Antrag des Landesvorstandes
an den 5. Parteitag der WASG Berlin

Programm der WASG Berlin zur Berliner Abgeordnetenhauswahl am 17.9.2006
04/06

trend
onlinezeitung

Beschlossen auf der Grundlage des Entwurfs der Programmkommission:
Aron Amm, Michael Hammerbacher, Renate Herranen, Carsten Joost, Birger Scholz, Michael Schilwa, Mathias Stöhr, Rouzbeh Taheri

Die Menschen, nicht den Haushalt in den Mittelpunkt! Soziale Politik ins Abgeordnetenhaus: WASG wählen!


Im Berliner Abgeordnetenhaus gibt es keine reale Opposition. Alle dort vertretenen Parteien sind sich einig: Im Mittelpunkt steht bei ihnen der Haushalt und nicht die sozialen Verhältnisse in der Stadt. SPD, PDS, Grüne, CDU und FDP haben sich der Sparpolitik unterworfen und dabei die Berlinerinnen und Berliner vergessen.

Auch der Berliner SPD/PDS-Senat hat in den vergangenen vier Jahren die Hoffnungen auf eine soziale Politik enttäuscht. Er steht wie die Vorgängerregierungen für eine Politik der Sozialkürzungen und der Privatisierung öffentlicher Daseinsfürsorge. Die falsche Leitlinie der Haushaltskonsolidierung hat Berlin zur Armutshauptstadt Deutschlands gemacht.
Mit den Doppelhaushalten 2004/05 und 2006/07 kürzte der Berliner Senat bei den Empfängerinnen und Empfängern von Sozialgeld und ALG II, bei Jugendlichen und Behinderten und zerschlug die jahrzehntelang gewachsene Struktur der sozialen Projekte, die so wichtig für den sozialen Zusammenhalt in Berlin sind. Die Privatisierung der Wohnungsbaugesellschaft GSW mit über 65.000 Wohnungen und der Verkauf von rund 50.000 weiteren landeseigenen Wohnungen schwächten die Steuerungsmöglichkeiten bei der Mietentwicklung zu Lasten aller Mieterinnen und Mieter. Die Rekommunalisierung der Berliner Wasserbetriebe wurde vom Senat nicht ernsthaft geprüft – stattdessen werden dem privaten Investor jährlich acht Prozent garantierte Rendite ausgezahlt. Die Berlinerinnen und Berliner zahlen diese durch die hohen Wasserpreise. Die Berliner WASG wird sich für die Rekommunalisierung der Wasserbetriebe einsetzen und die Rücknahme der Kürzungen im Bildungs-, Sozial- und Kulturbereich fordern.

Bei der Umsetzung von Hartz IV nutzt der SPD/PDS-Senat den landespolitischen Spielraum nur unzureichend. Das Versprechen von Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (Linkspartei.PDS), es werde in Berlin keine Zwangsumzüge geben, erweist sich als Lüge. Über 34.000 Berlinerinnen und Berliner sind momentan in so genannte MAE- Maßnahmen (Ein-Euro-Jobs) beschäftigt. Die Berliner WASG kritisiert zusammen mit den Personalräten, dass reguläre Arbeitsplätze und Arbeitsaufgaben im öffentlichen Dienst durch Ein-Euro-Jobs ersetzt werden. Selbst im PDS-geführten Bezirksamt in Friedrichshain-Kreuzberg werden bei den Grünflächenämtern reguläre Jobs durch MAE-Kräfte übernommen. Im Berliner Abgeordnetenhaus fehlt eine Stimme, die lautstark die unbefristete Übernahme der anfallenden Wohnungskosten von ALG II-Empfängern, das Verbot von Ein-Euro-Jobs im öffentlichen Dienst und einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor zu Tariflöhnen fordert.

Berlin verließ unter Rot-Rot als erstes Bundesland den kommunalen Arbeitgeberverband und gilt unter den Bundesländern als Vorreiter für Arbeitszeitverlängerung, Stellenabbau und Lohnkürzungen. Bei den Krankenhausbetrieben Vivantes wurden die Beschäftigten mit der Drohung von Insolvenz zu einem Verzicht von 34 Millionen Euro, als Beitrag zur Sanierung, erpresst und die Gewerkschaft ver.di stimmte einem so genannten Notlagentarifvertrag zu.

Insgesamt sind bisher rund 4.000 von 17.000 Stellen bei den Kliniken weggefallen. Bei den Berliner Verkehrsbetrieben BVG setzte der Senat eine Tarifabsenkung von über zehn Prozent und den Wegfall von 3.000 Vollzeitstellen durch. Dabei wurden in diesem für die Bevölkerung so wichtige Bereich schon in den letzten 15 Jahren 15.000 Arbeitsplätze zusammengestrichen. In den Krankenhäusern der Charité kämpfen die Beschäftigten gegen Lohnkürzungen und Arbeitsplatzabbau; 98 Millionen Euro Landeszuschüsse an die Charité sind gestrichen worden. Vorstand und Aufsichtsrat drohen mit betriebsbedingten Kündigungen, um die Lohnkürzungen zu erpressen. Die WASG Berlin steht bei diesem Konflikt an der Seite der Beschäftigten und fordert die Rücknahme der Kürzungen und der Drohungen gegen die Beschäftigten.

Das Argument, die Senatspolitik der Sozialkürzungen und Privatisierungen sei alternativlos, um 35 Milliarden Euro an Bundeshilfen über das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zu erhalten, teilen wir nicht. Berlin kann sich auch mit 35 Milliarden nicht aus der Haushaltskrise befreien; die Leitlinie der Haushaltskonsolidierung wird daher auch nach einem Karlsruher Urteil zu weiteren Sozialkürzungen, zu Stellenabbau und zu Privatisierungen führen. Die Klage des Senats auf Bundeshilfen ist zu defensiv angelegt, da sie die Verantwortung des Bundes durch die zu schnelle Reduzierung der Bundeshilfen für Berlin in den neunziger Jahren und die teilungsbedingten Belastungen Berlins außer acht läßt.

Die Allparteienkoalition und im Abgeordnetenhaus trichtert uns tagtäglich ein: „Berlin ist pleite!“ - und deshalb sei ihre Politik der Kürzungen und Privatisierungen alternativlos. Es ist das Credo aller Neoliberalen dieser Welt: „TINA - There is no alternative“ („Es gibt keine Alternative“).

Doch es stimmt nicht. Berlin ist pleite. Aber nicht, weil wir nach dem Geschmack derer, die uns regieren, den Gürtel immer noch nicht eng genug geschnallt haben. Der Berliner Haushaltsnotstand ist auch die Folge der rot-grünen und nun schwarz-roten Umverteilungspolitik von unten nach oben im Bund, die die Finanzen der Länder und Kommunen dramatisch geschwächt hat. „Wir“ sind nämlich durchaus nicht pleite. Das
Vermögen der 100 reichsten Privatpersonen und Familien liegt zurzeit bei 330 Milliarden Euro - das ist fast ein Viertel der Gesamt- Staatsverschuldung.

Allein das private Geldvermögen in Deutschland hat sich von 1990 bis 2000 verdoppelt und liegt derzeit bei 4,34 Billionen Euro. Die Gesamt- Staatsverschuldung in Deutschland beträgt aktuell 1,483 Billionen Euro. Das bedeutet: Wenn es gelänge, mit einem „Notopfer Haushalt“ das obere Drittel des Geldvermögens in Deutschland abzuschöpfen, wären Bund, Länder und Kommunen auf einen Schlag schuldenfrei.

Aus alledem folgt für uns: Wenn eine soziale und linke Partei auf Landesebene durch ihre Regierungspolitik die Menschen bekämpft, die sie zugleich für ein bundesweite Linke gewinnen will, muss sie aus dieser Regierung raus. Die WASG Berlin tritt weiterhin für die Neuformierung einer bundesweiten Linkspartei unter Einschluss der Linkspartei.PDS, anderer linker und sozialer Kräfte der außerparlamentarischen, sozialen und gewerkschaftlichen Bewegungen ein.

Wir zeigen mit unserer eigenständigen Kandidatur zum Berliner Abgeordnetenhaus, dass es sich bei der WASG bundesweit um ein politisch glaubwürdiges Projekt handelt. Im Gründungsprogramm der WASG vom 22. Januar 2005 heißt es: „An einer Regierung in Land oder Bund werden wir uns nur dann beteiligen, wenn dies zu einem
grundlegenden Politikwechsel in Richtung unserer Forderungen führt.“ Die Kraft eines ehrlichen und solidarischen "Nein", die eine gesellschaftliche Auseinandersetzung erzwingt, ist verantwortlich und konstruktiv. Zur Verantwortung linker Politik in Berlin gehört, dass nicht Lösungskompetenz vorgespiegelt wird, wo herrschende Verhältnisse eine politische, zumal stadtpolitische Lösung gar nicht zu lassen. Eine Übernahme von „Regierungsverantwortung“, wo ein tatsächlicher Einfluss auf die Entwicklung gar nicht besteht, ist in höchstem Maße verantwortungslos. Denn auf diesem Wege wird die Suche nach wirklichen Lösungen blockiert und die Verarmung nicht gemildert, sondern nur regierbar gemacht.“ Wir treten zur Abgeordnetenhauswahl als Opposition an, weil es im Berliner Abgeordnetenhaus keinen Partner für unsere Vorschläge geben wird – alle anderen Parteien halten an der Leitlinie des Kürzens und Privatisierens fest. Der nächste Senat wird wie die vorherigen Regierungen versuchen, unser öffentliches Eigentum verschleudern, die Kosten der Krise auf den Schultern der Erwerbslosen und abhängig Beschäftigten abladen und versuchen, die Löhne der Beschäftigten im öffentlichen Dienst zu drücken und ihre Arbeitsbedingungen zu verschlechtern.

Die Opposition gegen diese Politik, die immer wieder an vielen Stellen entsteht, blieb bisher punktuell und ohne langfristige Perspektive. Die Berliner WASG wird mit Bürgerinitiativen, Gewerkschaften, kritischen Teilen der Kirchen und Verbände nicht nur diskutieren, sondern außerparlamentarische und parlamentarische Auseinandersetzungen in Verbindung bringen, um den sozialen Forderungen mehr Nachdruck und Durchsetzungskraft zu verschaffen. Das Berliner Abgeordnetenhaus muss wieder zu einer Bühne für die politischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der in Armut getriebenen und durch die Behörden bedrängten Menschen, für Beschäftigte im öffentlichen Dienst und im privaten Sektor, für Migrantinnen und Migranten, für Frauen, für Jugendliche, für Erwerbslose werden.

Soziale Opposition im Abgeordnetenhaus heißt für uns:

Wir wollen im Berliner Abgeordnetenhaus die für viele Menschen nicht durchschaubaren parlamentarischen Vorgänge verständlicher machen und in die Öffentlichkeit bringen.

Wir wollen im Berliner Abgeordnetenhaus die sozialen Initiativen, Verbände und Gewerkschaften stärker an den parlamentarischen Konflikten beteiligen.

Wir wollen im Berliner Abgeordnetenhaus Sprachrohr für außerparlamentarische Forderungen werden, diese Forderungen auf die parlamentarische Bühne heben und damit Öffentlichkeit für die Menschen herstellen, denen sonst nicht zugehört wird.

Wir wollen im Berliner Abgeordnetenhaus den parlamentarischen und außerparlamentarischen Druck für soziale Politik bündeln und dadurch wechselseitig verstärken.

Berlin braucht eine starke außerparlamentarische Opposition und eine starke WASG im Abgeordnetenhaus. Wir sehen uns dabei in gemeinsamer Verantwortung mit der bundesweiten Linken und als Bestandteil der weltweiten Proteste gegen den Neoliberalismus.

Schluss mit Sozialabbau und Privatisierungen! Wählen Sie am 17.9.2006 die WASG Berlin mit einer starken Fraktion für soziale Politik in das Abgeordnetenhaus!