FALZ (Hg.): Arbeitsdienst -
wieder salonfähig! Autoritärer Staat,
Arbeitszwang und Widerstand. Berlin 2005, 136 Seiten, 9 Euro,
ISBN:3-936065-57-8
„Meister, gib uns die Papiere,
Meister, gibt uns unser Geld,
denn das Stempeln ist uns lieber,
als das Schuften auf der Welt“
So lautete ein beliebter Gassenhauer, der Ende der 20er Jahre
vor Stempelstellen gesungen wurde. Wieder
ausgegraben hat ihn der
Erwerbslosenaktivist Harald Rein, der einen interessanten
Beitrag über den Widerstand von
Erwerbslosen im historischen Kontext geleistet hat.
Nachzulesen ist es in einem
kleinen Büchlein, dass vom Frankfurter
Arbeitslosenzentrum (FALZ) herausgegeben wurde und mehr
Beachtung verdient. Schon wegen Reins
Überblick über die Geschichte der Erwerbslosenproteste,
die auch in der linken Historienschreibung immer noch
gerne unter die Rubrik Geschichte der
Arbeiterbewegung subsumiert werden. Dabei war das
Verhältnis nie reibungslos, wie Rein an zahlreichen
Beispielen zeigt. So verschafften sich
Erwerbslose nach 1918 Gehör, in dem sie Arbeitslosenräte
gründeten, schon mal beim Betriebsrätekongress
intervenierten und auch Fabriken
besetzten, um auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen. Während
der Weltwirtschaftskrise am Ende der
Weimarer Republik ging es mehr um das
nackte Überleben. Zwangsräumungen von Erwerbslosen, die ihre
Miete nicht mehr zahlen konnten, wurden
verhindert. Zur Sicherstellung der Ernährung
wurde Brachland zu Ackerland umgewandelt. In Zeiten von
Hartz IV heißen solche Aktionsformen
Gardening und „Keine Zwangsräumung wegen Hartz“.
Die Aktualität ist gewünscht.
Denn die Autorinnen und Autoren sind alle in
der aktuellen Erwerbslosenbewegung aktiv und verstehen
ihr Büchlein als Denkanstoss für die
aktuelle Bewegung. Dabei macht Anne Allex deutlich,
dass Erwerbslosenproteste heute noch immer vor ähnlichen
Schwierigkeiten stehen, wie in der
Weimarer Zeit. „Es geht hauptsächlich darum,...die
wichtigsten Lebensinteressen Essen, Wohnen, Kleiden, zu
befriedigen“. Allex hält es für
wichtig lokale Zentren zu schaffen, wo sich die Betroffenen Rat
und Unterstützung holen können. Denn im Gegensatz zu den
20 und 30 er Jahren, ist ein
solidarisches Milieu vor den Stempelstellen und in den
Stadtteilen im Zeitalter von Ich-AGs und individueller
Fallmanager nicht mehr so ohne weiteres
vorhanden.
Anderseits gibt es bei den
staatlichen Maßnahmen erschreckende Parallelen,
die in dem Buch herausgearbeitet werden. Es sind die
verschiedenen Methoden, mit denen
Erwerbslose zur Annahme von Arbeiten mit geringsten Lohn
gezwungen werden sollen. So weist Martin Bongards darauf
hin, dass in Wirtschaftskreisen schon
offen über die Ausdehnung von Zivildienst auf
Erwerbslose nachgedacht wird. So schlägt der Nürnberger
Wirtschaftsprofessor Herman Scherl
vor: „Die Verteilung der zu gemeinnütziger Arbeit
heranzuziehenden Hilfeempfänger auf einzelne
Arbeitsgelegenheiten könnte durch
besondere lokale Agenturen erfolgen, die neben den bisherigen
Zivildienstplätzen noch über weitere Arbeitsgelegenheiten
verfügen sollen.“
Was Betroffene, die sich diesen
Zumutungen verweigern, droht zeigt Babara
Nohr an Hand von Justizentscheidungen. Die Gelder können bis auf
ein Minimum gekürzt werden. Nur
verhungern soll niemand müssen. „Den Sozialfall
unter Kontrolle halten“, heißt es im Amtsdeutsch.
Vielleicht kann das gut lesbare Büchlein
einige Handreichungen liefern, wie sich Betroffene den
Kontrollen entziehen oder diese doch wenigstens lockern
können.
Editorische Anmerkungen
Den Artikel
erhielten
wir vom Autor am 3.4.2006
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