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Nr. 04-04
Notausgabe
3. April 2004

9. Jahrgang online

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Die Côte d`Ivoire unter französischer Schirmherrschaft
Unter Aufsicht (bzw. Besatzung) zum Frieden?

von Bernhard Schmid, Paris

"Das hätte ich mir nicht träumen lassen, dass ich noch mal mit den Franzosen zusammen in einem Land einmarschieren lasse", legte die Pariser Satirezeitung "Le Canard enchaîné" Anfang März dieses Jahres US-Präsident Bush in den Mund. Die Karikatur bezieht sich auf die aktuellen Vorkommnisse in Haiti. Dort war es in den letzten Monaten zunächst zu einem Wettlauf zwischen Franzosen und US-Amerikanern um Einflussnahme gekommen: Zuerst hatte eine französische Intellektuellenkommission unter Vorsitz von Régis Debray (der in der Zeitschrift "Marianne" vom 8. März 04 die Einsetzung, von außen, eines internationalen "Notverwalters für Haiti wie bei einem Bankrott gegangenen Unternehmen" fordert) vor Monaten nach Lösungsmöglichkeiten für die Krise, die aus der Zerrüttung der Aristide-Regierung entstanden war, gesucht. Dann aber versuchten die US-Amerikaner, dem französischen Versuch, in der ehemaligen Kolonie des Landes ­ die aber auch zum geographischen "Hinterhof" der USA gehört ­ politischen Einfluss zu nehmen, mit der Entsendung von rund 2.200 Marines den Wind aus den Segeln zu nehmen. Am Ende kam es zu einer vorläufigen Einigung zwischen beiden Großmächten; und derzeit sorgt eine internationale Truppe von 2.600 Mann (vorwiegend US-Amerikaner und Franzosen, dazwischen einige Kanadier und Chilenen) für prekäre Ordnung in dem Karibikstaat.  

Aber bereits vor der dortigen Intervention hatten sich die beiden Großmächte aber schon wegen eines anderen Konfliktherdes einigen können. Am 17. Februar erteilte Washington dem französischen Plan zur Zukunft der westafrikanischen Côte d´Ivoire seine Zustimmung.  

Der Plan der Großmächte für die Côte d`Ivoire  

Der Plan sieht die Stationierung von bis zu 6.240 Blauhelm-Soldaten der Vereinten Nationen im Rahmen der UN-Mission, die auf Französisch den Titel ONUCI trägt, während 12 Monaten vor. Die englische Textversion spricht von "höchstens" 6.240 Mann, in der französische Ausgabe fehlt dagegen das Wörtchen "maximal". Hinzu kommen 350 Polizisten. Ihre Entsendung wurde am 27. Februar vom UN-Sicherheitsrat einstimmig abgesegnet; die USA werden 27 Prozent der Finanzierung des Plans übernehmen. Im Gegenzug erwartet die US-Adminstration von der französischen Regierung, dass sie ihrerseits einer UN-Mission im Sudan zustimmt, wo derzeit die USA die Schirmherrschaft über die Verhandlungen zwischen arabischem Norden und "schwarzem" Süden übernommen haben und wo aus US-Sicht eine Front im "Anti-Terror-Krieg" verläuft. In Ermangelung eines Waffenstillstands konnte bisher noch keine UN-Mission im Sudan stattfinden. Ebenso fordert die US-Regierung von Paris seine Unterstützung für eine Fortsetzung der UN-Missionen in Liberia, wo derzeit 15.000 Mann stationiert sind, und in Sierra Leone, wo eine Präsenz von 2.000 Mann aufrecht erhalten bleiben soll. In Liberia sind vor allem us-amerikanische, in Sierra Leone eher britische Interessen tangiert. Diese von rivalisierenden Warlords verwüsteten, aber auch vom Weltmarkt ruinierten Länder illustrieren nach einer Lesart, die in westlichen Hauptstädten an Auftrieb gewinnt, die Theorie von den failed states. Es handelt sich demnach um "gescheiterte Staaten", die durch ein modernes Protektorat besser verwaltet würden.  

In Côte d´Ivoire kommen die Blauhelme zu den derzeit 4.000 französischen Soldaten hinzu, die im Namen der "Opération Licorne" (Operation Einhorn) in dem westafrikanischen Land stationiert sind. Die Resolution des UN-Sicherheitsrats sieht ausdrücklich eine Rolle für die französischen Militärs vor, als eine Art schneller Eingreiftruppe vor Ort, die herbeieilt, wenn die Blauhelme Hilfe benötigen. Die Franzosen bleiben "mindestens bis zu den ivoirischen Präsidentschaftswahlen" im Oktober 2005. "Und weit darüber hinaus", so zitiert das französische wirtschafts- und armeenahe Wochenmagazin Valeurs actuelles vom 27. Februar einen französischen Militärberater in der ivoirischen Wirtschaftsmetropole Abidjan, "wir bereiten uns auf lange Jahre einer verstärkten Präsenz vor".  

Hintergründe der ivoirischen Krise  

Die Côte d´Ivoire war seit dem Anfang dieses Jahrzehnts in die akute Krise geschlittert. Davor war das staatskapitalistische Entwicklungsmodell in dem Land, dem ­ neben dem bevölkerungsreichen Erdölstaat Nigeria ­ reichsten Staat der Region Westafrika, gescheitert. Seit den Achtziger Jahren brachen die Weltmarktpreise für die agrarischen Exportprodukte des Landes, vor allem der Kakaopreis, zunehmend ein. Nachfolger des 1993 verstorbenen, langjährigen Diktators Félix Houphoët-Boigny wurde Henri Konan Bédié, der den Zugang zu knapper werdenden Ressourcen und die ausbrechende Verteilungskrise zu verwalten hatte. Dieser führte Ende der Neunziger Jahre eine auf ethnisch-rassistischen Kriterien beruhende Gesetzgebung ein, die unter anderem dazu führte, seinen chancenreichsten Widersacher von der Teilnahme an Wahlen ausschließen zu lassen. Es handelt sich um Alassane Ouattara, den ehemaligen Afrikadirektor des IWF, der also eigentlich eher ein neoliberaler Technokrat denn ein radikaler oder "unberechenbarer" Massenführer ist.  

Die Begründung lautete, Ouattara sei eigentlich Staatsangehöriger eines fremden Landes, nämlich des nördlichen Nachbarstaats Burkina Faso. Dorther stammt Ouattaras Mutter, wie auch rund 25 Prozent der aktuellen ivoirischen Bevölkerung, vor allem im nördlichen (muslimischen) Landesteil. Auf diesem Wege entfachte das Bédié-Regime das Feuer eines rassistischen Chauvinismus, der sich nicht nur gegen die benachbarten Burkinabé richtet, sondern auch gegen die Bevölkerung des nördlichen Landesteiles - die mit der Bevölkerung Burkina-Fasos sprachlich verwandt ist. Bereits vor dem Zweiten Weltkrieg hatte die französische Kolonialmacht Immigranten aus den ärmeren Nachbarländer in das reiche Agrarland Côte d´Ivoire geholt, deren Nachfahren in dritter Generation dort leben. Weitere Immigranten kamen in den Siebziger Jahren, angezogen von den Arbeitsmöglichkeiten, welche die florierende Ökonomie des Landes ­ die auf Monokulturen für den Export basierte ­ damals anbot. Heute leben 50 Prozent der Ivoirer in "Mischehen" zwischen den so genannten Ethnien. Es handelt sich daher beim seit drei Jahren aufbrechenden Rassismus nicht um "uralte Stammeskonflikte", wie ein Teil der europäischen Presse weismachen will, sondern um ein Produkt der sich verschärfenden Verteilungskrise und einer ideologischen Projektion, die sich in Hetze umsetzt.  

Bédié wurde, nach auf ungeschickte Weise gefälschten Wahlen, am Weihnachtstag 1999 gestürzt. Aus diesem Anlass kam es zu einer Kraftprobe an der französischen Staatsspitze: Der bürgerliche Staatspräsident Jacques Chirac wollte damals, im Dezember 999, das Militär der Ex-Kolonialmacht zur Rettung des Diktators intervenieren lassen; die Eingreiftruppen waren bereits in Alarmbereitschaft versetzt und auf französische Flughäfen verlegt worden. Der damalige sozialdemokratische Regierungschef Lionel Jospin war dagegen, und setzte sich für dieses Mal durch.  

Eine Militärregierung unter dem General Robert Guéi löste den Präsidenten ab, und organisierte daraufhin Präsidentschaftswahlen im Jahr 2000. Auch Guéi ließ Alassane Ouattara, mit demselben "ethnischen" Argument wie sein Vorgänger, von der Präsidentsschaftswahl ausschließen; Ouattara ging daraufhin im November 2000 in´s Pariser Exil. Diskurs und Praxis der durch Diktator Bédié erfundenen "Ivoirité" (ungefähr: Ivoiriertum) wurden nahtlos übernommen, und mit ihm auch der nationalistisch gesäuberte Staatsapparat. Gewählt wurde schließlich jedoch nicht der General Guéi, sondern der ehemalige Lehrergewerkschafter Laurent Gbabgo, der sich ein sozialdemokratisches Etikett angeheftet hatte,. Einmal an die Spitze des Staats-, Verwaltungs- und Militärapparats des alten Regimes gelangt, machte auch dieser sich den national-ethnischen Diskurs der "Ivoirité" zu eigen.  

Unterdessen kam es aber innerhalb der ivoirischen Gesellschaft gefährlich zum Brodeln : Pogrome fanden statt, im Herbst 2000 kamen erstmal Angehörige der muslimischen Nordbevölkerung zu Tode.  

Im Herbst 2002 kam es zur Rebellion, die von meuternden Armeeangehörigen ausgelöst wurde, die ihren Sold nicht bekommen hatten. In der, im südlichen Landesteil gelegenen Metropole Abidjan bekam die Regierung Gbagbo aber die Situation alsbald wieder unter ihre Kontrolle. Hingegen konnten die Rebellen die nördliche Landeshälfte halten, da sie sich dort auch auf breite Sympathien aus der Bevölkerung stützen konnten, die sich staatlichen Diskriminierungen ausgesetzt sieht. Neben meuternden Soldaten und Offizieren gesellten sich auch ehemalige Zivilisten zu den bewaffneten Aufständischen. Die loyalen Truppen konnten jedoch die, in der Landesmitte liegende, adminstrative Haupstadt Yamoussoukro wieder unter Kontrolle bekommen. Die Frontlinie verläuft seitdem zwischen dieser, unter Houphoët-Boigny aus dem Boden gestampften Hauptstadt und der nördlichen Metropole Bouaké.  

Die ehemalige Kolonialmacht Frankreich setzte beide Konfliktparteien an einem Verhandlungstisch zusammen und sorgte dafür, dass im südlich von Paris gelegenen Vorort Marcoussis eine "Kompromisslösung" ausgehandelt wurde. Das "Abkommen von Marcoussis" wurde am 24. Januar 2003 geschlossen. Es sieht die Bildung einer gemeinsamen Regierung aus dem bisherigen Kabinett und den Rebellenführern vor, in welcher die letztgenannten u.a. das Innen- und das Verteidigungsministerium erhalten sollten. Dass die französische "Schirmherrschaft" den Rebellen so weit entgegen kam, hat zwei Gründe: Erstens ist Laurent Gbagbo der Parteifreund der französischen Sozialdemokraten, der während deren Regierungszeit in´s Amt gelangt war. Für die heute regierenden französischen Konservativen bildet er daher ein ungeliebtes Kind. Und zweitens wollte Paris nicht aktiv der chauvinistischen Mobilisierung in der, unter Regierungskontrolle stehenden Südhälfte der Côte d´Ivoire Auftrieb geben. Denn in Frankreich hatte man warnend das Beispiel Ruandas vor Augen, wo Paris ­ unter Präsident François Mitterrand ­ ein zunehmend rassistische Mobilisierung betreibendes Regime bis zuletzt unterstützt hatte, das schließlich den Genozid von April bis Juni 1994 verübte.  

Antifranzösische Proteste ­ mit welchem politischen Charakter?  

In der ivoirischen Gesellschaft, jedenfalls in der dominierenden Südhälfte, kam es jedoch zur massenhaften Mobilisierung gegen diese "Zumutung". Die Ablehnung eines Abkommens, dem schon deswegen die Legitimität abgesprochen wurde, weil es durch die ­ tatsächliche ­ Neokolonialmacht Frankreich "aufgezwungen" wurde, verband sich dabei mit rassistisch-chauvinistischen Gefühlen zu einer explosiven Mischung. Es kam zu zahlreichen Kundgebungen, und eine chauvinistische Jugendbewegung unter Anleitung von ehemaligen Führern der Studentenbewegung und von Gruppen der "Jeunes Patriotes" (Junge Patrioten) setzte die Regierung unter Druck. Oftmals handelte es sich dabei um eigene Anhänger der Regierungspartei "Front populaire ivoirien" FPI. Dabei wurden französische Fahnen verbrannt, Chirac wurde als Mörder und Verbrecher bezeichnet, während das US-Sternenbanner gehisst und eine Intervention Bushs gefordert wurde. Das hatte allerdings nichts beispielsweise mit einem bewussten Protest gegen den neokolonialen Einfluss Frankreichs zu tun; hätte Frankreich eine militärische Niederschlagung der Rebellion im Norden unterstützt, dann wäre Chirac auf denselben Kundgebungen wahrscheinlich als Held gefeiert worden.  

Im Lande lebende Franzosen Franzosen (sie sind derzeit noch insgesamt 15.000 an der Zahl) wurden belästigt und flohen, und im Herbst 2003 erschoss ein Polizist in der aufgeheizten Atmosphäre den französischen Reporter Jean Hélène. Viele glaubten an eine Tat mit Unterstütung der Regierung. Doch der Todesschütze, der Polizei-Sergeant Séry Dago, wurde Ende Januar dieses Jahres dann doch zu 17 Jahren Haft verurteilt. Denn Präsident Laurent Gbagbo surfte zwar auf dieser Bewegung, um das "Abkommen von Marcoussis" zu sabotieren und um sich Anhänger zu sichern. Doch als die Proteste für ihn kontraproduktiv zu werden drohten, etwa weil die Kriegssituation die Agrarproduktion des Landes noch weiter zu erdrosseln droht und weil Gbagbo die Unterstützung Frankreichs auf längere Sicht hin benötigt, ging er auf Distanz. Am 5. Februar 2004 wurde Gbagbo vom französischen Präsidenten Jacques Chirac im Elysée-Palast empfangen, und die beiden Regierungen einigten sich über die nähere Zukunft der Côte d´Ivoire.  

Unterdessen sind die Ziele des "Abkommens von Marcoussis" längst Makulatur. Die dort anvisierte gemeinsame Regierung war zwar im März 2003 gebildet worden. Doch Präsident Gbagbo hatte alles unternommen, damit sie keinerlei Macht habe und nicht funktionieren könne. Hinzu kam das aufgeheizte Klima im, politisch vorherrschenden, Süden des Landes. Deswegen verließen die Rebellenführer im September 2003 die Regierung wieder. Zugleich sind die Aufständischen dabei gescheitert, sich als politische Kraft mit Zukunftsperspektiven zu etablieren. Viele der früheren Zivilisten, die zu Rebellenführern wurden, sind ehemalige jugendliche Rapper, die schnell vom Geruch des winkenden "schnellen Geldes" betört wurden. Die Mehrzahl der Anführer der Rebellion "haben mittlerweile ihre berufliche Laufbahn geändert und üben sich im Schmuggel mit den Nachbarländern oder der Schutzgelderpressung auf den Nord-Süd-Handelsstraßen", glaubt man dem zitierten Wochenmagazin "Valeurs actuelles". Daher stellt sich für sie eher die Frage ihrer beruflichen, denn ihrer politischen Zukunft.  

Französische Armeepräsenz ­ welche politische Zukunft?  

Die französische Einsatztruppe, die größerenteils entlang der Demarkationslinie zwischen der Nord- und der Südhälfte des Landes sowie in insgesamt zehn Städten stationiert ist, verhandelt seit Monaten über die Übernahme ehemaliger Rebellenführer in die reguläre Armee. In diesem Zusammenhang wurde den Aufständischen die neutrale Bezeichnung "Forces nouvelles" (Neue Streitkräfte) gegeben, neben den "Forces loyales" (Loyale Kräfte) im Süden. Zu Hilfe kommt dabei den Franzosen die Tatsache, dass viele der ehemaligen Armeekommandeure, die sich in den Reihen der Rebellen befinden, ebenso Absolventen französischer Offiziersschulen - etwa Saint-Cyr ­ sind wie viele hohe Offiziere der loyalen Truppen.  

Die französischen Streitkräfte zeigen intensive Präsenz vor Ort; zum ersten Mal seit dem Ende des Algerienkriegs 1962 verlieh ein amtierender Generalstabschef, der General, Henri Bentegeat, den Truppen am Einsatzort selbst Tapferkeitsmedaillen. In den vergangenen 15 Monaten hatten sie in ihren Reihen 5 Tote sowie 30 Verletzte zu verzeichnen. Denn sie waren in Feuergefechte mit den Rebellen verwickelt, in deren Reihen es aber wesentlich mehr Tote gegeben hat; sie setzten aber auch Ende November 2003 dem Versuch einer Rückeroberung von Terrain im Norden durch die loyalen Truppen Widerstand entgegen. Jetzt basteln sie an einer Lösung, in Gestalt der Bildung einer gemeinsamen Armee aus "loyalen" und "neuen" Streitkräften. Diese soll 18.000 Mann umfassen.  

Einziges Problem: Die bisherigen Regierungstruppen wollen Plätze für 21.500 Mann, und die Rebellen wollen 15.000 der Ihren unterbringen. Damit stellt sich die Frage, was mit den ausgemusterten Kämpfern geschehen soll, und mit ehemaligen Rebellen, die ihren Chefs außer Kontrolle geraten könnten. Die Entwaffnung der vormaligen Kämpfer sollte im Prinzip Anfang März dieses Jahres beginnen, doch sie wurde auf unbestimmte Zeit hinaus geschoben. Frieden wird jedenfalls nicht so schnell in der Côte d´Ivoire einkehren.  

Neue Gewalt  

Seit Donnerstag voriger Woche (25. März) kommt es nunmehr in der Côte d´Ivoire zu den schwersten Gewalttaten seit Beginn des Jahrzehnts. An jenem Donnerstag wurde eine Demonstration von GegnerInnen der Gbagbo-Regierung gewaltsam niedergeschlagen. Die Repression gegen die Demo selbst kostete 15 bis 20 Todesopfer. Aber ungleich mehr Menschen starben in den darauf folgenden Tagen bei Razzien und "Vergeltungsakten" von Polizei und (privaten, aber loyalistisch orientierten) Milizen, die Jagd auf alle machten, die wie Oppositionelle aussehen. Die Regierungskräfte sprachen zu Anfang dieser Woche von 37, die Oppositionsparteien dagegen von mindestens 350 bis 500 Toten. Ein westlicher Diplomat in Abidjan (der in "Libération" zitiert wird) spricht von vollen Leichenhäusern, allein in einer Leichenhalle habe er 152 Getötete gezählt. Und hartnäckig halten sich Gerüchte über ein Massengrab, das in Abobo, einem Stadtviertel im nördlichen Teil von Abidjan, verborgen sei. Präsident Laurent Gbagbo beglückwünschte am letzten Freitag die bewaffneten Staatsorgane dafür, dass sie einen angeblichen Umsturzversuch niedergeschlagen hätten.  

Nunmehr sieht Frankreich sich erneut vor schweren Entscheidungen. Einerseits hatte der Pariser Außenminister Dominique de Villepin erst jüngst explizit klargestellt, er unterstütze Präsident Gbagbo, "nicht als Person, sondern als Vertreter eines rechtlich legitimen Regimes". Andererseits sorgt der herannahende zehnte Jahrestag des Auftakts zum Genozid in Ruanda am 7. April, bei dem international ­ zu Recht ­ viel von der Rolle Frankreichs unter François Mitterrand als Hauptstütze des damaligen Reigmes in Kigali die Rede sein wird, für eine wachsende Nervosität in Frankreich. Und drittens hat auch ein ehemaliger Anführer der ivoirischen Rebellen am Sonntag Frankreichs Präsident Chirac dazu aufgefordert, militärisch zu intervenieren, freilich auf der anderen Seite. Leicht wird Frankreich sich nicht aus der Affäre ziehen können.  

 

Editorische Anmerkungen
Der Autor schickte uns seinen Artikel in der vorliegenden Fassung am 31.3.2004 mit der Bitte um Veröffentlichung

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