point.gif (43 Byte)
Nr. 04-04
Notausgabe
3. April 2004

9. Jahrgang online

point.gif (43 Byte)

zurück zur Titelseite

„Die Passion“ von Mel Gibson
Brutal, irrational und antisemitisch.

von Max Brym

Der Film „Die Passion“ von Mel Gibson legte in den USA einen rekordverdächtigen Start hin. Mel Gibsons „Bibel Epos“ läuft seit Mittwoch den 25. Februar in den amerikanischen Kinos und hat fast 300 Millionen Dollar eingespielt, die Produktionskosten des Filmes lagen bei knapp 30 Millionen Dollar. Die Münchner Abendzeitung wußte am 27. Februar bereits von einem Herztod einer 57-jährigen Frau aus Kansas zu berichten. Offensichtlich war die Frau dem fast zweistündigen Blutexzeß nicht gewachsen und erlitt einen Herzanfall. Ursprünglich wollte der deutsche Verleiher „Constantin Film“ den Streifen ab 8. April in den deutschen Kinos starten. Animiert durch den Erfolg des Filmes, beschloß „Constantin“ den Start drei Wochen vorzuverlegen. Seit dem 18. März läuft der Film durch großen Werbeaufwand begleitet in einer Vielzahl deutscher Kinos. Der Verleih „Constantin Film“ ließ sich nicht von warnenden Stimmen aus dem In- und Ausland beeindrucken. „Ich bin erschüttert, aber weniger vom Inhalt des Filmes als von seiner Blutrünstigkeit und Verantwortungslosigkeit. Der Film könne Leute zum Antisemitismus bewegen“, so der Wiener Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg nach einer Vorführung der „Passion Christi“ in Österreich. Aber auch für den evangelischen Oberkirchenrat Michael Büncker aus Wien, ist der Vorwurf des Antisemitismus durchaus gerechtfertigt: „In der Übertreibung und Auswahl ist der Film offenkundig antisemitisch“. Wie in Deutschland so läuft der Film seit 18. März in Österreich. In Polen ist der Film bereits vorher angelaufen. Ganze Schulklassen und Kirchengemeinden wurden in Polen organisiert in den Film geschleppt. Bereits am ersten Wochenende wurden über 340.000 Karten verkauft. Der ehemalige polnische Premier Tadeusz Mazowiecki zeigte sich tief berührt. Laut der Online-Ausgabe der „Gazeta Wyborcza“, wies er Kritik an dem Film zurück. Ähnlich wie Produzent Mel Gibson sprach Mazowiecki von „einem religiösen Erlebnis“. Kritische Stimmen zum Film gibt es in Polen aus kirchlichen Kreisen nicht. Anders der deutsche katholische Kardinal Karl Lehmann, er warnte vor dem Film. Allerdings ist seine Haltung eine „sowohl als auch“ Position, Lehmann vermißt im wesentlichen die Botschaft „der christlichen Erlösung“, antisemitisch nannte er den Film nicht. Der „Constantin Verleih“ bleibt bei seiner Darstellung des Filmes als „ religiös inspiriertes Kunstwerk“, wie er es der Presse im Februar 2004 mitteilen ließ.

Der Film

Am Aschermittwoch den 25. Februar, lud die Filmgesellschaft zu einer Pressevorführung um neun Uhr morgens in das Matthäuser Kino am Hauptbahnhof in München ein. Nicht nur wegen der unchristlichen (oder christlichen) Zeit, war der Film auf nüchternen Magen eine unerträgliche Zumutung. Der Film beschreibt in blutigen, extremen, brutalen Bildern die letzten zwölf Stunden im Leben Jesu. Der Zuschauer wird in 126 Minuten mit grausamen Folter und Kreuzigungsszenen dermaßen in die Enge getrieben, dass ihm nur abgrundtiefe Depression, Verzweiflung oder unsägliche Wut bleibt. Bekanntlich lebt es sich mit Depression und Verzweiflung schlecht, die Wut hingegen kann über das antisemitische Ventil abgelassen werden. Dieses Ventil bietet der Film aufdringlich an.

Darstellung der Juden und die aramäische Sprache

Der Macher des Filmes, Mel Gibson und die Darsteller des Filmes geben stolz an, Aramäisch gelernt zu haben, um in ihrer Glaubensfestigkeit zu wachsen. In dem Film wird hauptsächlich aramäisch gesprochen, die Römer sprechen ein altes verzerrtes Latein. Während des gesamten Filmes hört man in der Tat kein englisches oder deutsches Wort. Der tragische Held des Filmes spricht wenig, dafür um so mehr jüdische Würdenträger, Rabbiner, „Verbrecher“ oder das gemeine Volk. Alle sind sich in dem Film einig, den Ketzer möglichst grausam zu malträtieren und von Pilatus zu fordern: „Sein Blut komme über uns und über unsere Kinder“. Die absurde antisemitische Fragestellung: „Ob die Juden den Heiland ermordet haben“, wird in dem Film objektiv bejaht. Das gezeigte Volk und die aramäisch jüdischen Würdenträger werden in dem Film als widerwärtige blutrünstige Monster präsentiert. Die dargestellten Grausamkeiten in Verbindung mit der aramäischen Sprache haben die Funktion, den Zuschauer gegen ein bestimmtes Volk, das der Juden, aufzubringen. Denn wozu soll es gut sein, in amerikanischen und deutschen Kinos einen Folter- und Grausamkeitserguß in einer völlig fremden Sprache endlos hinzuziehen. Der „Constantin Verleih“ behauptet bezüglich des Filmes „Die Passion“: „hier werden nur historische Tatsachen festgehalten“. Nichts ist weniger wahr als diese Behauptung, der Film bietet neben dem Blutspektakel, historische Absurditäten und antisemitische Klischees.

Kaiphas und Pontitus Pilatus

Entgegen der historischen Faktenlage, wird der Hohepriester Kaiphas zum eigentlichen Machtträger in der damaligen römischen Provinz. Pilatus der römische Statthalter, setzt sich oft dafür ein, Jesus zu begnadigen, um am Ende seine Hände in Unschuld zu waschen. Im Film droht Kaiphas dem römischen Statthalter mit einem Aufstand, wenn er Jesus nicht an das Kreuz schlage. Ergo wird die antisemitische Botschaft transportiert: „In Wahrheit haben die Juden die Macht, obwohl es offiziell nicht so aussieht“. Wie war die Lage zur damaligen Zeit tatsächlich? Die Sadduzäer stellten die traditionelle Elite, jene Familien, aus denen der Hohepriester des Jerusalemer Tempels stammt und die den lokalen Adel stellten. Sie empfanden sich als Hüter der Tradition, mit Rom hatten sie sich arrangiert, sie kooperierten mit der Besatzungsmacht. Im Volk galten die Sadduzäer als Kollaborateure und waren verhaßt. Geachtet waren hingegen die Pharisäer. Sie galten als gebildet, sie stellten die meisten Schriftgelehrten. Elitär und asketisch gaben sich die Essener, ihr Zentrum war wohl die klosterähnliche Anlage von Qumran am Toten Meer. Die Essener lebten, um es neuzeitlich auszudrücken, in kommunistischen Gemeinschaften und warteten auf den Erlöser. Am meisten setzten den römischen Besatzern die Zeloten zu. Denn die Zeloten oder Sicarri (kurzer Dolch), setzten nicht nur auf Schrifttum und kultische Reinheit, sondern sie kämpften mit der Waffe in der Hand für die Befreiung des Landes Israel. Ihr militanter Kampf richtete sich gegen die römische Herrschaft und gegen die mit ihr verbundene privilegierte Klasse. Bekanntlich war Jesus kein Zelot, sondern nur einer von vielen pazifistischen Wanderpredigern unter den Juden. Für die Sadduzäer war der Hauptgegner das Zelotentum, genauso wie für die römischen Oberherren. Dass Kaiphas dem Statthalter Pilatus mit einer Revolte wegen Jesus gedroht haben soll, ist eine abstruse Legende. Pilatus war der Herr und Kaiphas sein bereitwilliger Untergebener. Der Jude Jesus wurde nach römischem Recht hingerichtet. Die historischen Machtverhältnisse in ihr Gegenteil zu verkehren (wie es der Film tut), entsprang dem Bedürfnis urchristlicher Agitation. Diese Agitation war notwendig, um unter den „Heiden“ (den Römern), Anhänger für den christlichen Glauben zu finden. Damit die jüdische Sekte (das Christentum) sich in Rom erfolgversprechend entwickeln konnte, mußte der römische Statthalter Pilatus zum Unschuldslamm mutieren, Kaiphas und die Juden hingegen zu mörderischen Gottesleugnern. Die aktuelle filmische Inszenierung der urchristlichen Legende durch Gibson, fördert hingegen die Reaktivierung des christlichen Antijudaismus und noch stärker den rassistisch geprägten Antisemitismus. Gibson fälscht die Geschichte, um aktuelle antisemitische Weltverschwörungstheorien zu bedienen.

Der Hintergrund von Mel Gibson

In dem Werbeheft zu „Die Passion“ von „Constantin Film“, wird Gibson als bekannter Schauspieler und Produzent vorgestellt. Das ist nichts neues und eigentlich überflüssig. Interessant ist hingegen der ideologische und organisatorische Hintergrund von Mel Gibson. Dazu weiß der Verleih von „Constantin Film“ nichts zu sagen. Mel Gibson gehört der christlich fundamentalistischen „Catholic traditionalist“ Sekte an. Der Vater von Mel Gibson beschrieb Anfang 2003 den ideologischen Kern der Sekte im New York Times Magazine: „Ich halte das Zweite Vatikanische Konzil von 1965 für eine freimauerische Verschwörung unter jüdischer Leitung“. Hutton Gibson kritisierte damit eine Erklärung des Konzils, in der die Juden nicht mehr als kollektive Christusmörder bezeichnet werden. Mel Gibson teilt offensichtlich die Haltung seines Vaters, denn eine Distanzierung vom Herrn Papa ist nicht bekannt. Kurz vor der Premiere des Filmes erklärte Hutton Gibson: „Der Holocaust ist eine Erfindung. Die meisten der angeblich in Vernichtungslagern umgekommenen Juden seien in Wirklichkeit nach Amerika ausgewandert“ ( AZ-27.2.04 und Zeri-Stimme 12.2.04). Herr Gibson hat sich von solch ungeheuerlichen Äußerungen seines Sektenbruders und Vaters geschickt „distanziert“. Mel Gibson lieferte in amerikanischen Medien den Beweis, dass er ein raffinierterer Holocaust Leugner als sein Vater ist. Mel Gibson erklärte: „Ja selbstverständlich, Grausamkeiten sind passiert. Krieg ist schrecklich. Der 2. Weltkrieg hat mehrere 10 Millionen Menschen getötet. Manche von ihnen waren Juden in Konzentrationslagern“. Die spezifisch antisemitische Motivation des Holocaust, verschwindet hinter Banalitäten wie „Krieg ist schrecklich“ und öffnet das Tor für Geschichtsrevisionisten. Zudem streben die Gibsons eine Reaktivierung der mittelalterlichen christlichen Orthodoxie an. Alle Einflüsse der „Moderne“ sollen getilgt werden. In dem Internetportal von „Workingforachange“, sind Auszüge eines Gibson Interviews mit der Zeitung El Pais aus dem Jahr 1992 wiedergegeben. In dem Gespräch macht Mel Gibson aus seinem Herzen keine Mördergrube. Darin kritisiert Gibson die Veränderung in der katholischen Lehre seit dem zweiten Vatikanischen Konzil (1963-65) als „Verrat“. Desweiteren lehnt er Geburtenkontrolle und Abtreibung ab und befürwortet die Todesstrafe. In dem Gespräch leistet er sich homophobe Ausfälle und ein mittelalterliches patriachales Frauenbild. Es ist kein Zufall, wenn im Film „Die Passion“ der Satan weiblich ist. Aus der Nase des Weibes kriechen Würmer und unter ihrem Rock schlängelt eine Schlange hervor, um den armen Mann Jesus vom rechten Weg abzubringen. Mel Gibson ist führendes Mitglied der „catholic-traditionalist“ in Kalifornien. Für den mittelalterlich antijudaistischen Verein, gibt er den Vorsitzenden und alleinigen Geldgeber. Zum ideologischen und organisatorischem Hintergrund des Herrn Gibson, weiß der „Constantin Film Verleih“ in München in seinen Hochglanzbroschüren nichts zu sagen. Statt dessen besitzt der Constantin Film-Verleih die Frechheit, Herrn Gibson als spirituell veranlagten Künstler und einfach religiösen Menschen zu präsentieren.

Ausblick und Prognose

Der brutal antisemitische Müll von Mel Gibson paßt in die Landschaft. In den USA ist seit Jahren ein militanter stärker werdender christlicher Fundamentalismus feststellbar. Die Kampagne gegen die Homo-Ehe, mit der Bush offensichtlich die Wahl gewinnen will, ist hierfür ein signifikanter Ausdruck. Christlicher Puritanismus und religiöser Wahn dominieren weite Teile der US-Gesellschaft. Der religiöse Fanatismus bewirkt in den USA ein wiedererstarken antijudaistischer christlicher Paradoxone. Der christliche Erlösungsgedanke ist mit dem Tod des Jesus untrennbar verbunden. Es ist ein Widerspruch, einerseits den Tod von Jesus als göttliche Erlösung zu feiern und andererseits auf die angeblichen Mörder, die Juden einzudreschen. Die Proteste vieler jüdischer Organisationen gegen den Gibson Film, bewirkten in den USA nichts. Der Filmstart in Deutschland läßt schlimmes befürchten. Der Film wird stark frequentiert, obwohl einige kirchliche Würdenträger beider Konfessionen vor dem Film warnen. Allerdings ist schon fast eine „Kirchenspaltung“ feststellbar, es gibt sehr wohl evangelische wie katholische Würdenträger, die den Film empfehlen. Das kath.net startet eine eigene Werbekampagne für den Film mit „Telefonketten“, „Flugblättern“ und „E-mail-Sonderaufrufen“. Gespannt darf man auf die Frage sein, wie sich der Antisemitismus in Deutschland bei den Gibson Freunden zeigt. Eine Prognose sei hier gestattet, er wird im Gegensatz zu den USA und Polen nur formal religiös erscheinen. Eher wird hier der Antisemitismus kalt, barbarisch und „modern“ einherschreiten. Die Internetseite freenet.de publizierte kurz vor dem Start des Filmes einen Schmähartikel gegen Michel Friedman unter der Überschrift: „Der Moralapostel will uns wieder belehren“ Darunter sollte der „deutsche Michel“ seine Meinung zur „unstatthaften Kritik des Herrn Friedman“ an dem Film „Die Passion“ formulieren. Die Meinungen der Schreiberlinge auf freenet.de läßt befürchten, dass die offiziell genannten Zahlen von Menschen mit antisemitischer Gesinnung in Deutschland (laut Umfragen zwischen 15 und 25%) untertrieben sein könnten. Der antisemitische deutsche Mob sowie die „kultivierten“ Antisemiten, werden das Gibson-Geschenk beim Schopf packen. In den USA gehen seit Wochen Anrufe und Briefe bei jüdischen Organisationen ein. „Der Film wird Millionen daran erinnern, dass die Juden Jesus ermordet haben“, schrieb ein Gibson Fan an das Simon Wiesenthal Center in New Jork . Auch oder gerade in Deutschland darf mit einigem gerechnet werden.
 


Editorische Anmerkungen

Der Autor schickte uns seinen Artikel mit der Bitte um Veröffentlichung. Max Brym hatte bisher seine Homepage im Partisan.net. Aufgrund des feigen Anschlages von Günter Langer auf das Partisan.net verlor er seine Homepage. Er erhielt solidarische Unterstützung von http://www.a-i-z.net, wo sich nun seine Homepage befindet.

nach oben