestellt. Auffällig an der Rede war, daß als einziger Haushaltsposten nur der Wehretat nicht gekürzt wurde. Nach Beginn des Krieges der USA gegen den Irak, deuteten einige Politiker aus der zweiten Garde die mögliche Erhöhung des Wehretats an. Dann ergriff der Kanzler das Wort und brachte die Erhöhung des Wehretats, also die Hochrüstung ins Spiel. In den 60-er Jahren erklärte Franz-Josef Strauß in einer seiner Bierzeltreden: „Wir können nicht auf die Dauer ein wirtschaftliche Riese und ein politischer Zwerg sein.“ Heute ergänzt der Kanzler und sagt de facto, um politisch etwas darzustellen, wird das nötige Militärpotential gebraucht. Der belgische Außenminister Louis Michel erklärte: „Diesem Europa hat eine gemeinsame Verteidigungsmacht in den diplomatischen Verhandlungen vor dem Irakkrieg gefehlt.“ Joschka Fischer zog im Spiegel daraus die Konsequenzen und forderte eine eigenständige europäische Außenpolitik und eine selbständige europäische Verteidigungspolitik. An einer voll einsatzfähigen EU- Einsatztruppe wird fleißig gebastelt. Immer häufiger taucht in der bürgerlichen Presse der Begriff „Kerneuropa“ auf, da innerhalb der EU von allen Dingen im „Club der Neuen“ US-freundliche Abweichler“ aufgetaucht sind. Klar ist, dieser Kurs richtet sich eindeutig gegen die USA und die Theorie, des geschlossenen globalen Kapitalismus beginnt zu Zerplatzen wie eine Seifenblase. Dieses Schicksal hat die angeblich neue Theorie selbst verschuldet , kann doch in dem Buch „Empire“ gegen Ende gelesen werden, wie die „Spiritualität Franz von Assisis zum Vorbild für heutige radikale Linke“ erhoben wird.

Konkurrenz und Krieg

Die hektische Betriebsamkeit der pariser und berliner Diplomatie geht von folgender Befürchtung aus: Aufgrund der US-Außen- und Militärpolitik könnten die eigenen kapitalistischen Interessen unter die Räder kommen. Das Dilemma besteht darin, daß die europäische Union zwar wirtschaftlich mit den USA gleichgezogen hat, oder gar stärker ist, militärische jedoch weit hinter Amerika liegt. Der Irakkrieg lehrt die europäischen Kapitalfraktionen, daß nur durch die Schaffung einer EU-Armee sowie durch einen zusammen gezimmerter politischen Block, eigenständige militärische Handlungsfähigkeit gewonnen werden kann. Der barbarische „Friedenskurs“ gegenüber dem Irak war nur ein Manöver des deutschen Kapitals. Das lag auf der Linie, mit den mörderischen Regimen im nahen und mittleren Osten, auch mit Saddam Hussein, stärker gegen die US- Konkurrenz ins Geschäft zu kommen. In der Vergangenheit ist es gelungen im arabischen Raum zunehmend deutsche Markenprodukte abzusetzen. Deutschland ist der größte Gläubiger des Iran geworden und deutsche Kapitalinvestitionen genießen dort höchste Priorität. Syrien, daß sein Öl aus dem Irak bezog, wurde in den letzten Jahren zum viert wichtigsten Öllieferanten Deutschlands. Der US-Krieg gegen den Irak steht in der Region, der „friedlichen“ deutsch- europäischen kapitalistischen Verwertungslogik entgegen. Die USA zogen den Colt, um verlorenes ökonomisches und geostrategisches Potential zurückzubekommen. Die Konsequenz heißt, speziell für das deutsche Kapital, daß die bereits eingeleitete Kombination, aus „friedlicher“ Durchdringung bestimmter Gebiete mittels der eigenständigen militärischen Karte fortgesetzt wird. Die neuen verteidigungspolitischen Richtlinien, die im Mai im Bundestag vorgelegt werden, legen hiervon ein deutliches Zeichen ab. Bereits im Dezember 2002 erklärte Kriegsminister Struck: „Unsere Verteidigung beginnt
am Hindukush“. Da man allein den USA nicht entgegentreten kann, wird an der Achse Paris-Berlin-Moskau gearbeitet. Neben den militärischen Potentialen könnte das auch ein wirtschaftlicher Faktor sein. Ein bekannter US-amerikanischer Analytiker nannte dies vor einigen Jahren Eurasien . Er sprach von einem hochtechnologisiertem, wirtschaftlich starken deutsch-französischen Kopf und einem russischem Rohstoffrumpf. Der Autor des Buches „Amerika als einzige Weltmacht“, einst Sicherheitsberater von Jimmy Carter, nannte dies die Hauptgefahr für die amerikanische Machtstellung im kommenden Jahrhundert. Die Schrift erschien im Jahr 1997. Wer immer noch von einem globalisierten, weltweit einheitlich tätigem Kapital spricht, nimmt die Realität höchstens begrenzt wahr.

Fehler, die gefährlich sind.

Wer in einer Situation zunehmender zwischenimperialer Konflikte die USA zum Hauptfeind in Deutschland erklärt, liegt einfach nur daneben. Dennoch sind Proteste und Kritikpunkte an der US-Politik gerechtfertigt In den USA jedoch das Hauptproblem in Deutschland zu vermuten, ist katastrophal und regierungskonform. Wer Thesen aufstellt wie: „Die USA erklären der ganzen Welt den Krieg“ (Überschrift des Aufrufes für eine Demonstration in München) appelliert an diverse bürgerliche Regierungen,sich gefälligst dem Hegemoniebestreben der USA entgegenzustellen. Bewußt oder unbewußt wird damit, die deutsche Regierungspolitik unterstützt, selbst wenn in ihr noch Kritikpunkte an der angeblichen Unterstützung des US-Krieges enthalten sind. Letztendlich bedeutet dies nur, die eigene Regierung aufzufordern, ihre bereits gegebene antiamerikanische Politik zu verstärken. Der Unterschied zur Politik der Herrschenden besteht nur noch darin, daß erstere ihre antiamerikanische Orientierung etwas langsamer betreiben wollen und die Friedensbewegung sie auffordert, doch gefälligst den bereits vorhandenen Konflikt zügiger zu verschärfen. Das ist ein theoretischer Fehler, der letztendlich schlimmer sein kann, als eine Dummheit. Unbewußt setzt man sich ins Boot der Herrschenden, und fordert als Ruderer den Kapitän Schröder auf, doch gefälligst schneller rudern zu dürfen.
 

Editorische Anmerkungen

Max Brym stellte uns diesen Artikel zur Veröffentlichung zur Verfügung. Er lebt als freier Journalist in München. Im Partisan.net hat er seine Homepage.