WASG Landesparteitag Bayern
Die „Satzungsprobleme“ von Klaus Ernst, Fritz Schmalzbauer und der „exterritoriale“ Herr Stanicic


von Max Brym
04/06

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Am Samstag den 8. April fand der Landesparteitag der WASG-Bayern in Nürnberg statt. Der Termin war hauptsächlich deshalb angesetzt, um dem Landesverband Bayern nach zwei vergeblichen Anläufen endlich eine Satzung zu geben. Aber auch dieses mal wurde keine Satzung verabschiedet. Statt dessen gab es wüstes Durcheinander, viel Geschrei und offene Manipulation.  

Braucht Bayern einen „Landesrat“ und eine „Satzung“? 

Der Parteitag begann kurz nach 11 Uhr vormittags und endete gegen 20 Uhr. Die Hauptdebatte drehte sich um den von der Satzungskommision vorgelegten Satzungsentwurf, indem unter anderem ein „Bayern-Rat“ vorgesehen ist. Zuerst wollten die Gegner einer Landessatzung um Schmalzbauer und Ernst, die Diskussion auf die Frage konzentrieren, ob der Landesverband einen „Bayern-Rat“ braucht oder nicht. Fritz Schmalzbauer (Landesvorsitzender) und sein Mitvorsitzender Frank Firsching sprachen relativ wütend gegen den „Bayern-Rat“, weil der Landesverband „Effektivität benötige und keine zusätzlichen Gremien“. Vertreter der Satzungskommission und viele Delegierte wiesen sie allerdings darauf hin, dass eine funktionierende Organisation demokratische Kontrolle benötigt. Ein Delegierter griff den Landesvorstand direkt mit folgenden Worten an: „Ihr  wollt euer Alleinregententum, was sich nicht mit Demokratie verträgt, ungehindert fortsetzen.“ Die Stimmung gegen den Landesvorstand verschärfte sich noch, nachdem Klaus Ernst in die Bütt stieg. Ernst wollte den Delegierten suggerieren, wie überflüssig eine  Satzungsdebatte sei. Klaus Ernst erklärte: „Ich bin in eine politische Partei eingetreten und in keine Satzungspartei“. Ergo Klaus Ernst stört sich nicht sonderlich an der Tatsache, dass der Landesverband Bayern der WASG keine Landessatzung hat. Flapsig meinte Ernst zu der Angelegenheit im ERNST: „Die Satzung brauchen wir eh nur noch ein halbes Jahr“. Die Mehrheit der Delegierten lehnte solche Positionen ab und beschloß gegen die Initiative von Schmalzbauer und der bulligen Gestalt des Landessekretärs Bayern, Albert Locher, in die Satzungsdebatte einzusteigen. Nachdem die Diskussion immer deutlicher werden ließ,  dass es zu einer Satzung und zu einem Landesrat kommen würde, stellte Klaus Ernst fest, „man kann über die Sache nicht debattieren, denn den Delegierten liegen bestimmte Unterlagen nicht vor.“

Was war passiert? 

In der Tat, erst in der Nacht vor dem Landesparteitag wurde den meisten Delegierten die endgültige Zusammenstellung des Satzungsentwurfes per E-Mail zugesandt. Es wurde der Anschein erweckt, als ob dies das Versagen der „Satzungskommission“ gewesen sei. In Wahrheit befand sich das Material über eine Woche im Büro des Landessekretärs Albert Lochner. Albert Lochner hatte den traurigen Mut zuerst diesen „Fehler“ der Satzungskommission indirekt in die Schuhe zu schieben, indem er erklärte: „Die Unterlagen wurden durch mich umgehend an die Delegierten weitergeleitet.“ Nach einer persönlichen Erklärung des Mitglieds der Satzungskommission Peter Knappe aus Augsburg sprach Lochner von „Computerproblemen in seinem Büro“. Diese Erklärung von Lochner löste bei vielen Delegierten Wut und Empörung aus, denn Lochner sprach sich in der vorausgegangenen Diskussion gegen „diese Satzung“ aus. Die Manipulation des Parteitages durch den geschäftsführenden Landesvorstand und seines Sekretärs Lochner war deutlich. Es wurde im Vorfeld des Parteitages ein Sicherheitsventil gegen unangenehme Beschlüsse eingebaut. Die Delegierten erhielten kein vollständiges Material um im Notfall die Reißlinie gegen unangenehme Beschlüsse aus formalen Gründen ziehen zu können. Der Dieb schrie haltet den Dieb, oder wir können nichts beschließen, da Unterlagen fehlen. Für das Fehlen der Materialien wurde in weiser Voraussicht selbst gesorgt. Die Versammlung wurde mit diesem miesen Trick dazu genötigt festzustellen: „Wir können heute keine Satzung verabschieden“. Die Gegner einer demokratischen Satzung um Lochner und Ernst grinsten sich ins Fäustchen, die Satzungskommission legte mit scharfen persönlichen Erklärungen speziell gegen den Landessekretär ihr Mandat nieder und die Delegierten strömten ins Freie um Dampf und Wut abzulassen. Die vornehmste Bemerkung die zu hören war, war die: „Wenn die schon bescheißen, dann sollen sie es wenigstens geschickter anstellen und nicht so saudumm.“ Viele Delegierte hatten gegen 16 Uhr das Interesse am Landesparteitag verloren, sie blieben oft länger vor dem Tagungslokal sitzen, genossen die Sonne und einige gaben sich vor und in der Tagungsstätte dem Bierkonsum hin. Einige reisten auch bald nach 16 Uhr ab. 

Initiativantrag zu Berlin 

Dem Landesparteitag lag ein von 12 Delegierten unterschriebener Initiativantrag vor, der sich gegen jegliche administrative Maßnahmen gegen den Berliner Landesverband der WASG aussprach. In dem Antrag wurde die Linkspartei, PDS in Berlin als Problem für die Schaffung einer starken neuen Linken in Deutschland bezeichnet. Die Diskussion, die gegen 19 Uhr zu diesem Punkt begann, hatte es in sich. Der Nürnberger Kreisvorsitzende Harald Weinberg wetterte gegen „Sektierer“ und „Parteizerstörer“, die sich nun auch im „Lande Bayern“ breitmachten. Fritz Schmalzbauer sagte: „Wir haben keine administrativen Maßnahmen gegen die Berliner WASG-Spitze geplant, aber wir lassen uns von ein paar Sektierern nicht das Projekt einer bundesdeutschen Linkspartei kaputt machen“. Andere Redner aus dieser Ecke verwiesen auf das Papier, dass in Berlin vergangenen Donnerstag mit der Linkspartei verabschiedet wurde. Damit wollten sie suggerieren: „Die Kuh ist vom Eis“. In der aufgehitzten Atmosphäre gelang es den Initiatoren des Antrages nachzuweisen, „dass keinerlei Kuh vom Eis ist“. Arno Pfaffenberger aus Kulmbach sagte: „Es handelt sich um ein Papier mit einigen guten Stellen, aber das Kriterium für die Wahrheit liegt in der Realität. Die unsoziale Senatspolitik wird durch die Linkspartei fortgesetzt“. Ein anderer Debattenredner aus München informierte die Delegierten über den Landesparteitag der Linkspartei, der am Freitag den 7. April in Berlin stattfand. Den Versammelten wurde erläutert, dass die Linkspartei sich selbst und ihre Senatspolitik abfeierte, „den berüchtigten Harald Wolf“ zum Spitzenkandidaten nominierte und zu dem Papier vom Donnerstag keinen Beschluß fasste. Diese Argumente brachten einige Delegierte, die zuvor bei Schmalzbauer klatschten offenkundig ins Nachdenken. 

Fritz Schmalzbauer und der „exterritoriale“ Herr Stanicic aus Berlin 

In seinem zweiten Redebeitrag verstieg sich Schmalzbauer zu folgender Äußerung: „Ich habe es satt, dass der exterritoriale Herr Stanicic aus Berlin versucht in den Landesverband Bayern hineinzuregieren. Wir machen unsere Politik in Bayern schon selber“. Dieser Beitrag löste Verwirrung, Heiterkeit und Empörung  im Saal aus, denn der SAV-Bundessprecher Stanicic war nicht in Nürnberg zugegen. Aber Schmalzbauer beschwor den „bösen Geist des Berliners“ und erklärte damit de facto die Delegierten die für den Antrag waren „zu ferngesteuerten landfremden SAV Agenten“. Dagegen verwahrten sich einige Delegierte entschieden. Es wurde auch bemerkt, ob hier jemand die Politik von Franz Josef Strauß mit linker Schminke nach dem Motto “Wir in Bayern, die in Berlin“ wiederholen möchte. Geradezu grotesk wurde es, als ein relativ unbekannter Delegierter aus Nürnberg für den Antrag sprach. Sofort hagelte es Zwischenrufe wie „bist du aus Berlin“. Dies war offensichtlich die paradoxe Reaktion auf die Situation, dass der reale Stanicic nicht aufzufinden war. Allein schon der fränkische Dialekt des Redners hätte die Schmalzbauer Crew belehren müssen, dass es vernünftige Kräfte auch in Franken und Bayern gibt. Aber ab einem bestimmten Punkt gibt es keine Vernunft mehr. Nur dem Schreiber des Artikels der WASG und SAV Mitglied aus München ist, wurde ein eigener Kopf zugestanden, es hieß, „ du bist ein gelernter Sektierer und Profi“. Zu guter letzt wurde den Antragstellern von einem Landesvorstandsmitglied unterstellt, „ihr seid Schuld, dass wir immer noch keine Satzung haben, denn wir müssen uns zu stark mit euch beschäftigen“. Daraufhin riefen Delegierte ironisch „die sind auch für das Hochwasser verantwortlich und die SAV für den strengen Winter“.  

Abstimmung und Ende des Landesparteitages. 

Der Antrag wurde in der Abstimmung kurz vor 20 Uhr mit knapper Mehrheit abgelehnt. Viele Delegierte waren bereits abgereist und es gab überraschend viele Enthaltungen. Ein Antrag von Harald Weinberg gegen den Berliner Landesvorstand der WASG konnte nicht mehr abgestimmt werden, da die Versammlung um diese Uhrzeit im Flächenland Bayern nicht mehr beschlußfähig war. 

Resümee 

Der Landesvorstand der WASG Bayern bekommt zunehmend kalte Füße. Er muß Parteitage faktisch manipulieren um eine Satzung zu verhindern. Der Vorwurf des „Sektierertums“ hindert immer weniger Mitglieder und Delegierte daran ihre eigenen Positionen zu vertreten. Noch allerdings haben Schmalzbauer, Locher und Ernst die Mehrheit bestehend aus einer festen Seilschaft, die das nötige Sitzfleisch hat. Es besteht die Gefahr, dass diese Seilschaft mit ihren Methoden viele Mitglieder in die Resignation treibt. Dennoch zeigt der Parteitag eine relativ starke Opposition, die in Fragen der innerparteilichen Demokratie die Mehrheit  haben dürfte. Auch die sogenannten „Sektierer“ die „WASG Linke Bayern“ wird stärker, vor allem in der Oberpfalz und in Niederbayern.

Editorische Anmerkungen

Den Artikel erhielten wir vom Autor am 11.4.2006